Inhalt

VerfGH München, Entscheidung v. 21.12.2023 – Vf. 22-VII-19
Titel:

Unzulässige erneute Popularklage

Normenketten:
GLKrWG Art. 28 Abs. 2 S. 1
BV Art. 98 S. 4
Leitsätze:
Wegen Wiederholung unzulässige Popularklage gegen das Verbot im Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz, bei neuen Wahlvorschlagsträgern verschiedene Wahlvorschläge oder einen Wahlvorschlag mehrfach zu unterstützen. (Rn. 14)
1. Eine erneute Popularklage, die sich gegen eine vom Verfassungsgerichtshof bereits für verfassungsmäßig befundene Rechtsvorschrift richtet, ist nur dann zulässig, wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten ist oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte oder neue, in der früheren Entscheidung noch nicht gewürdigte Tatsachen geltend gemacht werden. Dies gilt auch dann, wenn die angefochtene Rechtsvorschrift zwar nicht formell mit der vom Verfassungsgerichtshof bereits überprüften Regelung identisch ist, inhaltlich aber mit ihr übereinstimmt. (Rn. 14) (red. LS Axel Burghart)
2. Ergibt sich aus der Begründung der früheren Entscheidung, dass der Verfassungsgerichtshof die angefochtene Norm schon damals unter allen in Betracht zu ziehenden verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geprüft hat, besteht kein Anlass für ein weiteres Popularklageverfahren. (Rn. 14) (red. LS Axel Burghart)
Schlagworte:
Popularklage, Unterstützungsunterschriften, Wahlvorschlag
Fundstellen:
BayVBl 2024, 227
BeckRS 2023, 39486
LSK 2023, 39486

Tenor

1. Der Antrag wird abgewiesen.
2. Den Antragstellern wird eine Gebühr von 750 € auferlegt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Gegenstand der Popularklage vom 4. Dezember 2019, die mit Schriftsätzen vom 30. Dezember 2019 und 12. Juli 2020 ergänzt worden ist, ist die Frage, ob das in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 des Gesetzes über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, der Kreistage und der Landräte (Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz – GLKrWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. November 2006 (GVBl S. 834, BayRS 2021-1/2-I), das zuletzt durch § 5 des Gesetzes vom 9. März 2021 (GVBl S. 74) geändert worden ist, enthaltene Verbot, verschiedene Wahlvorschläge oder einen Wahlvorschlag mehrfach zu unterstützen, mit der Bayerischen Verfassung vereinbar ist.
2
Die angegriffene Norm und damit zusammenhängende Normen lauten in der aktuellen (bis zum 31. Dezember 2023 geltenden) Fassung auszugsweise wie folgt:
„Art. 22
Wahlrechtsgrundsätze
(1) Die ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder und die Kreisräte werden in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer, geheimer und freier Wahl nach den Grundsätzen eines verbesserten Verhältniswahlrechts gewählt.“
Art. 24
Wahlvorschlagsrecht
(1) 1Wahlvorschläge können von Parteien und von Wählergruppen eingereicht werden (Wahlvorschlagsträger). 2Wählergruppen sind alle sonstigen Vereinigungen oder Gruppen natürlicher Personen, deren Ziel es ist, sich an Gemeinde- oder an Landkreiswahlen zu beteiligen. 3Neue Wahlvorschlagsträger sind Parteien und Wählergruppen, die im Gemeinderat oder im Kreistag seit dessen letzter Wahl nicht auf Grund eines eigenen Wahlvorschlags ununterbrochen bis zum 90. Tag vor dem Wahltag vertreten waren.
(3) … 5Der Wahlvorschlagsträger hat nach Aufforderung dem Wahlleiter mitzuteilen, für welchen Wahlvorschlag er sich entscheidet, falls ein Mehrfachauftreten festgestellt wird; unterlässt er diese Mitteilung oder widersprechen sich die Mitteilungen, sind die Wahlvorschläge für ungültig zu erklären.
Art. 25
Inhalt und Form der Wahlvorschläge
(1) 1Jeder Wahlvorschlag muss von zehn Wahlberechtigten unterschrieben sein, die am 41. Tag vor dem Wahltag wahlberechtigt und nicht sich bewerbende Personen oder Ersatzleute eines Wahlvorschlags sind. ²Jede Person darf nur einen Wahlvorschlag unterzeichnen; Art. 24 Abs. 3 Satz 5 gilt entsprechend.
