Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 24.07.2023 – AN 16 K 22.01465
Titel:

Anhebung der Festsetzung des Rehwildabschusses im Dreijahresabschussplan

Normenketten:
BJagdG § 21 Abs. 1, Abs. 2, § 37 Abs. 1
BayJG Art. 32
AVBayJG § 14, § 15
Leitsätze:
1. Bei der Festsetzung des Abschussplans gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 BJagdG steht der Behörde kein Ermessen und auch kein gerichtlich nicht nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Abschusszahl ist aber nicht mathematisch-logisch, etwa anhand einer normativen Formel zu bestimmen, sondern die Behörde hat insoweit eine gewisse Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten, weshalb die Prüfung des Gerichts darauf beschränkt ist, ob die Höhe des Abschusses sich noch in einem vertretbaren Zahlenrahmen hält. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ausgangspunkt und Grundlage jeglicher Abschussplanung ist das gemäß Art. 32 Abs. 1 S. 3 BayJG einzuholende Gutachten, welches den Zustand der Vegetation und der Waldverjüngung insbesondere im Hinblick auf die Einwirkungen des Schalenwildes auf diesen Zustand feststellen soll. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Amtlichen Auskünften und Gutachten der Forstverwaltung kommt bei Abschlussplanung eine besondere Bedeutung zu, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Beweisaufnahme und der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen. Sie haben daher grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Art und Weise bzw. die Methode der Gutachtenerstellung durch die Forstbehörden nicht zu beanstanden ist und demzufolge praxistaugliche Maßstäbe zur Festlegung des erforderlichen Abschusses liefert. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
4. Hinsichtlich der konkret vorgegebenen Abschusszahl kann sich die Untere Jagdbehörde den Beschluss des Jagdbeirates zu Eigen machen, mit dem nach § 21 Abs. 2 S. 1 BJagdG im Rahmen der Bestätigung oder Festsetzung des Abschussplans Einvernehmen herzustellen ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abschussplan, Abschusszahl, Rehwild, Entscheidungsmöglichkeiten, Forstbehörde, Amtliche Auskünfte, Amtliches Gutachten, Jagdbeirates
Fundstelle:
BeckRS 2023, 39710

Tenor

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung des Rehwildabschusses in seinem Revier für die Jahre 2022 bis 2024 durch den Beklagten.
2
Der Kläger ist Pächter des Jagdreviers …, das eine Gesamtgröße von 667 ha aufweist. Es gehört zur Hegegemeinschaft …, deren Verbissbelastung ausweislich des Forstlichen Gutachtens vom 27. September 2021 seit 2009 unverändert als zu hoch („rot“) bewertet wird. Bei der für das Revier des Klägers durchgeführten Revierweisen Aussage wurde ebenfalls festgestellt, dass der Verbiss im Revier immer noch zu hoch ist.
3
Unter dem 10. März 2022 legte der Kläger dem Landratsamt einen Abschussvorschlag vor, der entsprechend dem für die Jagdjahre 2019 bis 2021 festgesetzten Abschuss für die Jahre 2022 bis 2024 einen Abschuss von insgesamt 108 Stück Rehwild vorsah. Die Abschussempfehlung der Hegegemeinschaft bzw. ihres Vorsitzenden belief sich auf insgesamt 125 Stück Rehwild. Zwischen dem Revierinhaber und dem Jagdvorstand wurde ein Einverständnis erzielt.
