Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Endurteil v. 27.12.2023 – 8 O 6661/22
Titel:

Haftung bei Waschstraßenunfall

Normenketten:
BGB § 249
StVG § 7
Leitsatz:
Wird ein Fahrzeug, was sich auf einer Waschstraße befindet, auf ein - aus ungeklärten Gründen dort noch befindliches - Fahrzeug im Ausfahrtbereich geschoben, haftet letzteres in vollem Umfang aus Betriebsgefahr. (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Waschstraße, Aufschieben
Fundstelle:
BeckRS 2023, 39451

Tenor

1. Die Beklagte zahlt an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 4.089,89 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.12.2022.
2. Die Beklagte zahlt ferner an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 454,20 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.12.2022.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 28% und die Beklagte 72%.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.685,88 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Unfall in einer Waschstraße.
2
Am 21.05.2022 befuhr der Zeuge K. mit dem Pkw ... E 850d (amtliches Kennzeichen: FÜ – …) der Klägerin eine Pkw-Waschstraße der Firma W. KG in der N-Straße in 90… N. Im Ausfahrtsbereich der Waschstraße fuhr er dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw ... (amtliches Kennzeichen: BA – …) hinten auf. Fahrer des letztgenannten Pkw war der Zeuge V. Der Unfallhergang ist zwischen den Parteien streitig (siehe hierzu sogleich).
3
Die Klägerin gab beim Sachverständigenbüro F. ein Schadensgutachten in Auftrag, welches dieser unter dem 22.05.2022 erstattete (Anlage K2). Darin wurden Netto-Reparaturkosten in Höhe von 4.620,18 € ausgewiesen. Ferner errechnet der Sachverständigen eine Wertminderung in Höhe von 295,00 €. Für die Fertigstellung des Gutachtens stellte der Sachverständige der Klägerin einen Betrag in Höhe von 764,05 € netto in Rechnung (Anlage K5).
4
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Unfall für den Zeugen K. unvermeidbar gewesen sei. Der Zeuge V. habe mit dem von ihm gelenkten Pkw die Waschstraße nach Erledigung des Wasch- und Trocknungsvorgangs nicht unverzüglich verlassen. Der klägerische Pkw sei auf den gegnerischen Pkw daher aufgeschoben worden. Die vom Sachverständigen ermittelten Beschädigungen seien allesamt auf das Unfallereignis zurückzuführen.
5
Die Klagepartei beantragt daher:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.685,88 € zuzüglichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 527,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu bezahlen.
6
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
7
Dass das Fahrzeug der Klägerin mit seiner Front das beklagte Fahrzeuge im Heckbereich berührt habe, sei nicht durch ein Aufschieben in der Waschstraße zu erklären, sondern durch ein aktives Zutun des Fahrers des klägerischen Fahrzeuges. Ferner meint die Beklagte, dass sich die Klägerin auf eine Reparatur im Reparaturbetrieb KM GbR, 9... N. verweisen lassen müsse.
8
Wegen des weiteren Sachvortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen umfassend Bezug genommen.
9
Das Gericht hat im Termin vom 14.12.2023 die Zeugen B. (Geschäftsführer der Waschstraße in N.), V. (= Fahrer des beklagten Fahrzeuges), K. (= Fahrer des klägerischen Pkw) und S. (= unabhängiger Zeuge) jeweils uneidlich vernommen. Im selben Termin erstattet der gerichtlich bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) SK ein mündliches Gutachten.
10
Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom14.12.2023 sowie auf die vom Sachverständigen im Termin überreichten Anlagen umfassend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11
Die zulässige Klage ist weitgehend begründet. Die Klägerin kann in der Hauptsache Schadensersatz in Höhe von 4.089,89 € geltend machen.
12
