Titel:
Klageerhebung durch Steuerberater per Fax - Verstoß gegen die elektronische Übermittlungspflicht
Normenketten:
VwGO § 55a Abs. 4 Nr. 2, § 55d S. 2, § 60
StBerG § 86c, § 86d, § 157e
Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 (Überbrückungshilfe III)
Leitsätze:
1. Steuerberater (und deren Berufsausübungsgesellschaften nach §§ 49, 50 StBerG) sind jedenfalls seit dem 1. Januar 2023 zur aktiven Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) verpflichtet. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Angehörige der steuerberatenden Berufe müssen das Verfahrensrecht kennen, insbesondere die Verpflichtung der Steuerberater, ab dem 1. Januar 2023 Schriftsätze sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen über das beSt als elektronisches Dokument an die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu übermitteln, zumal wenn ein Steuerberater jedenfalls grundsätzlich gegenüber seinen Mandanten bereit ist, auch gerichtliche Mandate zu übernehmen oder zu verfolgen. Ein (etwaiger) Irrtum eines Prozessbevollmächtigten, zu einer elektronischen Einreichung nicht verpflichtet zu sein, ist nicht entschuldbar. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Steuerberater, Klageerhebung, besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach, aktive Nutzungspflicht, Elektronische Einreichung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Irrtum
Fundstelle:
BeckRS 2023, 40031
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin, die nach ihren Angaben im Förder- und gerichtlichen Verfahren einen Großhandel mit Fisch und Fischerzeugnissen betreibt, begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Zuwendung im Rahmen der Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 (Überbrückungshilfe III).
2
Mit am 2. November 2021 bei der Beklagten eingegangenem Antrag (vom selben Tag) beantragte die Klägerin eine Gewährung der Überbrückungshilfe III, wobei das automatisierte Online-Antragsverfahren auf Grundlage der Angaben der Klägerin einen Gesamtbetrag der Überbrückungshilfe III von 34.539,19 EUR errechnete.
3
Nach einer Reihe von Rückfragen durch die Beklagte über das Antragsportal lehnte die Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 23. Februar 2023 den Antrag auf Gewährung einer Überbrückungshilfe ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die Antragstellerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen und im Übrigen in der Sache ein Coronabedingter Umsatzeinbruch nicht nachgewiesen sei.
4
Mit Telefax des bevollmächtigten Steuerberaters (und prüfendem Dritten) vom 23. März 2023 ließ die Klägerin Klage erheben.
5
Sie beantragt sinngemäß,
6
den Bescheid vom 23. Februar 2023 aufzuheben.
7
Eine Begründung oder weitere Äußerung von Seiten der Klagepartei erfolgte nicht.
10
Sie verweist auf die Unzulässigkeit der Klage, die mangels Übermittlung als elektronisches Dokument nicht innerhalb der Klagefrist ordnungsgemäß erhoben worden sei.
11
Mit Beschluss vom 23. Oktober 2023 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
13
Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2023 trotz des Ausbleibens der Klagepartei entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Klägerin ist über ihren Bevollmächtigten (§ 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO) mit Verfügung vom 23. Oktober 2023, ihm ausweislich der Zustellungsurkunde zugestellt am 25. Oktober 2023, form- und fristgerecht geladen worden; er wurde in der Ladung auf die Möglichkeit der Verhandlung und Entscheidung auch bei Ausbleiben eines Beteiligten hingewiesen.
14
Die ausschließlich per Telefax eingereichte Klage ist bereits unzulässig. Sie wahrt nicht die nach § 55d Satz 2 VwGO gebotene Form und ist daher nicht wirksam erhoben worden.
15
1. Vorbereitende – und gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 253 Abs. 4 ZPO auch bestimmende – Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder doch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln, § 55d Satz 1 VwGO. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt Gleiches für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 55a Abs. 4 Nr. 2 VwGO zur Verfügung steht.
