Titel:
Beginn der Verjährung bei einem Anspruch auf Bauhandwerkersicherheit
Normenketten:
BGB § 199 Abs. 1, § 648a Abs. 1 S. 1 a.F.
BGB § 648a Abs. 1 S. 1 (idF bis zum 31.12.2017)
Leitsätze:
1. Die Verjährungsfrist eines Anspruchs gem. § 648a BGB (idF bis zum 31.12.2017) auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB am Schluss des Jahres, in dem der Auftragnehmer die Sicherheit verlangt. (Rn. 28 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wesentliche Teilleistungen aus einzelnen Leistungsphasen der HOAI, die aufgrund einer Planungsänderung nochmals erbracht werden mussten, sind zusätzlich zu vergüten. (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Architektenvergütung, Verjährungsbeginn, Bauhandwerkersicherheit, außerordentliche Kündigung, schlüssige Darlegung, Vergütung für wiederholte Teilleistungen
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 30.12.2022 – 2 O 15750/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 21.11.2024 – VII ZR 245/23
Fundstellen:
MDR 2024, 432
BauR 2024, 1826
ZfBR 2024, 318
LSK 2023, 40396
BeckRS 2023, 40396
Tenor
1) Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 30.12.2022, Az. 2 O 15750/21, aufgehoben.
Die Beklagten werden wie Gesamtschuldner verurteilt, der Klägerin für Honoraransprüche einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen der Klägerin aus dem Generalplanervertrag vom 12.10.2015 samt den Nachträgen 01 vom 26.10/01.12.2017 und 02 vom 16.05.2018 beim Bauvorhaben der Beklagten „Campus“ bzw. „M-S.“ in M. an der H.str./ G. Str. Sicherheit in Höhe von EUR 4.318.313,55 zu leisten nach ihrer Wahl durch
- Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren,
⎯ Verpfändung von Forderungen, die in das Bundesschuldbuch oder in das Landesschuldbuch eines Landes eingetragen sind,
⎯ Verpfändung beweglicher Sachen,
⎯ Bestellung von Schiffshypotheken an Schiffen oder Schiffsbauwerken, die in einem deutschen Schiffsregister oder Schiffsbauregister eingetragen sind,
⎯ Bestellung von Hypotheken an inländischen Grundstücken,
⎯ Verpfändung von Forderungen, für die eine Hypothek an einem inländischen Grundstück besteht, oder durch Verpfändung von Grundschulden oder Rentenschulden an inländischen Grundstücken, oder auch
⎯ eine Garantie oder ein sonstiges Zahlungsversprechen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder Kreditversicherers.
2) Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits.
3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung hinsichtlich der Hauptsacheentscheidung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des in Ziff. 1 ausgeurteilten Sicherungsbetrages und hinsichtlich der Kostenentscheidung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4) Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Stellung einer Sicherheit nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. für Honorar im Zusammenhang mit einem von der Beklagten zu 3) gekündigten Generalplanervertrag und dessen Nachträgen in Anspruch.
2
Die Beklagten zu 1) und zu 2) sind Eigentümer nebeneinander gelegener Grundstücke in Thalkirchen, München. Sie schlossen sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Beklagte zu 3) zusammen, die eine zeitgleiche, aufeinander bezogene Umnutzung und Umbebauung der beiden Grundstücke als Bauherrin in die Hand nahm.
3
Am 12.10.2015 schlossen die Parteien des Rechtsstreits einen Generalplanervertrag (nachfolgend abgekürzt: GVP) für die Baumaßnahme ab. Auftraggeber war die Beklagte zu 3). Die bestehenden Büro- und Gewerbegebäude sollten in zwei Wohngebäude für Studenten und Auszubildende sowie anteilige gewerbliche Nutzung umgebaut werden. Im Vertrag (K 3) war eine stufenweise Beauftragung mit vier Leistungsstufen vorgesehen, die jeweils einzeln und unabhängig voneinander abgerufen werden können sollten. Bei Abruf aller Leistungsstufen ergab sich ein mögliches Pauschalhonorar in Höhe von 3,24 Mio. €. Auch für Planänderungen und sich daraus ergebende Leistungsänderungen sah der Vertrag vergütungsrechtliche Regelungen in den Ziffern 4.7. und 4.8. vor. Am 12.10.2017 wurde das von der Klägerin geplante Studentenwohnheim genehmigt. Mit Nachtrag Nr. 01 vom 01.12.2017 (K 4) teilten die Parteien das ursprünglich einheitliche Bauvorhaben in Bauabschnitt I (Gebäude West) und Bauabschnitt II (Gebäude Ost). Mit Nachtrag Nr. 02 vom 16.05.2018 rief die Beklagte zu 3) die Leistungsstufen 2 (a), 3 (a), und 4 (a), bezogen auf das Gebäude West ab. Außerdem vereinbarten die Parteien in Ziff. 6 des Nachtrages zusätzliche Honoraransprüche (K 5) und waren sich einig, dass die Planung nunmehr auf die Errichtung eines Aparthotels bzw. Boardinghauses angepasst bzw. geändert werden sollte und dass es sich insoweit um eine „wesentliche Änderung“ im Sinne von Ziff. 4.8. des GVP handelt. In der Folge stritten die Parteien vermehrt über die von der Klägerin gestellten Abschlagsrechnungen und von ihr geltend gemachter Nachtragsforderungen. Am 15.10.2018 forderte die Klägerin von der Beklagten zu 3) die Stellung einer Sicherheit nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Höhe von insgesamt 1.443.590,21 €. Die Klägerin setzte hierfür eine Frist bis zum 29.10.2018 (K 6). Eine von Beklagtenseite mit Schreiben vom 26.10.2018 (K 25) geforderte Fristverlängerung zur Stellung der Sicherheit bis zum 05.11.2018 lehnte die Klägerin mit Schreiben vom 29.10.2018 (K 26) ab („Im Übrigen bleibt es bei den gesetzten Fristen“). Die Beklagte zu 3) stellte keine Sicherheit, sondern kündigte den Vertrag mit der Klägerin mit Schreiben vom 29.10.2018 fristlos aus wichtigem Grund (K 7). Die Klägerin ließ die Kündigung mit anwaltlichem Schreiben vom 31.10.2018 (K 8) zurückweisen, verwies gleichzeitig darauf, dass sie von einer freien Kündigung ausgehe und verlangte von der Beklagten zu 3) die Abnahme der erbrachten Leistungen bis 05.11.2018.
4
Die Beklagte zu 3) stellte beim Landgericht München I, Az. 8 O 17014/18, Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Herausgabe aller Pläne durch die Klägerin. Im Anschluss an die dortige mündliche Verhandlung vom 19.12.2018, die die Prozessvertreter auch zu Gesprächen nutzten, haben die Parteien den Rechtsstreit des einstweiligen Verfügungsverfahrens übereinstimmend für erledigt erklärt.
5
Unstreitig hat die Beklagtenseite bislang 1.765.703,73 € an die Klägerin bezahlt.
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Unter dem 14.06.2021 stellte die Klägerin Schlussrechnung (K 9), mit welcher sie für erbrachte Leistungen (5.033.730,73 € abzüglich der geleisteten Abschlagszahlungen in Höhe von 1.765.703,73 € =) 3.268.027,01 € sowie für nicht erbrachte Leistungen abzüglich ersparter Aufwendungen 657.512,58 € geltend machte, mithin insgesamt 3.925.739,59 € mit Zahlungsaufforderung bis 14.07.2021 begehrte.
7
Zeitgleich mit der Schlussrechnung forderte die Klägerin von der Beklagten erneut – und wiederum erfolglos – die Stellung einer Sicherheit bis zum 28.06.2021 für erbrachte Leistungen zuzüglich 10% für Nebenforderungen, mithin in Höhe eines Betrages von 3.594.000 € (K 14).
8
Die Klägerin meint zur wiederholten Abrechnung der Grundleistungen berechtigt zu sein, da sie nach der Umstellung der Planung von einem Studentenwohnheim auf ein Aparthotel sämtliche bereits vorher erbrachten Grundleistungen erneut habe erbringen müssen. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Herausgabe von Plänen sei eine Gesamteinigung angestrebt worden und somit sei über alle Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Vertragsverhältnis, mithin auch über einen Anspruch auf Sicherheit nach § 648a BGB a.F. verhandelt worden.
9
Die Beklagtenseite erhebt die Einrede der Verjährung (Bl. 67 d.A.) und meint hinsichtlich des Sicherungsverlangens nach § 648a BGB a.F. von einer taggenauen Berechnung der Verjährungsfrist ausgehen zu können. Inhaltlich sei nur über die Hauptansprüche der Parteien, insbesondere die Höhe einer möglichen Honorarforderung, die Herausgabe von Plänen und mögliche Schadensersatzansprüche gesprochen worden, aber nicht – getrennt davon – über Modalitäten einer Sicherheitenstellung.
