Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 16.11.2023 – W 5 K 22.1468
Titel:

Baugenehmigung für die Errichtung eines Milchviehstalles mit Kälberüberdachung in der Schutzzone III eines festgesetzten Wasserschutzgebietes

Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 1 Alt. 2, § 75 S. 2, § 113 Abs. 5 S. 1
BauGB § 29 Abs. 2, § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 6, § 201
WHG § 51, § 62 Abs. 1 S. 1, S. 3, Abs. 2, Abs. 5, § 86
BayBO Art. 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a
Leitsätze:
1. Verbotsvorschriften in einer Wasserschutzgebietsverordnung haben grundsätzlich den Charakter von Rechtsnormen, die iSd § 29 Abs. 2 BauGB unabhängig von §§ 30–37 BauGB Geltung beanspruchen und somit nicht im Interesse der in § 35 Abs. 1 BauGB bezeichneten Bauvorhaben über das Tatbestandsmerkmal des Entgegenstehens einem Abwägungsvorbehalt unterworfen sind. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 BauGB gilt unabhängig von wasserrechtlichen Normierungen und Planungen und dient der Gewährleistung eines Mindestmaßes an Gewässerschutz im Hinblick auf den Trink- und Grundwasserschutz. Ihr kommt insbesondere dort eine Auffangfunktion zu, wo grobe Verstöße in Frage stehen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch die Anordnung einer wasserrechtlichen Veränderungssperre nach § 86 WHG setzt zumindest ein gewisses Maß der Konkretisierung und Ernsthaftigkeit der Planungsabsicht voraus. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verpflichtungsklage, Baugenehmigung, landwirtschaftlicher Betrieb im Außenbereich, Errichtung eines Milchviehstalls mit Güllekeller in der Schutzzone III des Wasserschutzgebiets, Wasserschutzgebietsverordnung, Gefährdung der Wasserwirtschaft, kein konkreter Entwurf für neue Wasserschutzgebietsverordnung, keine (erheblichen) neuen Erkenntnisse über Gebiet und Bodenverhältnisse, Untätigkeitsklage, Einbeziehung eines nachträglichen Ablehnungsbescheids, privilegiertes Vorhaben, Außenbereich, Auffangfunktion, Wasserschutzgebiet, Verbotsvorschrift, Schutzzone III, Änderung einer Wasserschutzgebietsverordnung, nicht konkretisierte Planung, wasserrechtliche Veränderungssperre, Bodenverhältnisse, veraltete Erkenntnisse
Fundstelle:
BeckRS 2023, 40046

Tenor

I.    Der Bescheid des Landratsamts M.-Sp. vom 10. August 2023 wird aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die mit Bauantrag vom 20. März 2021 beantragte Baugenehmigung für die Errichtung des Milchviehstalls mit Kälberüberdachung auf dem Grundstück Fl.Nr. .7 der Gemarkung E... a. M.. zu erteilen.
II.    Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Milchviehstalls mit Kälberüberdachung.
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1. Die Klägerin bewirtschaftet eine Fläche von ca. 80 ha und betreibt Ackerbau sowie Milchviehhaltung mit derzeit etwa 40 Milchkühen und 45 Jungrindern. Im Zuge des Ausbaus ihrer Milchviehwirtschaft plant sie die Errichtung eines Milchviehstalls mit Kälberüberdachung auf dem Grundstück Fl.Nr. …7 der Gemarkung E. a. M. (Baugrundstück). Auf der dem Vorhabengrundstück gegenüberliegenden Straßenseite auf dem Grundstück Fl.Nr. …1 der Gemarkung E. a. M. liegt die Hofstelle der Klägerin.
3
Das derzeit unbebaute Baugrundstück befindet sich im bauplanungsrechtlichen Außenbereich. Im Flächennutzungsplan der Gemeinde N. a. M. ist das Grundstück als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt. Östlich der Hofstelle befinden sich mehrere Br.anlagen. Für den südlich des Ortszentrums der Gemeinde N. a. M. und östlich des Mains gelegenen Bereich erließ das Landratsamt M.-S. am 9. März 2007 eine Verordnung über das Wasserschutzgebiet in den Gemeinden N. a. M. (Gemarkung E..) und Roden für die öffentliche Wasserversorgung der Mitglieder des Zweckverbands Fernwasserversorgung M. (F.), ortsüblich bekannt gemacht im Amtsblatt des Landratsamts M.-Sp. vom 15. März 2007. Das Vorhabengrundstück liegt teils in der engeren Schutzzone II, teils in der weiteren Schutzzone III und teilweise außerhalb des Umgriffs der Wasserschutzgebietsverordnung.
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Mit Bauantrag vom 20. März 2021 stellte die Klägerin einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Milchviehstalls mit Kälberüberdachung auf dem Grundstück Fl.Nr. …7 der Gemarkung E. a. M. Nach der Baubeschreibung umfasst das Vorhaben einen Stall, einen Dachraum, einen Güllekeller, einen Laufhof mit Futtertisch sowie eine Kälberüberdachung und liegt vollständig in der Schutzzone III des Wasserschutzgebiets.
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Die Gemeinde N. a. M. erteilte mit Stellungnahme vom 12. April 2021 das gemeindliche Einvernehmen zum beantragten Vorhaben.
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Beteiligt wurden im Rahmen der Bearbeitung des Bauvorhabens u.a. das Wasserwirtschaftsamt A., der Zweckverband Fernwasserversorgung M. (F.), das Gesundheitsamt am Landratsamt M.-S. (Gesundheitsamt), das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten K. sowie die Fachkundige Stelle für Wasserwirtschaft am Landratsamt M.-S. und die Untere Immissionsschutzbehörde.
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In der Stellungnahme des F. vom 31. Mai 2021 erhob dieser Einwände gegen das Vorhaben, da das Vorhaben innerhalb der Wasserschutzzone W II und III des Wasserschutzgebiets E.-S. zum Tragen komme. Das Vorhaben widerspreche mehrfach den Vorgaben der Wasserschutzgebietsverordnung und aus Sicht des Versorgers seien die Belange des Trinkwasserschutzes beeinträchtigt. Dies sei insbesondere im Hinblick auf die regionalen Gegebenheiten bezüglich der Untergrundbeschaffenheit der Fall, welche durch eine geringe Mächtigkeit der schützenden Deckschichten sowie einer charakteristischen Klüftigkeit und einer damit verbundenen hohen Wasserwegsamkeit vor Ort gekennzeichnet seien. Ein weiteres Indiz dafür stelle die nachgewiesene geringe Fließzeit innerhalb der Schutzzonen dar, wodurch eine nachhaltige Kontamination des Untergrunds innerhalb weniger Tage bis in den Fördertrichter der Br. eingebracht werden könne. Auch sei davon auszugehen, dass das Vorhaben künftig – nach Neufestsetzung der Umgriffe der Wasserschutzgebietszonen – voraussichtlich innerhalb der engeren Schutzzone (W II) angesiedelt sei.
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Im Rahmen der fachlichen Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts A. vom 24. September 2021, 6. April 2022, 20. September 2022 und 14. Dezember 2022 führte dieses im Hinblick auf den Trinkwasserschutz aus, dass sich das geplante Vorhaben zwar in der weiteren Schutzzone (W III) des Wasserschutzgebiets, jedoch lediglich ca. 150 m nordwestlich des nächstgelegenen Trinkwasserbrunnens befinde und unmittelbar an die engere Schutzzone (W II) des Wasserschutzgebiets angrenze. Aus den vorliegenden Erkenntnissen aus Aufschlussbohrungen für die Trinkwasserbrunnen und Grundwassermessstellen sowie aus einem Langzeitpumpversuch mit Markierungsversuch seien die hydrogeologischen Verhältnisse am Standort gut bekannt. Es sei davon auszugehen, dass sich der geplante Standort innerhalb des Einzugsgebiets der Trinkwasserbrunnen befinde. Im Rahmen eines durchgeführten Markierungsversuchs im Jahr 2002 seien zudem hohe Abstandsgeschwindigkeiten (ca. 50 bis 120 m/Tag) im Buntsandstein-Grundwasserleiter belegt worden, welcher von den F.-Br. erschlossen werde. Dementsprechend könnten nachteilige Auswirkungen auf die Trinkwasserbrunnen des F. durch das Vorhaben nicht ausgeschlossen werden. Insbesondere die Errichtung des Güllekellers stelle einen gravierenden Eingriff in die Deckschichten dar. Weiterhin sei im Zuge der Neubeantragung der Grundwasserentnahmemenge auch das Wasserschutzgebiet zu überprüfen und gegebenenfalls neu festzusetzen. Aus fachlicher Sicht sei eine Vergrößerung des Umgriffs der Schutzzone II wahrscheinlich. Dementsprechend sei eine Umsetzung des Vorhabens am geplanten Standort abzulehnen. Bei Bau und Betrieb der vorgesehenen Anlage könne trotz aller technischen Sicherheits- und Wartungsmaßnahmen ein Schadensereignis mit Austritt von wassergefährdenden Stoffen nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
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Mit E-Mail vom 26. August 2021 wurde das Vorhaben auch von dem Gesundheitsamt im Hinblick auf den Güllekeller innerhalb der Wasserschutzzone II und III abgelehnt.
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Mit Schreiben des Landratsamts M.-Sp. vom 8. Oktober 2021 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass eine Umplanung erforderlich sei, da am geplanten Standort nach Ansicht der Fachbehörden nachteilige Auswirkungen auf die Trinkwasserbrunnen des F. durch Bau und Betrieb des Vorhabens nicht ausgeschlossen werden könnten.
