Titel:
Zeitpunkt der vorzeitigen Restschuldbefreiung
Normenkette:
InsO § 287a, § 300 Abs. 2
Leitsatz:
2. Es ist möglich vor dem Schlusstermin über die Restschuldbefreiung zu entscheiden, um die Rechte der Gläubiger zu wahren muss jedoch mindestens das Ende der Abtretungsfrist abgewartet werden. Maßgeblich für die materiellen Voraussetzungen ist der Entscheidungszeitpunkt. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
vorzeitige Restschuldbefreiung, Entscheidungszeitpunkt, Forderungsanmeldung, Abtretungsfrist
Fundstellen:
ZInsO 2024, 583
NZI 2024, 183
FDInsR 2024, 939957
BeckRS 2023, 39957
Tenor
Der Antrag des Schuldners auf vorzeitige Entscheidung über die Restschuldbefreiung wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Mit am 16.06.2023 bei Gericht eingegangenem Schreiben einer staatlich anerkannten Schuldnerberatungsstelle vom 15.06.2023 beantragte der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Erteilung der Restschuldbefreiung. Mit Beschluss vom 20.06.2023 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und gemäß § 287a InsO festgestellt, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt. Bis zum Prüfungstermin wurden beim Insolvenzverwalter keine Forderungen angemeldet. Mit Schreiben vom 04.09.2023, das am 05.09.2023 bei Gericht einging beantragte der Schuldner die vorzeitige Entscheidung über die Restschuldbefreiung. Den Antrag begründete der Schuldner damit, dass die Verfahrenskosten gezahlt worden seien und keine Forderungen angemeldet wurden. Dem Antrag war die Kopie eines Überweisungsträgers beigefügt, dem entnommen werden kann, dass für dieses Insolvenzverfahren ein Betrag von 1.646,72 € an die Landesjustizkasse B. gezahlt wurde. Eine entsprechende Zahlungsanzeige der Landesjustizkasse ging am 13.09.2023 bei Gericht ein. Mit Beschluss vom 13.09.2023 ist zur Durchführung der von § 300 InsO vorgeschriebenen Anhörung der Verfahrensbeteiligten im schriftlichen Verfahren eine Frist bis zum 11.10.2023 gesetzt worden. Innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist wurden keine Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt. Mit Schreiben vom 27.09.2023, das am 28.09.2023 bei Gericht einging hat der Insolvenzverwalter jedoch mitgeteilt, dass bei ihm eine Forderung angemeldete wurde. Die Forderungsanmeldung ging am 18.09.2023 beim Insolvenzverwalter ein. Angemeldet wurde eine Forderung von 12.618,89 €. Die Forderung wurde gemäß § 177 InsO nachträglich geprüft. Sie gilt gemäß § 178 Abs. 1 InsO als festgestellt. Mit Verfügung vom 18.10.2023 wurde der Schuldner auf die nachträgliche Forderungsanmeldung hingewiesen und er erhielt Möglichkeit zur Stellungnahme. Eine Reaktion des Schuldners hierauf ist nicht erfolgt.
2
Auf dieses Verfahren findet die aktuelle Fassung der Insolvenzordnung Anwendung. Nach § 300 Abs. 2 Satz 1 InsO muss bereits vor Ablauf der Abtretungsfrist von drei Jahren über die Restschuldbefreiung entschieden werden, wenn der Schuldner das beantragt, alle Masseverbindlichkeiten gedeckt sind und entweder keine Forderung angemeldet wurde oder alle Insolvenzforderungen befriedigt werden können.
3
Ausweislich des ersten Berichts des Insolvenzverwalters und des Masseverzeichnisses nach § 151 InsO ist eine Insolvenzmasse von lediglich 20,79 € vorhanden. Bei dieser Insolvenzmasse betragen die Gerichtskosten 114,00 € (Nr. 2310 und 2320 KV GKG). Bei dieser Insolvenzmasse würde der Insolvenzverwalter grundsätzlich die Mindestvergütung nach § 13 InsVV in Höhe von 1.120,00 € erhalten. Möglicherweise ist im vorliegenden Verfahren wegen der geringen Anzahl an Forderungsanmeldungen und keinen ersichtlichen Problemen bei der Forderungsprüfung hierauf nach § 3 InsVV noch ein geringer Abschlag (5 -10%) vorzunehmen. Zusätzlich hierzu kann der Insolvenzverwalter entweder seine tatsächlich angefallenen Auslagen oder die Pauschale von 15% der Regelvergütung für das erste Jahr und 10% der Regelvergütung für jedes weitere Jahr, maximal aber 30% der Regelvergütung oder 350,00 € je angefangenem Monat geltend machen. Nach § 7 InsVV ist noch die Umsatzsteuer von aktuell 19% zu der Vergütung und den Auslagen hinzuzusetzen. Ohne Abschlag und mit der Wahl der Auslagenpauschale stünde dem Insolvenzverwalter somit ein Betrag von 1.532,72 € zu. Der bei der Landesjustizkasse Bamberg eingezahlte Betrag reicht somit aus um die Verfahrenskosten vollständig zu berichtigen.