10
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts München I vom 30.12.2022, Az. 2 O 15750/21, Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
11
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Anspruch der Klägerin auf Stellung einer Sicherheit nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. bereits vor Klageerhebung verjährt gewesen sei. Bei dem Anspruch nach § 648a BGB a.F. handle es sich um einen verhaltenen Anspruch, wie der BGH in seinem Urteil vom 25.03.2021, Az. VII ZR 94/20, Rn. 22 ff. festgestellt habe mit der Folge, dass der Lauf der Verjährungsfrist durch die erstmalige Geltendmachung durch den Gläubiger in Gang gesetzt werde. Für den Lauf der Verjährung sei nicht das Kalenderjahr, in dem der Anspruch geltend gemacht wurde, sondern taggenau der Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs bestimmend und von einer Gesamtanalogie zu den Vorschriften der §§ 604 Abs. 5, 695 Satz 2 und 696 Satz 3 BGB auszugehen. Die Regelung des § 199 Abs. 1 BGB finde auf verhaltene Ansprüche keine Anwendung. Der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes habe keine allgemeine Verjährungsregelung für verhaltene Ansprüche geschaffen, sondern im Hinblick auf deren Ausnahmecharakter den Verjährungsbeginn einzelner, von ihm als verhalten identifizierter Ansprüche einer gesonderten Regelung zugeführt. Zwar habe sich der BGH in der genannten Entscheidung nicht explizit zu der Frage geäußert, ob von einer taggenauen Berechnung des Verjährungslaufs auszugehen ist oder nicht, weil dies für die dortige Entscheidung nicht entscheidend gewesen sei. Hiervon sei jedoch auszugehen, abweichend von der Kommentierung in Retzlaff/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 650f. Rn. 14, der § 199 Abs. 1 BGB für anwendbar halte und dies aus der besagten BGHEntscheidung entnehmen will.
12
Der Sachvortrag der Klägerin zur Hemmung der Verjährung durch laufende Verhandlungen sei nicht ausreichend konkret, um für den streitgegenständlichen Anspruch von einem konkreten längeren Hemmungszeitraum ausgehen zu können. Allenfalls könne man von einem möglichen Verhandlungszeitraum von 3 Tagen zwischen dem 26.10.2018 und dem 29.10.2018 sowie einem weiteren Tag am 11.12.2018 ausgehen, so dass insgesamt allenfalls 4 Tage als Unterbrechung des Ablaufs der Verjährung gewertet werden könnten.
13
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufungsbegründung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Ansprüche in vollem Umfang weiterverfolgt. Die Klägerin ist der Meinung, dass der erstmalig am 15.10.2018 geltend gemachte Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit nach § 648a BGB a.F. nicht verjährt sei, da auch auf verhaltene Ansprüche die Regelung des § 199 Abs. 1 BGB Anwendung fände, so dass dessen Verjährung nicht vor dem 31.12.2021 eintreten konnte und durch die am 25.11.2021 rechtzeitig erhobene Klage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden sei. Davor sei die Verjährung bereits durch ein Anerkenntnis der Klageforderung seitens der Beklagten zu 3) am 26.10.2018 (Anlage K 23) sowie sich daran anschließende Verhandlungen zwischen den Parteien im Sinne des § 203 S.1 BGB gehemmt worden. Das Landgericht habe den Vortrag der Klägerin dazu sowie zum Zustandekommen einer Stundungsvereinbarung im Sinne des § 205 BGB unzutreffend bzw. unvollständig gewürdigt. Von der Klägerin angebotene Beweise seien nicht erhoben worden. Das Landgericht habe überspannte Anforderungen an den Verhandlungsbegriff des § 203 S. 1 BGB gestellt. Denn nach der Rechtsprechung des BGH genüge jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen. Dass beide Verhandlungspartner auch noch übereinstimmend von konkret zu verhandelnden Streitfragen im Sinne eines gemeinsamen „Verhandlungshorizonts“ ausgehen müssten, darauf komme es nach der Rechtsprechung des BGH gerade nicht an. Soweit im Vorprozess von den Parteien eine Gesamteinigung angestrebt und insoweit auch die Honorarfrage erörtert worden sei, sei von der Klägerin auch der Sicherungsanspruch angesprochen worden. Dies habe das Erstgericht im Tatbestand auf S. 6, 2. Absatz auch zutreffend festgestellt. Damit sei im Rahmen einer möglichen Honorarforderung der Klägerin auch der Sicherungsanspruch entweder ausdrücklich angesprochen oder jedenfalls implizit mitverhandelt worden, da eine etwaige Einigung in Bezug auf das ausstehende Honorar den Sicherungsanspruch erledigt haben würde. Keinesfalls aber sei der klägerische Anspruch auf Sicherheitsleistung in Gänze verjährt, allenfalls in Höhe des Sicherungsverlangens vom 15.10.2018. Die Klage stütze sich hinsichtlich der Sicherungshöhe weitgehend auf die mit Schlussrechnung vom 14.06.2021 ermittelte Vergütung für die erbrachten und die infolge der freien Auftraggeberkündigung nicht mehr erbrachten Leistungen über insgesamt 3.925.739,59 € zuzüglich 10% für Nebenforderungen daraus, mithin insgesamt 4.318.313,55 €. Hilfsweise macht die Klägerin eine Vergütung auf Mindestsatzbasis geltend, die über den genannten Betrag hinausginge. Auch die infolge der Kündigung nicht mehr erbrachten Leistungen seien zu vergüten, da kein wichtiger Grund für die seitens der Beklagten zu 3) erklärte Kündigung vorliege und es sich somit um eine freie Auftraggeberkündigung handle. Die insoweit ersparten Aufwendungen seien in Abzug gebracht worden. Weitergehende Ersparnisse lägen nicht vor. Anderweitigen Erwerb infolge der Kündigung habe die Klägerin nicht realisieren können.
14
Die Klägerin beantragt daher zuletzt (Bl. 6/7, Bd. II),
I. Das Urteil des Landgerichts München I vom 30.12.2022, Az. 2 O 15750/21 wird aufgehoben.
II. Die Beklagten werden wie Gesamtschuldner verurteilt, der Klägerin für Honoraransprüche einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen der Klägerin aus dem Generalplanervertrag vom 12.10.2015 samt den Nachträgen 01 vom 26.10/01.12.2017 und 02 vom 16.05.2018 beim Bauvorhaben der Beklagten „Campus“ bzw. „M-Suites“ in M. an der H.str./ G. Str. Sicherheit in Höhe von EUR 4.318.313,55 zu leisten nach ihrer Wahl durch
- Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren,
- Verpfändung von Forderungen, die in das Bundesschuldbuch oder in das Landesschuldbuch eines Landes eingetragen sind,
- Verpfändung beweglicher Sachen,
- Bestellung von Schiffshypotheken an Schiffen oder Schiffsbauwerken, die in einem deutschen Schiffsregister oder Schiffsbauregister eingetragen sind,
- Bestellung von Hypotheken an inländischen Grundstücken,
- Verpfändung von Forderungen, für die eine Hypothek an einem inländischen Grundstück besteht, oder durch Verpfändung von Grundschulden oder Rentenschulden an inländischen Grundstücken, oder auch⎯ eine Garantie oder ein sonstiges Zahlungsversprechen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder Kreditversicherers.
Die Sache wird zur weiteren Verhandlung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen.
15
Die Beklagten beantragen
Zurückweisung der Berufung der Klägerin (Bl. 39, Bd. II).
