Inhalt

AG Nürnberg, Beschluss v. 07.06.2023 – 121 F 724/20
Titel:

Nichtanerkennung einer Auslandsadoption wegen Verstosses gegen den deutschen ordre public

Normenketten:
AdWirkG § 1, § 2 Abs. 1, § 9 (idF bis zum 31.03.2021)
BGB § 1741 Abs. 1
FamFG § 109 Abs. 1 Nr. 1 ff.
Leitsätze:
1. Eine ausländische Dekretadoption, die nicht auf der Grundlage des Haager Adoptionsübereinkommens durchgeführt worden ist, kann im Inland anerkannt werden, wenn sie wirksam ist und keiner der in § 109 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 FamFG aufgeführten Ausschlussgründe vorliegen. Zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts – und deshalb grundsätzlich bei der Anerkennung ausländischer Entscheidungen im Rahmen des materiellen o. p. zu beachten – zählt im Fall der Minderjährigenadoption die Ausrichtung der Entscheidung am Kindeswohl, § 1741 Abs. 1 BGB. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soll der künftige Aufenthalt des Kindes im Ausland liegen, setzt eine hinreichende Prüfung des Kindeswohls voraus, dass dem Adoptionsgericht dieser Umstand bewusst ist und es sich mit ihm auseinandersetzt, damit es das Adoptionsbedürfnis und die Elterneignung sachgerecht prüfen kann (OLG Nürnberg BeckRS 2016, 17895). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Mangel der Kindeswohlprüfung kann im Anerkennungsverfahren nicht behoben werden, da dieses lediglich der Prüfung der Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Entscheidung dient, ein ordnungsgemäßes Adoptionsverfahren jedoch nicht ersetzen soll (ebenso OLG Nürnberg BeckRS 2018, 25798). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Auslandsadoption, Dekretadoption, Minderjährigenadoption, Kindeswohl, Anerkennungsverfahren, Haager Adoptionsübereinkommen
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.09.2023 – 9 UF 569/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 39257

Tenor

Der Antrag, die durch Urteil des 2. Zivilgerichts …, Brasilien, vom 02.09.2019 ausgesprochene Annahme der Kinder …, durch die Eheleute … anzuerkennen, wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
1. Das 2. Zivilgericht … in Brasilien sprach – ohne Beteiligung der zuständigen deutschen und brasilianischen Zentralen Behörden nach dem Haager Adoptionsübereinkommen – mit Urteil vom 02.09.2019 die Adoption der Kinder …, geboren am … [richtig: …], …, geboren am …, und …, geboren am … [richtig: …], durch die Eheleute … aus. In der Adoptionsentscheidung wurden die Namen der angenommenen Kinder von … zu …, von … zu … und von … zu … geändert. Ferner wurde die Eintragung der Annehmenden und deren Eltern in die Geburtenregister der Kinder angeordnet. Das Urteil ist am 10.09.2019 rechtskräftig geworden.
2
In der Folge wurden die Beteiligten … als Eltern der Kinder, diese bezeichnet mit den durch Urteil geänderten Vor- und Zunamen, in das Geburtsregister des Standesamtes in … eingetragen.
3
2. Die Annehmenden sind mit den Anzunehmenden im ... 2019 nach Deutschland eingereist.
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3. Mit Antrag vom 26.02.2020 hat der Annehmende … und mit Antrag vom 09.03.2020 hat die Annehmende … die Anerkennungs- und Wirkungsfeststellung der brasilianischen Adoptionsentscheidung gemäß § 2 AdWirkG beantragt. Die Antragsteller sind seit 05.02.2016 miteinander verheiratet. Der Annehmende … ist deutscher Staatsangehöriger, die Annehmende … hat die italienische und die brasilianische Staatsangehörigkeit.
