Titel:
Haltungs- und Betreuungsverbot
Normenkette:
TierSchG § 16a
Schlagwort:
Haltungs- und Betreuungsverbot
Fundstelle:
BeckRS 2023, 40029
Tenor
I. Die Verfahren M 23 K 21.4743 und M 23 K 21.4744 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Klagen werden abgewiesen.
III. Die Kläger haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
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Die Kläger zu 1) und zu 2) wenden sich gegen Bescheide des Veterinäramts des Landratsamts M. (Landratsamt) vom 12. August 2021, mit denen ihnen jeweils u.a. ein Haltungs- und Betreuungsverbot bezüglich Hunden und Katzen auferlegt wurde.
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Der Kläger zu 2) wohnt mit seiner (Ex-)Ehefrau (= Klägerin in den Verfahren M 23 K 21.4198, M 23 K 21.4584, M 23 K 22.12) und seinem volljährigen Sohn – dem Kläger zu 1) – auf einem landwirtschaftlichen Anwesen in voneinander getrennten Wohneinheiten. Auf dem Hof wurden in der Vergangenheit neben dem landwirtschaftlichen Betrieb (u.a. mit einer Rinder- und Geflügelhaltung) in erster Linie von der (Ex-)Ehefrau des Klägers zu 2) und Mutter des Klägers zu 1) in größerem Umfang Hunde und Katzen gehalten, hinsichtlich derer es bereits 2006 und 2013 zu Beanstandungen und tierschutzrechtlichen Anordnungen – u.a. auch gegenüber dem Kläger zu 2) – kam.
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Nach neuen Anzeigen erfolgten ab Ende 2020 weitere regelmäßige Vor-Ort-Kontrollen durch das Veterinäramt, die zu tierschutzrechtlichen Beanstandungen führten. Bei einer Vor-Ort-Kontrolle am 30. Juni 2021 wurden z.T. massive tierschutzrechtswidrige Verstöße festgestellt (Bl. 410 ff. d. Behördenakten (BA)). In der Folge wurden mit Bescheid des Landratsamts vom 6. Juli 2021 tierschutzrechtliche Anordnungen gegenüber der (Ex-)Ehefrau des Klägers zu 2) und Mutter des Klägers zu 1) getroffen. Weiter kam es im Rahmen von Vor-Ort-Kontrollen u.a. unter Einsatz von Polizeivollzugsbeamten am 7., 9. und 12. Juli 2021 zur vorübergehenden Fortnahme, pfleglichen Unterbringung und tierärztlichen Behandlung von 117 Hunden und Katzen, bei denen durch den Amtstierarzt vor Ort eine erhebliche Vernachlässigung und eine fehlende artgerechte Unterbringung festgestellt wurde. Bei der Vor-Ort-Kontrolle am 9. Juli 2021 wurden u.a. folgende Feststellungen getroffen (Bl. 536 d.BA): „nur nach Aufforderung gab er (Anm. Kläger zu 1)) den Tieren etwas zu trinken. Er teilte mit, dass er nur Teilzeit arbeitet (…-Garten und Landschaftsbau) und sich sonst um die Tiere kümmern kann; er habe Hundehütten und neue Zwinger gebaut, er möchte in Haltung und Züchtung einsteigen; angeblich gehören ihm bereits fünf Junghunde und ein kleiner Malteser“. Bei der Vor-Ort-Kontrolle am 12. Juli 2021 kam es zu folgenden Feststellungen (Bl. 634 ff. d.BA; Protokoll des Amtstierarztes v. 13. Juli 2021): Im Erdgeschoss des Wohnhauses des Klägers zu 2) war eine hochträchtige Hündin, die augenscheinlich behandlungsbedürftig gewesen sei, in einem Kaninchenkäfig gehalten worden. Zudem haben sich dort sechs Katzen im Erdgeschoss ohne Trinkwasser und Futter befunden.
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Mit Bescheid des Landratsamts vom 28. Juli 2021 erging gegenüber der (Ex-)Ehefrau des Klägers zu 2) und Mutter des Klägers zu 1) ein Haltungs- und Betreuungsverbot bezüglich Hunden und Katzen, die Auflösung des diesbezüglichen Resttierbestands wurde angeordnet (vgl. Verfahren M 23 K 21. 4584).