16
Sie verteidigen das Ersturteil. Das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts München I sei in der baurechtlichen Literatur auch auf breite Zustimmung gestoßen (vgl. z.B. Vogel IBR 2023, 2166, der in seiner Urteilsbesprechung zu folgendem Ergebnis gelangt: „Die Lösung des Landgerichts ist zutreffend (vgl. Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, Bauvertragsrecht, 4. Aufl., § 650f BGB, Rz. 48).“. Bei verhaltenen Ansprüchen trete die Verjährung taggenau ein. Daher sei die Verjährung spätestens zum 15.10.2021 eingetreten. Verjährungshemmende Tatsachen lägen nicht vor. Es habe zu keinem Zeitpunkt Verhandlungen und/oder Vereinbarungen der Parteien über Ansprüche der Klägerin, erst recht nicht über einen Anspruch der Klägerin auf Sicherheit gemäß § 650f BGB/ § 648a BGB a.F gegeben. Die diesbezüglichen Wertungen der Klägerin in ihrer Berufungsschrift stellten ein verzerrtes und falsches Bild ihres eigenen Sachvortrags dar. Spätestens mit der Vertragskündigung seitens der Beklagten am 29.10.2018 sei unmissverständlich klargestellt worden, dass nunmehr auch auf Beklagtenseite keine weitere Gesprächsbereitschaft mehr bestanden habe. Vielmehr hätten die Parteien schon den Beginn eines Meinungsaustausches wechselseitig von Bedingungen abhängig gemacht, die indes von der anderen Seite nicht akzeptiert worden seien, weshalb im Ergebnis somit gerade kein zweiseitiger Meinungsaustausch vorgelegen habe. Vielmehr habe sich das weitere Vorgehen sowohl der Klägerin als auch der Beklagten eindeutig und ausschließlich auf die Abwehr behaupteter gegnerischer Forderungen sowie die Durchsetzung eigener Ansprüche beschränkt und sei äußerst konfrontativ gewesen. Ein Sicherungsanspruch der Klägerin gemäß § 650 f BGB sei nachweislich der Prozessakte im einstweiligen Verfügungsverfahren zu keinem Zeitpunkt Verhandlungsgegenstand gewesen. Auch in der kurzen Unterredung vom 19.12.2018 in der Verhandlungspause des einstweiligen Verfügungsverfahrens über die Herausgabe der Pläne, die im Gang des Gerichtsgebäudes zwischen dem klägerischen Prozessbevollmächtigten Herrn Rechtsanwalt Dr. K. und dem Beklagtenvertreter Herrn Rechtsanwalt P. stattgefunden habe, sei der Sicherungsanspruch der Klägerin nach § 650 f BGB kein Gesprächsinhalt gewesen und nicht einmal erwähnt worden. Tatsächlich sei zwischen den Parteivertretern dort ausschließlich allgemein darüber gesprochen worden, ob eine Möglichkeit bestünde, weitere Prozesse zwischen den Parteien zu vermeiden. Es habe Einigkeit darüber bestanden, dass dies erst dann beurteilt werden könne, wenn die konkreten Forderungen der Parteien „auf dem Tisch“ lägen, d.h. insbesondere die Schlussrechnung der Klägerin gestellt sei. Dies war dann indes erst Jahre später der Fall, wobei die Schlussrechnung dann sach- und rechtsgrundlos derart überhöht gewesen sei und für die bereits mit den Abschlagsrechnungen in Rechnung gestellten Leistungen ein Vielfaches beansprucht worden sei, so dass dies von vorneherein einer Aufnahme von Gesprächen die Grundlage entzogen hätte. Auch in der Unterredung von Rechtsanwalt P. mit dem Klägervertreter im Gang des Gerichtsgebäudes sei nach der eigenen Wiedergabe des Gesprächs im internen Vermerk des Klägervertreters (Anlage K 29) der Beginn möglicher Gespräche wechselseitig von Bedingungen und Voraussetzungen abhängig gemacht worden, die zum damaligen Zeitpunkt nicht vorgelegen hätten und auch im Nachgang nicht eingetreten seien.
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Der Anspruch sei auch inhaltlich unbegründet. Eine nach Ziffer 4.7 des Generalplanervertrags vom 12.10.2015 vorgesehene schriftliche Auftragserteilung liege bezüglich der Änderung der Nutzung als Aparthotel/ Boardinghouse nicht vor. Ein nicht unerheblicher Teil der seitens der Klägerin für das vormals geplante Studentenwohnheim erbrachten Planungsleistungen hätte im Rahmen der Planungen für das Aparthotel/ Boardinghouse nicht vollumfänglich neu erbracht werden müssen, sondern hätte kaum oder unverändert übernommen werden können. Dies insbesondere, da die Planungen für dasselbe Bestandsgebäude erfolgten. Somit seien hier nur geringfügige zusätzliche Leistungen im Zusammenhang einer Hybrid-Planung in Auftrag gegeben worden, die nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen nach Stunden abzurechnen waren und bereits vollständig vergütet worden seien (ca. 88.000 € statt geltend gemachter über 2,0 Mio. €). Der Anspruch sei in voller Höhe verjährt. Denn es sei offensichtlich, dass sich die Verjährung eines Anspruchs nicht dadurch beseitigen lasse, indem ein und derselbe Anspruch in einem neuen, nochmals überzogenen Gewand präsentiert wird, ohne dass sich an den tatsächlichen Grundlagen des Anspruchs irgendetwas geändert hätte. Bezugnehmend auf mehrere Gutachten ihres Privatsachverständigen Peine (Anlagen B8, B 23 und B24) halten die Beklagten ein zusätzliches Honorar der Klägerin allenfalls in einem Bereich von ca. 6.000 € für denkbar.
18
Erstmals im Berufungsverfahren rügten die Beklagten nach Ablauf der Berufungserwiderungsfrist mit Schriftsätzen vom 13.11.2023 (Bl. 88 ff., Bd. II) und 16.11.2023 (Bl. 138 ff., Bd. II) die Aktivlegitimation der Klägerin und behaupten, dass, wie sie erst jetzt festgestellt hätten, Vertragspartnerin der Beklagten ausschließlich und allein die Fa. B. Architekten GmbH gewesen sei, bei der er sich um eine eigene im Handelsregister des Amtsgerichts Traunstein eingetragene Gesellschaft handle, die nicht mit der Klägerin identisch sei. Die Klägerin hat hierzu im Einzelnen mit Schriftsatz vom 15.11.2023 (Bl. 122 ff., Bd. II) Stellung genommen.
19
Der Senat hat am 10.10.2023 und am 21.11.2023 mit den Parteien verhandelt und sich – auf ausdrücklichen Wunsch der Parteien – um eine gütliche Streitbeilegung bezüglich der hier streitgegenständlichen Sicherheit und sogar der gesamten Honorarfrage bemüht, was jedoch nicht gelungen ist, weil der Geschäftsführer der Beklagten, Herr G., dessen persönliches Erscheinen zum Fortsetzungstermin angeordnet worden war, letztlich doch nicht zu Vergleichsgesprächen bereit war, was er durch sein unentschuldigtes Nichterscheinen zum Fortsetzungstermin sinnfällig unterstrich. Hinsichtlich des Ergebnisses der Verhandlungen wird Bezug genommen auf die Protokolle vom 10.10.2023 (Bl. 61/63 d.A., Bd. II) und vom 21.11.2023 (Bl. 153/157 d.A., Bd. II).
20
Im Übrigen wird auf die von den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
21
Die zulässige Berufung der Klägerin ist vollumfänglich begründet. Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten einen Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit gemäß § 648a BGB a.F. in der geltend gemachten Höhe. Der Anspruch ist auch nicht verjährt.
22
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für bis zum 31.12.2017 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1, § 39 EGBGB.
1. Aktivlegitimation der Klägerin
23
Die Klägerin ist zweifelsohne aktivlegitimiert für den geltend gemachten Anspruch.
24
Mit für das Berufungsgericht bindender Wirkung (§§ 314, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) hat das Erstgericht im Tatbestand (LGU S. 2/3) festgestellt, dass „die Parteien des Rechtsstreits“ den streitgegenständlichen GVP vom 12.10.2015 abgeschlossen haben, ebenso den Nachtrag Nr. 01 vom 01.12.2017 und den Nachtrag Nr. 02 vom 16.05.2018. Gegen diese Feststellungen hat keine der Parteien einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO gestellt.
25
Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Feststellungen wurden von den Beklagten nicht dargetan. Soweit sie erstmals mit Schriftsätzen vom 13.11. und 16.11.2023 die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten haben, handelt es sich um ein ersichtlich verspätetes, neues Angriffs- und Verteidigungsmittel, das schon nicht innerhalb der gesetzten Berufungserwiderungsfrist vorgebracht wurde, weshalb dieses nach §§ 530, 296 Abs. 1 und 4 ZPO verspätet und präkludiert ist. Zudem beruht die unterbliebene Geltendmachung in der ersten Instanz offenkundig auf Nachlässigkeit der Beklagten, § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO, und ist mithin auch aus diesem Grund präkludiert. Denn weshalb die Beklagten gehindert gewesen sein sollten, diesen Einwand bereits in erster Instanz vorzubringen, erschließt sich dem Senat nicht. Selbstverständlich ist der Hinweis darauf, dass die Beklagten aufgrund der Recherche der Klägerin zu den aktuellen Vertretungsverhältnissen und dem Sitz der Beklagten (die tatsächlich neue Erkenntnisse erbracht hatten, die von den Beklagten bislang nicht offengelegt worden waren, vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 12.10.2023, S. 6 ff., Bl. 69 ff., Bd. II) erstmals auf den Gedanken gekommen seien, die Aktivlegitimation der Klägerin näher zu beleuchten, nicht zu deren Entlastung geeignet. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte zu 3) ihre Kündigung vom 29.10.2018 an beide von ihr nun als Vertragspartner ins Spiel gebrachten Firmen der Klägerin adressiert hat, mithin offensichtlich schon zu diesem Zeitpunkt beide Firmen im Auge hatte.
26
Selbst wenn man den verspäteten Vortrag zulassen würde, hat der Senat nicht den geringsten Zweifel daran, dass nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien Vertragspartnerin der Beklagten die Klägerin sein sollte und geworden ist. Die Klägerin hat das Vertragsangebot abgegeben (Anlage BK 9) und ist auch ausdrücklich mit der vollen Rubrumsbezeichnung in den beiden Nachträgen genannt. Auch im Schiedsgutachtervertrag (BK 8) sind die Parteien des Berufungsrechtsstreits als solche aufgeführt. Soweit im Schriftverkehr zwischen den Parteien auf Seiten der Klägerin gelegentlich die Bezeichnung „B. Architekten GmbH“ verwendet wurde, sollte damit nicht eine andere Gesellschaft als Vertragspartner agieren, sondern diese Bezeichnung wurde lediglich als Kurzbezeichnung für die Klägerin verwendet. Dies war auch den Beklagten zu jederzeit bewusst. Der Einwand fehlender Aktivlegitimation der Klägerin ist daher unbeachtlich.