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4. Die Annehmenden bringen vor, dass es sich um eine brasilianische Inlandsadoption gehandelt habe. Im Juli 2017 hätten sie sich entschieden, ihren Wohnsitz nach Brasilien zu verlegen. Sie hätten sich in Brasilien mit der Intension aufgehalten, dort dauerhaft ihren Lebensmittelpunkt zu begründen; während des gesamten Adoptionsverfahrens hätten sie dort gelebt. Eine Überführung der Kinder nach Deutschland sei nicht geplant gewesen. Nach einem ersten Beratungsgespräch im Juli 2017 und einer zentralen Adoptionsveranstaltung im Oktober 2017 hätten sie die geforderten Unterlagen eingereicht und die notwendigen Gespräche mit dem Jugendamt geführt. Es seien auch Hausbesuche durchgeführt worden. Im November 2018 habe sich die Möglichkeit konkretisiert, die Anzunehmenden, drei Geschwister, zu adoptieren. Ab Dezember 2018 hätten diese mit ihnen im Familienverband in Brasilien gelebt. Erst im Laufe eines Aufenthalts während der brasilianischen Schulferien ab Dezember 2019 hätte die Familie sich entschieden, wieder einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland zu begründen. Anlass dafür seien die Änderung der politischen Verhältnisse in Brasilien gewesen, die mit einer steigenden Kriminalität einhergegangen seien.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 18.08.2020 (Bl. 111 ff. d. A.), vom 09.11.2020 (Bl. 154 ff. d. A.), vom 04.11.2021 (Bl. 212 ff. d. A.) und vom 02.05.2023 (Bl. 317 ff. d. A.).
II.
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Die Voraussetzungen dafür, die ausländische Entscheidung gemäß §§ 1, 2 Abs. 1 AdWirkG in der bis 31.03.2021 geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.), die hier gemäß § 9 AdWirkG anzuwenden ist, anzuerkennen, sind nicht gegeben, da ein Verstoß gegen den deutschen o. p. vorliegt.
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1. Die Annehmenden haben die Adoption in Brasilien außerhalb des Haager Übereinkommens über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption betrieben. So lag dem Adoptionsverfahren die Annahme zugrunde, dass es sich bei der Annahme der Anzunehmenden um eine (brasilianische) Inlandsadoption handelt, bei der die Absicht zum nur kurze Zeit später vollzogenen Aufenthaltswechsel nicht bestand. Denn die brasilianischen Behörden sind laut den Annehmenden (vgl. Seite 7 des Schriftsatzes vom 04.11.2021, Bl. 218 d. A.) davon ausgegangen, dass die Familie sich dauerhaft in Brasilien niederlässt.
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In diesen Fällen richtet sich die Anerkennung der Adoptionsentscheidung nach § 108 f. FamG a. F. (BGH, Beschluss vom 17.06.2015 – XII ZB 730/12 –, juris Rn. 30; ebenso: Andrae, Internationales Familienrecht, 4. Aufl., § 8 Rn. 76). Nicht auf der Grundlage des Haager Adoptionsübereinkommens durchgeführte Dekretadoptionen sind anhand der in § 109 FamFG geregelten Anerkennungshindernisse zu prüfen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.09.2021 – 2 UF 44/12 –, juris Rn. 27). Danach findet eine ausländische Entscheidung im Inland Anerkennung, wenn sie wirksam ist und keiner der in § 109 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 FamFG aufgeführten Ausschlussgründe vorliegen. Die Anerkennung ist gemäß § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG insbesondere dann ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.
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2. Zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts – und deshalb grundsätzlich bei der Anerkennung ausländischer Entscheidungen im Rahmen des materiellen o. p. zu beachten – zählt im Fall der Minderjährigenadoption die Ausrichtung der Entscheidung am Kindeswohl, § 1741 Abs. 1 BGB (BGH, Beschluss vom 17.06.2015 – XII ZB 730/12 –, juris Rn. 34). Soll der künftige Aufenthalt des Kindes im Ausland liegen, setzt eine hinreichende Prüfung des Kindeswohls dabei voraus, dass dem Adoptionsgericht dieser Umstand bewusst ist und es sich mit ihm auseinandersetzt, damit es das Adoptionsbedürfnis und die Elterneignung sachgerecht prüfen kann (OLG Nürnberg, Beschluss vom 27.10.2015 – 7 UF 718/15 –, juris Rn. 46; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.07.2012 – II-1 UF 82/11 –, juris Rn. 11; OLG Celle, Beschluss vom 12.11.2011 – 17 UF 98/11 –, juris Rn. 16). Andernfalls liegt ein gravierender Mangel vor; es ist von einem offensichtlichen Verstoß gegen die wesentlichen Grundsätze des deutschen Rechts auszugehen. Das ist hier der Fall.