Die Beklagte haftet der Klägerin auf Schadensersatz gem. § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG. Die Einstandspflicht des Kfz-Halters sowie dessen Haftpflichtversicherers ist gesetzlich als Gefährdungshaftung ausgestaltet, die sich allein an die Betriebsgefahr eines Kfz knüpft. Ein Mitverschulden des Fahrers des Fahrzeuges ist nicht erforderlich.
13
1. Zur Überzeugung des Gerichts wurde das klägerische Fahrzeug auf das Beklagtenfahrzeug, welches sich zu diesem Zeitpunkt aus nicht geklärten Gründen noch im Ausfahrtsbereich der Waschstraße befand, von der Waschstraße aufgeschoben. Hierbei wurde der klägerische Pkw im Frontbereich beschädigt. Konkret wurden das Nummernschild und der Kühlergrill beschädigt. Darüberhinausgehende Beschädigung konnten jedoch nicht nachgewiesen werden (siehe hierzu sogleich). Von einem aktiven Beitrag des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs am Unfallgeschehen geht das Gericht hingegen nicht aus.
14
2. Das Gericht stützt sich insbesondere auf die Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) SK.
15
Im Rahmen eines Ortstermins wurde der Waschvorgang nachgestellt. Obwohl sich im Ausfahrtsbereich ein Fahrzeug (in diesem Fall eine Kehrmaschine) befand, wurde das sich noch in der Waschstraße befindliche Fahrzeug (ein Pkw BMW) auf dieses aufgeschoben. Die Schilderung des Zeugen K. ist damit schlüssig. Anhaltspunkte dafür, dass er das klägerische Fahrzeug fahrlässig oder vorsätzlich selbst in Bewegung gesetzt hat, sind nicht vorhanden. Ein solcher Vorgang wäre auch lebensfremd.
16
Allerdings konnten nicht alle vom außergerichtlichen Sachverständigen F. dokumentierten Beschädigungen mit der im Zivilprozess nötigen Maß an Sicherheit zum Unfallgeschehen zugerechnet werden. Frei von Widersprüchen und für das Gericht im vollen Umfang nachvollziehbar führte der Sachverständige SK aus, dass die Kollisionsgeschwindigkeit des klägerischen Fahrzeuges mit maximal 1,5 km/h zu bewerten sei. Trotz dieser geringen Geschwindigkeit korrespondierten die Beschädigungen am Kennzeichen und dem Halter des Kläger-Fahrzeugs sowie die Lackschäden an der Stoßfänger-Verkleidung dahinter mit einem derartigen Vorgang. Auch ein Kontakt am Frontgrill mit der entsprechenden Rissbildung sei plausibel. Beschädigung des Abstandssensors sowie eine Stauchung des Frontbereichs (mit Verschiebung des Spaltmaßes in der Motorhaube) konnte der Sachverständige dem Unfallvorgang hingegen nicht zweifelsfrei zuordnen. Dies gelte um so mehr, als an dem klägerischen Fahrzeug ein Vorschaden im Frontbereich dokumentiert sei. Dabei gab der Sachverständige nachvollziehbar an, dass die Firma KM GbR ein „Eurogarant“-Betrieb sei, der qualitativ die Standards einer markengebundenen Fachwerkstatt aufweise. Unter der Verwendung der aktuellen Stundenberechnungssätze kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die unzweifelhaft auf das Unfallgeschehen zurückführende Schäden Netto-Reparaturkosten von 3.005,84 € auslösen würden.
17
Der Sachverständige teilte hingegen die Auffassung des klägerischen Gutachters Fichtner, wonach die eine merkantile Wertminderung mit 295,00 € in Ansatz zu bringen sei.
18
Die Höhe der Gutachterkosten sowie die Unfallkostenpauschale sind zwischen den Parteien nicht streitig.
19
Damit kann die Klagepartei folgende Positionen beanspruchen:

Nr.

Position

Betrag

1

Netto-Reparaturkosten

3.005,84 €

2

Wertminderung

295,00 €

3

Netto-Sachverständigengebühren

764,05 €

4

Unfallkostenpauschale

25,00 €

5

Summe

4.089,89 €

20
3. Aus dem Gegenstandswert von 4.089,89 € kann die Klägerin auch außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren geltend machen.
21
4. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
22
5. Die Klage wurde der Beklagten am 23.12.2022 zugestellt. Verzugszinsen nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB waren der Klagepartei daher ab dem 24.12.2022 zuzusprechen.
23
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1 u. 2 und § 711 ZPO.