27
Nur der Vollständigkeit halber sei daher noch hinzugefügt: Die Frage der Aktivlegitimation ist, anders als die der Prozessführungsbefugnis, nicht von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Prozessführungsbefugnis ist das Recht, einen Prozess als die richtige Partei im eigenen Namen zu führen (Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 44. Aufl. 2023, § 51 Rn. 19 ff.). An der Prozessführungsbefugnis der Klägerin besteht auf der Grundlage ihres Vortrages kein Zweifel, ob ihr das behauptete Recht zusteht, ist eine Frage der Begründetheit.
28
Entgegen der Rechtsmeinung des Erstgerichts ist der geltend gemachte Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB a.F., bei dem es sich um einen sog. verhaltenen Anspruch handelt, nicht verjährt, da für die Berechnung der Verjährungsfrist nicht taggenau auf den Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung des Sicherungsverlangens abzustellen ist, sondern diesbezüglich die Regelung des § 199 Abs. 1 BGB Anwendung findet, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, (erst) mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, beginnt.
29
a) Das Ersturteil weicht insoweit von obergerichtlichen Entscheidungen ab, in denen (zutreffend) davon ausgegangen wird, dass die Vorschrift des § 199 Abs. 1 BGB bei einem Anspruch nach § 648a BGB a.F. nicht verdrängt wird, sondern zur Anwendung kommt (vgl. OLG Köln, Urteil vom 17.06.2020 – 11 U 186/19 = BauR 2020, 1952 = NJW-Spezial 2020, 460: Der Anspruch des Auftragnehmers auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit entsteht erst mit dem Sicherungsverlangen und nicht schon mit Abschluss des Bauvertrags. Demzufolge beginnt die Verjährung des Anspruchs erst am Schluss desjenigen Jahres, in dem der Auftragnehmer die Sicherheit tatsächlich verlangt.). Auch in anderen obergerichtlichen Entscheidungen, in denen es um andere verhaltene Ansprüche, wie z.B. § 666 Alt. 2 BGB (Auskunftserteilung auf Verlangen) geht, in denen ebenfalls der Verjährungsbeginn nicht ausdrücklich im Gesetz abweichend von § 199 Abs. 1 BGB geregelt ist, geht die obergerichtliche Rechtsprechung ganz selbstverständlich von der Anwendung des § 199 Abs. 1 BGB aus (BGH, Urteil vom 1.12.2011 – III ZR 71/11, NJW 2012, 917 Rn. 12; OLG Hamm, Urteil vom 5.4.2016 – I – 4 U 36/15, juris Rn. 56 f. = BeckRS 2016, 9847; OLG Köln, Urteil vom 23.8.2013 – I – 6 U 27/13, juris Rn. 41).
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b) Das Erstgericht bleibt eine nachvollziehbare Begründung, weshalb zwingend von einer taggenauen Berechnung der Verjährungsfrist bei § 648 BGB a.F. auszugehen ist und § 199 Abs. 1 BGB keine Anwendung finden soll, schuldig. Die streitentscheidende Frage, ob auf sog. verhaltene Ansprüche die Regelung des § 199 Abs. 1 BGB anwendbar ist oder sich die Verjährungsfrist taggenau ab Geltendmachung berechnet, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt für den Anspruch aus § 648a BGB a.F. bzw. § 650f BGB. Ganz überwiegend wird in Rechtsprechung und Literatur – wie oben dargestellt – von einer Anwendung des § 199 Abs. 1 BGB ausgegangen. Bei der vom Landgericht vertretenen Auffassung handelt es sich um eine Mindermeinung (vgl. Budzikiewicz, in: HK-BGB, § 199 Rn. 32f; Grüneberg/ Ellenberger, BGB, 82. Aufl. 2023, § 199 Rn. 1, 8; Schmitz, ibronlineKommentar Bauvertragsrecht, § 650f BGB Bauhandwerkersicherung, Rz. 48; Vogel IBR 2023,131 und 2166). Diese hält jedoch einer kritischen Prüfung nicht stand und kann sich auch nicht auf das Grundsatzurteil des BGH vom 25.03.2021 – VII ZR 94/20 = NJW 2021, 2112 berufen. Denn dort hat der VII. Senat des BGH lediglich entschieden, dass die Verjährung des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB a.F. (jetzt § 650f BGB) nicht vor dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit zu laufen beginnt und dieser Anspruch als sog. „verhaltener“ Anspruch zu qualifizieren ist, jedoch ausdrücklich die Frage offengelassen, ob sich die Verjährungsfrist taggenau oder nach § 199 Abs. 1 BGB berechnet, da dies für den dort entschiedenen Fall nicht streitentscheidend war (BGH, aaO, Rn. 27).
31
c) Das Landgericht stellt vom Ausgangspunkt her zutreffend fest, dass sich der BGH im Urteil vom 25.03.2021 zur vorliegenden Streitfrage (taggenaue Berechnung der Verjährungsfrist oder Anwendung des § 199 Abs. 1 BGB) explizit nicht geäußert hat, was demgegenüber die Beklagten grundsätzlich verkennen, wenn sie ständig wiederholen, der BGH sei in dieser Entscheidung von der taggenauen Berechnung der Verjährungsfrist bei § 648a BGB a.F. ausgegangen. Dies ist unzutreffend und beruht auf einer unzulässigen Gleichsetzung einer Qualifizierung eines Anspruchs als „verhalten“ und einer sich daraus angeblich ergebenden taggenauen Berechnung der Verjährungsfrist. Dieser Schluss ist aber weder zwingend noch zutreffend, weil sich eine taggenaue Berechnung der Verjährungsfrist nur in den vom Gesetzgeber angeordneten Ausnahmefällen zu § 199 Abs. 1 BGB ergibt, im Übrigen aber § 199 Abs. 1 BGB gilt.
32
d) Dies lässt sich bereits dem Wortlaut und der vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Gesetzessystematik entnehmen, wonach nur in den vom Gesetzgeber ausdrücklich geregelten Fällen abweichend von § 199 Abs. 1 BGB eine taggenaue Berechnung der Verjährungsfrist in Betracht kommt, es aber ansonsten bei der Regelung des § 199 Abs. 1 BGB verbleiben soll, die vom Gesetzgeber gerade als allgemeine Auffangregelung für alle sonstigen, nicht ausdrücklich anders geregelten Fällen geschaffen wurde. Da der Gesetzgeber bei § 648a BGB a.F. bzw. § 650f BGB gerade nicht ausdrücklich angeordnet hat, dass die Verjährungsfrist bereits mit erstmaliger Geltendmachung des Sicherungsverlangens taggenau zu laufen beginnt, verbleibt es bei der Geltung der allgemeinen Auffangregelung des § 199 Abs. 1 BGB. Da die Anwendung des § 199 Abs. 1 BGB zudem zu keinem unangemessenen Ergebnis führt und insbesondere kein Bedürfnis nach einer noch kürzeren Verjährungsfrist, als sie § 199 Abs. 1 BGB vorsieht, besteht, ist von der Anwendung dieser Vorschrift auszugehen.
33
e) Selbst wenn der Gesetzgeber von der Vorstellung geleitet gewesen sein sollte, dass bei verhaltenen Ansprüchen generell eine taggenaue Berechnung der Verjährungsfrist angezeigt wäre, hätte er dies in der von ihm schließlich getroffenen Regelung nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht, sondern vielmehr für den Rechtsanwender den Eindruck erweckt, dass es für die Berechnung der Verjährungsfrist bei allen von ihm nicht ausdrücklich abweichend von § 199 Abs. 1 BGB geregelten Fällen – und somit auch bei allen übrigen verhaltenen Ansprüchen – bei der gesetzlichen Regelung des § 199 Abs. 1 BGB sein Bewenden hat. Denn wenn der Gesetzgeber wirklich gewollt hätte, dass bei verhaltenen Ansprüchen generell eine taggenaue Berechnung zu erfolgen hat, hätte er dies als allgemeine Regelung im Gesetz ausdrücklich regeln können und auch müssen, z.B. mit der Formulierung: „Bei verhaltenen Ansprüchen beginnt abweichend von § 199 Abs. 1 BGB die Verjährung taggenau mit der erstmaligen Geltendmachung des Anspruchs“. Da eine solche Formulierung aber im Gesetz fehlt, scheint der Wille des Gesetzgebers letztlich doch nicht dahin zu gehen, dass bei verhaltenen Ansprüchen generell eine taggenaue Berechnung der Verjährungsfrist zur Anwendung kommen soll, sondern eben nur in den ausdrücklich von ihm geregelten Fällen verhaltener Ansprüche, da er nur in diesen Fällen überhaupt einen Regelungsbedarf erkannt hat und ihm in allen übrigen Fällen die gesetzlich vorgesehene Anwendung des § 199 Abs. 1 BGB offenbar nicht als unangemessene Rechtsfolge erschienen ist. Jedenfalls ist es im Rahmen der Gesetzesauslegung nicht möglich, unter Verweis auf einen etwaigen, verborgen gebliebenen, subjektiven Willen des Gesetzgebers sich soweit vom Regelungsgehalt einer Vorschrift zu entfernen, dass diese in ihr Gegenteil verkehrt wird.