4
Mit Bescheid vom 25. Mai 2022 setzt der Beklagte nach Anhörung des Klägers den Rehwildabschuss für das streitgegenständliche Jagdrevier für die Jagdjahre 2022 bis 2024 auf 130 Stück Rehwild (40 Stück männliches Wild, 48 Stück weibliches Wild, 42 Stück Kitze) fest. In der als Anlage zum Abschussplan beigefügten Begründung wird ausgeführt, dass sich das Revier in einer mit „Verbiss zu hoch“ bewerteten Hegegemeinschaft befinde. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) habe daher für die Gesamtbewertung eine Erhöhung der Abschusszahlen empfohlen. Auch bei der Revierweisen Aussage sei festgestellt worden, dass der Verbiss immer noch zu hoch sei. Aus Sicht des Jagdbeirats könnten die gesetzlichen Vorgaben zur Wildschadensverhütung durch die vom Kläger vorgeschlagenen Abschusszahlen nicht erfüllt werden. Nachdem die Erhöhungen vom alten Ist bei den letzten Abschlussplanungen zu keiner Verbesserung der Verbisssituation geführt hätten, habe der Jagdbeirat entschieden, eine Erhöhung von 20% vom Soll vorzunehmen, um den Wildschäden im Revier entgegenwirken zu können. Die im Anhörungsverfahren vorgebrachten Einwendungen seien berücksichtigt worden. Da im Jagdbeirat auch Jäger und Jagdgenossenschaften vertreten seien, hätten die Argumente des Klägers gut nachvollzogen werden können. Man sei jedoch der Meinung gewesen, dass trotz der teilweise erschwerten Bedingungen der Bejagung eine Erhöhung der Abschusszahlen unumgänglich sei, um eine Verbesserung der Verbisssituation zu erreichen. Der Jagdbeirat habe daher für das Revier die Festsetzung der Abschusszahlen erneut bestätigt. Bei weiteren Fragen empfehle sich ein Waldbegang mit dem zuständigen forstlichen Revierleiter, der auch unter Beteiligung des Hegegemeinschaftsleiters, der unteren Jagdbehörde sowie des Jagdbeirates erfolgen könnte.
5
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Er macht geltend, die Festsetzung sei deutlich überhöht. Ihr liege ein falsches Gutachten des AELF zugrunde. Der Kläger habe am 1. April 2021 mit dem FAR … das Verbissgutachten für das Revier … durchgeführt. An den festgelegten Kontrollpunkten seien als Baumarten im wesentlichen Fichte und Kiefer vorhanden gewesen, deren Verbiss geringfügig gewesen sei. Buchen gebe es im Revier … grundsätzlich nicht. Dem Kläger seien nur zwei Stellen bekannt, an denen wenige alte Buchen vorhanden seien. Somit sei eine Naturverjüngung von Buchen schlecht möglich. In Bereichen mit Schutzmaßnahmen seien in den letzten Jahren einige junge Buchen angepflanzt worden. Im Revier … bestünden Regionen, in denen Eichen in ausreichender Anzahl als Naturverjüngung ohne Schutz hochkommen würden, weshalb die diesbezügliche verneinende Aussage im Gutachten falsch sei. Dies belege die vorgelegte Fotodokumentation. Im Übrigen gebe es in dem Revier durchaus gute Bestände an Weißtannen, die im Forstlichen Gutachten nicht erwähnt würden. Eine erfolgreiche Naturverjüngung sei stark von der Situation im Waldstück abhängig. In einem dunklen, dichten Naturholz bestand kämen kaum junge Bäume hoch. Wenn man dagegen den Wald auslichte und an diesen Stellen eine Schwerpunktbejagung durchführe, könnten Eichen und andere Baumarten an diesen Stellen ohne Probleme naturverjüngend nachwachsen. Eine pauschale Erhöhung des Rehwildabschlusses im ganzen Revier, wie vorliegend vorgegeben, helfe hierfür wenig und sei somit kein taugliches Mittel. Der Kläger habe ausweislich der vorgelegten Ausarbeitung zur Taxation und Populationsdynamik des Rehwildes im Revier … auch mit den bisherigen Abschusszahlen eine Reduktion des Bestands an Rehwild auf 60% bis 70% in drei Jahren erreicht, so dass eine Abschusserhöhung nicht erforderlich sei. Insgesamt seien die Annahmen im forstlichen Gutachten, die zum festgesetzten Abschluss geführt hätten, nachweislich falsch. Eine Erhöhung des Abschusses sei nicht erforderlich. Zudem werde die Vorlage der Revierweisen Aussagen zu anderen Revieren gefordert, weil man davon ausgehen müsse, dass diese Aussagen für die Reviere in der Hegegemeinschaft … in einer Art „Copy& Paste – Verfahren“ erstellt worden seien und nicht individuell bezogen auf das jeweilige Revier. In diesem Fall sei der streitgegenständliche Abschussplan unwirksam, weil es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der individuellen Verbisssituation fehle.