Art. 27
Unterstützung von Wahlvorschlägen
(1) Wahlvorschläge von neuen Wahlvorschlagsträgern müssen über die nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 erforderlichen Unterschriften hinaus von weiteren Wahlberechtigten unterstützt werden. … …
Art. 28
Eintragung in Unterstützungslisten, Eintragungsscheine …
(2) 1Wahlberechtigte, die einen Wahlvorschlag unterstützen wollen, haben sich dazu in der Gemeinde, in der sie spätestens am letzten Tag der Eintragungsfrist wahlberechtigt sind, in Unterstützungslisten einzutragen; ausgeschlossen sind sich bewerbende Personen und Ersatzleute von Wahlvorschlägen sowie Wahlberechtigte, die sich in eine andere Unterstützungsliste eingetragen oder einen Wahlvorschlag unterzeichnet haben. 2Art. 24 Abs. 3 Satz 5 gilt entsprechend. 3Die Zurücknahme gültiger Unterschriften ist wirkungslos.
3
Bis zum 31. März 2018 enthielt das Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz folgende Regelung zu Listenverbindungen:
Art. 26
Verbindung von Wahlvorschlägen
4
Der Verfassungsgerichtshof hat am 15. Februar 1996 (VerfGHE 49, 11) eine Popularklage als unbegründet abgewiesen, mit der u. a. die Verfassungswidrigkeit der inhaltlich identischen Vorgängerregelung der von den Antragstellern angegriffenen Norm geltend gemacht worden war. Er hat unter Verweis auf seine
(1) Die Verbindung von Wahlvorschlägen (Listenverbindung) ist zulässig, wenn alle Wahlvorschläge in gleicher Weise untereinander verbunden sind. 2Die Listenverbindung ist auf dem Stimmzettel kenntlich zu machen.
vorangegangene Entscheidung vom 18. Juli 1995 (VerfGHE 48, 61) ausgeführt, das Verbot, „sich in mehrere Unterstützungslisten einzutragen (Art. 25 Abs. 1 Sätze 2 und 3, Art. 23 Abs. 1 Satz 5 GLKrWG [a. F.])“ sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei dem Erfordernis des Vorliegens einer bestimmten Zahl von Unterstützungsunterschriften gehe es darum, den Wahlakt auf ernsthafte Bewerber zu beschränken, indem nur solche politischen Gruppierungen zur Wahl zugelassen würden, die einen hinreichenden Rückhalt in der Bevölkerung besäßen. Die Erreichung dieses Ziels wäre nicht mehr gewährleistet, wenn ein Bürger sich in mehrere Unterstützungslisten eintragen dürfte. Denn dann wäre es nicht mehr sicher, ob jeder der betroffenen Wahlvorschlagsträger für sich gesehen den erforderlichen Rückhalt in der Bevölkerung habe. Zwar könne bei der Wahl selbst die stimmberechtigte Person innerhalb der ihr zustehenden Stimmenzahl ihre Stimmen sich bewerbenden Personen aus verschiedenen Wahlvorschlägen geben. Die Wahlvorbereitung und die Wahl seien aber voneinander zu unterscheiden. Bei der Wahlvorbereitung habe der Gesetzgeber – neben der Begrenzung der Wahl auf ernsthafte Bewerber – auch dafür zu sorgen, dass die Wahlhandlung transparent und leicht handhabbar sei und dass die technische Durchführung der Wahl (rasche und zuverlässige Stimmenauswertung) erleichtert werde. Bei der Wahl selbst träten dagegen andere Gesichtspunkte in den Vordergrund, wie z. B. die Besonderheiten bei einer Persönlichkeitswahl, die mit einer Listenwahl verbunden sei. Diese Unterschiedlichkeit der beiden Vorgänge „Wahlvorbereitung“ und „Wahl“ rechtfertige die gesetzgeberische Entscheidung, die Fragen der mehrfachen Unterstützungsunterschriften bei der Wahlvorbereitung in einem anderen Sinn zu lösen als die Stimmenvergabe für verschiedene Wahlvorschläge bei der Wahl selbst.
II.