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2. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2022, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Untätigkeitsklage erheben und beantragen,
den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin die Baugenehmigung für die Errichtung des Milchviehstalls mit Kälberüberdachung auf dem Grundstück Fl.Nr. …7, Gemarkung E. a. M., nach Maßgabe des Antrags vom März 2021, zu erteilen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die Klage sei begründet, da die Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig sei. Die Klägerin habe gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung. Insbesondere stelle das geplante Vorhaben ein nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiertes landwirtschaftliches Vorhaben dar, da die Klägerin ausgehend von der Hofstelle auf dem Grundstück Fl.Nr. …1 der Gemarkung E. a. M. einen landwirtschaftlichen Betrieb betreibe. Das geplante Vorhaben stehe auch nicht in Widerspruch zu den Vorgaben der Wasserschutzgebietsverordnung Br.galerie E.-S.. Das Vorhaben befinde sich zwar vollständig im Bereich der weiteren Schutzzone III der Wasserschutzgebietsverordnung, Verbote oder Beschränkungen des § 3 der Wasserschutzgebietsverordnung stünden dem Vorhaben jedoch nicht entgegen. Darüber hinaus stehe dem geplanten Vorhaben nicht der öffentliche Belang der Gefährdung der Wasserwirtschaft im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB entgegen. Insbesondere lägen keine konkreten wasserwirtschaftlichen oder technischen Erkenntnisse vor, wonach die Trinkwasserbrunnen infolge der Verwirklichung des geplanten Vorhabens trotz Einhaltung sämtlicher technischer Vorschriften in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigt würden und somit die Wasserversorgung nachteilig beeinflusst werde. Bei Einhaltung der technischen Anforderungen, wie in der Wasserschutzgebietsverordnung mitsamt Anlagen vorgesehen, sei eine Gefährdung der Trinkwasserversorgung am konkreten Standort gerade nicht zu befürchten. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass das geplante Vorhaben voraussichtlich künftig nach der Neufestsetzung der Umgriffe der Wasserschutzgebietsverordnung in der engeren Schutzzone II angesiedelt sei, da in dieser Hinsicht keine konkreten Planungen vorlägen. Das geplante Vorhaben gefährde trotz der Lage in der Nähe des Mainufers auch keine Belange des Hochwasserschutzes gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 3 BauGB. Weiterhin liege auch kein Widerspruch zu Plänen des Wasserrechts im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB vor.
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Daraufhin teilte das Landratsamt M.-S. mit Schriftsatz vom 10. November 2022 mit, dass beabsichtigt sei, möglichst zeitnah über den Bauantrag zu entscheiden, jedoch das Wasserwirtschaftsamt A. im Hinblick auf die Untätigkeitsklage um eine weitere ergänzende Stellungnahme im Hinblick auf § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Var. 2 BauGB gebeten worden sei. Sobald die abschließende Stellungnahme vorliege, werde umgehend über den Bauantrag entschieden.
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3. Mit Bescheid des Landratsamts M.-Sp. vom 10. August 2023 wurde der Bauantrag der Klägerin abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorhaben zwar genehmigungspflichtig, aber nicht genehmigungsfähig sei. Das Vorhaben der Klägerin sei bauplanungsrechtlich unzulässig. Es diene zwar unstreitig einem landwirtschaftlichen Betrieb und sei dementsprechend ein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Unabhängig von der Lage des Baugrundstücks im Wasserschutzgebiet stehe dem Vorhaben jedoch der öffentliche Belang der Wasserwirtschaft aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB entgegen. Zur Beurteilung der unmittelbaren Auswirkungen des Vorhabens habe das Landratsamt M.-S. u.a. das Wasserwirtschaftsamt A. beteiligt. In dessen Stellungnahmen sei dargelegt worden, dass eine Realisierung des Vorhabens am geplanten Standort aus wasserwirtschaftlicher Sicht aus Gründen des Trinkwasserschutzes nicht möglich sei, da der Schutz des Trinkwasservorkommens durch das Vorhaben gefährdet werde. Insbesondere könne bei Bau und Betrieb der vorgesehenen Anlage trotz aller technischer Sicherheits- und Wartungsmaßnahmen ein Schadensereignis mit Austritt von wassergefährdenden Stoffen nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Das Landratsamt räume dementsprechend dem Belang der Wasserwirtschaft aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB gegenüber dem grundsätzlich privilegierten Vorhaben der Klägerin im Rahmen der Abwägung den Vorzug ein, sodass dieser konkrete öffentliche Belang dem Vorhaben der Klägerin entgegenstehe. Bei dem Belang des Schutzes der Trinkwasserversorgung handele es sich um einen sehr hochwertigen öffentlichen Belang. Auch eine Genehmigung unter entsprechenden Nebenbestimmungen, die den Schutz des Trinkwassers sicherstellten, sei vorliegend als Ausgleich zwischen beiden Positionen ausgeschlossen, da die drohende Gefährdung aus Sicht des Wasserwirtschaftsamts nicht durch Inhalts- oder Nebenbestimmungen vermieden oder ausgeglichen werden könne.
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4. Mit Schriftsatz vom 24. August 2023, eingegangen bei Gericht am Folgetag, ließ die Klägerin den Ablehnungsbescheid des Landratsamts M.-Sp. vom 10. August 2023 durch ihren Bevollmächtigten in das Klageverfahren einbeziehen und beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 10. August 2023, Az.: …, zu verpflichten, der Klägerin die Baugenehmigung für die Errichtung des Milchviehstalls mit Kälberüberdachung auf dem Grundstück Fl.Nr. …7, Gemarkung E. a. M., nach Maßgabe des Antrags vom März 2021, zu erteilen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, entgegen der seitens des Landratsamts M.-Sp. vertretenen Auffassung sei eine Gefährdung der Wasserwirtschaft durch das Vorhaben nicht zu befürchten. Die Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts werfe aus mehreren Gründen erhebliche Zweifel auf. Die Br. E.-S. erschlössen Grundwasser aus dem Bereich des Unteren und Mittleren Buntsandsteins, der im Bereich dieser Br.galerie einen gemeinsamen Kluftgrundwasserleiter bilde. Im Bereich des streitgegenständlichen Bauvorhabens sei das darüber liegende quartäre Grundwasserstockwerk in Terrassensanden und Terrassenschotter anzutreffen. Die Fließrichtung dieses quartären Grundwasserleiters sei nachweislich auf den Main ausgerichtet und nicht etwa parallel zum Main. Die Aussage des Markierungsversuchs, auf den sich das Wasserwirtschaftsamt A. stütze, dass der Markierungsstoff bei Eingabe an der Grundwassermessstelle E. nach wenigen Tagen im Br. S1 festgestellt worden sei, habe nur eine geringe bis keine Aussagekraft für die Beurteilung des streitgegenständlichen Vorhabens, weil im Falle eines unterstellten Unfalls niemals Stoffe direkt in den Grundwasserleiter des Unteren und Mittleren Bundsandsteins eingebracht werden könnten. Die Bewertung des Wasserwirtschaftsamts missachte dementsprechend die Deckschichten und damit die vertikale Versickerungszeit. Hinzu komme, dass der im Rahmen des Markierungsversuchs in das Quartär eingegebene Markierungsstoff in keinem der Br. E.-S. habe nachgewiesen werden können, da der quartäre Grundwasserleiter auf den Vorfluter Main ausgerichtet sei. Im Falle eines Schadensereignisses würden etwaige wassergefährdenden Stoffe in Richtung des Mains abtransportiert und gerade nicht in Richtung der östlich gelegenen Br.. Weiterhin erscheine es widersprüchlich, eine Gefährdung der Wasserwirtschaft auf die Erkenntnisse zu stützen, die bereits fachliche Grundlage der gerade dem Schutz des Trinkwasserschutzes dienenden Wasserschutzgebietsverordnung gewesen seien.
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5. Das Landratsamt M.-S. beantragte für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
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6. Im Rahmen der mündlichen Verhandlungen vom 9. November 2023 und vom 16. November 2023 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten ausführlich erörtert. Es wurden die Möglichkeiten einer außergerichtlichen Einigung besprochen und die Amtsgeologin des Wasserwirtschaftsamts A. nahm ausführlich zu den örtlichen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen innerhalb des Wasserschutzgebiets Stellung.
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7. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten und die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2023 sowie vom 16. November 2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Verpflichtungsklage hat Erfolg.
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Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat – nachdem am 10. August 2023 ein ablehnender Bescheid über den klägerischen Antrag von März 2021 ergangen ist – ihre Klage zutreffend auf die nunmehr statthafte Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) umgestellt. Ergeht nach zulässig erhobener Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) in der Sache ein ablehnender Bescheid, so kann die Klägerseite die bereits zulässige Klage im Antrag umstellen und fortführen. Da die Untätigkeitsklage von der Klägerin nach Ablauf der in § 75 Satz 2 VwGO genannten 3-Monats-Frist seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben wurde, begegnet die Klageumstellung im klägerischen Schriftsatz vom 24. August 2023 keinen Bedenken.
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Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung zur Errichtung eines Milchviehstalls mit Kälberüberdachung auf dem Baugrundstück. Der Ablehnungsbescheid des Landratsamts M.-Sp. vom 10. August 2023 ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist eine Baugenehmigung zu versagen, wenn das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Vorhaben verstößt insbesondere nicht gegen die Vorgaben des Bauplanungsrechts gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) BayBO i.V.m. §§ 29 ff. BauGB.
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Das Bauvorhaben ist bauplanungsrechtlich zulässig.