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Mit jeweils im Tenor inhaltsgleichen streitgegenständlichen Bescheiden des Landratsamts vom 12. August 2021 wurde den Klägern zu 1) und zu 2) in Nr. 1 des jeweiligen Bescheids das Halten und Betreuen von Hunden (Buchst. a)) und Katzen (Buchst. b)) untersagt. Ein noch vorhandener Tierbestand der unter Nr. 1 des Bescheids erfassten Tiere sei innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung des Bescheids aufzulösen (Nr. 2 des Bescheids). Unter Nrn. 3 und 4 des Bescheids wurde eine Abgabe der noch in ihrem Besitz befindlichen Tiere an Personen oder Einrichtungen angeordnet, die eine Ernährung, Pflege und Unterbringung entsprechend den Anforderungen des § 2 Tierschutzgesetz (TierSchG) sicherstellen könnten; diese seien dem Landratsamt drei Tage vor Übergabe schriftlich zu benennen. Ferner wurde den Klägern jeweils aufgegeben, binnen 21 Tagen nach Zustellung des Bescheids einen Nachweis zum Verbleib der von der Bestandsauflösung nach Nr. 2 erfassten Tiere vorzulegen (Nr. 5 des Bescheids). Die Wegnahme der Tiere im Wege der Anwendung unmittelbaren Zwanges wurde angedroht (Nr. 6 des Bescheids). In den Nrn. 7 bis 9 des Bescheids wurden Zwangsgelder bei Nichterfüllung bzw. nicht rechtzeitiger Erfüllung der Nrn. 3, 4 und 5 des Bescheids in unterschiedlicher Höhe angedroht. Sofern eine erneute Haltung oder Betreuung von Tieren im Sinne der Nr. 1 des Bescheids erfolge, wurde die Wegnahme der Tiere im Wege des unmittelbaren Zwanges angedroht (Nr. 10 des Bescheids).
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Zur Begründung des jeweiligen Bescheids stützte sich das Landratsamt bezüglich des Haltungs- und Betreuungsverbots von Hunden und Katzen auf § 16a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 3 TierSchG. Bezüglich des Klägers zu 1) wurde die Untersagung damit begründet, dass Betreuer jede Person sei, die eine solche tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf ein Tier habe, dass dieser die Aufgaben des § 2 TierSchG zuwachse. Der Kläger zu 1) habe mehrmals im Rahmen der stattgefundenen Vor-Ort-Kontrollen kundgetan, dass er seine Mutter bei der Betreuung der Tiere unterstütze. Ferner habe er angegeben, selbst zukünftig in die gewerbliche Haltung und Züchtung einsteigen zu wollen. Des Weiteren habe er auch die notwendige Einwirkungsmöglichkeit auf die Tiere, da diese sowohl auf demselben Grundstück, als auch zum Teil in dem Wohnhaus gehalten worden seien, wo der Kläger lebe. Die am 7., 9. und 12. Juli 2021 durch das Veterinäramt festgestellten massiven Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorschriften ließen den Schluss zu, dass auch zukünftig mit Zuwiderhandlungen gegen § 2 TierSchG zu rechnen sei.
Im Übrigen wird auf die Bescheidsbegründung Bezug genommen, § 117 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Bezüglich des Klägers zu 2) begründete das Veterinäramt den Bescheid dahingehend, dass dessen Verhalten in der Vergangenheit bereits wiederholt Anlass für tierschutzrechtliche Beanstandungen gegeben habe. Ihm gegenüber seien mit Bescheiden des Landratsamts aus den Jahren 2006, 2007 und 2013 entsprechende Anordnungen u.a. bezüglich des Haltens von Katzen und Hunden ergangen, so dass wiederholte und grobe Zuwiderhandlungen durch ihn vorlägen. Der Kläger zu 2) habe bei den stattgefundenen Vor-Ort-Kontrollen mehrmals kundgetan, die (Ex-) Ehefrau bei der Betreuung der Tiere zu unterstützen, was diese sowie auch der Sohn des Klägers (= Kläger zu 1) bestätigten. Des Weiteren habe er die notwendigen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Tiere gehabt, da diese sowohl auf seinem Grundstück als auch zum Teil in seinem Haus gehalten worden seien. Zumindest für einen Teil der Tiere hätte der Kläger daher Aufgaben und Pflichten nach § 2 TierSchG übernehmen müssen. Trotz seiner Stellung als Betreuer zumindest für einen Teil der Tiere habe er es unterlassen, augenscheinlich kranke Tiere dem Tierarzt vorzustellen, bzw. die Haltungs- und Betreuungsbedingungen der Tiere trotz erkennbarer Anzeichen bzgl. des schlechten Ernährungs-, Unterbringungs- und Pflegezustands u.a. zu verbessern.