5
Nach Ansicht der Antragsteller ist die Popularklage zulässig, es handle sich insbesondere nicht um eine „wiederholende Popularklage“. Soweit der Verfassungsgerichtshof die Zulässigkeit der Anforderung von Unterstützungsunterschriften im Grundsatz bestätigt habe, sei dies nicht Gegenstand der vorliegenden Popularklage. Es werde lediglich die Einschränkung des Kreises der möglichen Unterzeichner angegriffen. Auch hätten sich die Rahmenbedingungen gewandelt. Mit dem Gesetz zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften vom 31. Juli 2019 seien zahlreiche Einzelvorschriften neu gefasst worden. So sei beispielsweise mit der Aufhebung von Art. 26 GLKrWG a. F. die Möglichkeit der Listenverbindung weggefallen. Dies erschwere insbesondere kleineren Wahlvorschlagsträgern das Erringen von Mandaten und nehme ihnen die Möglichkeit der Zusammenarbeit. Es könne sich ein zusätzliches berechtigtes Interesse daran ergeben, jedenfalls bei der Erringung der Unterstützungsunterschriften zusammenzuarbeiten. Die Parteienlandschaft habe sich verändert. Die Zahl der in den Kommunalparlamenten aktiven Gruppierungen habe sich – teils deutlich – erhöht. Der Verfassungsgerichtshof führe in der Entscheidung vom 15. Februar 1996 aus, wenn sich ein Bürger in mehrere Unterstützungslisten eintragen dürfe, sei nicht mehr gewährleistet, dass nur solche politischen Gruppierungen zur Wahl zugelassen würden, die für sich gesehen einen hinreichenden Rückhalt in der Bevölkerung besäßen. Angesichts der Vielzahl von Wählergruppen und der sich daraus ergebenden Kooperationen scheide jedoch mittlerweile eine isolierte Betrachtung der einzelnen Wahlvorschlagsträger aus. Auch der Prozess der politischen Meinungsbildung habe sich verändert, insbesondere in das Internet verlagert. Die Unterstützungsunterschriften seien nicht mehr unbedingt ein taugliches Instrument, die Ernsthaftigkeit und gesellschaftliche Unterstützung von Gruppierungen zu messen. Auch die Zahl der erforderlichen Unterschriften sei willkürlich festgelegt. Es werde aber nicht die Unterschriftensammlung insgesamt, sondern lediglich das Verbot der „Doppelunterschrift“ angegriffen.
6
Die Popularklage sei begründet, da die angefochtene Norm gegen die Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 sowie aus Art. 118 Abs. 1 BV verstoße. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs sei insbesondere der Grundsatz der gleichen Wahl auf die Ausübung des Wahlvorschlagsrechts durch Parteien und Wählergruppen sinngemäß anzuwenden. Er stelle auch einen Anwendungsfall des allgemeinen Gleichheitssatzes dar. Während es das Wahlrecht allen Wahlberechtigten erlaube, mehreren Wahlvorschlägen Stimmen zu geben, verbiete es die angefochtene Vorschrift, mehreren Wahlvorschlägen den Wahlantritt zu ermöglichen. Zwar gebe es Unterschiede zwischen der Wahlvorbereitung und der Wahl, es stelle sich jedoch die Frage, ob nicht die Entscheidung des Gesetzgebers, dass die Stimmen Bewerbern aus verschiedenen Wahlvorschlägen gegeben werden können, in sich logisch und diskriminierungsfrei durchgehalten werden müsse. Auch der Ausschluss von Bewerbern und Ersatzbewerbern sei verfassungswidrig. Es sei verboten, andere Wahlvorschläge im Vorfeld zu unterstützen und so die Zusammenarbeit zwischen Mandatsträgern verschiedener Gruppierungen im Gemeinderat bzw. Kreistag zu ermöglichen. Auch die Unterstützung der eigenen Liste sei den Bewerbern untersagt. Dies diskriminiere Bewerber gegenüber anderen Wahlberechtigten. Durch die angegriffene Regelung würden Wahlvorschlagsträger – mit den damit verbundenen Nachteilen – dazu angehalten, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, Bewerber auf dem Stimmzettel zweimal oder dreimal aufzuführen. Auch eine „volle“ Liste mit der maximalen Bewerberzahl ohne Mehrfachaufführung sollte bereits zeigen, dass ein erfolgversprechender Wahlvorschlag vorliege. Wahlvorschlagsträger würden durch die angegriffene Regelung auch motiviert, möglichst wenig Ersatzbewerber aufzustellen. Die verfassungsrechtlich anerkannten Gründe für das Erfordernis von Unterstützungsunterschriften stünden der Zulassung mehrfacher Unterstützungsunterschriften nicht entgegen.