4
Sonstige Masseverbindlichkeiten sind ausweislich der Akte bislang nicht angefallen.
5
Zu der Frage, wann über den Antrag auf vorzeitige Entscheidung über die Restschuldbefreiung entschieden werden kann bzw. muss, gibt es unterschiedliche Meinungen. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass das erst nach dem Schlusstermin möglich sei, weil bis dahin Forderungen angemeldet werden können (Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 9. Auflage 2022, § 300 InsO, Rn. 5). Nach einer anderen Auffassung ist bereits das Ende der nach § 28 InsO bestimmten Anmeldefrist der früheste Zeitpunkt zu dem über einen Antrag auf vorzeitige Restschuldbefreiung entschieden werden kann (Uhlenbruck/Sternal, 15. Aufl. 2019, InsO § 300 Rn. 11). Der Bundesgerichtshof hatte entschieden, dass bereits im Schlusstermin über die Restschuldbefreiung entschieden werden kann, wenn keine Forderungen angemeldet wurden und der Schuldner belegt, dass die Verfahrenskosten und die sonstigen Masseverbindlichkeiten getilgt sind (BGH, Beschluss vom 17. März 2005 – IX ZB 214/04 –, juris).
6
Die Möglichkeit der vorzeitigen Entscheidung über die Restschuldbefreiung ist seit dem 01.07.2014 im Gesetz geregelt. Die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bezieht sich auf einen Zeitpunkt, zu dem die vorzeitige Entscheidung über die Restschuldbefreiung vom Gesetz eigentlich nicht vorgesehen war. Somit kann die Entscheidung zur Auslegung der aktuellen gesetzlichen Regelung nicht herangezogen werden.
7
Zu der vom 01.07.2014 bis zum 30.09.2020 geltenden Fassung von § 300 InsO hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine vorzeitige Entscheidung über die Restschuldbefreiung nach drei Jahren möglich ist, wenn das Insolvenzverfahren noch nicht beendet ist (BGH, Beschluss vom 19. September 2019 – IX ZB 23/19 –, juris). Nach der für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs maßgeblichen Fassung von § 300 InsO konnte vorzeitig über die Restschuldbefreiung entschieden werden, wenn der Schuldner das beantragt, drei Jahre der Abtretungsfrist verstrichen sind und dem Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder in diesem Zeitpunkt ein Betrag zugeflossen ist, der eine Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu mindestens 35% ermöglicht. Somit war es für den BGH nicht maßgeblich, dass der Betrag letztlich tatsächlich ausreicht alle bis zum Ende des Verfahrens angemeldeten und bei Verteilungen zu berücksichtigenden Forderungen zu 35% zu berichtigen. Laut dem BGH war in dieser Konstellation stattdessen anhand der bis zum maßgeblichen Stichtag als festgestellt geltenden Forderungen und anhand derjenigen Forderungen für die bis zum Stichtag gemäß § 189 InsO ein Prozess zur Beseitigung eines Widerspruchs anhängig gemacht oder wieder aufgenommen wurde zu prüfen, ob die Mindestquote von 35% erreicht wurde. Die aktuelle Fassung von § 300 InsO entscheidet sich von der vorhergehenden Fassung nur dadurch, dass die Möglichkeiten der vorzeitigen Restschuldbefreiung nach drei und nach fünf Jahren durch die Verkürzung der Abtretungsfrist von sechs auf drei Jahre entfallen sind. Bezüglich der Möglichkeit der vorzeitigen Restschuldbefreiung in dem Fall, dass keine Forderung angemeldet wurde, hat es somit keine Änderung gegeben. Somit ist es konsequenterweise nach der aktuellen Fassung der InsO auch schon möglich vorzeitig über die Restschuldbefreiung zu entschieden, bevor das Verfahren beendet wurde. Die Regelung über die vorzeitige Restschuldbefreiung für den Fall, dass keine Forderung angemeldet wurde, enthält keine zeitliche Komponente. Um die Rechte der Gläubiger zu wahren muss jedoch mindestens das Ende der Abtretungsfrist abgewartet werden. Weil es jedoch an einem festen Stichtag fehlt, zu dem die Voraussetzungen für die vorzeitige Entscheidung vorliegen müssen, kann nur der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich sein.
8
Nachdem bis zum Zeitpunkt der Entscheidung eine Forderung angemeldet wurde, liegen die Voraussetzungen für die beantragte vorzeitige Entscheidung nicht vor. Der Antrag musste deshalb zurückgewiesen werden.