34
f) Für die behauptete doppelte Analogie zu einzelnen, vom Gesetzgeber als „verhalten“ identifizierter Ansprüche aus dem Leih- und Verwahrungsvertragsrecht (§§ 604 III, 695 S. 1 und 696 S. 3 BGB) fehlt es bereits an einer Regelungslücke sowie an einer vergleichbaren Interessenlage. Das Landgericht unterstellt dem Gesetzgeber zunächst, er habe bei der Einführung und Neufassung des § 648a BGB (und nochmals bei der Einführung von § 650f BGB) nicht erkannt, dass es sich hierbei um einen verhaltenen Anspruch handele. Es unterstellt darüber hinaus, dass der Gesetzgeber dann, wenn er zu dieser Erkenntnis gekommen wäre, als Ausnahme zur Regel des § 199 Abs. 1 BGB eine besondere Regelung zum Beginn des Verjährungslaufs des dortigen Anspruchs in der Weise getroffen hätte, dass es – ebenso wie für die Regelungen in §§ 604 Abs. 5, 695 S.2, 696 S. 3 BGB – für den Beginn des Verjährungslaufs auf den Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung des Sicherheitsverlangens ankomme. Beide vom Landgericht an den Gesetzgeber adressierten Unterstellungen sind gleichermaßen unberechtigt. Es gibt keinen greifbaren Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber verkannt haben soll, dass es sich bei dem Anspruch des Unternehmers aus § 648a BGB a. F./ § 650f BGB um einen verhaltenen Anspruch handelt, zu dessen Entstehung und Fälligkeit tatbestandlich seine Geltendmachung erforderlich ist. Hingegen hat der Gesetzgeber nachweislich keinen Zweifel daran gelassen, dass dann, wenn kein anderer Verjährungsbeginn durch ihn positiv bestimmt wurde, die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden bzw. fällig geworden ist.
35
g) Mit der Neufassung des § 199 Abs. 1 BGB wollte der Gesetzgeber – u. a. in Fällen wie dem vorliegenden – im Zuge der Schuldrechtsreform die Unsicherheit bei der Voraussehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen beseitigen. Das war und ist der Zweck des § 199 Abs. 1 BGB. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sollte durch die einfache, auf den Schluss eines Kalenderjahres bezogene, einheitliche Feststellung des Verjährungseintritts Klarheit und Vorhersehbarkeit geschaffen werden. Ausnahmen vom Grundsatz des § 199 Abs. 1 BGB gerade durch Richterrecht sind daher nicht zuzulassen, da solchen durch Richterrecht geschaffenen Ausnahmen sowohl die vom Gesetzgeber gewählte Gesetzessystematik als auch die Grundsätze der Rechtssicherheit und – klarheit entgegenstehen. Gerade letztgenanntem Grundsatz kommt vorliegend bei der Verjährung von Ansprüchen besondere Bedeutung zu, da sich für den Rechtsanwender ohne weiteres durch einen einfachen Blick ins Gesetz ergeben muss, welche Verjährungsfrist hinsichtlich des in Betracht kommenden Anspruchs zur Anwendung kommt und wie diese grundsätzlich zu berechnen ist. Soll sich dies erst durch einen Rückgriff auf eine im Gesetz nicht geregelte „doppelte Analogie“ oder „Gesamtanalogie“ ergeben, fehlt es an jeglicher Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit für den einem solchen Recht unterworfenen Rechtsanwender. Für eine Erweiterung expliziter Ausnahmeregelungen durch demnach ungerechtfertigte „Gesamtanalogien“ auf Basis unzutreffender Unterstellungen gegenüber dem Gesetzgeber ist daher kein Raum. Bei den Vorschriften der §§ 604 Abs. 5, 695 S. 2 und 696 S. 3 BGB handelt es sich um Ausnahmevorschriften, welche die allgemeine Vorschrift zur „Ultimo Verjährung“ in § 199 Abs. 1 BGB modifizieren. Ausnahmevorschriften sind jedoch nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich nicht analogiefähig (vgl. Mundt in: Beckonline.GROSSKOMMENTAR, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/ Lorenz/Reymann, Stand: 01.04.2023, § 650f BGB, Rn. 107 m.w.N.).
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h) Das Landgericht hat nach Auffassung des Senats daher contra legem entschieden. Es gibt keine Rechtfertigung für eine Abweichung von § 199 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall. Denn bei Erlass des Forderungssicherungsgesetzes vom 23.10.2008, mit dem § 648a BGB mit Wirkung zum 01.01.2009 grundlegend durch Änderung der Abs. 1, 5 und 6 umgestaltet und mit dem erstmals ein Anspruch auf die Sicherheit geschaffen wurde, war § 199 BGB bereits seit 01.01.2000 in Kraft. Bis zur Neufassung des § 650f BGB mit Wirkung zum 01.01.2018 gab es zur Frage der Verjährung des Anspruchs aus § 648a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. und deren Beginn eine Vielzahl von Publikationen. So schrieb u. a. Schulze-Hagen bereits in BauR 2010, 354 ff. zum Thema „Verjährung des Anspruchs aus § 648a BGB“: „Der Anspruch auf Stellung einer Sicherheitsleistung unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beträgt die Verjährung drei Jahre, beginnend zum Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Unternehmer Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt hat. Der Anspruch kann zwar ab Vertragsschluss geltend gemacht werden. Daraus allein ist aber nicht zu folgern, dass für den Verjährungsbeginn in jedem Fall auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist. Der Anspruch des Unternehmers aus § 648a Abs. 1 BGB hat nämlich die Besonderheit, dass der Gläubiger – also der Unternehmer – jederzeit die Leistung fordern kann, der Schuldner jedoch nicht von sich aus leisten darf. Das zeigt sich an der Kostentragungsregelung des § 648a Abs. 3 Satz 1 BGB, wonach der Unternehmer dem Besteller die üblichen Kosten der Sicherheitsleistung bis zu einem Höchstsatz von 2% für das Jahr zu erstatten hat. Könnte der Besteller jederzeit die Sicherheit stellen, könnte er ohne Aufforderung dem Unternehmer eine Kostenlast aufdrängen. Bei dem Anspruch auf Stellung einer Sicherheit handelt es sich daher um einen verhaltenen Anspruch, bei dem der Verjährungsbeginn von der Geltendmachung abhängt. Da diese Rechtsfrage jedoch nicht geklärt ist, sollte der anwaltliche Berater den sichersten Weg wählen und für den Verjährungsbeginn auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abstellen. Ohnehin ist eine frühzeitige Geltendmachung des Anspruchs auf Sicherheit durch den Unternehmer zu empfehlen.“
37
i) Dies entspricht im Wesentlichen auch heute noch der herrschenden Meinung. In seinem Urteil vom 25.03.2021 – VII ZR 94/20 hat der BGH festgestellt, dass es sich beim Anspruch auf Stellung einer Sicherheit um einen verhaltenen Anspruch handelt, bei dem der Verjährungsbeginn von seiner Geltendmachung abhängt. Dieser Grundsatz ist dahin zu ergänzen, dass gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB die Verjährung dieses verhaltenen Anspruchs drei Jahre beträgt und mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch durch seine Geltendmachung entstanden bzw. fällig geworden ist. Davon ging bei der Neufassung des § 648a BGB a.F. und des § 650f BGB auch der Gesetzgeber aus, da er in Kenntnis der bis dahin dazu veröffentlichten Rechtsprechung und Literatur zur Überzeugung des Senats andernfalls dort eine Ausnahme von § 199 Abs. 1 BGB bestimmt hätte – und nach der Systematik des Rechts der Verjährung nach der Schuldrechtsreform auch hätte bestimmen müssen. Eine weitere Verkürzung der Verjährung durch Richterrecht ist weder zulässig noch geboten.
3. Etwaige Hemmung der Verjährung
38
Die Frage des konkreten Verjährungsbeginns war vorliegend entscheidungserheblich und konnte nicht dahinstehen, da Hemmungstatbestände, die zur rechtzeitigen Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung hätten führen können, vorliegend auch nach Auffassung des Senats nicht gegeben sind.
39
a) Das Landgericht hat zu Recht einen relevanten Hemmungstatbestand nach § 203 BGB im Hinblick auf den streitgegenständlichen Anspruch aus § 648a BGB a.F. abgelehnt. Es fehlt bereits an einem hinreichend konkreten Sachvortrag der Klägerin, wonach über den Anspruch aus § 648a BGB a.F. ernsthaft verhandelt worden sei, nachdem die Parteien schon nicht über die zugrundeliegende Honorarfrage in ernsthafte Vergleichsverhandlungen eingetreten sind, sondern den Beginn solcher Verhandlungen wechselseitig von diversen Vorbedingungen abhängig gemacht haben, die entweder überhaupt nie oder erst zu einem viel späteren Zeitpunkt eingetreten sind. So sollte für eine Verhandlung über die Höhe der klägerischen Honorarforderung erst die Stellung einer Schlussrechnung durch die Klägerin abgewartet werden, die über zwei Jahre später erst gestellt wurde. Es erscheint fernliegend, das bloße In-Aussichtstellen von später unter Umständen möglichen Vergleichsgesprächen bereits als ein Verhandeln über den Honoraranspruch anzusehen, da es an einer festen verbindlichen Zusage fehlt, sich auf ernsthafte Verhandlungen tatsächlich einzulassen. Vielmehr handelt es sich um bloße Absichtsbekundungen für eine gewisse künftige Verhandlungsbereitschaft.