7
Die Antragsteller haben ferner beantragt, den Vollzug von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 GLKrWG im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zur Entscheidung in Hauptsache auszusetzen.
III.
8
Der Bayerische Landtag und die Bayerische Staatsregierung halten die Popularklage für unzulässig und jedenfalls für unbegründet.
9
Der Verfassungsgerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 15. Februar 1996 (VerfGHE 49, 11) die inhaltlich identische Vorgängerregelung der nunmehr angegriffenen Norm für verfassungsgemäß erklärt. Entgegen der Auffassung der Antragsteller seien Gründe, die ausnahmsweise eine erneute Prüfung zulassen würden, nicht ersichtlich. Es sei nicht nachvollziehbar, inwieweit der Wegfall von Listenverbindungen durch die Streichung des Art. 26 GLKrWG durch das Gesetz zur Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes und anderer Gesetze vom 22. März 2018 (GVBl S. 145) eine neue verfassungsgerichtliche Bewertung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 GLKrWG erfordere. Eine Listenverbindung habe lediglich bewirkt, dass getrennt eingereichte Wahlvorschläge nach der Wahl bei der Verteilung der Sitze wie ein Wahlvorschlag behandelt worden seien. Auch der angeführte „Wandel des Parteiensystems“ vermöge eine erneute verfassungsgerichtliche Prüfung nicht zu rechtfertigen. Die Zunahme der Anzahl der in den Kommunalparlamenten vertretenen Parteien und Wählergruppen zeige vielmehr, dass das Verbot der Mehrfachunterstützung keine unverhältnismäßige Zulassungshürde sei.
10
In der Sache verstoße Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 GLKrWG nicht gegen die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 1, Art. 118 Abs. 1 BV.
IV.
11
Die Popularklage ist unzulässig. Die Antragsteller haben keine Umstände vorgetragen, die hinreichenden Anlass zu einer nochmaligen Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 GLKrWG böten, deren inhaltlich identische Vorgängerregelung bereits Gegenstand einer Popularklage war.
12
1. Nach Art. 98 Satz 4 BV hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht der Bayerischen Verfassung verfassungswidrig einschränken. Die Verfassungswidrigkeit kann jedermann durch Beschwerde (Popularklage) geltend machen. Gesetze im Sinn des Art. 98 Satz 4 BV sind alle Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Dazu gehört auch die angegriffene wahlrechtliche Bestimmung.
13
2. Die Popularklage ist unter dem Gesichtspunkt der Wiederholung unzulässig, weil der Verfassungsgerichtshof bereits am 15. Februar 1996 entschieden hat, dass Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GLKrWG a. F. verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (VerfGHE 49, 11/20).
14
a) Hat der Verfassungsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsvorschrift bejaht, so ist die Rechtslage damit geklärt und es muss grundsätzlich dabei sein Bewenden haben (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 11.6.1991 VerfGHE 44, 61/75 m. w. N.). Ein erneuter Antrag nach Art. 98 Satz 4 BV, der sich gegen eine vom Verfassungsgerichtshof bereits für verfassungsmäßig befundene Rechtsvorschrift richtet, ist nur dann zulässig, wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten ist oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte oder neue, in der früheren Entscheidung noch nicht gewürdigte Tatsachen geltend gemacht werden. Dies gilt auch dann, wenn die angefochtene Rechtsvorschrift zwar nicht formell mit der vom Verfassungsgerichtshof bereits überprüften Regelung identisch ist, inhaltlich aber mit ihr übereinstimmt (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 26.10.2009 VerfGHE 62, 198/201 f.; vom 12.10.2010 VerfGHE 63, 173/177; vom 31.10.2018 VerfGHE 71, 287 Rn. 28; vom 14.6.2023 – Vf. 15-VII-18 – juris Rn. 97, 99 m. w. N.). Neben der Sache liegende oder sonst nicht beachtenswerte Ausführungen können die Zulässigkeit eines neuen Antrags nicht begründen (VerfGH vom 10.4.1979 VerfGHE 32, 56/64; vom 22.7.1998 VerfGHE 51, 131/141; vom 9.12.2011 – Vf. 21-VII-10 – juris Rn. 21). Auch in Fällen, in denen eine in gleicher Sache ergangene Entscheidung bestimmte Aspekte nicht ausdrücklich erwähnt, rechtfertigt dies nicht stets eine erneute verfassungsgerichtliche Prüfung desselben Anfechtungsgegenstands. Ergibt sich aus der Begründung der früheren Entscheidung, dass der Verfassungsgerichtshof die angefochtene Norm schon damals unter allen in Betracht zu ziehenden verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geprüft hat, besteht kein Anlass für ein weiteres Popularklageverfahren (VerfGH vom 9.5.1994 BayVBl 1994, 494/495; vom 31.1.2012 – Vf. 13-VII-10 – juris Rn. 36; vom 9.6.2015 BayVBl 2015, 740 Rn. 56).