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a. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Annehmenden von Beginn an geplant hatten, das in Brasilien adoptierte Kind bzw. die in Brasilien adoptierten Kinder unmittelbar nach dem Abschluss des Adoptionsverfahrens nach Deutschland zu bringen, um dort mit ihm bzw. ihnen zu leben. Das gegenteilige Vorbringen der Annehmenden – unter anderem auch im Rahmen ihrer Anhörung am 03.05.2022 – überzeugt nicht. Dagegen spricht nicht nur die zeitliche Nähe der Einreise der Kinder nach Deutschland am 06.12.2020 zum Eintritt der Rechtskraft der Adoptionsentscheidung vom 02.09.2019 am 10.09.2019.
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Der Vermerk über ein „Informationsgespräch Adoption“ einer Mitarbeiterin der Gemeinsamen Adoptionsvermittlungsstelle der Städte F. und E. vom 11.05.2017 (Bl. 72 f. d. A.) sowie die Anfrage des Annehmenden … an die Zentrale Adoptionsvermittlungsstelle beim Bayerischen Jugendamt vom 27.06.2017 (Bl. 74 d. A.) zeigen, dass die Annehmenden vor dem Hintergrund der brasilianischen Staatsangehörigkeit der Annehmenden … zunächst die Annahme eines Kindes aus Brasilien im Wege eines deutschen Adoptionsverfahrens sondierten. Für die aufgezeigten Schwierigkeiten brachten sie dabei wenig Verständnis auf. So heißt es bereits in dem Vermerk vom 11.05.2017: „… sind etwas empört darüber, dass es scheinbar so schwierig ist, einem ‚armen Kind aus Brasilien‘ in Deutschland ein Zuhause zu geben.“
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In der Folge meldete sich der Annehmende … am 02.08.2017 telefonisch bei der Adoptionsvermittlungsstelle und teilte nach einem Aktenvermerk (Bl. 76 d. A.) mit, „dass er nach einer Brasilienreise zusammen mit seiner Frau entschieden habe, sich in Brasilien, nach brasilianischem Adoptionsrecht, um ein Kind zu bewerben.“ Da sie „in Brasilien sehr gute Chancen [hätten], ein Kind vermittelt zu bekommen, [hätten] sie entschieden, diesen Weg [zu] gehen“. Auf den Hinweis, dass „ein solches Vorgehen legal nicht möglich [sei] und sie mit einem ggf. vermittelten Kind in Deutschland nicht werden einreisen können“, hat der Annehmende … nach dem Vermerk vom 02.08.2017 erklärt, „er hätte aber die Information, dass Adoptionen, die in Ländern ausgesprochen [würden], die dem Haager Abkommen beigetreten sind, in Deutschland anerkannt werden müssen“. Dies wertet das Gericht als ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Annehmenden vorhatten, ein angenommenes brasilianisches Kind nach dem Abschluss des brasilianischen Adoptionsverfahrens nach Deutschland zu verbringen. Dass die Aussage zur Anerkennungspflichtigkeit lediglich im Hinblick auf eine ungewisse, irgendwann in ferner Zukunft liegende Rückkehr nach Deutschland getätigt wurde, stellt sich unter Berücksichtigung des Ablaufs bis dahin nach der Überzeugung des Gerichts als rein theoretische Möglichkeit dar.