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Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit ist nach § 35 BauGB zu beurteilen, da das Baugrundstück dem Außenbereich zuzuordnen ist. Es befindet sich im Außenbereich des Ortes E. am M. und liegt darüber hinaus in der Schutzzone III der geltenden Verordnung des Landratsamts M.-Sp. vom 9. März 2007 über das Wasserschutzgebiet in den Gemeinden N. a. M. (Gemarkung E..) und R. im Landkreis M.-Sp.für die öffentliche Wasserversorgung der Mitglieder des Zweckverbands Fernwasserversorgung M. (Wasserschutzgebietsverordnung). Vorliegend stehen dem Vorhaben weder die Verbotstatbestände der geltenden Wasserschutzgebietsverordnung noch ein – noch nicht existenter – Neuentwurf dieser Verordnung mit einer voraussichtlichen Vergrößerung der Zone II entgegen. Auch sonstige wasserrechtliche Vorschriften oder der öffentliche Belang der Gefährdung der Wasserwirtschaft gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB werden durch das Vorhaben nicht verletzt. Da auch keine sonstigen öffentlichen Belange i.S.v. § 35 Abs. 3 BauGB dem privilegierten Vorhaben der Klägerin entgegenstehen, erweist sich dieses als zulässig gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.
Im Einzelnen:
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1. Bei dem Vorhaben der Errichtung eines Milchviehstalls mit Kälberüberdachung handelt es sich um ein Vorhaben, das einem landwirtschaftlichen Betrieb i.S.v. § 201 BauGB dient, und damit gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert ist. Die Klägerin betreibt vorliegend bereits Landwirtschaft auf der dem Vorhabengrundstück gegenüberliegenden Hofstelle. Entsprechend der Stellungnahme des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten K. vom 9. Juni 2021 bewirtschaftet die Klägerin als Betrieb 86 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, davon sind 46 ha Dauergrünland. Weiterhin werden 43 Milchkühe mit weiblicher Nachzucht, acht Schafe sowie 150 Legehennen gehalten. Eine Privilegierung des Vorhabens i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist hier somit gegeben.
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2. Dem klägerischen Vorhaben stehen vorliegend weder die geltende Wasserschutzgebietsverordnung noch sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften des Wasserrechts gemäß § 29 Abs. 2 BauGB entgegen.
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2.1. Die Wasserschutzgebietsverordnung des Landratsamts M.-Sp. gehört, soweit sie für die Errichtung von baulichen Anlagen Schranken aufrichtet, zu den Vorschriften, die unmittelbar für das Bauvorhaben gelten und daher gemäß § 29 Abs. 2 BauGB vom Städtebaurecht „unberührt“ bleiben. Durch § 29 Abs. 2 BauGB stellt der Gesetzgeber ausdrücklich klar, dass die verbindlichen Vorgaben des Wasserrechts nicht durch das Städtebaurecht relativiert werden dürfen. Verbotsvorschriften in einer Wasserschutzgebietsverordnung haben grundsätzlich den Charakter von Rechtsnormen, die i.S.d. § 29 Abs. 2 BauGB unabhängig von §§ 30 bis 37 BauGB Geltung beanspruchen und somit nicht im Interesse der in § 35 Abs. 1 BauGB bezeichneten Bauvorhaben über das Tatbestandsmerkmal des Entgegenstehens einem Abwägungsvorbehalt unterworfen sind (vgl. BVerwG, U.v. 12.4.2001 – 4 C 5/00 – juris Rn. 19).
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Das Baugrundstück liegt ausweislich der vorgelegten Luftbilder (vgl. Luftbilder BayernAtlas sowie S. 3 der Klageschrift vom 6.10.2022) teilweise in der Schutzzone II, teilweise in der Schutzzone III und teilweise außerhalb des Umgriffs der Wasserschutzgebietsverordnung. Die Errichtung des Milchviehstalls mit der Kälberüberdachung soll vorliegend jedoch ausschließlich in dem Teil des Baugrundstücks liegen, welcher allein von der weiteren Schutzzone III erfasst ist (vgl. S. 4 der Klageschrift vom 6.10.2022). Welche Handlungen in den jeweiligen Schutzzonen verboten oder nur beschränkt zulässig sind, ergibt sich aus § 3 der Wasserschutzgebietsverordnung. Wie sich bereits aus dem Ablehnungsbescheid des Landratsamts M.-Sp. vom 10. August 2023 (vgl. S. 6) ergibt, stehen dem Vorhaben in der weiteren Schutzzone III keine speziellen Verbotstatbestände entgegen. Dies wurde auch in der mündlichen Verhandlung sowohl durch das Landratsamt als auch durch das Wasserwirtschaftsamt erneut bestätigt. Somit sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Milchviehstall mit Kälberüberdachung und auch der im Zusammenhang damit geplante unterirdische Güllekeller Verbotstatbestände der Wasserschutzgebietsverordnung erfüllen. Während die Errichtung von baulichen Anlagen sowie Stallungen und Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Jauche, Gülle und Silagesickersaft in der engeren Schutzzone II jeweils verboten ist, ist die Errichtung dieser Anlagen in der im Bereich des Vorhabens ausgewiesenen Schutzzone III gerade unter bestimmten Vorkehrungen ausdrücklich zulässig. Diese zusätzlichen Vorgaben werden von dem geplanten klägerischen Vorhaben eingehalten. Im Einzelnen:
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Entsprechend der Wasserschutzgebietsverordnung ist die Errichtung von baulichen Anlagen gemäß § 3 Nr. 5.1 unter der Einschränkung zulässig, dass die Gründungssohle mindestens 2 m über dem höchsten Grundwasserstand liegt. Weiterhin ist die Errichtung von Stallungen gemäß § 3 Nr. 5.3 zulässig für in dieser Zone bereits vorhandene landwirtschaftliche Anwesen, wenn die zusätzlichen Anforderungen gemäß Anlage 2, Ziffer 5b eingehalten werden. Auch Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Jauche, Gülle und Silagesickersaft sind gemäß § 3 Nr. 5.4 grundsätzlich zulässig, wenn sie mit Leckageerkennung oder gleichwertiger Kontrollmöglichkeit der gesamten Anlage einschließlich Zuleitungen ausgerüstet sind. Damit ergibt sich gerade kein grundsätzliches Verbot des streitgegenständlichen Vorhabens, sondern vielmehr, dass die betroffenen Stallungen und Anlagen vor Erlass der Wasserschutzgebietsverordnung ausdrücklich bedacht worden sind und unter bestimmten einzuhaltenden Schutzvorkehrungen in der weiteren Schutzzone III – ohne einzuholende zusätzliche Ausnahmegenehmigungen – zugelassen worden sind. Sämtliche Schutzvorkehrungen werden von dem klägerischen Vorhaben hier eingehalten. Insbesondere ist im Hinblick auf den Güllekeller zu erwähnen, dass dieser mit einer erforderlichen Leckageerkennung ausgerüstet ist und darüber hinaus die in Anlage 7 zur Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) „Besonderen Anforderungen an Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Jauche, Gülle und Silagesickersäften (JGS-Anlagen)“, auf die in der Wasserschutzgebietsverordnung ausdrücklich verwiesen wird, ausweislich der Planunterlagen eingehalten werden.
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Soweit der Zweckverband F. in seiner Stellungnahme vom 31. Mai 2021 darüber hinaus Verstöße gegen die Verbotstatbestände aus § 3 Nr. 1.1, 2.2 und 2.3 geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Vorhaben um eine bauliche Anlage i.S.v. § 3 Nr. 5 der Wasserschutzgebietsverordnung handelt. Der insoweit eröffnete, speziellere Anwendungsbereich der Verordnung lässt einen Rückgriff auf die vorgenannten Verbotstatbestände aus systematischen Gründen nicht zu. Vielmehr erweist sich § 3 Nr. 5 der Verordnung gegenüber den dortigen Regelungen als vorrangig. Im Hinblick auf einen ebenfalls vorgebrachten Verstoß gegen § 3 Nr. 4.4 der Wasserschutzgebietsverordnung ist anzumerken, dass die Errichtung von Baustelleneinrichtungen und Baustofflagern in der hier maßgeblichen Schutzzone III gerade unbeschränkt zulässig ist.
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2.2. Auch sonstige wasserrechtliche Vorschriften stehen dem Vorhaben nicht als Zulassungshindernis entgegen. Als eigenständige Verbotsregelungen sind auch diese im Rahmen des § 29 Abs. 2 BauGB zu würdigen (vgl. BVerwG, U.v. 12.4.2001 – 4 C 5/00 – juris Rn. 22). Maßgeblich ist hier insbesondere die Vorschrift des § 62 WHG, welche spezielle Anforderungen an den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und dementsprechend Vorgaben für die Errichtung des Güllekellers enthält.
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Gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1, 3 WHG müssen Anlagen zum Umschlagen wassergefährdender Stoffe sowie zum Lagern und Abfüllen von Jauche, Gülle und Silagesickersäften sowie von vergleichbaren in der Landwirtschaft anfallenden Stoffen so beschaffen sein und errichtet, unterhalten, betrieben und stillgelegt werden, dass der bestmögliche Schutz der Gewässer vor nachteiligen Veränderungen ihrer Eigenschaften erreicht wird. Das Erreichen des bestmöglichen Schutzes kann dabei durch technische oder auch betriebliche Vorkehrung geschehen. Erreicht wird das Ziel, wenn die nachteilige Eigenschaftsveränderung des Gewässers nach menschlicher Erfahrung ausgeschlossen ist, d.h. das konkret technisch Mögliche und wirtschaftlich Vertretbare unternommen wurde (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 13. Aufl. 2023, § 62 Rn. 45; Sanden in BeckOK UmweltR, 68. Ed. Stand: 1.12.2017, § 62 Rn. 24). Weiterhin dürfen Anlagen in diesem Sinne gemäß § 62 Abs. 2 WHG nur entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik beschaffen sein sowie errichtet, unterhalten, betrieben und stillgelegt werden. Allgemein anerkannte Regeln der Technik sind diejenigen Prinzipien und Lösungen, die in der Praxis erprobt und bewährt sind und sich bei der Mehrheit der Praktiker durchgesetzt haben. Hierfür kommen insbesondere DIN-Vorschriften und sonstige technische Regelwerke als geeignete Quelle in Betracht (vgl. BVerwG, B.v. 30.9.1996 – 4 B 175/96 – NVwZ-RR 1997, 214; Meyer in Landmann/Rohmer, UmweltR, 102. EL. September 2023, § 62 Rn. 27). Diese Vorschriften sind eigenständige Verbotsvorschriften und haben dementsprechend neben der Wasserschutzgebietsverordnung einen eigenständigen Anwendungsbereich (vgl. BVerwG, U.v. 12.4.2001 – 4 C 5/00 – juris Rn. 22; U.v. 26.6.1970 – IV C 99.67 – juris Rn. 11 f.). Dagegen spricht auch nicht die Vorschrift des § 62 Abs. 5 WHG. Diese stellt lediglich klar, dass landesrechtliche Vorschriften für besonders schutzbedürftige Gebiete unberührt bleiben. Mithin lässt sich kein Rechtssatz des Inhalts entnehmen, dass die Regelungen, die Wasserschutzgebietsfestsetzungen ermöglichen, erschöpfend sind und weitere Schutzmaßnahmen ausschließen. Die Möglichkeit, trotz einer Schutzgebietsausweisung auf die Vorschrift des § 62 WHG zurückzugreifen, kann insbesondere dann Bedeutung erlangen, wenn ein Wasserschutzgebiet aufgrund gewandelter Verhältnisse oder besserer Erkenntnisse neu abgegrenzt werden soll oder zusätzliche Schutzanordnungen in Betracht kommen.