15
b) Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist die Popularklage unzulässig.
16
aa) Der Verfassungsgerichtshof hat seine Entscheidung vom 15. Februar 1996 (VerfGHE 49, 11/20) maßgeblich darauf gestützt, dass es bei dem Erfordernis des Vorliegens einer bestimmten Zahl von Unterstützungsunterschriften darum gehe, den Wahlakt auf ernsthafte Bewerber zu beschränken, indem nur solche politischen Gruppierungen zur Wahl zugelassen würden, die einen hinreichenden Rückhalt in der Bevölkerung besäßen, und dass die Erreichung dieses Ziels nicht mehr gewährleistet wäre, wenn ein Bürger sich in mehrere Unterstützungslisten eintragen dürfte. Diese Erwägungen gelten in gleichem Maß für alle Fallgruppen des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 GLKrWG, also sowohl für den Ausschluss von sich bewerbenden Personen und Ersatzleuten von Wahlvorschlägen (erste Fallgruppe) als auch für den Ausschluss von Wahlberechtigten, die sich in eine andere Unterstützungsliste eingetragen oder einen anderen Wahlvorschlag unterzeichnet haben (zweite Fallgruppe). Der Verfassungsgerichtshof hat sich zwar nur mit der ersten Alternative der zweiten Fallgruppe („wenn ein Bürger sich in mehrere Unterstützungslisten eintragen dürfte“) ausdrücklich näher befasst. Die damalige Antragstellerin hatte in der zugrunde liegenden Popularklage aber durchaus auch die erste Fallgruppe angesprochen. Sie hatte die – von den hiesigen Antragstellern aufgegriffene – Argumentation vorgebracht, ausreichender Rückhalt bei den Wählern könne auch dann angenommen werden, wenn ein neuer Wahlvorschlagsträger in der Lage sei, alle Kandidatenplätze der Gemeinde zu besetzen, die höchstmögliche Zahl an Ersatzleuten anzubieten und darüber hinaus anstelle etwa geforderter 180 nur 100 Unterstützungsunterschriften beizubringen (vgl. VerfGHE 49, 11/14). Trotzdem hat der Verfassungsgerichtshof nicht zwischen den beiden Fallgruppen differenziert, sondern entschieden, dass es ohne das Verbot, sich „in mehrere Unterstützungslisten (Art. 25 Abs. 1 Sätze 2 und 3, Art. 23 Abs. 1 Satz 5 GLKrWG [a. F.])“ einzutragen, nicht mehr sicher wäre, ob jeder der betroffenen Wahlvorschlagsträger für sich gesehen den erforderlichen Rückhalt in der Bevölkerung habe. Die Unterschiede zwischen der Wahlvorbereitung und der Wahl rechtfertigten die gesetzgeberische Entscheidung, die Fragen der mehrfachen Unterstützungsunterschriften bei der Wahlvorbereitung in einem anderen Sinn zu lösen als die Stimmenvergabe für verschiedene Wahlvorschläge bei der Wahl selbst. Er hat mit diesen Erwägungen die Verfassungsmäßigkeit des gesamten Satzes 2 in Art. 25 Abs. 1 GLKrWG a. F. angenommen. Aus der Entscheidung ergibt sich, dass der Verfassungsgerichtshof die als verfassungswidrig gerügte Norm insgesamt unter Berücksichtigung des in der Entscheidung wiedergegebenen Vortrags der Antragstellerin geprüft hat. Der Entscheidung lässt sich somit entnehmen, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass jeder Wahlberechtige – bei der Vorbereitung derselben Wahl – nur einen Wahlvorschlag einmal unterstützen darf, sei es durch Kandidatur, Unterzeichnung des Wahlvorschlags oder Eintragung in die Unterstützungsliste.