6
Der Kläger beantragt zuletzt,
Der 3-Jahres-Abschussplan für Rehwild für das Gemeinschaftsjagdrevier … vom 25. Mai 2022 wird aufgehoben, soweit die Festsetzung über den gemeinsamen Vorschlag des Klägers und der Jagdgenossenschaft hinausgeht.
7
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung
und bezieht sich auf die Begründung des angefochtenen Bescheids und die Stellungnahme der unteren Jagdbehörde. Der Abschuss des Wildes sei so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt blieben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt würden. Innerhalb der hierdurch gebotenen Grenzen solle die Abschussregelung dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleibe. Neben der körperlichen Verfassung des Wildes sei hierbei vorrangig der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldverjüngung, zu berücksichtigen. Der fortschreitende Klimawandel mache eine angepasste Waldbewirtschaftung notwendig, die den dringend notwendigen Waldumbau hin zu klimastabilen Mischwäldern, möglichst ohne Schutzmaßnahmen, durch den Jäger unterstütze. Hierzu sei erforderlich, dass dieser den Abschussplan erfülle und damit den Verbiss an den für den Waldumbau wichtigen Laubbäumen (z. B. Buche, Eiche) und widerstandsfähigeren Nadelbäumen (z. B. Weißtannen) verringere. Wenn der Kläger vorbringe, es bestehe nur ein geringer Verbiss an Fichten und Kiefern, seit dies normal, da das Rehwild die Jungpflanzen der weniger vorkommenden Pflanzen, insbesondere Laubbäume, bevorzuge. Da die Nadelbäume aus den Altbeständen dem Klimawandel nicht standhalten könnten und besonders oft von Trockenschäden und Borkenkäferbefall betroffen seien, müssten diese nach und nach durch widerstandsfähigere Baumarten, optimalerweise einen Mischwald, ersetzt werden. Dies sei nach derzeitiger Bewertung in der Revierweisen Aussage im Revier … ohne Schutzmaßnahmen nicht möglich. Zudem sei der Abschussplan im Revier in der vergangenen Abschussplanperiode zwar annähernd erfüllt worden (94,4% des Abschussplans), eine Verbesserung der Verbisssituation habe hierdurch gemäß Revierweiser Aussage jedoch nicht erreicht werden können. Der Kläger habe auf den Hinweis auf die Möglichkeit eines Waldbegangs bei weiteren Fragen zur Revierweisen Aussage nicht reagiert. Das Forstliche Gutachten diene dazu, anhand von festgelegten Flächen in den verschiedenen Revieren einer Hegegemeinschaft einen Gesamtüberblick über die Verbisssituation in dieser zu erlangen. Für die Revierweisen Aussagen werde sich nicht ausschließlich auf diese Flächen bezogen, zumal nicht in jedem Revier eine geeignete Aufnahmefläche gefunden werden könne. Bei der Revierweisen Aussage handele es sich um ein fachliches Gutachten des forstlichen Revierleiters zur Situation des Verbisses und der Waldverjüngung im bewerteten Revier, hier … Sie gebe die Situation im gesamten bewerteten Revier wieder und sei das Ergebnis aller seiner Begänge im Abschussplanzeitraum. Die vom Kläger angeforderten anderen Revierweisen Aussagen bezögen sich ausschließlich auf diese Reviere, weshalb sie für das vorliegende Verfahren nicht von Belang seien.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 24. Juli 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
10
Die Festsetzung des Dreijahresabschussplans für Rehwild für das Gemeinschaftsjagdrevier … vom 25. Mai 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
11
1. Der festgesetzte Abschussplan ist formell rechtmäßig.
12
Der Kläger wendet insoweit auch nichts ein. Soweit bei dem in seiner Anwesenheit stattgefundenen Revierbegang der Eindruck entstanden sein sollte, dass das Ergebnis in der revierweisen Aussage günstiger ausfallen sollte, ist dies eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids.