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Vorliegend genügt das Vorhaben und insbesondere der damit zusammenhängende Güllekeller den in § 62 Abs. 1, Abs. 2 WHG genannten Anforderungen. Das Bauvorhaben der Klägerin entspricht den Regelungen der „Anforderungen an Jauche-, Gülle- und Silagesickersaftanlagen (JGS-Anlagen)“, welche als Anlage 7 zur Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) als Rechtsverordnung i.S.d. § 62 Abs. 4 WHG konkretisiert worden sind. Die Anforderungen stehen dem geplanten Güllekeller in der Schutzzone III des Wasserschutzgebiets nicht entgegen.
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Gemäß Ziffer 8.1 der Anlage 7 zur AwSV dürfen JGS-Anlagen nicht im Fassungsbereich und in der engeren Zone II von Wasserschutzgebieten errichtet und betrieben werden. In der weiteren Zone – wie sie hier vorliegt – sind die Errichtung und der Betrieb von einwandigen JGS-Lageranlagen grundsätzlich mit einem Leckageerkennungssystem zulässig. Dass die Zone II zukünftig erweitert werden und der Vorhabenstandort in die Zone II einbezogen werden könnte, hat hierbei keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit des Vorhabens, da diese Planungen vorliegend noch keine Konkretisierung erlangt haben und noch nicht einmal ein Entwurf für die Neuausweisung vorliegt. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung lag der Standort des Vorhabens jedenfalls im Bereich der Schutzzone III. Dort sind JGS-Anlagen aber grundsätzlich zulässig, wenn sie die allgemeinen Anforderungen für die Errichtung einhalten und darüber hinaus mit einer Leckageerkennungseinrichtung ausgerüstet sind. Weiterhin werden bestimmte Pflichten des Betreibers zur Anzeige und Überwachung der Anlage geregelt. Zur konkret vorliegenden unterirdischen Lagerung von Jauche, Gülle und Silagesickersäften trifft die Anlage 7 zur AwSV keine speziellen Aussagen. Das in der Verordnung speziell für JGS-Anlagen geregelte Anforderungsniveau genügt auch den in § 62 Abs. 1, Abs. 2 WHG aufgestellten Vorgaben. In § 62 Abs. 1 WHG fordert der Gesetzgeber, dass die Gewässer bestmöglich vor Verunreinigungen oder sonstigen nachteiligen Veränderungen geschützt werden müssen. Es ist in der Vorschrift aber nicht näher bestimmt, welche Schutzmaßregeln im Einzelnen zu treffen sind. Insoweit ist das erforderliche Schutzniveau vorliegend durch die Verordnung im Hinblick auf die Anlage 7 zur AwSV in hinreichender Weise präzisiert worden. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dadurch kein Standard sichergestellt worden ist, der § 62 Abs. 1 und 2 WHG entspricht und damit grundsätzlich auch ein ausreichendes Schutzniveau gewährleistet (vgl. BVerwG, U.v. 12.4.2001 – 4 C 5/00 – juris Rn. 22).
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Vorliegend ist es nicht zweifelhaft, dass das Vorhaben der Klägerin insbesondere im Hinblick auf den Güllekeller den Regelungen der Anlage 7 zur Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen entspricht und ausweislich der Planunterlagen mit einer Leckageerkennungseinrichtung entsprechend der TRwS 792 (Technische Regel wassergefährdender Stoffe: Jauche-, Gülle-, Silagesickersaftanlagen) ausgerüstet ist. Darüber hinaus entspricht das Vorhaben sämtlicher beachtlicher Vorgaben der AwSV und der einschlägigen DIN-Vorschriften 11622 und 1045 sowie der TRwS 792. Dies wurde auch in der mündlichen Verhandlung von dem beigezogenen Vertreter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen-Würzburg ausführlich erläutert und die geplanten Sicherheitsvorkehrungen detailliert aufgezeigt. Dass das Vorhaben die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen einhält, ist auch von Beklagtenseite nicht bestritten worden. Es ist somit davon auszugehen, dass die Anlage den bestmöglichen Gewässerschutz i.S.v. § 62 Abs. 1 Satz 3 WHG gewährleistet und entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik gemäß § 62 Abs. 2 WHG beschaffen sowie errichtet, unterhalten und betrieben wird.
37
Das Entgegenstehen sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften des Wasserrechts als Zulassungshindernis ist vorliegend nicht ersichtlich.
38
2.3. Auch der Einwand des Beklagten, dass das Wasserschutzgebiet nach Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts sowie des F. in der Zukunft neu ausgewiesen werde und die Schutzzone II erweitert werden solle, begründet im Rahmen des § 29 Abs. 2 BauGB kein Hindernis gegenüber dem Vorhaben. Diese voraussichtliche Neuausweisung, welcher weder konkrete Planungen, geschweige denn etwaige ausgefertigte Entwürfe zugrunde liegen, hat sich offensichtlich noch nicht im Rahmen einer wasserrechtlichen Norm manifestiert, die i.S.d. § 29 Abs. 2 BauGB unabhängig von den §§ 30 bis 37 BauGB Verbindlichkeit für sich beansprucht, sodass sie dem Vorhaben nicht entgegenstehen kann.
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3. Auch der öffentliche Belang der Gefährdung der Wasserwirtschaft gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB steht dem privilegierten klägerischen Vorhaben nicht entgegen. Gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, wenn das Vorhaben die Wasserwirtschaft gefährdet. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist vorliegend eröffnet.
40
Auch wenn teilweise vertreten wird, die Vorschrift, die lediglich ein Mindestmaß an Gewässerschutz gewährleisten soll, stelle keine höheren Anforderungen an ein Vorhaben als die spezialgesetzlichen Normen des Wasserrechts und der Wasserschutzgebietsverordnung (vgl. OVG NRW, U.v. 3.8.2000 – 7 A 3871/99 – BauR 2001, 223-227) oder jedenfalls sei die praktische Bedeutung der Regelung aufgrund des bereits durch die wasserrechtlichen Vorschriften gewährleisteten effektiven Gewässerschutzes sehr gering, sodass daneben zumindest kaum noch Bedarf für einen bauplanungsrechtlichen Gewässerschutz bleibe (vgl. Dürr in Brügelmann, BauGB, 112. Lfg. Juli 2020, § 35 Rn. 198), gesteht die wohl herrschende Meinung der Vorschrift des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB grundsätzlich einen eigenständigen städtebaulichen Regelungswert zu. Dem schließt sich die Kammer an. Die Vorschrift gilt dementsprechend unabhängig von wasserrechtlichen Normierungen und Planungen und dient der Gewährleistung eines Mindestmaßes an Gewässerschutz im Hinblick auf den Trink- und Grundwasserschutz. Ihr kommt insbesondere dort eine Auffangfunktion zu, wo grobe Verstöße in Frage stehen (vgl. BVerwG, U.v. 12.4.2001 – 4 C 5/00 – juris Rn. 25; U.v. 20.10.1972 – IV C 1.70 – juris Rn. 9; VGH BW, B.v. 20.1.2000 – 8 S 137/00 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 12.5.2021 – 9 CS 18.2000 – BeckRS 2021, 12467 Rn. 34 f.; SächsOVG, B.v. 9.12.2014 – 2 M 102/14 – NVwZ-RR 2015, 409 (412); Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 150. EL Mai 2023, § 35 Rn. 102). Solche groben Verstöße, die dem Vorhaben gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB als Ablehnungsgrund entgegengehalten werden könnten, sind hier nicht ersichtlich. Dem liegen die folgenden Erwägungen zugrunde:
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3.1. Zunächst ist festzustellen, dass die zukünftige, von Seiten des Landratsamts und des Wasserwirtschaftsamts angekündigte Neuausweisung des Wasserschutzgebiets dem Vorhaben auch im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB nicht entgegenstehen kann. Fraglich ist zwar bereits, ob eine unfertige Planung für sich genommen überhaupt geeignet sein kann, einem privilegierten Vorhaben als öffentlicher Belang zu widersprechen. In dem vorliegenden Fall fehlt es allerdings bereits an jeglicher Konkretisierung einer etwaigen Planung, sodass diese dem Vorhaben in jedem Fall nicht als Ablehnungsgrund entgegengehalten werden kann.