17
bb) Die Voraussetzungen, unter denen ein erneuter Antrag nach Art. 98 Satz 4 BV, der sich gegen eine vom Verfassungsgerichtshof bereits für verfassungsmäßig befundene Rechtsvorschrift richtet, zulässig ist, liegen nicht vor.
18
(1) Relevante neue rechtliche Gesichtspunkte zeigen die Antragsteller weder auf noch sind sie sonst ersichtlich.
19
Die Aufhebung des Art. 26 GLKrWG a. F. durch § 1 Nr. 9 des Gesetzes zur Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes und anderer Gesetze vom 22. März 2018 (GVBl S. 145) hatte keine Auswirkungen auf die Regelungswirkung der von den Antragstellern angegriffenen Norm. Der Gesetzgeber sah wegen der Abschaffung der Sitzverteilung nach dem d‘Hondt‘schen Verfahren für diese Ausgleichsregelung kein Bedürfnis mehr (LT-Drs. 17/14651 S. 13; vgl. auch Welsch, KommP BY 2018, 166/168). Das Verfahren nach d‘Hondt bevorzugt tendenziell Wahlvorschläge, die viele Stimmen erhalten. Um diesen Effekt auszugleichen, konnten Parteien und Wählergruppen, die eine geringere Stimmenzahl erwarteten, nach Art. 26 GLKrWG a. F. eine Listenverbindung eingehen.
20
Sonstige Änderungen des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes, die eine erneute Überprüfung des angegriffenen Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 GLKrWG gebieten könnten, sind nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere für die Änderungen durch § 3 des von den Antragstellern erwähnten Gesetzes zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften vom 24. Juli 2019 (GVBl S. 342), mit dem der Ausschluss vom Wahlrecht für Personen, die unter Vollbetreuung stehen oder sich aufgrund richterlicher Anordnung in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden, aufgehoben worden ist.
21
(2) Erhebliche neue Tatsachen, die die Zulässigkeit einer neuen Popularklage begründen könnten, ergeben sich aus dem Vorbringen der Antragsteller ebenfalls nicht.
22
Nicht nachvollzogen werden kann deren Argumentation, eine isolierte Betrachtung der einzelnen Wahlvorschlagsträger scheide (mittlerweile) wegen der „Vielzahl an Wählergruppen, die in die Gemeinderäte und Kreistage streben,“ und wegen der sich daraus ergebenden Kooperationen aus. Es ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zulässig, Wahlvorschlagsträger erst dann zur Wahl zuzulassen, wenn sie hinreichenden Rückhalt in der Bevölkerung haben, d. h. ihr politisches Gewicht hinreichend bekannt ist (vgl. VerfGHE 48, 61/69; 49, 11/16; VerfGH vom 21.5.1997 VerfGHE 50, 106/112). Dies wäre nicht mehr gewährleistet, wenn sich auch bewerbende Personen und Ersatzleute von Wahlvorschlägen in Unterstützungslisten oder sonstige Wahlberechtige in mehrere Unterstützungslisten eintragen bzw. einen Wahlvorschlag unterzeichnen und einen anderen unterstützen dürften. Die Möglichkeit der Zusammenarbeit der gewählten Mitglieder im Gemeinderat und Kreistag steht mit der sachlichen Rechtfertigung des Erfordernisses von Unterstützungsunterschriften für neue Wahlvorschlagsträger und der zugehörigen angegriffenen Regelung in keinem Zusammenhang; sie widerspricht ihr insbesondere nicht.
23
Die sachliche Rechtfertigung für die angegriffene Regelung wird nicht dadurch abgeschwächt, wenn es durch den Anstieg von Wahlvorschlagsträgern schwieriger geworden sein sollte, die nach Art. 27 Abs. 3 GLKrWG erforderliche Zahl von Unterschriften zu erhalten.
24
(3) Auch für einen grundlegenden Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung ist nichts ersichtlich.
V.
25
Durch die Entscheidung über die Popularklage hat sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt.
VI.
26
Es ist angemessen, den Antragstellern eine Gebühr von 750 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).