13
2. Der festgesetzte Abschussplan ist aber auch materiell rechtmäßig.
14
2.1 Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Abschussplans ist § 21 Abs. 2 Satz 1 Bundesjagdgesetz (BJagdG), wonach unter anderem Schalenwild, wozu gemäß § 2 Abs. 3 BJagdG auch Rehwild gehört, nur aufgrund und im Rahmen eines Abschussplans erlegt werden darf, der von der zuständigen Behörde im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat (vgl. § 37 BJagdG) zu bestätigen oder festzusetzen ist. Das Nähere bestimmt die Landesgesetzgebung (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 5 BJagdG), vorliegend Art. 32 Bayerisches Jagdgesetz (BayJG) in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 Ausführungsverordnung zum BayJG (AVBayJG). Danach ist für Rehwild ein Abschussplan jeweils für 3 Jagdjahre aufzustellen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AVBayJG ist der eingereichte Abschussplan zu bestätigen, wenn er den Vorschriften des § 21 Abs. 1 BJagdG und des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG entspricht und im Einvernehmen mit dem Jagdvorstand oder dem Inhaber des Eigenjagdrevieres aufgestellt ist; andernfalls wird der Abschussplan, wie vorliegend, von der Behörde festgesetzt, § 15 Abs. 1 Satz 2 AVBayJG.
15
Nach § 21 Abs. 1 BJagdG ist der Abschuss so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft vor Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Innerhalb der hierdurch gebotenen Grenzen soll die Abschussregelung dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischer Tierarten in angemessener Zeit erhalten bleibt und insbesondere der Schutz von Tierarten gesichert ist, deren Bestand bedroht erscheint. Neben der körperlichen Verfassung des Wildes ist bei der Abschussplanung vorrangig der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldverjüngung zu berücksichtigen, Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG. In der Entscheidung sind die gesetzlich geregelten öffentlich- und privatrechtlichen Belange einzustellen und mit dem Ziel eines Interessenausgleichs zwischen den volkswirtschaftlichen und landeskulturellen Belangen einerseits und den jagdlichen Intensionen andererseits abzuwägen (vgl. BVerwG, U. v. 19.3.1992 – 3 C 62.89 – juris Rn. 25). Dabei kommt dem Interesse am Schutz des Waldes wegen der überragenden Bedeutung des Waldes für das Klima, den Wasserhaushalt, die Sauerstoffproduktion, die Nährstoffspeicherung und die biologische Vielfalt ein Vorrang gegenüber den jagdlichen Interessen zu (vgl. BVerwG, U. v. 30.3.1995 – 3 C 8.94 – juris Rn. 45; BayVGH, U. v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 94). Dementsprechend sind nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 3 BayJG Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen, d. h. nachhaltigen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 BWaldG) forstwirtschaftlichen Nutzung durch das Wild möglichst zu vermeiden und nach Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG die Waldverjüngung zu gewährleisten (vgl. BayVGH, U. v. 19.5.1998 a.a.O.).
16
Bei der Festsetzung des Abschussplans steht der Behörde kein Ermessen (vgl. BVerwG, U. v. 19.3.1992 – 3 C 62.89 – juris Rn. 25) und auch kein gerichtlich nicht nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (vgl. BayVGH, U. v. 7.11.1996 – 19 B 93.956 – juris Rn. 51). Das Gericht prüft, ob die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt richtig gewertet und die verschiedenen Belange entsprechend der Zielvorgabe des Gesetzgebers zutreffend abgewogen hat (BVerwG, U. v. 19.3.1992 a.a.O.; BayVGH, U. v. 30.4.1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 38, U. v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 91; VG München, U. v. 29.3.2017 – M 7 K 16.3638 – juris Rn. 35 m.w.N.). Allerdings ist die Abschusszahl auch nicht mathematisch-logisch, etwa anhand einer normativen Formel zu bestimmen, sondern der Behörde insoweit eine gewisse Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten eingeräumt und die Prüfung des Gerichts darauf beschränkt, ob die Höhe des Abschusses sich noch in einem vertretbaren Zahlenrahmen hält (vgl. BVerwG, U. v. 19.3.1992 a.a.O.; BayVGH, U. v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 91, U. v. 30.4.1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 37 ff.).