42
Nach den Ausführungen des F., des Wasserwirtschaftsamts sowie des Landratsamts selbst liegt derzeit weder ein Entwurf für die Neuausweisung des Schutzgebiets noch ein konkreter Antrag auf Neuausweisung durch den Fernwasserversorger vor. Auch gibt es keinerlei Anhaltspunkte für einen voraussichtlichen Gebietsumgriff der jeweiligen geänderten Schutzzonen oder für den räumlichen Anwendungsbereich der neuen Wasserschutzgebietsverordnung. Soweit das Wasserwirtschaftsamt in seinen Stellungnahmen geltend macht, dass „aus fachlicher Sicht voraussichtlich mit einer Vergrößerung des Umgriffs der Zone II zu rechnen“ ist und der Bereich des geplanten Vorhabens sodann „nach derzeitigen Begutachtungsstandards absehbar in die besonders sensible Engere Schutzzone fallen“ würde (vgl. Stellungnahme des WWA vom 20.9.2022), reicht dies für eine Konkretisierung des Gebietsumgriffs jedenfalls nicht aus. Es ist nicht dargelegt worden und auch sonst nicht ersichtlich, auf welche fachlichen Erkenntnisse sich diese Annahme stützt. Auch sind im Rahmen einer zukünftigen Neuausweisung des Wasserschutzgebiets weder Gutachten noch anderweitige Untersuchungen oder Vorerkundungen der Bodenverhältnisse vorgenommen worden, die Aussagen über die zur Ausweisung des Schutzgebiets maßgeblichen Umstände – insbesondere im Hinblick auf eine erforderliche Erweiterung der Zone II – treffen. Aus der Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 6. April 2022 geht zwar hervor, dass am 10. November 2021 ein Scopingtermin zur Überprüfung des aktuell festgesetzten Wasserschutzgebiets für die Br.galerie stattgefunden hat, um die weiteren Schritte festzulegen, nachfolgende Untersuchungen oder Prüfungen, um die fachlichen Grundlagen für eine solche Neuausweisung zu schaffen, sind vorliegend jedoch im Nachgang gerade nicht vorgenommen worden. Bei der in der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2023 übergebenen Stellungnahme des Ingenieurbüros B. handelt es sich nicht um ein solches Gutachten zur Neuausweisung des Wasserschutzgebiets, sondern vielmehr um eine Stellungnahme zu den erwarteten Auswirkungen des klägerischen Vorhabens ohne Vornahme von weiteren Untersuchungen der tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort. Diese nimmt eine Neubewertung der bereits vor der Schutzgebietsausweisung vorgenommenen Untersuchungen im Hinblick auf die hydrogeologischen Gegebenheiten im Umgriff der Schutzgebietsverordnung vor. Soweit in der mündlichen Verhandlung auf die im Rahmen dieser Stellungnahme in Anlage 3 befindliche „neue“ Wasserschutzgebietsverordnung verwiesen worden ist, ist anzumerken, dass es sich dabei lediglich um die Musterverordnung für Wasserschutzgebiete des Bayerischen Landesamts für Umwelt handelt. Eine nähere Gebietsabgrenzung oder eine sonstige Planung hinsichtlich der konkreten Neuausweisung des Wasserschutzgebiets … lässt sich daraus nicht entnehmen und konnte auch darüber hinaus nicht vorgelegt werden, da eine solche gerade noch nicht existiert. Soweit die Amtsgeologin des Wasserwirtschaftsamts in den mündlichen Verhandlungen geltend gemacht hat, unter Zugrundelegung der DVGW W101 als Regelwerk sei ein Abstand von 300 m zum nächstgelegenen Br. zu wählen, kann dies ebenfalls nicht als Orientierungshilfe herangezogen werden, da es sich dabei ausdrücklich lediglich um eine persönliche Einschätzung handelte, jedoch keine konkreten Anhaltpunkte dafür vorliegen, dass eine neue Planung das Regelwerk tatsächlich zugrunde legen würde. Mangels jeglicher Planungsgrundlagen ist festzustellen, dass das Verfahren zur Neuausweisung des Wasserschutzgebiets noch komplett am Anfang steht. Dies ergibt sich auch daraus, dass im Hinblick auf den bereits bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin in der geltenden Schutzzone III des Wasserschutzgebiets noch keine für die Schutzgebietsausweisung erforderliche Alternativenprüfung durch die Behörden vorgenommen worden ist. Danach müssten bei Ausweisung des Schutzgebiets im Rahmen der Abwägung ernsthaft in Betracht kommende Standortalternativen ermittelt, bewertet und untereinander abgewogen werden. Eine solche Prüfung ist offensichtlich seitens des Landratsamts noch nicht vorgenommen worden. Weiterhin soll die Neufestsetzung des Wasserschutzgebiets im Zuge der Neubeantragung der Grundwasserentnahme erfolgen. Auch im Hinblick auf die zu beantragende Entnahmemenge wurde seitens des F. in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass noch keine konkrete zu beantragende Entnahmemenge festgesetzt worden ist, sondern diese vielmehr abhängig von den noch in Zukunft durchzuführenden Untersuchungen ist. Daraus wird deutlich, dass auch im Hinblick auf das damit einhergehende Verfahren zur wasserrechtlichen Gestattung noch nicht mit den erforderlichen Vorbereitungsmaßnahmen begonnen worden ist. Mangels jeglicher Konkretisierung kann diese „Planung“ dem Vorhaben nicht als öffentlicher Belang i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB entgegenstehen.
43
Darüber hinaus ist selbst bei Vorliegen einer solchen Planung, d.h. eines konkreten Entwurfs, darauf hinzuweisen, dass § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB nicht als Instrument konzipiert ist, das dazu dient, wasserrechtliche Planungen vor Beeinträchtigungen zu bewahren. Dafür hat der Gesetzgeber anderweitig Vorsorge getroffen, um zu verhindern, dass wasserrechtliche Planung zur Ausweisung eines Wasserschutzgebiets i.S.v. § 51 WHG durch Maßnahmen, die den planerischen Zielen zuwiderlaufen, erschwert oder gar vereitelt werden. Im Rahmen des Wasserrechts stellt § 86 WHG ein eigenständiges Sicherungsmittel zur Verfügung, sodass Plangebiete mit dem Charakter einer Veränderungssperre zur Sicherung von Planungen u.a. für Vorhaben der Wassergewinnung festgelegt werden können. Auf dieser Grundlage haben die Behörden es selbst in der Hand, durch eigene Anordnungen die Sperrwirkungen zu erzeugen, die notwendig sind, um der Gefahr tatsächlicher Veränderungen vorzubeugen, durch die eine auf das Ziel einer Schutzgebietsfestsetzung oder -änderung gerichtete Planung behindert oder zunichtegemacht wird. Dementsprechend bedarf es als Mittel der Planungssicherheit daneben nicht zusätzlich eines Rückgriffs auf das Städtebaurecht (vgl. BVerwG, U.v. 12.4.2001 – 4 C 5/00 – juris Rn. 26). Eine solche Veränderungssperre wurde seitens des Landratsamts vorliegend nicht erlassen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es an einer konkreten Planung sowie fachlicher Grundlagen dafür fehlt (vgl. Stellungnahme des WWA vom 20.9.2022, S. 2), denn auch die Anordnung einer wasserrechtlichen Veränderungssperre setzt zumindest ein gewisses Maß der Konkretisierung und Ernsthaftigkeit der Planungsabsicht voraus (vgl. Giesberts in BeckOK UmweltR, 68. Ed. Stand: 1.4.2023, § 86 Rn. 3). Vorliegend war dem Landratsamt empfohlen worden, eine solche Veränderungssperre zu verhängen, sobald ein plausibler Wasserschutzgebietsentwurf durch die F. vorgelegt wurde. Entsprechend der obigen Ausführungen konnte ein solcher jedoch noch nicht erarbeitet werden.
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3.2. Allerdings kann § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB gegebenenfalls als Zulassungshindernis eingreifen, wenn die örtlichen Gegebenheiten außerhalb des Anwendungsbereichs wasserrechtlicher Schutzvorschriften die Annahme rechtfertigen, dass die Wasserwirtschaft gefährdet wird. Ist beispielsweise nach wasserwirtschaftlichen und technischen Erkenntnissen aufgrund der geologischen oder hydrologischen Verhältnisse, etwa der Geländegestaltung, des Grundwasserstands und der Grundwasserfließrichtung oder der Wasserdurchlässigkeit des Bodens, davon auszugehen, dass ein Bauvorhaben geeignet ist, eine vorhandene Trinkwassergewinnungsanlage in ihrer Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen oder die künftige Wasserversorgung nachteilig zu beeinflussen, so erkennt der Gesetzgeber diesem Umstand die Qualität eines öffentlichen Belanges unabhängig davon zu, ob sich aus dem allgemeinen oder dem gebietsbezogenen besonderen Wasserschutzrecht bestimmte Handlungsgebote oder -verbote herleiten lassen oder nicht. Dabei kann ein Entwurf einer neuen Wasserschutzgebietsverordnung als Indiz für einen Gefährdungstatbestand i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB herangezogen werden. Sind auf Grund von Untersuchungen der Gebietszuschnitt und die zum Schutz der Wasserversorgung notwendigen Beschränkungen bereits vorhersehbar, so hat auch die Bauaufsichtsbehörde diesem Entwicklungsstand Rechnung zu tragen. Dabei ist allerdings zu betonen, dass nicht die Sicherung der auf der Grundlage des § 51 WHG eingeleiteten Planung, sondern vielmehr die Wahrung der unter wasserwirtschaftlichen Gesichtspunkten schützenswerten tatsächlichen Verhältnisse die Ablehnung eines Bauvorhabens unter Berufung auf § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB rechtfertigen (BVerwG, U.v. 12.4.2001 – 4 C 5/00 – juris Rn. 27; BayVGH, U.v. 25.6.2003 – 26 B 02.2237 – BeckRS 2003, 27555 Rn. 27; B.v. 12.5.2021 – 9 CS 18.2000 – BeckRS 2021, 12467 Rn. 35).