Im Übrigen wird auf die Bescheidsbegründung Bezug genommen.
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Mit Schriftsätzen vom ... September 2021, eingegangen am 7. September 2021, ließen der Kläger zu 1) und der Kläger zu 2) jeweils Klage zum Verwaltungsgericht München erheben und jeweils beantragen,
den Bescheid des Landratsamts vom 12. August 2021 aufzuheben.
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Mit Schriftsätzen vom 23. September 2021 erwiderte der Beklagte die Klagen und beantragte jeweils
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Begründung des Bescheids und den Inhalt der Behördenakten verwiesen.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom … September 2021 ließ der Kläger zu 1) die Klage dahingehend begründen, dass die Verfügung bereits formell rechtswidrig sei. Er sei mit Schreiben vom 14. Juli 2021 mit Frist bis zum 18. Juli 2021 aufgefordert worden, Stellung zu nehmen. Bei den gewöhnlichen Postlaufzeiten handle es sich hierbei um eine bloße Alibi-Anhörung. Im Übrigen sei er nicht richtiger Adressat der Bestandsauflösung, da er nicht Eigentümer der Hunde und Katzen sei. Die Tiere befänden sich ohnehin nunmehr im Gewahrsam von Beklagtenseite ausgewählter Stellen, so dass es ihm erkennbar an der Verfügungsgewalt fehle. Im Übrigen sei das Haltungs- und Betreuungsverbot unverhältnismäßig. Fraglich sei schon, ob überhaupt eine zurechenbare Verantwortung bestanden habe. Der Beklagte habe nicht eruiert, inwieweit der Kläger zu 1) die Tiere tatsächlich versorgt habe, ob dies alle Tiere betroffen habe oder ob es sich nur einige Tiere gehandelt habe. Auch der Umstand, dass der Kläger zu 1) die Tür am Wohnhaus seiner Mutter am 9. Juli 2021 geöffnet habe, indiziere nicht dessen Verantwortlichkeit für den Zustand der Tiere, sondern lediglich sein Interesse an einer Deeskalation der Situation. Zum anderen habe der Beklagte versäumt, die am 12. Juli 2021 im Wohnhaus des Klägers zu 1) und 2) angetroffenen Tiere darauf zu überprüfen, ob deren Zustand bereits vor Aufnahme in das Wohnhaus der Kläger in einem angeblich betreuungsbedürftigen Zustand gewesen seien. Es seien im Übrigen unzumutbare kurze Fristen bezogen auf die Herstellung tierschutzkonformer Zustände gesetzt worden. Zudem hätten mildere Mittel ergriffen werden können, etwa das Halten einer (einzigen) Katze bzw. eines (einzigen) Hundes zu erlauben, bzw. die Möglichkeit eines künftigen Nachweises der Sachkunde (durch Fortbildung u.a.) zu fordern. Im Übrigen sei nach der jahrelangen Untätigkeit des Beklagten von einer Verwirkung auszugehen.
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Die Klagebegründung im Verfahren des Klägers zu 2) erfolgte im Wesentlichen gleichlautend. Darüber hinaus wurde vorgetragen, dass aus der Aussage des Klägers zu 2), dass er auch gelegentlich die Tiere „der Frau H.“ versorge, nicht geschlussfolgert werden könne, dass er auch den Zustand der Tiere zu verantworten habe. Im Übrigen habe der Kläger zu 2) die beiden Hunde erst nach der Vor-Ort-Kontrolle am 9. Juli 2021 aufgenommen. Auch die Anwesenheit des Klägers zu 2) bei der Abschlussbesprechung indiziere nicht dessen Verantwortlichkeit für den Zustand der Tiere, sondern lediglich dessen Interesse.