17
Ausgangspunkt und Grundlage jeglicher Abschussplanung ist das gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 3 BayJG einzuholende Gutachten, welches den Zustand der Vegetation und der Waldverjüngung insbesondere im Hinblick auf die Einwirkungen des Schalenwildes auf diesen Zustand feststellen soll (vgl. BayVGH, U. v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 95), vorliegend mithin das hegegemeinschaftsbezogene forstliche Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 sowie die ergänzende revierweise Aussage zur Verjüngungssituation vom 12. Oktober 2021.
18
2.2 Die Kammer hat keine Zweifel an der Richtigkeit des forstlichen Gutachtens zur Situation der Waldverjüngung 2021 sowie der ergänzenden revierweisen Aussage zur Verjüngungssituation vom 12. Oktober 2021.
19
Amtlichen Auskünften und Gutachten der Forstverwaltung kommt eine besondere Bedeutung zu, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Beweisaufnahme und der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen. Sie haben daher grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten (vgl. BayVGH, B. v. 31.8.2011 – 8 ZB 10.1961 – juris Rn. 17 zu Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamtes; VG München, U. v. 29.3.2017 – M 7 K 16.3638 – juris Rn. 38; VG Bayreuth, U. v. 8.6.2021 – B 1 K 20.634 – juris Rn. 29).
20
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Art und Weise bzw. die Methode der Gutachtenerstellung durch die Forstbehörden nicht zu beanstanden ist und demzufolge praxistaugliche Maßstäbe zur Festlegung des erforderlichen Abschusses liefert (vgl. BayVGH, U. v 30.4.1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 52 ff., B. v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1601 – juris Rn. 32 ff.).
21
Im vorliegenden Fall bewertet das forstliche Gutachten die Verbissbelastung in der Hegegemeinschaft mit als „zu hoch“ und empfiehlt, den Abschuss zu erhöhen. Die ergänzende revierweise Aussage zur Verjüngungssituation wertet die Verbisssituation (wie bereits in vorangegangenen Jahren) ebenfalls mit „zu hoch“.
22
Wie die Vertreter des AELF in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, haben die Unterzeichner … und … die ergänzende revierweise Aussage erstellt. Damit ist auch in der vorliegenden ergänzenden revierweisen Aussage zur Verjüngungssituation davon auszugehen, dass eine Gesamtbetrachtung mit allen Eindrücken der Waldverjüngung, die auch die Historie und den Werdegang des Reviers heranzieht, vorliegt. Wie sie nachvollziehbarer Weise ausgeführt haben, ist die Verbissinventur, an der der Kläger teilgenommen hat, nur ein grobes Raster, während die revierweise Aussage konkret auf das Revier bezogene Bewertungen vornimmt. Dabei ist insbesondere Herrn … das Revier sehr konkret bekannt.
23
Die Einwendung des Klägers hinsichtlich der Beurteilung der Verbisssituation der Eichen wurde aus Sicht des Gerichts von den Forstbeamten nachvollziehbar damit erklärt, dass diese zwar hinsichtlich des Leitbetriebs als unverbissen registriert werden, weiter unten aber stark verbissen sind. Dies ist bei der revierweisen Aussage zur Verjüngungssituation zurecht berücksichtigt worden. Dass Buchen im Revier kaum vorhanden sind, wurde registriert und daher auch zu Recht in das Gutachten miteingestellt. Wegen der geringen Anzahl an Weißtannen im Revier und deren fehlender Klimatoleranz ist es auch nachvollziehbar, dass insoweit diese Baumart keine Berücksichtigung im Gutachten gefunden hat. Dies gilt umso mehr, als wegen der extremen Trockenheit im streitbefangenen Revier diese Baumart nicht die vom Kläger gewünschte Berücksichtigung finden kann. Der relativ geringe Verbiss bei den Kiefern wurde bei der Verbissaufnahme durchaus aufgenommen. Der in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Internet-Ausdruck des StMELF steht der Rechtmäßigkeit des streitbefangenen Bescheids aus Sicht des Gerichts nicht entgegen. Auch dieses geht als Voraussetzung für die Verjüngung des Waldbestands von einem angepassten Wildbestand aus. Unabhängig davon ist jedenfalls stets die örtliche Situation maßgeblich.