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Dementsprechend dient § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB insbesondere der Vermeidung schädlicher Verunreinigungen des Grundwassers oder sonstiger nachteiliger Veränderungen aufgrund von tatsächlichen Verhältnissen am Standort. Eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften ist dabei schon dann zu besorgen, wenn die Möglichkeit eines entsprechenden Schadenseintritts nach den gegebenen Umständen und im Rahmen einer sachlich vertretbaren, auf konkreten Feststellungen beruhenden Prognose nicht von der Hand zu weisen ist. Bei der Einzelfallprüfung ist grundsätzlich eine konkrete Betrachtungsweise zu wählen. Auf den Nachweis eines Schadenseintritts im Einzelfall kann nur dann verzichtet werden, wenn einschlägige Rechtssätze (insbesondere Rechtsverordnungen über Wasserschutzgebiete) Regelungen für bestimmte typischerweise besonders gefährliche Situationen enthalten (vgl. BVerwG, U.v. 12.9.1980 – IV C 89.77 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 12.5.2021 – 9 CS 18.2000 – BeckRS 2021, 12467 Rn. 35).
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Entsprechend dieser rechtlichen Maßstäbe steht der öffentliche Belang aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB dem Vorhaben nicht entgegen. Vorliegend sind keine konkreten Anhaltspunkte – auch unter Hinweis auf die geplante Änderung der Wasserschutzgebietsverordnung – vorhanden, die eine Ablehnung des Bauvorhabens aus wasserwirtschaftlichen Gründen rechtfertigen. Insbesondere fehlt es hier an einer auf konkreten Feststellungen oder tatsächlichen wasserwirtschaftlichen oder technischen Erkenntnissen beruhenden Prognose, die eine Gefährdung der Wasserwirtschaft befürchten lässt.
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(1) Dabei ist zunächst festzustellen, dass sich der Vorgang nicht in einem Bereich abspielt, in dem das allgemeine umweltrechtliche Vorsorgeprinzip Geltung findet, welches grundsätzlich auf eine Minimierung von Umweltbelastungen und Umweltrisiken abzielt und primär vorbeugend wirkt, d.h. Schäden oder Gefahren erst gar nicht entstehen zu lassen. Vielmehr muss im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB entsprechend der obigen Ausführungen aufgrund von wasserrechtlichen oder technischen Erkenntnissen sowie aufgrund von Untersuchungen, auf die beispielsweise auch eine künftige Neuausweisung des Wasserschutzgebiets gestützt werden kann, feststehen, dass das Bauvorhaben geeignet ist, die Wasserwirtschaft und die Funktionsfähigkeit einer bestehenden Trinkwassergewinnungsanlage zu gefährden. Nach Auffassung der Kammer steht dementsprechend fest, dass die Feststellungslast im Hinblick auf eine zu befürchtende Gefährdung bei der Behörde, in diesem Fall bei dem Landratsamt bzw. dem Wasserwirtschaftsamt als dessen Fachbehörde, liegt. Erforderlich ist in einem ersten Schritt somit zunächst, dass die Behörde aufgrund von tatsächlichen Erkenntnissen plausibel darlegt, aus welchen Gründen die Verwirklichung des Bauvorhabens an dem konkreten Standort eine Gefährdung der Wasserwirtschaft befürchten lässt. Erst wenn eine solche Beurteilung vorliegt, kann in einem zweiten Schritt erforderlich werden, dass die Sachverständigenaussagen von der Klägerseite ernsthaft erschüttert werden und im Sinne eines qualifizierten Vortrags schlüssig aufgezeigt wird, warum das dort gefundene Ergebnis nicht als vertretbar angesehen werden kann. Vorliegend fehlt es jedoch bereits an einer auf konkreten Feststellungen beruhenden Prognose des Wasserwirtschaftsamts, welche die Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichend und einzelfallbezogen begründen kann.
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(2) Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu dem klägerischen Vorhaben hat das Wasserwirtschaftsamt A. insgesamt vier Stellungnahmen (vom 24.9.2021, vom 6.4.2022, vom 20.9.2022 und vom 14.12.2022) abgegeben. Jegliche Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts sowie auch des Fernwasserversorgers vom 31. Mai 2021 erschöpfen sich grundsätzlich in den Feststellungen, dass sich das Vorhaben innerhalb eines Wasserschutzgebiets in der Nähe zu den Trinkwasserbrunnen unmittelbar angrenzend an Schutzzone II befinde, und im Einzugsbereich der Trinkwasserbrunnen liege. Weiterhin seien in dem Buntsandstein-Grundwasserleiter, welcher die Trinkwasserbrunnen erschließe, hohe Abstandsgeschwindigkeiten nachgewiesen worden. An dem Standort des Bauvorhabens herrschten vergleichbare Untergrundverhältnisse wie an der Grundwassermessstelle E. und insbesondere der Güllekeller stelle einen gravierenden Eingriff in die bestehenden Deckschichten und ein Gefährdungspotential für die Trinkwassergewinnungsanlage dar, welches nicht durch die Auferlegung von Nebenbestimmungen oder Auflagen ausgeglichen werden könne. Die Stellungnahmen treffen jeweils jedoch keine Aussage über die Untergrundverhältnisse, insbesondere die Deckschichten sowie die Wasserdurchlässigkeit des Bodens, an dem konkreten Standort des Bauvorhabens und es fehlt an eindeutigen Aussagen über die Auswirkungen des Bauvorhabens auf die Trinkwasserbrunnen unter Zugrundelegung der tatsächlichen standortbezogenen Verhältnisse. Vielmehr beschränken sich die Aussagen auf die Feststellungen über die Situation in dem vorliegenden Grundwasserleiter. Weiterhin wird behauptet, dass im Zuge der Neubeantragung der Grundwasserentnahme auch eine Neufestsetzung des Wasserschutzgebietes geplant sei und aus fachlicher Sicht eine Vergrößerung der Schutzzone II erfolgen werde. Es fehlt jedoch, wie oben bereits dargelegt, an konkreten Anhaltspunkten oder fachlichen Grundlagen, die eine solche Annahme rechtfertigen.
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Im Hinblick auf die vorgelegten Unterlagen und Ergebnisse des Markierungsversuchs, welcher vom 27. November 2001 bis zum 16. Januar 2002 als Grundlage zur Ausweisung der derzeit Geltung findenden Wasserschutzgebietsverordnung durchgeführt worden war, ist zwar zuzugestehen, dass in dem von den Trinkwasserbrunnen primär erschlossenen Buntsandstein-Grundwasserleiter hohe Abstandsgeschwindigkeiten herrschen. Insbesondere war der in die Grundwassermessstelle E. nördlich des Bauvorhabens eingegebene Markierungsstoff bereits sehr schnell, erstmals nach zwei Tagen, im Wasser der Br. S1 und S2 nachgewiesen worden (vgl. Kurzbericht zum Markierungsversuch E.-S. vom 25.1.2002, Bl. 36 der Gerichtsakte). Die Ergebnisse des durchgeführten Versuchs belegen aber auch gerade nur die Tatsache, dass die Fließgeschwindigkeiten in dem betreffenden Grundwasserleiter hoch sind. Dagegen trifft der Markierungsversuch keine Aussage über die Deckschichten- und Untergrundverhältnisse im Hinblick auf den konkreten Standort des Bauvorhabens, sodass schon gar nicht ersichtlich ist, ob und wie schnell bei einem Austritt von wassergefährdenden Stoffen diese überhaupt in den Buntsandstein-Grundwasserleiter gelangen würden. Eine konkrete Aussage über die Deckschichtenverhältnisse konnte von Seiten des Wasserwirtschaftsamts jedoch nur im Hinblick auf die Grundwassermessstelle E. getroffen werden. Dagegen konnte nicht ausgeführt werden, welche Untergrundverhältnisse an dem konkreten Standort des Bauvorhabens herrschen.