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Darüber hinaus hat das Gericht keine Zweifel daran, dass den Annehmenden spätestens aufgrund der Reaktion der Adoptionsvermittlungsstelle bewusst war, die Absicht zur Rückkehr nach Deutschland im angestrebten brasilianischen Adoptionsverfahren nicht offenlegen zu dürfen. So wies die Adoptionsvermittlungsstelle die Annehmenden im Schreiben vom 03.08.2017 nicht nur nochmals daraufhin, dass ihr Vorhaben „nicht zulässig und damit nicht legal“ sei. Vielmehr wurde darüber hinaus durch die im Schreiben formulierte Frage „Haben Sie die brasilianischen Behörden wirklich darüber informiert, dass Sie im Fall einer Vermittlung mit dem Kind nach Deutschland einreisen möchten?“ die maßgebliche Schwachstelle des Unterfangens der Annehmenden deutlich gemacht.
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Unvereinbar mit der Version einer erst nach dem Abschluss des Adoptionsverfahrens im Rahmen eines gemeinsamen Ferienaufenthalts in Deutschland getroffenen Entscheidung, mit den Kinder wieder nach Deutschland zurückzukehren, ist aber vor allem das Folgende: Bereits vor dem Ausspruch der Adoption am 02.09.2019, nämlich am 29.08.2019, erkundigte sich der Annehmende … telefonisch beim Bezirkssozialdienst der Stadt …, wo die drei adoptierten Kinder, die in den nächsten Tagen einreisen würden, zur Schule gehen könnten.
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Davon ist das Gericht aufgrund der E-Mail einer Mitarbeiterin der Adoptionsvermittlungsstelle vom 29.08.2019 an das Landesjugendamt (Bl. 80 d. A.) sowie der Stellungnahme der Adoptionsvermittlungsstelle vom 14.05.2020 (dort Seite 2, Bl. 70-R d. A.) überzeugt.
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Dass die Annehmenden eine Wohnung in Brasilien angemietet hatten, steht dem Vorhaben, die Kinder nach Abschluss des Adoptionsverfahrens nach Deutschland zu bringen, nicht entgegen. So hat der Annehmende … im Rahmen seiner Anhörung selbst ausgeführt (Seite 3 der Niederschrift, Bl 270 d. A.), dass „Voraussetzung für eine Adoption eines brasilianischen Kindes in Brasilien (…) ein Wohnsitz in Brasilien“ sei. Entsprechendes war zur Verwirklichung des Plans schlicht notwendig. Die Begründung eines nur vorübergehenden Wohnsitzes im Ausland, mag zwar auch für die Erfüllung eines Kinderwunsches einen ganz erheblichen Aufwand darstellen und eine starke Motivation erfordern. Zum einen spricht das Vorbringen des Annehmenden … bei der Anhörung, es seien „zuletzt (…) Kinderwunschbehandlungen 2015 nicht erfolgreich gewesen“ und „eine Adoption in Deutschland wäre das Letzte gewesen, was uns noch in Deutschland hätte halten können“, (jeweils Seite 3 der Niederschrift, Bl. 270 d. A.) – selbst wenn das Gericht die letzte Aussage zumindest nicht vollumfänglich für glaubhaft erachtet – für einen sehr dringenden Kinderwunsch. Dies steht auch im Einklang mit dem vom Annehmenden … beschriebenen geringen Hoffnung auf einen Erfolg eines Adoptionsverfahrens in Deutschland.
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Und zum anderen war es angesichts der familiären und sozialen Kontakte der Annehmenden … als (unter anderem) brasilianische Staatsangehörige ein Leichtes, auch nur vorübergehend in Brasilien Fuß zu fassen. Denn die „ganze Familie von Frau … lebt in Brasilien“ (Seite 3 des Schriftsatzes vom 18.08.2020, Bl. 113 d. A.). Hinzukommt, dass die Annehmenden infolge des Immobilienbesitzes in Deutschland nicht darauf angewiesen waren, in Brasilien eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen.
