Titel:
Grundsätzlich kein Vollstreckungsschutz durch die Vollstreckungsgerichte bei der Nutzung fremder Konten
Normenkette:
ZPO § 765a Abs. 1 S. 1, § 850i Abs. 1, § 906 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Nutzung fremder (gepfändeter) Konten stellt lediglich ein allgemeines Lebensrisiko dar, dass eine sittenwidrige Härte von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Sinne § 765 a Abs. 1 ZPO regelmäßig nicht zu begründen vermag. (Rn. 4)
2. Der Schuldner hat nach dem Willen des Gesetzgebers selbst für den Schutz seines Gehalts Sorge zu tragen, indem er alles dahin veranlasst, dass seine Zahlungen auf einem eigenen Pfändungsschutzkonto statt auf dem Konto eines Dritten eingehen (so auch: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.5.2015 – 1 BvR 163/15). (Rn. 5)
Schlagworte:
Kontenleihe, Kontoleihe, fremdes Pfändungsschutzkonto, sittenwidrige Härte, Abfindungszahlung, allgemeines Lebensrisiko, Kontopfändung
Fundstellen:
JurBüro 2024, 443
BeckRS 2023, 40269
LSK 2023, 40269
Tenor
1. Der Antrag der Schuldnerin vom 06.09.2023, bei Gericht eingegangen am 15.09.2023, gerichtet auf Freigabe einer Abfindungszahlung in Höhe von 43.989 EUR auf ihrem Pfändungsschutzkonto wird vollumfänglich abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Schuldnerin.
Gründe
1
Der Lebensgefährte der Schuldnerin hat auf das Pfändungsschutzkonto der Schuldnerin eine Abfindungszahlung von seinem Arbeitgeber transferieren lassen. Die Schuldnerin begehrte mit Antragsschrift vom 06.09.2023 (bei Gericht eingegangen am 15.09.2023) die Freigabe dieser Zahlung. Zuletzt hat das Gericht mit Verfügung vom 26.09.2023 der Schuldnerin aufgegeben entsprechende Nachweise (u.a. Nachweis der Gutschrift auf dem Pfändungsschutzkonto) unter Fristsetzung beizubringen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Verfahrensakt Bezug genommen. Diese Frist verlief fruchtlos. Da dem Gericht weder nachgewiesen ist, dass die Gutschrift bzw. die Abfindungszahlung tatsächlich erfolgt ist und dem Gericht auch nicht die Anschriften der grundsätzlich zu beteiligenden Gläubiger vorliegen, war der Antrag als unbegründet abzuweisen.
2
Zudem wäre der Antrag alleine auch deswegen abzuweisen gewesen, da eine Freigabe von Rechts wegen vorausgesetzt hätte, dass die Abfindungszahlung das Einkommen der Schuldnerin ersetzt (§§ 906 Abs. 2, 850 i Abs. 1 ZPO). Daran fehlt es hier, da es sich lediglich um „umgeleitetes Geld“ eines Dritten (nicht jedoch der Schuldnerin) handelt.
3
Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist (§ 765 a Abs. 1 S. 1 ZPO)
4
Eine Pfändung der Abfindungszahlung stellt jedoch keine Härte dar, welche mit den guten Sitten nicht vereinbar wäre, da der Lebensgefährte grob fahrlässig, die Abfindungszahlung auf das Konto seiner Lebensgefährtin hatte überweisen lassen. Es stellt lediglich ein allgemeines Lebensrisiko dar, bei Nutzung fremder Konto, die Verfügungsgewalt über eigene Vermögenswerte zu verlieren.
5
Der Schuldner hat nach dem Willen des Gesetzgebers selbst für den Schutz seines Gehalts Sorge zu tragen, indem er alles dahin veranlasst, dass seine Zahlungen auf einem eigenen Pfändungsschutzkonto statt auf dem Konto eines Dritten eingehen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.5.2015 – 1 BvR 163/15).
6
Diese Überlegung greift im Erstrechtschluss auf einen Dritten durch, gegen den – wie hier – keine Vollstreckungsmaßnahmen vorliegen.
7
Nach alledem war im tenorierten Umfang zu entscheiden.