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Dabei ist insbesondere festzustellen, dass seit Erlass der Wasserschutzgebietsverordnung in dem Jahr 2007 keine (erheblichen) neuen Erkenntnisse über das streitgegenständliche Gebiet und seine Bodenverhältnisse gewonnen worden sind, geschweige denn neue Gutachten zur Neufestsetzung des Wasserschutzgebiets eingeholt wurden. Auf mehrfache Nachfrage durch das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2023 sowie vom 16. November 2023 bestätigte das Wasserwirtschaftsamt, dass die heutigen Erkenntnisse im Wesentlichen auch dem damaligen Kenntnisstand, d.h. vor Ausweisung des Wasserschutzgebiets in seiner derzeit geltenden Fassung im Jahr 2007, entsprechen. Lediglich die Tatsache, dass den Br. auch ein Anteil des Uferfiltrats von ca. 30% zufließt, ist als „neue“ Erkenntnis in der Zwischenzeit eingetreten, wobei auch in dem Gutachten des von dem F. beauftragten Büros vom 16. September 2003 zur Neuausweisung des Wasserschutzgebiets bereits von einem – allerdings noch nicht näher bezifferten – Uferfiltratanteil ausgegangen worden war. Auch der Verweis auf die vorgelegte Stellungnahme des Ingenieurbüros B. geht vorliegend fehl, da es sich dabei – wie oben bereits ausgeführt – nicht um ein neues fachliches Gutachten handelt, sondern lediglich um eine Neubewertung der bereits erforschten Gegebenheiten bezüglich des Vorhabens im Umgriff des Wasserschutzgebiets. Dieselben Erkenntnisse waren jedoch auch Grundlage der Ausweisung des Wasserschutzgebiets im Jahr 2007. Dieser lag insbesondere ein Gutachten des F., durchgeführt von dem Geotechnischen Büro Prof. Dr. S., Dr.-Ing. G. vom 6. September 2002, zugrunde, in dem die Ausweisung der Schutzzonen in der derzeitigen Fassung als ausreichend erachtet wurden und davon ausgegangen wurde, eine Erweiterung der Schutzzonen II und III bringe keine wesentliche Verbesserung des Trinkwasserschutzes (vgl. S. 2, 28 des „Antrags des F. auf Neufestsetzung der Trinkwasserschutzgebiete für die Erschließungsgebiete E.S. und E.-N.“ vom 6.9.2002, Bl. 125 ff. der Gerichtsakte). Mit Gutachten des Wasserwirtschaftsamts vom 16. September 2003 bestätigte dieses die Ausweisung des Schutzgebiets in dieser Form und erklärte, dass „mit dem vorgeschlagenen Schutzgebiet ein ausreichend wirksamer Trinkwasserschutz erreichbar“ sei (vgl. S. 16 Unterpunkt 5.4 des „Gutachtens im wasserrechtlichen Verfahren zur Neufestsetzung eines Wasserschutzgebietes für die Trinkwassergewinnungsanlage des Zweckverbandes Fernwasserversorgung M., W., (F.) für die Wassergewinnungsanlage E.-S. und E.-N., Lkr. Main-Spessart“). Seitdem sind weder neue Gutachten eingeholt worden, noch wurden Rammkernsondierungen oder ähnliche Untersuchungen durchgeführt, die auf abweichende oder veränderte tatsächliche Umstände am Standort des Bauvorhabens schließen lassen. Es ist somit hier nicht ersichtlich, aus welchen Gründen, ohne die Erkenntnis veränderter Gegebenheiten der Untergrundverhältnisse, die Regelungen der Wasserschutzgebietsverordnung, welche Stallungen in dieser Form ausdrücklich zulassen, im Hinblick auf das Vorhaben als nicht ausreichend betrachtet werden müssten.
51
(3) Maßgeblich für die Beurteilung einer zu befürchtenden Gefährdung ist vorliegend in erster Linie die Bewertung der Untergrund- und Deckschichtenverhältnisse am konkreten Standort des Bauvorhabens, um einschätzen zu können, ob und in welcher Geschwindigkeit bei einem etwaigen Schadenseintritt wassergefährdende Stoffe in den von den Trinkwasserbrunnen erschlossenen Grundwasserleiter eindringen können.
52
Im Hinblick auf die Untergrundverhältnisse im Schutzgebiet wurde im Rahmen des ursprünglichen Gutachtens des F. vom 6. September 2002 zur Ausweisung des Wasserschutzgebiets festgestellt, dass die unterirdischen Gegebenheiten in diesem Bereich grundsätzlich von zwei verschiedenen Grundwasserleitern gekennzeichnet sind. Primär werden die Trinkwasserbrunnen des F. von dem Buntsandstein-Grundwasserleiter erschlossen. Darüber hinaus existiert jedoch noch ein weiterer Quartärgrundwasserleiter, welcher im unmittelbaren Br.bereich nicht wasserführend ist. Dies wurde seitens des Wasserwirtschaftsamts durch die Amtsgeologin in den mündlichen Verhandlungen ebenfalls bestätigt. Der Buntsandstein als Haupt-Grundwasserstockwerk wird parallel des Mains in einem 100 bis 250 m breiten Streifen von einem Porengrundwasserleiter in quartären Mainablagerungen überlagert. Dieser quartäre Grundwasserleiter überlagert in Teilflächen wirksam den Buntsandstein und schützt diesen somit teilweise vor dem Eindringen von wassergefährdenden Stoffen. Die Br. S1, S2, S3b und S4 liegen außerhalb dieser Überlagerung durch den Quartärgrundwasserleiter. Der Br. S3 liegt jedoch innerhalb dieser Überlagerung und besitzt aufgrund dessen eine funktionsfähige Absperrung gegen den Porengrundwasserleiter in den pleistozänen Maintalablagerungen (vgl. S. 18 ff. des „Antrags des F. auf Neufestsetzung der Trinkwasserschutzgebiete für die Erschließungsgebiete E.-S. und E.-N.“ vom 6.9.2002, Bl. 125 ff. der Gerichtsakte).
53
Unter Zugrundelegung dieser festgestellten Untergrundverhältnisse wurde vor Neuausweisung des Wasserschutzgebiets im Jahr 2007 eine Berechnung zur Ermittlung der Schutzfunktionen der Grundwasserüberdeckung nach der Methode H...et al. (1995) vorgenommen. Im Rahmen dieser Berechnung werden für konkrete am Standort bestehende tatsächliche Faktoren Punkte vergeben, welche für eine höhere Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung sprechen. Insgesamt errechnet sich sodann eine Gesamtpunktzahl, die sich entweder als sehr geringe, geringe, mittlere oder hohe Gesamtschutzfunktion der Grundwasserüberdeckung einstufen lässt. Danach besteht an der Grundwassermessstelle E. nördlich des Vorhabenstandorts sowie an der Grundwassermessstelle E., welche direkt am Mainufer liegt, eine mittlere Schutzfunktion der Deckschicht (> 1000 bis 2000 Punkte). Ausweislich dieser Berechnung ergab sich an der Grundwassermessstelle E. eine Gesamtschutzfunktion der Grundwasserüberdeckung von 647 Punkten, an der Grundwassermessstelle E. in Höhe von 790 Punkten. Zusätzlich wurden jeweils 500 Punkte als „Faktor Q“ hinzugerechnet, da in diesen Bereichen eine Überlagerung durch das schwebende Quartärgrundwasserstockwerk erfolge und die Grundwasserüberdeckung somit eine höhere Schutzfunktion aufweise. Insgesamt ergab sich damit für die Grundwassermessstelle E. eine Gesamtpunktzahl von 1147 Punkten und für die Grundwassermessstelle E. eine Gesamtpunktzahl von 1290 Punkten. Entsprechend dieser Berechnung sowie der „Karte der Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung“ des Geotechnischen Büros Prof. Dr. S., Dr.-Ing. G. ergibt sich für den gesamten grün angelegten Bereich unmittelbar östlich des Mains und somit auch am konkreten Standort des Vorhabens durch die Überlagerung durch den Quartärgrundwasserleiter eine „mittlere“ Gesamtschutzfunktion mit einer Verweildauer des Sickerwassers in der Grundwasserüberdeckung von drei bis zehn Jahren. Im Bereich der Br. S1, S2, S3b und S4 wurde entsprechend der ausgeführten tatsächlichen Gegebenheiten dagegen mangels Überlagerung durch den Quartärgrundwasserleiter eine geringe Gesamtschutzfunktion (> 500 bis 1000 Punkte) ausgewiesen und auch im Rahmen der Berechnung kein Zuschlag Q in Höhe von 500 Punkten für das schwebende Quartär angesetzt.
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Im Gegensatz dazu nimmt auch die neue Bewertung durch das Ingenieurbüro B. eine Berechnung der Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung nach dem Verfahren von H... et al. (1995) vor. Dabei errechnet es für die Grundwassermessstelle E. eine Gesamtschutzfunktion der Grundwasserüberdeckung von insgesamt 713 Punkten. Nach den Ausführungen in der Stellungnahme vom Oktober 2023 kann der Zuschlag Q in Höhe von 500 Punkten bei der Grundwassermessstelle E. jedoch nicht zusätzlich hinzugerechnet werden, da das Quartär nicht als schwebendes Grundwasserstockwerk berücksichtigt werden könne. Zwar befinde sich über dem Buntsandstein grundsätzlich noch das Quartär, jedoch bestehe zwischen Quartär und dem durch die Br. erschlossenen Buntsandstein keine hydraulische Trennung und das Quartär falle zeitweise trocken. Ein neues Gutachten oder neue Untersuchungen wurden damit jedoch nicht vorgelegt, sodass nicht ersichtlich ist, auf welche konkreten Erkenntnisse sich diese Annahme stützt und aus welchen Gründen eine Abweichung von der ursprünglichen Bewertung erforderlich wurde. Jedenfalls betrifft die abweichende Berechnung allein die Grundwassermessstelle E., nicht aber den konkreten Standort des Vorhabens. Die Amtsgeologin des Wasserwirtschaftsamts bestätigte hierzu in der mündlichen Verhandlung, dass sich in dem grün angelegten Bereich in dem Streifen unmittelbar östlich des Mains ein Quartärgrundwasserleiter befinde und das Quartär etwa in einem Bereich von 350 m gemessen ab dem Mainufer deutlich über die Br.linie hinausreiche und den Buntsandstein-Grundwasserleiter überlagere. Allerdings sei das Quartär nicht flächendeckend grundwassererfüllt, insbesondere sei das Quartär im Br.bereich nicht wasserführend und auch im Bereich der Grundwassermessstelle E. sei kein Wasser im Quartär angetroffen worden, aber sehr wohl bei der Grundwassermessstelle E.. Ausweislich der „Karte der Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung“ liegt der Vorhabenstandort – der sich zwischen den Grundwassermessstellen E. und E. befindet – in dem grün angelegten Bereich mit mittlerer Schutzfunktion und danach grundsätzlich innerhalb der wirksamen Überlagerung durch den Quartärgrundwasserleiter. Im Hinblick auf diesen konkreten Standort konnten auch keine abweichenden Gegebenheiten festgestellt werden, sodass – wie die Amtsgeologin des Wasserwirtschaftsamts in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich erklärte – von fachlicher Seite keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob an dem Standort des Vorhabens von der ursprünglichen Bewertung abweichende Gegebenheiten herrschen.