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Soweit im Vorprozess zur Herausgabe von Plänen eruiert wurde, inwieweit eventuell eine Gesamteinigung in Betracht kommen könnte, betraf dies nur die Honorarfrage, die Herausgabe von Plänen und Gegenansprüche der Beklagten. Über die Stellung einer Sicherheit nach § 648a BGB a.F. ist dabei nicht explizit gesprochen worden. Dadurch dass die Vergütungsfrage angesprochen und eine Gesamteinigung kurzzeitig in Erwägung gezogen wurde, haben die Parteien nicht zwingend auch den streitgegenständlichen Anspruch auf Stellung einer Sicherheit in den Blick genommen. Selbst wenn man für ein Verhandeln über die Stellung einer Sicherheit nach § 648a BGB a.F. ausreichen lassen würde, dass gesondert über die Höhe des zu sichernden Honoraranspruchs selbst verhandelt wird, da sich Verhandlungen auf alle Ansprüche erstrecken, die sich aus dem Lebenssachverhalt ergeben (Grüneberg/ Grüneberg, aaO, § 203 Rn. 3; BGH BeckRS 2014, 13046, Rn. 12), lag aus den o.g. Gründen auch noch kein Verhandeln über die Honorarhöhe im Sinn von § 203 BGB vor. Vor allem hat die Klägerin selbst jegliche Fristverlängerung hinsichtlich der Stellung einer Sicherheit gegenüber den Beklagten abgelehnt, und somit ebenso wie die Beklagten später mit ihrer Kündigung aus wichtigem Grund die Tür für ein Verhandeln über den Honoraranspruch bzw. die Stellung einer Sicherheit hierfür zugeschlagen und somit etwaige zuvor angebahnte Verhandlungen beendet. Keinesfalls dauerten die Verhandlungen, wie die Klägerin meint, 54 Tage bis zur Klageerhebung an.
41
b) Die Verjährung des klägerischen Anspruchs auf Sicherheitsleistung war auch nicht gemäß § 205 BGB gehemmt. Es lag keine ausdrückliche oder konkludente Stundungsvereinbarung vor. Die Klägerin hat den Beklagten nicht rechtsverbindlich zugesichert, mit der Geltendmachung der Sicherheitsleistung bis zur Vorlage der endgültigen Schlussrechnung, auf deren Grundlage über alle Streitfragen eine außergerichtliche Einigung angestrebt werden sollte, zu warten. Insoweit fehlt es schon an einem substantiierten Vortrag der Klägerin.
42
c) Von einem Anerkenntnis des Anspruchs auf Stellung einer Sicherheit nach § 648a BGB a.F. durch die Beklagten ist angesichts der völlig differierenden Meinungen der Parteien zur Honorarhöhe nicht auszugehen. Die allgemeine geäußerte Vorstellung der Beklagten, dass für den Fall, dass weitere noch offene Honoraransprüche bestehen sollten, auch ein Anspruch auf eine Sicherheit bestehe, genügt für ein Anerkenntnis i.S.d. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB mangels ausreichender Konkretisierung des Anspruchs und der rein theoretischen Überlegungen nicht.
4. Grund und Höhe des Anspruchs:
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Die Klägerin, die als Architektin in den personellen Anwendungsbereich der Vorschrift fällt, hat gegenüber den Beklagten einen Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung gemäß § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in der geltend gemachten Höhe von 4.318.313,55 €. Sowohl zum Anspruchsgrund als auch zur Anspruchshöhe hat die Klägerin schlüssig vorgetragen, ein Anspruchsgrund besteht auch. Hinsichtlich der Anspruchshöhe folgt der Senat in allen Punkten der übersichtlich dargestellten, von dem Honorarsachverständigen Architekt Dipl. Ing. Werner Seifert (vgl. dessen Bestätigung Anlage K 10) ausgearbeiteten und von der Klägerin überzeugend erläuterten Schlussrechnung vom 14.06.2021 (Anlage K 9).
44
a) Insoweit legt der Senat legt seiner Entscheidung folgende Rechtssätze zugrunde:
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Das Gesetz gewährt dem Unternehmer einen Anspruch in Höhe der vereinbarten und noch nicht gezahlten Vergütung. Will der Unternehmer eine Sicherheit für die vereinbarte Vergütung, muss er diese schlüssig darlegen. Das gilt auch für die ihm nach einer Kündigung zustehende Vergütung. Auch diese ergibt sich aus der dem Vertrag zugrunde liegenden Vereinbarung und ist deshalb die vereinbarte Vergütung iSd § 648 a I BGB a.F. (BGH, Urteil vom 6.3.2014 – VII ZR 349/12, NJW 2014, 2186 Rn. 20). Nach einer freien Kündigung muss sich der Unternehmer auf die vereinbarte Vergütung dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, § 649 S. 2 BGB a.F.. Diesen Anspruch muss der Unternehmer darlegen (BGH, aaO, Rn. 21). Nach einer außerordentlichen Kündigung des Bestellers aus wichtigem Grund steht dem Unternehmer die vereinbarte Vergütung nur für die erbrachte Leistung zu. Auch diesen Anspruch muss der Unternehmer schlüssig darlegen (BGH, aaO, Rn. 22). Durch eine entsprechende Darlegung, die in der Regel durch eine Schlussrechnung erfolgen wird, ist der Unternehmer nicht unbillig belastet, da es ohnehin seine Pflicht ist, unverzüglich oder in den von der VOB/B vorgesehenen Fristen abzurechnen (BGH, aaO, Rn. 22.).
46
Nach § 648a I 1 BGB a.F. kann Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung verlangt werden (BGH, Versäumnisurteil vom 20.10.2022, Az. VII ZR 154/21, Rn. 19 ff. juris). Nach dem Sinn und Zweck von § 648a I 1 BGB a.F. gibt es keine Veranlassung, zwischen der für die im Vertrag aufgeführten Leistungen vereinbarten Vergütung und der nur unter der Bedingung der Anordnung anderer oder weiterer Leistungen entstehenden Vergütung zu unterscheiden. Das Sicherungsinteresse des Auftragnehmers besteht in allen Fällen in gleicher Weise. Dabei muss das Gericht feststellen, ob der Rechtsgrund für einen zusätzlichen Vergütungsanspruch gegeben ist, ob also insbesondere wirksame Anordnungen des Auftraggebers vorliegen, die die notwendige Rechtsgrundlage für eine zusätzliche Vergütung sind (BGH, aaO, Rn. 28). Zwar ist dem Regelungskonzept des § 648a BGB a.F. der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, das Verlangen nach Sicherheit nicht mit einem Streit über die tatsächlichen Voraussetzungen von Einwendungen gegen den Vergütungsanspruch zu belasten, wenn dieser die Durchsetzung des Sicherungsverlangens verzögern würde. In entsprechender Weise darf deshalb ein Streit über die tatsächlichen Voraussetzungen der Berechnung des Vergütungsanspruchs nach einer Kündigung die Durchsetzung des Anspruchs auf Stellung einer Sicherheit nicht behindern. Sind die tatsächlichen Voraussetzungen der schlüssig dargelegten Vergütung streitig und führt dies zu einer Verzögerung bei der Durchsetzung des Sicherungsanspruchs, so ist dem Sicherungsverlangen des Unternehmers deshalb stattzugeben, wenn nicht der Streit bereits anderweitig rechtskräftig geklärt ist. Damit kann etwa, sofern dies den Rechtsstreit verzögert, der Besteller nicht mit der Behauptung gehört werden, es lägen die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund vor, wenn die dieser Behauptung zugrundeliegenden Tatsachen bestritten sind und der Unternehmer deshalb die Auffassung vertritt, es läge eine freie Kündigung vor und eine Sicherung seines Anspruchs nach § 649 S. 2 BGB a.F. verfolgt. Auch kann der Besteller nicht mit der bestrittenen Behauptung gehört werden, die tatsächlichen Voraussetzungen für die vereinbarte Vergütung, sei es für die erbrachten oder nicht erbrachten Leistungen, lägen nicht vor, etwa weil die berechneten Mengen nicht geleistet seien oder der Unternehmer einen anderweitigen Erwerb gehabt habe (BGH, aaO, Rn. 29; BGH, Urteil vom 6.3.2014 – VII ZR 349/12, NJW 2014, 2186 Rn. 29). Diese Erwägungen setzen aber einen Rechtsgrund für einen Vergütungsanspruch voraus, der lediglich in der geltend gemachten Höhe möglicherweise nicht besteht. Steht danach fest, dass eine Vergütung für Nachträge geschuldet ist, folgt hieraus allerdings, dass hinsichtlich ihrer Höhe ein schlüssiger Vortrag des Auftragnehmers ausreicht, um hierfür einen Anspruch auf Sicherheit zu begründen (BGH, Versäumnisurteil vom 20.10.2022, Az. VII ZR 154/21, Rn. 30) .