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Aus dem weiteren Vorbringen der Annehmenden ergibt sich ebenfalls nichts, was dem Vorhaben, nach der Adoption mit den Kindern nach Deutschland zurückzukehren, entgegenstünde. Es mag sein, dass die Annehmende … – wie im Schriftsatz vom 18.08.2020 (dort Seite 3, Bl. 113 d. A.) dargelegt wird – sich „während des gesamten Zeitraums 2018 überwiegend und in 2019 durchgehend in Brasilien“ aufgehalten hat. Abgesehen davon, dass das Adoptionsverfahren lief, gab es hierfür aber nach dem eigenen Vorbringen der Annehmenden zudem einen guten Anlass. Schließlich musste die Mutter der Annehmenden … nach einer Operation im Jahr 2018 gepflegt werden (Seite 3 des Schriftsatzes vom 18.08.2020, Bl. 113 d. A.).
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Der Verlust der Mitgliedschaft in einer deutschen Krankenversicherung beruhte nicht auf einer Kündigung oder ähnlichem der Annehmenden …, sondern war Folge dessen, dass ihre Sozialversicherungspflicht endete. Und der Annehmende … mag bis Ende 2018 eine günstigere Möglichkeit der Krankenversicherung erwogen habe. Problem dabei soll nach der im Verfahren vorgelegten Erklärung eines Finanzberaters des Annehmenden … vom 04.11.2021 (Bl. 251 d. A.) aber gewesen sein, dass es „keinen Weg [gab], die deutsche Versicherung für die Zeit [seiner] Abwesenheit auf große Anwartschaft umzustellen, also sozusagen bei reduziertem Beitrag ruhend zu stellen“. Es ging mithin darum, dass eine Wiederaufnahme gesichert sein sollte. Ein Indiz dafür, dauerhaft seinen Lebensmittelpunkt in einem Land zu begründen, resultiert daraus nicht. Unabhängig davon hat der Annehmende … seine deutsche Krankenversicherung gerade nicht aufgegeben (Seite 3 des Schriftsatzes vom 04.11.2021, Bl. 214 d. A., Seite 2 des Schriftsatzes vom 05.11.2021, Bl. 258 d. A.).
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Es mag sein, dass schon die Verwaltung der Immobilien immer wieder Aufenthalte in Deutschland notwendig gemacht haben. Dies ändert aber nichts daran, dass der Annehmende … nach seinen eigenen Angaben in der Anhörung vom 03.05.2022 (Seite 3 der Niederschrift, Bl. 270 d. A.) weiterhin eine Wohnung in Deutschland unterhielt, und zwar unter genau der Adresse …, unter der beide Annehmenden schon weit vor 2017 gemeldet waren (Bl. 46 und Bl. 48 d. A.) und auch nun wohnen (Seite 1 der Stellungnahme des Adoptionsfachdienstes vom 22.02.2023, Bl. 307 d. A.). Nach der Erklärung des Finanzberaters des Annehmenden … vom 04.11.2021 (Bl. 251 d. A.), wollte der Annehmende … dabei keinesfalls regelmäßig, sondern nur „ab und zu auch länger als 6 Monate am Stück in Brasilien sein“.