16
Die Voraussetzungen der elektronischen Übermittlungspflicht nach § 55d Satz 2 VwGO sind bei dem durch die Klägerin bevollmächtigten Steuerberater erfüllt. Er ist für das vorliegende Verfahren nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3a VwGO vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt. Für ihn steht zudem ein sicherer Übermittlungsweg i.S.d. § 55a Abs. 4 Nr. 2 VwGO zur Verfügung. Steuerberater (und deren Berufsausübungsgesellschaften nach §§ 49, 50 StBerG) sind (jedenfalls) seit dem 1. Januar 2023 zur (hier maßgeblichen aktiven) Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) verpflichtet, da die Bundessteuerberaterkammer über die Steuerberaterplattform für jeden Steuerberater ab diesem Zeitpunkt ein solches empfangsbereit einrichtet, §§ 86c, 86d, 157e StBerG (BayVGH, B.v. 17.7.2023 – 22 CS 23.1040 – juris Rn. 11; B.v. 3.7.2023 – 22 ZB 23.906 – juris Rn. 12; VG München, B.v. 17.5.2023 – M 31 E 23.2123 – juris Rn. 10; ebenso Gädeke in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 2. Aufl., § 55d VwGO, Stand: 7.9.2023, Rn. 26 ff.; Ulrich in: Schoch/Schneider, VwGO, 43. EL August 2022, § 55d Rn. 17; vgl. zum gleichlautenden § 52d FGO aktuell BFH, B.v. 31.10.2023 – IV B 77/22 – juris Rn. 6; B.v. 11.8.2023 – VI B 74/22 – juris Rn. 14 m.w.N.; B.v. 28.4.2023 – XI B 101/22 – juris Rn. 13).
17
Mit Blick auf die gemäß § 157e StBerG für den organisatorischen Umsetzungsprozess des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (Versand der Registrierungsbriefe durch die Bundessteuerberaterkammer und Erstanmeldung des Postfachinhabers) oder etwaige technische Schwierigkeiten durch den Gesetzgeber vorgesehene Schonfrist vom 1. August 2022 (Inkrafttreten) bis zum 1. Januar 2023 (Anwendungszeitpunkt) sowie das durch die Bundessteuerberaterkammer vorgesehene sogenannte „Fast-Lane“-Verfahren bestehen an der Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung keine Bedenken (hierzu eingehend BFH, B.v. 11.8.2023 – VI B 74/22 – juris Rn. 15 ff.).
18
2. Eine wirksame Ersatzeinreichung der Klage in Papierform liegt nicht vor. Gemäß § 55d Satz 3 VwGO bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn dem nutzungsverpflichteten Einreicher eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat weder dargelegt noch nach § 55d Satz 4 VwGO glaubhaft gemacht, dass eine technische Störung vorgelegen hat. Im Gegenteil hat er weder auf den gerichtlichen Hinweis zur aktiven Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs in der Eingangsbestätigung zur Klage, noch auf den erneuten entsprechenden Hinweis des Berichterstatters mit am 5. Oktober 2023 zugestelltem Schreiben reagiert.
19
Mit dem am 23. März 2023 bei Gericht per Telefax eingegangenem Klageschriftsatz wird mithin die nach § 55d Satz 2 VwGO gebotene Form nicht gewahrt, so dass die Klage nicht innerhalb der Klagefrist wirksam erhoben wurde.
20
4. Dem Kläger kann ferner eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO nicht gewährt werden. Einen Wiedereinsetzungsantrag hat der Kläger nicht gestellt.
21
Eine gemäß § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO grundsätzlich auch von Amts wegen mögliche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil dies voraussetzt, dass die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt wird und die Wiedereinsetzungsvoraussetzungen offenkundig sind (vgl. etwa die Nachweise bei Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch/Schneider/Bier/, VwGO, 44. EL März 2023, § 60 Rn. 66). Jedenfalls an einer Nachholung der versäumten Prozesshandlung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist fehlt es vorliegend. Der Klägerbevollmächtigte hat sich, wie ausgeführt, im Klageverfahren – von der Klageerhebung per Telefax abgesehen – nicht geäußert.
22
Das Gericht weist ergänzend darauf hin, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch bei Unkenntnis der oder Irrtum über die Pflicht zur elektronischen Einreichung nicht ohne Verschulden verhindert war, die Klagefrist einzuhalten. Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen in der Regel das Verfahrensrecht kennen (im hier relevanten Zusammenhang der verpflichtenden Nutzung des beSt etwa zuletzt BFH, B.v. 31.10.2023 – IV B 77/22 – juris Rn. 14). Dies gilt insbesondere für die Verpflichtung der Steuerberater, ab dem 1. Januar 2023 Schriftsätze sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen über das beSt als elektronisches Dokument an die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu übermitteln, zumal wenn ein Steuerberater jedenfalls grundsätzlich gegenüber seinen Mandanten bereit ist, auch gerichtliche Mandate zu übernehmen oder zu verfolgen (vgl. FG Baden-Württemberg, GB v. 19.7.2023 – 4 K 409/23 – juris Rn. 62). Ein (etwaiger) Irrtum eines Prozessbevollmächtigten, zu einer elektronischen Einreichung nicht verpflichtet zu sein, ist nicht entschuldbar (BFH, B.v. 31.10.2023 – IV B 77/22 – juris Rn. 14).
23
Folglich erweist sich die Klage als unzulässig.
24
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
25
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.