47
b) Gemessen an diesen Rechtsgrundsätzen hat die Klägerin das Bestehen ihres Sicherungsanspruchs dem Grunde nach nachgewiesen.
48
Grundlage für den Vergütungsanspruch der Klägerin ist ausweislich der tatsächlichen Feststellungen der zwischen den Parteien unstreitig geschlossene GVP vom 12.10.2015 nebst den Nachträgen Nr. 01 vom 26.10./01.12.2017 und Nr. 02 vom 16.5.2018. Danach sollte die Klägerin bei vorgesehener stufenweiser Beauftragung zu einem für jede Stufe vereinbarten Pauschalhonorar vollumfängliche Planungsleistungen (inkl. Gebäude- und Innenraumplanung; Tragwerksplanung, Freianlagenplanung, Bauakustik, technische Gebäudeausrüstung, Brandschutzplanung usw.) für das Bauvorhaben der Beklagten erbringen. Die bestehenden Büro- und Gewerbegebäude sollten in zwei Wohngebäude für Studenten und Auszubildende sowie anteilige gewerbliche Nutzung umgebaut werden. Bei Abruf aller Leistungsstufen ergab sich ein mögliches Pauschalhonorar in Höhe von 3,24 Mio. €. Auch für Planänderungen und sich daraus ergebende Leistungsänderungen sah bereits der GVP vergütungsrechtliche Regelungen in den Ziffern 4.7. und 4.8 vor. Die danach vorgesehene zusätzliche Vergütung sollte von einer nachträglichen schriftlichen Honorarvereinbarung abhängig sein, wobei für besondere Leistungen bereits bestimmte Stundensätze vereinbart wurden. (Bei Streitigkeiten über den Anspruch auf eine und / oder die Höhe einer zusätzlichen Vergütung sollte ein von den Parteien zu bestimmender Sachverständiger entscheiden. Ein solches Schiedsgutachterverfahren wurde zwischenzeitlich von den Parteien eingeleitet, ein Gutachten liegt bislang noch nicht vor und ist auch nicht absehbar, was aber für das hier streitgegenständliche Verfahren zur Stellung einer Bauhandwerkersicherheit nach § 648a BGB a.F. nicht relevant ist.) Mit Nachtrag Nr. 01 teilten die Parteien das ursprünglich einheitliche Bauvorhaben in Bauabschnitt I (Gebäude West) und Bauabschnitt II (Gebäude Ost). Die Planung sollte nunmehr auf die Errichtung eines Aparthotels angepasst bzw. geändert werden. Mit Nachtrag Nr. 02 stellten die Parteien in Ziff. 6 Abs. 2 „klar, dass eine geänderte Nutzung als Apart-Hotel/ Boardinghaus eine wesentliche Änderung im Sinne von Ziff. 4.8. des Generalplanungsvertrages vom 12.10.2015 darstellt, die grundsätzlich zu einer zusätzlichen Vergütung führt“. In Ziff. 6 Abs. 3 wurde vereinbart, dass sich „die Vergütung insbesondere nach Ziff. 4.7., Ziff. 4.8. und Ziff. 4.9 des Generalplanervertrages“ richtet. In Ziff. 6 Abs. 4 stellten die Parteien „klar, dass lediglich zusätzlich und wiederholt erbrachte Leistungen nach Maßgabe von Ziff. 4.7., Ziff. 4.8. und Ziff. 4.9 des Generalplanervertrages … vergütet werden“.
49
Nach den dargestellten vertraglichen Grundlagen lag damit auch für die von den Beklagten nachträglich angeordneten und von der Klägerin ausgeführten zusätzlichen Leistungen (Umplanungen etc.) eine (auch schriftliche) Anordnungs- und Vergütungsvereinbarung vor, so dass am Bestehen eines Sicherungsanspruchs dem Grunde nach kein Zweifel besteht.
50
c) Auch die Höhe ihres Sicherungsanspruchs hat die Klägerin auf der Grundlage ihrer Schlussrechnung vom 14.06.2021, an der sie unvermindert festhält, und ihres Tatsachenvortrages schlüssig und nachvollziehbar dargetan:
51
aa) Nach dem GPV (Anlage K 3) sollten zunächst beide Bestandsgebäude Ost und West in Studentenwohnheime umgebaut werden; die Klägerin sollte dafür Leistungen als Generalplanerin erbringen. Die gegenständliche Schlussrechnung vom 14.06.2021 bezeichnet dies als „Planung 1“ (Anlage K 9, dort Abschnitt A.1, S. 5 ff.). Die dafür erbrachten Leistungen der Klägerin wurden auf Basis des Vertragshonorars abgerechnet und dabei die von der Beklagten zu 3) in Nachtrag Nr. 01 nachträglich geforderte Erweiterung der Gebäude um ein „Wohnstaffelgeschoss“ durch Umwidmung der bisherigen Technikgeschosse berücksichtigt. Für den von der Klägerin unstreitig erfolgreich erarbeiteten 2. Bauantrag zur Nutzung des Gebäudes Ost als Flüchtlingsunterkunft werden dementsprechend wiederholte Grundleistungen auf Basis des Vertragshonorars berechnet (Anlage K 9, dort Abschnitt A.2, S. 8). Auf den S. 9 und 10 der Schlussrechnung werden Besondere Leistungen der Klägerin mit insgesamt netto EUR 33.776,25, davon EUR 27.500,00 auf der Basis von Ziff. 3.9. des Nachtrages Nr. 01 (Anlage K 4) berechnet. Wie sich aus den beiden Nachträgen zum GPV ergibt (Anlagen K 4 und K 5) liegen zwei voneinander getrennte Bauvorhaben auf unterschiedlichen Flurstücken vor: Wie sich aus dem 1. Nachtrag ergibt (Anlage K 4) wurden die Generalplanungsleistungen der Klägerin nach Erlangung der beiden Baugenehmigungen und damit (wiederholtem) Abschluss der LPH 4 von der Beklagten zu 3) für das der F. REF I GmbH gehörende Grundstück Ost ab Oktober 2017 zunächst „auf Eis gelegt.“ Daran hat sich bis zur Kündigung seitens der Beklagten vom 29.10.2018 (Anlage K 7) nichts mehr geändert. Die Abrechnung der insoweit von der Klägerin erbrachten Generalplanungsleistungen auf Basis des Vertragshonorars ist damit schlüssig dargelegt.
52
bb) Auch die Abrechnung der Planung 2 ab S. 11 der klägerischen Schlussrechnung vom 14.06.2023 ist nicht zu beanstanden und schlüssig: Denn wie die Nachträge Nr. 01 und 02 zum GPV auch zeigen, geht die Beklagte zu 3) selbst davon aus, dass sich der streitgegenständliche GVP in seinem Verlauf auf zwei unterschiedliche Objekte im Sinne der HOAI – die Gebäude Ost und West – bezog. Die beiden Gebäude stehen auf zwei unterschiedlichen Grundstücken und sind sowohl rechtlich, als auch wirtschaftlich getrennt (Anlage BK 7). Die ursprünglich von den Beklagten beabsichtigte gemeinsame Entwicklung und Bebauung beider Grundstücke mit zwei gleichartigen Studentenwohnheimen wurde jedenfalls mit Nachtrag 01 zum GPV im Oktober 2017 endgültig aufgegeben (Anlage K 4).