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Mit Schriftsätzen vom 10. November 2021 erwiderte der Beklagte die Klagen dahingehend, dass das Anhörungsschreiben vom 14. Juli 2021 jeweils persönlich übergeben worden sei, so dass den Klägern ausreichend Zeit zur Stellungnahme verblieben sei. Der Klägerbevollmächtigte habe am … Juli 2021 eine Stellungnahme angekündigt, die jedoch ausgeblieben sei. Mit Blick auf das Tierwohl sei das Verfahren im Übrigen zügig zu betreiben gewesen. Der Kläger zu 1) und der Kläger zu 2) seien jeweils richtige Adressaten der Anordnung. Diese seien ebenso auf dem Anwesen wohnhaft, so dass ihnen der Zustand der Tiere daher habe bekannt sein müssen, sie aber dennoch nicht eingeschritten seien. Insoweit hätten beide keinerlei Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit Hunden und Katzen gezeigt. Das Haltungs- und Betreuungsverbot sei schon deshalb nicht unverhältnismäßig, da die Möglichkeit einer Wiedergestattung bestehe. Im Übrigen genüge bereits ein einzelnes Tier, dem unter der Betreuung der Kläger derart erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt worden seien, um die Unzuverlässigkeit zu begründen.
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Am 9. August 2023 fand die mündliche Verhandlung statt, bei der die streitgegenständlichen Verwaltungsstreitsachen mit den Verfahren M 23 K 21.4198, M 23 K 21.4584, M 23 K 22.12 und M 23 K 23.2274 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden wurden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9. August 2023 sowie die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die beiden Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden, § 93 Satz 1 VwGO. Insoweit handelt es sich bei den am selben Gericht anhängig gemachten Klagen der beiden Kläger um den gleichen Gegenstand – der nicht mit dem Begriff des Streitgegenstands identisch ist; die Verbindungsentscheidung kann auch im Urteil als unechter Tenorbestandteil erfolgen (Peters/Pätzold in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 93 Rn. 6 und Rn. 25).
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Die Klagen sind lediglich zum Teil zulässig. Soweit sie zulässig sind, haben sie jedoch jeweils keinen Erfolg.
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I. Die Klagen sind jeweils als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gegen das Haltungs- und Betreuungsverbot in Nr. 1 des jeweiligen Bescheids als Dauerverwaltungsakt zulässig. Bezüglich der Nrn. 2, 3, 4 und 5 der Bescheide, d.h. der Anordnung der Auflösung des restlichen Tierbestandes, der Abgabeverpflichtung bzw. -modalitäten, sowie der Androhung von Zwangsmitteln (Androhung von unmittelbaren Zwang bzw. von Zwangsgeldern) hingegen ist bereits Erledigung eingetreten, Art. 43 Abs. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG). Insoweit wurde der „restliche Tierbestand“ bereits fortgenommen bzw. abgegeben, ohne dass vorgetragen wurde oder für das Gericht sonst erkennbar ist, dass Zwangsmittel gegenüber den Klägern angewendet worden wären. Damit aber ist durch den Vollzug bzw. Erfüllung in anderer Weise, ein Wegfall der tatsächlichen und rechtlichen Beschwer anzunehmen. Eine (ggf. mögliche) Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog ist durch die Kläger weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung erklärt worden (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung v. 9. August 2023, S. 5).
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II. Soweit die Klagen zulässig sind, sind sie jedoch unbegründet.
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1. Bedenken an der formellen Rechtmäßigkeit der Nr. 1 des jeweiligen Bescheids des Landratsamts vom 12. August 2021 bestehen nicht. Insoweit wurde dem Kläger zu 1) als auch dem Kläger zu 2) nachweislich Gelegenheit zur Stellungnahme mit Schreiben vom 14. Juli 2021 gegeben, Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG. Der Klägerbevollmächtigte kündigte eine Stellungnahme lediglich an, ohne etwa, worauf der Beklagte hinweist, eine Fristverlängerung zu beantragen. Eine tatsächliche Abgabe einer Stellungnahme ist für das Anhörungserfordernis nicht Voraussetzung, Art. 103 Abs. 1 GG. Im Übrigen wäre hinsichtlich des Haltungs- und Betreuungsverbot als Dauerverwaltungsakt eine Heilung durch Nachholung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren möglich, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG.
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2. Für das gegenüber dem Kläger zu 1) und dem Kläger zu 2) auf Hunde und Katzen beschränkte Haltungs- und Betreuungsverbot liegen die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 16a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 1 TierSchG vor.