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Selbst wenn man aber mit einer Gesamtpunktzahl von 713 Punkten nur eine geringe Gesamtschutzfunktion der Grundwasserüberdeckung am Standort zugrunde legt, ergibt sich nach H...et al. (1995) eine Verweildauer des Sickerwassers in der Grundwasserüberdeckung von mehreren Monaten bis ca. drei Jahren und nicht – wie von der Amtsgeologin des Wasserwirtschaftsamts in der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2023 vorgebracht – von wenigen Tagen. Auch unter Heranziehung dieser neuen Berechnung wäre bei einem etwaigen Austritt von wassergefährdenden Stoffen nicht mit einem unmittelbaren Zufluss der Stoffe in den Buntsandstein-Grundwasserleiter und somit einer unmittelbaren Gefährdung der Trinkwasserbrunnen zu rechnen.
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(4) Weiterhin ist dahingehend anzuführen, dass jegliche Versuche der Klägerseite, neue Erkenntnisse über die Untergrundverhältnisse am Standort des Vorhabens zu erlangen, ohne Erfolg geblieben sind. Vorliegend hatte sich das Baugenehmigungsverfahren zunächst insgesamt zweieinhalb Jahre hingezogen und der am 20. März 2021 gestellte Bauantrag war erst mit Ablehnungsbescheid vom 10. August 2023 beschieden worden. Trotzdem sind von der fachlichen Seite zu keinem Zeitpunkt Untersuchungen oder Erforschungen unternommen worden, um die konkreten tatsächlichen Gegebenheiten vor allem im Hinblick auf die Deckschichtenbewertung am Vorhabenstandort zu ermitteln. Im Gegensatz dazu hatte die Klägerin ein Ingenieurbüro für Hydrogeologie und Umweltschutz beauftragt und bei dem Landratsamt M.-S. am 21. Februar 2023 einen „Antrag auf Ausnahmegenehmigung aus der Schutzgebietsverordnung (§ 3 (1), Punkt 2) der Br. S1 – S4 des ZV Fernwasserversorgung M. (F.) für die Errichtung von Rammkernsondierungen zur Untersuchung der Deckschichten- und Untergrundverhältnisse“ gestellt, um eben gerade dies herausfinden zu können und gegebenenfalls neue Erkenntnisse zu erlangen. Zu diesem Zweck sollten auf dem Baugrundstück innerhalb der Schutzzone III sechs Rammkernsondierungen ausgeführt werden. Obwohl am 31. Mai 2023 die letzte (positive) fachliche Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts A. dazu beim Landratsamt M.-S. eingegangen war, ist der Antrag bis zum Tage der letzten mündlichen Verhandlung nicht beschieden worden, obgleich in der mündlichen Verhandlung seitens des Landratsamts erklärt wurde, dass der Antrag wohl genehmigungsfähig sei. Der Klägerin ist somit jegliche weitere Erforschung im Hinblick auf die Umstände am Standort verwehrt geblieben. Von der Beklagtenseite selbst sind keine ausreichenden Bemühungen zur Erkundung der relevanten Bodenverhältnisse angestellt worden.
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(5) Entsprechend der Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts kann das Gefährdungspotential, welches für die Trinkwasserbrunnen von dem Vorhaben ausgeht, aus fachlicher Sicht auch nicht durch Inhalts- oder Nebenbestimmungen vermieden oder ausgeglichen werden. Es verbleibe stets ein Restrisiko für die Wassergewinnungsanlagen des F. (vgl. Stellungnahme des WWA vom 20.9.2022, S. 3; Bescheid des Landratsamt M.-S. vom 10.8.2023, S. 9). Letztlich vertritt es damit die Auffassung, dass es an dem Vorhabenstandort für das konkrete Vorhaben überhaupt keine Maßnahmen geben könnte, die eine ausreichende Sicherung des Grundwassers gewährleisteten, da die Möglichkeit eines Schadenseintritts durch menschliches oder technisches Versagen nie mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB der Vorsorgegrundsatz gerade nicht uneingeschränkt gilt und damit sämtliche mögliche Verunreinigungen bereits vorbeugend auszuschließen wären. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen unter (1) verwiesen. Das Landratsamt und das Wasserwirtschaftsamt fordern hier aufgrund des Deckschichteneingriffs und der hohen Fließgeschwindigkeit innerhalb des Buntsandstein-Grundwasserleiters letztlich die Unmöglichkeit eines jeglichen potentiellen Schadensereignisses, indem sie sich darauf berufen, dass ein Restrisiko auch durch noch so gute technische und bauliche Vorsorgemaßnahmen nicht ausgeschlossen werden könne. Nach Auffassung der Kammer kann jedoch nicht für jeden noch so kleinen Unfall allein aufgrund der örtlichen Gegebenheit ein „Nullrisiko“, d.h. ein der Unmöglichkeit nahekommender Wahrscheinlichkeitsgrad, gefordert werden (vgl. dazu: VG Wiesbaden, U.v. 24.7.2020 – 4 K 2962/16 – juris Rn. 68 f.). Dass generell unkalkulierbare geohydrologische Verhältnisse im Einzugsbereich der Trinkwasserbrunnenanlage herrschen und das Gebiet teilweise von einer geringen Mächtigkeit der schützenden Deckschichten gekennzeichnet ist, schließt, ohne dass für die konkrete Situation Feststellungen getroffen worden sind, die eine besondere Gefährdung im Einzelfall vermuten lassen, die Verwirklichung des Vorhabens nicht aus. Durch die in Schutzzone III ohnehin geltenden Sicherheitsvorkehrungen bei der Lagerung von Jauche, Gülle und Silagesickersäften wird grundsätzlich sichergestellt, dass das bei jeder Art von Behälter letztlich immer verbleibende Leckagerisiko auf ein Minimum reduziert und gleichwohl eintretende Undichtigkeiten frühzeitig erkannt werden; insoweit wird auf die Ausführungen unter 2.1. und 2.2. verwiesen.
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Soweit das Landratsamt im streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid unter Bezugnahme auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Juni 2003 (Az. … ..) damit argumentiert, dass ein Güllekeller stets – auch bei Vornahme der turnusmäßig vorgeschriebenen Dichtigkeitsprüfungen – ein unabschätzbares Risiko für den Grundwasserschutz darstelle, ist darauf hinzuweisen, dass sich das genannte Urteil auf ein Bauvorhaben bezieht, welches in der engeren Schutzzone II einer infolge Fristablaufs außer Kraft getretenen Wasserschutzgebietsverordnung liegt. Die Zone II soll aber gerade von sämtlichen Einrichtungen und Handlungen freigehalten werden, die eine hygienische Beeinträchtigung des Grundwassers nicht ständig ausschließen lassen. Dementsprechend sind dort auch keine JGS-Anlagen zulässig. Dies gilt aber, wie oben erläutert, gerade nicht für die Schutzzone III und darin befindliche Vorhaben.
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(6) Die Kammer unterschätzt vorliegend auch nicht die Bedeutung des öffentlichen Belangs der Wasserwirtschaft und die Wichtigkeit der Reinhaltung des Trinkwassers und dem Schutz der Trinkwasserversorgung als hohes Allgemeingut, welche durch die Vorschrift des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB gewährleistet werden soll. In diesem Zusammenhang ist in diesem konkreten Fall aber zu sehen, dass das Landratsamt bzw. das beigezogene Wasserwirtschaftsamt keine konkreten Anhaltspunkte dafür liefern konnten, dass an dem Standort durch die Realisierung des Vorhabens eine besondere Gefährdung im Einzelfall zu befürchten ist. Gleichwohl stehen sich in dem hier zu beurteilenden Verfahren im Rahmen der Abwägung das Interesse der Klägerin an der Verwirklichung eines privilegierten Vorhabens (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) und der öffentliche Belang der Wasserwirtschaft gegenüber und eine derartige letzte Gewissheit – wie sie von Beklagtenseite verlangt wird – kann nach Ansicht der Kammer nicht gefordert werden. Grundsätzlich ergibt sich aus der Wasserschutzgebietsverordnung eine Zulässigkeit des Vorhabens in der Schutzzone III des Wasserschutzgebiets. Insoweit ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass eine derartige befürchtete Gefährdung des Grundwassers im Falle eines ordnungsgemäßen Betriebs durch die Klägerin ohnehin nicht entstehen und sich allenfalls dann realisieren kann, wenn Gülle oder andere wassergefährdende Stoffe unsachgemäß gelagert werden oder sonst unvorhersehbare Leckagen eintreten. Auch einem solchen Fall ist aber im Hinblick auf die erforderliche Leckageerkennung Rechnung getragen, sodass bei einem Schadenseintritt so früh wie möglich reagiert werden kann. Die auf Klägerseite getroffenen Schutzvorkehrungen, um solche Leckagen bestmöglich zu vermeiden, sind im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausführlich erläutert worden. Zum anderen spricht auch im Hinblick auf die Deckschichtenbewertung und die damit zusammenhängende vertikale Versickerungszeit innerhalb der Grundwasserüberdeckung viel dafür, dass selbst im Falle eines Unfalls die austretenden wassergefährdenden Stoffe jedenfalls nicht innerhalb von wenigen Tagen in den Buntsandstein-Grundwasserleiter gelangen und daraufhin unmittelbar eine Verunreinigung des Grundwassers in den Trinkwasserbrunnen verursachen.
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Diese insgesamt zu würdigende konkrete Situation verleiht dem abstrakt sehr bedeutsamen Belang hier kein solches Gewicht, dass er sich gegen das privilegierte landwirtschaftliche Vorhaben durchzusetzen vermag.
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3.3. Da dem Vorhaben der Klägerin somit keine öffentlichen Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 BauGB entgegenstehen und auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Versagung der Baugenehmigung bestehen, steht der Klägerin ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO zu.
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4. Nach alledem war die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Erteilung der streitgegenständlichen Baugenehmigung durch Bescheid des Landratsamts M.-Sp. vom 10. August 2023 rechtswidrig. Aufgrund der Spruchreife der Sache war der Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung zu erteilen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.