53
Während das der F. REF I GmbH gehörende Grundstück (Ost) nach einer Interimsnutzung als Flüchtlingswohnheim inzwischen mit einem Bürogebäude bebaut ist, steht auf dem der F. REF II GmbH gehörenden Grundstück (West) ein Hotel (Nachtrag Nr. 02 dort Ziff 5. und 6, Anlage K 5). Damit steht fest, dass es sich um zwei unterschiedliche Objekte im Sinne der HOAI handelt. Gemäß § 11 Abs. 1 HOAI sind daher folgerichtig auch die Honorare jedenfalls ab Nachtrag Nr. 01 für jedes Objekt getrennt zu ermitteln. Die Tafelwerte der HOAI (2013) sind daher auch nicht überschritten. Gemäß Ziff. 5. und 6. des Nachtrags Nr. 02 zum GPV (Anlage K 5) wurden die der Klägerin demnach zustehenden zusätzlichen Honorare mit Schlussrechnung vom 14.06.2021 zutreffend auf der Grundlage der Mindestsätze der HOAI (2013) ermittelt (Anlage K 9 „Planung 2“, dort Abschnitt A.4, S. 11 ff.). Dies stellt insoweit auch die vertraglich vereinbarte Vergütung gemäß Ziff. 6 des Nachtrags Nr. 02 dar, da eine anderweitige ausdrückliche Vergütungsvereinbarung, wie die Vereinbarung einer Pauschale, wie sie noch im GVP in Ziff. 4.7 angedacht war (“Die Leistungen sollen mit einer zuvor festzulegenden Pauschale vergütet werden…“) gerade nicht getroffen wurde, die Parteien sich aber darin einig waren, dass die durchgeführte Umplanung und Baunutzungseinreichung für die Nutzung als Apart-Hotel/Boardinghaus eine wesentliche Änderung im Sinne von Ziff. 4.8 des GPV vom 12.10.2015 darstellt, die grundsätzlich zu einer zusätzlichen Vergütung des Auftragnehmers führt. Diese Regelung verweist nämlich ausdrücklich auf die Geltung des GVP und dort auf Ziff. 4.7, wonach die Vergütung bei Beauftragung weiterer, in der HOAI geregelter Leistungsbilder und/oder -phasen an dem Mindestsatzhonorar nach HOAI zu bemessen ist. Bei der Planung 2 waren auch nach Auffassung des Senats selbstverständlich in der HOAI geregelte Leistungsbilder und/oder -phasen von der Klägerin über die vertragsgegenständlichen Teile der HOAI als Generalplanerin (zum Teil wiederholt) zu erbringen. Denn nach der Rechtsprechung des BGH können wie hier nach Vertragsschluss vom Auftraggeber vorgenommene Änderungen der Objektplanung oder der Entwurfsplanung erhebliche Auswirkungen auf die fertiggestellte Genehmigungsplanung des Tragwerkplaners und sonstigen Fachplaners haben, die eine uU aufwendige Neuberechnung sowie weitere erneute Leistungen des Fachplaners zur Folge haben können. Danach sind nochmals zu erbringende Teilleistungen aus einzelnen Leistungsphasen erneute Grundleistungen, die unter den vertraglichen Voraussetzungen gesondert zu vergüten sind, d.h. zusätzlich zur vertraglichen Vergütung abgerechnet werden können (Koeble in: Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage 2020, Rn. 538-544). Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich nicht um unwesentliche Leistungen handelt, die infolge Änderung der Planung erforderlich werden. Hier haben die Parteien selbst vereinbart, dass es sich um eine wesentliche Planänderung handelt, die nicht nur eine gesonderte Vergütung auslöst, sondern auch dazu zwingt, Teilleistungen aus einzelnen Leistungsphasen erneut zu erbringen. Da somit keine unwesentliche Planungsänderung i.S.d. Ziff. 4.8. des GVP vorliegt, ist eine zusätzliche Vergütung geschuldet. Für ein Studentenwohnheim und Boardinghaus sind erkennbar unterschiedliche rechtliche und technische Anforderungen einzuhalten, weshalb nicht nur eine neue Planung, sondern auch die wiederholte Erbringung der abgerechneten Leistungsphasen schlüssig dargetan wurde.
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cc) Auch die sonstigen Einwände der Beklagten gegen die Höhe sind nicht überzeugend bzw. ausreichend substantiiert vorgetragen, erschüttern jedenfalls die Schlüssigkeit des klägerischen Vortrages nicht. Der pauschale Einwand, dass alle Leistungen entweder zu 100% oder 50% als erbracht angegeben wurden und dies nicht richtig sein könne, ist mangels ausreichend konkreten Vortrags unbeachtlich. Auch soweit die Beklagten vorbringen, dass es sich bei der in Auftrag gegebenen Planänderung um eine Umplanung und keine Neuplanung gehandelt habe, hilft diese bloß begriffliche Unterscheidung in der Sache nicht weiter, da in jedem Fall eine wesentliche Planänderung vorliegt. Es liegt auch keine Rechtsmissbräuchlichkeit des Sicherungsverlangens vor, da kein offensichtlich überhöhtes (sittenwidriges oder wucherähnliches) Sicherungsverlangen gegeben ist.
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dd) Der Einwand der Beklagten, für die Abrechnung der „Planung 2 – Boardinghouse“ seien Zeithonorare abgerechnet und vergütet worden, ist in jeder Hinsicht unzutreffend. Denn nur für die Abrechnung von Besonderen Leistungen sieht Ziff. 4.7 GPV eine Vergütung nach Zeitaufwand vor. Soweit im Zusammenhang mit der Umplanung des ursprünglich vertragsgegenständlichen Studentenwohnheims im Gebäude West in ein Apart-Hotel/ Boardinghaus von der Klägerin zunächst Abschlagsrechnungen über Zeithonorare gestellt wurden, so handelt es sich hierbei schon begrifflich nur um vorläufige Abrechnungen in der Übergangsphase von Planung 1 zu Planung 2. Gegenstand dieser Leistungen, welche die Klägerin nach Zeitaufwand in diesem Zusammenhang abgerechnet hat, waren dabei nur von den Beklagten gewünschte Voruntersuchungen zu der Frage, ob es überhaupt technisch möglich ist, von der bereits fortgeschrittenen Planung und begonnenen Ausführung für das Studentenwohnheim auf dem Grundstück West noch zu einer Hotelnutzung zu wechseln. Diese Voruntersuchungen stellten Besondere Leistungen dar, die nach den vertraglichen Vereinbarungen nach Zeitaufwand abzurechnen waren. Weder ist mit diesen vorläufigen, aufwandsbezogenen Abrechnungen über diese Besonderen Leistungen eine abschließende Honorierung sämtlicher, in der HOAI geregelter Grundleistungen der vertragsgegenständlichen Teile der HOAI für das Apart-Hotel/ Boardinghaus gemäß Nachtrag Nr. 02 für die „Planung 2“ verbunden, noch gewollt. Zudem fehlt es auch an einer schriftlichen Vereinbarung, die § 7 Abs. 5 HOAI für jegliche Abweichung von den vertraglich dafür vorgesehenen Mindestsätzen fordert.
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ee) Insbesondere das Honorar für Planung 2 für ein Apart-Hotel/ Boardinghouse anstelle der bisherigen Planung 1 für das Studentenwohnheim ist zwischen den Parteien streitig. Im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits, mit dem die Klägerin nur die Absicherung ihrer hier schlüssig dargelegten Honoraransprüche aus der Schlussrechnung vom 14.06.2021 begehrt, sind die vorliegenden Einwendungen der Beklagten gegen die Höhe der Forderung nach der Rechtsprechung des BGH nicht zu berücksichtigen. Seinerzeit bei den Verhandlungen zwischen den Parteien von der Beklagten zu 3) in den Raum gestellte Gegenansprüche wurden bislang weder nach Grund noch Höhe substantiiert, abgesehen davon dass Gegenansprüche nur berücksichtigungsfähig wären, wenn sie unbestritten oder rechtskräftig festgestellt wären.
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ff) Da im Rahmen des Sicherheitsprozesses aufgrund der von der Klägerin bestrittenen Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der Beklagten von einer freien Kündigung auszugehen ist, konnte das Honorar als sog. große Kündigungsvergütung ermittelt werden. Somit erfolgte zu Recht eine Abrechnung nach erbrachten und infolge der Kündigung nicht mehr erbrachten Leistungen. Auch letztere können bei einer nur „freien“ Kündigung verlangt werden, weshalb diese bei der Feststellung der Forderungshöhe berücksichtigungsfähig sind. Die ersparten Aufwendungen hat die Klägerin insoweit abgezogen und vorgetragen, keine Ersatzaufträge gehabt zu haben.
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gg) Der Höhe nach steht der Klägerin damit ein Anspruch auf die von ihr begehrte Sicherheitsleistung über EUR 4.318.313,55 zu. Dieser errechnet sich wie folgt: Das Honorar für die erbrachten Leistungen ergibt einen Betrag von 5.033.730,74 € brutto und für die nicht erbrachten Leistungen einen Betrag von 660.148,01 € abzüglich ersparter Aufwendungen in Höhe von 2.435,43 € = 657.712,58 €. Von der sich daraus ergebenden Gesamtforderung in Höhe von 5.691.443,32 € sind die erhaltenen Abschlagszahlungen in Höhe von 1.765.703,73 € abzuziehen, wonach sich eine Schlusszahlungssumme in Höhe von 3.925.739,59 € ergibt. Für Nebenforderungen können 10% des zu sichernden Schlussrechnungsbetrages, somit 392.573,96 €, geltend gemacht werden. Somit ergibt sich insgesamt eine Sicherheit in Höhe von 4.318.313,55 €.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 S. 1 und 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO, wobei vorliegend eine gesonderte Verbescheidung der Vollstreckbarkeit zur Hauptsache, die nicht auf eine Geldforderung gerichtet ist, und zu den Kosten geboten war. Bei der Abwendungsbefugnis erschien bezüglich der Hauptsache eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des ausgeurteilten Sicherungsbetrages angemessen (vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 09.01.2019 – 12 U 123/18, NJW 2019, 1755; OLG Karlsruhe, Teilurteil vom 11.10.2016 – 8 U 102/16, IBR 2018, 683).
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen. Der Verjährungsbeginn des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB a.F. ergibt sich aus der Grundsatzentscheidung des BGH vom 25.03.2021 – VII ZR 94/20, zu dessen Einordnung als sog. verhaltener Anspruch, und aus dem Gesetz (§ 199 Abs. 1 BGB).
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Entgegenstehende obergerichtliche Rechtsprechung hierzu existiert nicht.