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a) Insoweit war eine wiederholte und grobe Zuwiderhandlung gegen § 2 TierSchG gegeben, die zu einer erheblichen Vernachlässigung sowie zu erheblichen oder länger anhaltenden Schmerzen oder Leiden auf dem landwirtschaftlichen Anwesen gehaltener Tiere geführt hat, § 2 TierSchG i.S.d. § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG; dabei wird auf die Ausführungen in dem verfahrensgegenständlichen Bescheid verwiesen, deren Gründe sich das Gericht jeweils zu eigen machen, § 117 Abs. 5 VwGO.
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b) Die beiden Kläger sind dabei auch jeweils richtiger Adressat des in Nr. 1 des Bescheids angeordneten Haltungs- und Betreuungsverbots.
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Maßnahmen bei Verstößen gegen § 2 TierSchG können sich nicht nur an den Halter, sondern auch an den Betreuer und/oder Betreuungspflichtigen richten (BayVGH, B.v. 9.7.2019 – 23 CS 19.1194 – juris Rn. 10). Hinsichtlich der Störerauswahl gelten die allgemeinen Regelungen des Ordnungsrechts, so ist grundsätzlich der Handlungsstörer heranzuziehen. Bei Verstößen gegen § 2 TierSchG wendet sich die Behörde also regelmäßig an den Halter, Betreuer und/oder Betreuungspflichtigen. In Betracht kommt allerdings auch die Inanspruchnahme des Zustandsstörers, so z.B. der Besitzer oder Eigentümer der Räumlichkeiten, in denen der Vorgang stattfindet oder das gefährdete Tier sich befindet (vgl. BayVGH, B.v.9.7.2019 a.a.O. Rn. 8; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 4. Aufl. 2023, § 16a Rn. 3; VG Arnsberg, B.v. 20.11.2007 – 14 L 749/07 – juris: Verantwortlichkeit eines Hofbetreibers für alle auf dem Hof lebenden Katzen, wenn sich dort hofzugehörige, benachbarte und verwilderte Katzen mangels Kastration der Tiere unkontrolliert vermehrt haben, so dass eine Zuordnung der Tiere zu den verschiedenen Gruppen nicht mehr getroffen werden kann). Dabei soll die Behörde – nach den allgemeinen Maßstäben des Sicherheitsrechts – den-/diejenigen Störer in Anspruch nehmen, der/die die Gefahr bzw. Störung, am schnellsten, wirksamsten und effektivsten beseitigen kann/können (BayVGH, B.v. 9.7.2019 a.a.O. Rn. 8; VG Würzburg U.v. 21.7.2016 – W 5 K 14.1123 – juris Rn. 56 f.), sei es alternativ, sei es – wie hier – kumulativ.
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Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe, die die Inanspruchnahme der Kläger zu 1) als auch zu 2) für tierschutzrechtliche Anordnungen ermöglicht, bestehen aufgrund der vorliegenden Gesamtumstände keine Bedenken, ihnen gegenüber ein Haltungs- und Betreuungsverbot auszusprechen. Insoweit kommt es nicht auf die konkrete Halter- oder Betreuereigenschaft an. Vielmehr ist die Hunde- und Katzenhaltung auf dem landwirtschaftlichen Hof als eine Einheit zu sehen, so dass der Kläger zu 1) gerade im Sinne einer Gefahrenabwehr im Interesse eines effektiven Tierschutzes hier Adressat des Haltungs- und Betreuungsverbots sein kann. Auch wenn der Kläger zu 1) in einer von seiner Mutter als Halterin der Tiere separaten Wohnung (wohl im Haus des Klägers zu 2)) lebt, liegt durch den landwirtschaftlichen Hof gewissermaßen eine „erweiterte Hausgemeinschaft“ auf der Hofstelle vor. Trotz unterschiedlicher privater Rückzugsräume („getrennte Wohneinheiten“) ist ein gemeinsames Wirtschaften auf der Hofstelle anzunehmen, was unmittelbar schon daraus folgt, dass die betreffenden Hunde und Katzen nicht nur im Wohnhaus der Klägerin, sondern auch u.a. in der Scheune bzw. der Tenne untergebracht worden waren, die für den Kläger zu 1) unbestritten jederzeit frei zugänglich waren. Eingedenk der massiven tierschutzwidrigen Zustände, die sich nach den Feststellungen des Veterinäramtes freilich am eindrücklichsten im Wohnbereich der Klägerin zeigten (vgl. Parallelverfahren), ist dennoch eine ohnehin verschuldensunabhängige (Handlungs- bzw. Zustands-) Verantwortlichkeit des Klägers zu 1) im tierschutzrechtlichen Sinne zu bejahen. Dies umso mehr, als er auch als mitbetreuende Person fungiert hat. Im Übrigen ist bei derart eklatanten Verstößen, auch eine Verantwortlichkeit durch ein bewusstes „Augenverschließen“ bzw. Unterlassen anzunehmen, die es rechtfertigen, auch ihm gegenüber ein Haltungs- und Betreuungsverbot bezüglich Hunde und Katzen auszusprechen.