24
2.3 Hinsichtlich der konkret vorgegebenen Abschusszahl bestehen keine rechtlichen Bedenken.
25
Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass sich die Untere Jagdbehörde den Beschluss des Jagdbeirates zu Eigen gemacht hat. Es ist nicht ersichtlich, weshalb es der Unteren Jagdbehörde verwehrt sein sollte, ihrer Überzeugungsbildung das Beratungsergebnis eines zwingend vorgesehenen, vgl. § 37 Abs. 1 BJagdG, Gremiums zugrunde zu legen, das mit sachkundigen Vertretern von fünf maßgeblichen Interessengruppen, nämlich der Land- und Forstwirtschaft, der Jagdgenossenschaften, der Jäger und des Natur- und Waldschutzes besetzt ist und zur Beratung aller Jagdangelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung sowie wichtigen Einzelfragen, vgl. Art. 50 Abs. 1 BayJG, gesetzlich berufen ist. Darüber hinaus hat die Untere Jagdbehörde nach § 21 Abs. 2 Satz 1 BJagdG im Rahmen der Bestätigung oder Festsetzung des Abschussplans Einvernehmen mit dem Jagdbeirat herzustellen. Das Vorgehen der Unteren Jagdbehörde rechtfertigt nicht den Schluss, dass sie sich keine eigene Überzeugung gebildet hat und generell die Auffassung des Jagdbeirates ungeprüft und schematisch übernimmt (vgl. auch VG München, U. v. 29.3.2017 – M 7 K 16.3638 – juris Rn. 29).
26
Entgegen dem klägerischen Vortrag ist nicht erkennbar, dass Einwendungen des Klägers nicht gewürdigt worden wären. Gemäß Schreiben der Unteren Jagdbehörde vom 26. April 2022 ist der Jagdbeirat jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass nur bei Erhöhung der Abschusszahl die gesetzlichen Ziele erreicht werden könnten.
27
2.4 Die Erhöhung der Abschusszahlen ist vorliegend auch im Übrigen nicht zu beanstanden.
28
Der Beklagte hat im Rahmen der Festsetzungen die Erhöhung der Abschusszahl auf 130 Stück Rehwild berechnet. Konkrete Einwendungen hat der Kläger insoweit vorliegend nicht erhoben und sind auch nicht ersichtlich.
29
Es spricht viel dafür, dass bei der Überlegung, welche Abschusszahlen künftig festgesetzt werden sollen, vom alten tatsächlich erbrachten Ist-Abschuss und nicht vom alten festgesetzten Soll-Abschuss auszugehen ist. Im Rahmen der Abschussplanung ist von den tatsächlichen Gegebenheiten auszugehen. Dies folgt insbesondere daraus, dass das zugrundeliegende forstliche Gutachten sowie die revierweise Aussage die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort im Wald erfassen, wie sie sich auf Grundlage des tatsächlichen Abschusses, der bisher erfolgt ist, darstellen. Eine Beurteilung der Situation der Waldverjüngung auf Basis des Soll-Abschusses wäre weder feststellbar noch belastbar nachzuweisen. Das forstliche Gutachten bewertet den Zustand des Waldes bei der Begutachtung der Verbisssituation zutreffend entsprechend den vorgefundenen tatsächlichen Verbissbelastungen und der Aufwuchssituation der Bäume, die auf dem Wildbestand beruht, wie er sich aufgrund des tatsächlichen Ist-Abschusses darstellt, und nicht, wie er sich bei Annahme des Soll-Abschusses darstellen würde. Eine solche Annahme wäre reine Spekulation und findet keine Grundlage im Wald vor Ort (vgl. VG Augsburg, U. v. 22.1.2014 – Au 4 K 13.958 – juris).
30
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
31
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.