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Das oben Dargelegte gilt für den Kläger zu 2) entsprechend. Zudem wurde bei der Kontrolle am 12. Juli 2021 in seiner Wohnung u.a. eine hochträchtige und augenscheinlich behandlungsbedürftige Malteserhündin aufgefunden, die in einem Kaninchenkäfig gehalten worden war und der kein Trinkwasser zur Verfügung stand. Die als bloße Schutzbehauptung zu wertende Aussage, die Tiere seien zu ihrem Wohl nach der Kontrolle am 9. Juli 2021 durch den Kläger zu 2) aufgenommen worden, verfängt daher offensichtlich nicht. Weiter darf im Hinblick auf die Effektivität der Gefahrenabwehr nicht die „Vorgeschichte“ des Klägers zu 2) außer Betracht gelassen werden, da dieser in der Vergangenheit bereits selbst Adressat zahlreicher tierschutzrechtlicher Anordnungen in Bezug auf das Halten von Hunden und Katzen war.
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c) Das aufgrund der Tatbestandsmäßigkeit des Haltungs- und Betreuungsverbots damit eröffnete Ermessen hat das Landratsamt jeweils gegenüber dem Kläger zu 1) und dem Kläger zu 2) rechtsfehlerfrei ausgeübt. Im Rahmen der gerichtlich beschränkt überprüfbaren behördlichen Ermessensausübung (§ 114 Satz 1 VwGO, Art. 40 BayVwVfG) sind keine der gerichtlichen Kontrolle zugänglichen Ermessensfehler erkennbar. Es ist nicht ersichtlich, welche anderen milderen Maßnahmen hätten angeordnet werden können, um weitere tierschutzrechtliche Verstöße in Zukunft sicher und dauerhaft ausschließen zu können (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2018 – 9 ZB 16.2467 – juris Rn. 16). Der Beklagte hat sein bestehendes Auswahlermessen rechtsfehlerfrei dahingehend ausgeübt, ein Tierhaltungs- und Betreuungsverbot nur bezogen auf Hunden und Katzen anzuordnen. Das Halten auch nur einer (einzigen) Katze bzw. eines (einzigen) Hundes ist angesichts der massiven tierschutzwidrigen Umstände im vorliegenden Fall kein gleich effektives Mittel, um dem von Art. 20a GG geschützten Tierwohl Genüge zu leisten. Gerade durch das gemeinsame Wirtschaften auf einer Hofstelle spricht auch die Gefahr eines „Hin- und Herschiebens bzw. eines Strohmannverhältnisses“ gegen eine bloße Begrenzung der Anzahl der gehaltenen Tiere als milderes Mittel. Auch bestehen im Übrigen weder an der Verhältnismäßigkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) des Haltungs- und Betreuungsverbots, noch im Hinblick auf den grundrechtlichen Schutz der Kläger aus Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 14 Abs. 1 GG keine tiefgreifenden Bedenken gegen die Anordnung, da den beiden Klägern jeweils die Rinder- und Geflügelhaltung zur Erwirtschaftung ihrer Lebensgrundlage weiterhin möglich bleibt. Bezüglich Hunde und Katzen liegen beim Kläger zu 1) und zu 2) gerade keine gewerbsmäßige Tätigkeit vor. Im Übrigen ist das Haltungs- und Betreuungsverbots schon deshalb nicht unverhältnismäßig, da § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 TierSchG selbst ein Wiedergestattungsverfahren der Tierhaltung bei nachweislich geänderten Haltungsbedingungen vorsieht.
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Nach alledem waren die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen, wobei den Kläger die Kosten gesamtschuldnerisch auferlegt werden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.