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Der Annehmende … mag sich ab Mai 2018 mit verschiedenen Möglichkeiten der Finanzierung einer „Auslandsimmobilie“ in Brasilien befasst haben. Eine Immobilie dort angeschafft, insbesondere um darin zu wohnen, haben die Annehmenden indes gerade nicht, und zwar auch nicht in der Zeit nach der Adoption bis zur Einreise der Kinder nach Deutschland. Abgesehen davon, dass nach der vorgelegten Erklärung des Finanzberaters vom 04.11.2021 (Bl. 251 d. A.), die Finanzierung – bezeichnenderweise – „mit einem deutschen Darlehensgeber“ eruiert wurde, lässt sich die Erwägung, eine Immobilie zu kaufen, auch ohne weiteres mit der Absicht erklären, das „Portfolio“ zu erweitern. Dies gilt gerade im Hinblick auf die unbestreitbare Verbundenheit der Annehmenden mit Brasilien. Bezeichnend ist insofern in gewisser Weise, dass der Annehmende … am 23.04.2020 in einer E-Mail an das Jugendamt der Stadt … noch ausführte: „Wir haben sowohl in Brasilien als auch in Deutschland Wohnsitze, in beiden Staaten ein unbeschränktes Aufenthalts- und Arbeitsrecht (…).“
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Die Gewalt in Brasilien mag zugenommen haben. Dies ist allerdings kein Phänomen, das erst Ende 2019 plötzlich in Erscheinung trat. Insofern wird auf die Ausführungen im Schriftsatz der Annehmenden vom 04.11.2021 verwiesen. Dort heißt es (Seite 5, Bl. 216 d. A.): „Die Beteiligten beobachteten ab dem Jahr 2018, dass die Situation im Hinblick auf Einschüchterungen der Bevölkerung vor den Präsidentschaftswahlen im Herbst 2018 immer unsicherer wurde. Es kam wiederholt und häufig zu Schießereien zwischen dem Militär und Kriminellen. Am 14.03.2018 wurde die Stadträtin … von Mi... ermordet. (…) Die Stadträtin (…) war bekannt mit der Mutter von Frau …. Die Familie … musste feststellen, dass auch in ihrer unmittelbaren Umgebung immer wieder Schüsse fielen. (…) Im Frühjahr 2019 wurde die Situation immer gefährlicher, es kam häufig zu Schießereien auch in den Straßen im Umfeld des Wohnortes der Familie ….“ Das ist mit Sicherheit kein Umfeld, in dem man Kinder großziehen möchte. Diese Umstände haben die Annehmenden aber nicht davon abgehalten, ihren Plan einer Adoption weiter zu betreiben. Der Ausweg war ja auch greifbar.
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Es mag sein, dass die Kinder nunmehr in Deutschland Portugiesischunterricht erhalten. Das ändert aber nichts daran, dass sie in Brasilien Deutschunterricht hatten, was sie auf einen Aufenthalt in Deutschland vorbereitete.
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b. Anhaltspunkte dafür, dass das brasilianische Gericht sich im Rahmen des Adoptionsverfahrens mit dem Aspekt eines künftigen Aufenthalts der Kinder im Ausland auseinandergesetzt hat, gibt es nicht. Insbesondere ist in der Entscheidung vom 02.09.2019 (Bl. 16 ff. d. A.) nicht erwähnt, dass die Kinder ihren künftigen Lebensmittelpunkt in Deutschland haben werden. Für Ausführungen hierzu bestand auch kein Anlass, weil die brasilianischen Behörden – nach dem Vorbringen der Annehmenden – ja davon ausgegangen sind, dass die Familie sich dauerhaft in Brasilien niederlässt. Dementsprechend findet in dem Antrag der Annehmenden vom 05.12.2018 (Bl. 23 f. d. A.) eine etwaige Rückkehr nach Deutschland keine Erwähnung. Vielmehr wird dort ausgeführt, dass sie ihren ständigen Wohnsitz in Rio de Janeiro haben.
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Zwar mag dem brasilianischen Gericht bewusst gewesen sein, dass die Annehmenden ein gemischt nationales Paar sind, Verbindungen nach Deutschland bestehen und immer wieder Aufenthalte in Deutschland notwendig sind. Ferner mögen die Adoptionsbehörden Reisen nach Deutschland zugestimmt und die Bezüge zu Deutschland, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeiten der Kinder (irgendwann in der Zukunft) positiv bewertet haben. Das alles hat aber mit dem Plan, die Kinder unmittelbar nach einer Adoption aus ihrem Heimatstaat in ein anderes Land zu verbringen, nichts zu tun. Es geht dabei auch nicht darum, dass nicht alle in Betracht kommenden Zukunftsaussichten in eine Adoptionsentscheidung einbezogen werden können.
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Wenn – wie im vorliegenden Fall – Kinder, die den Aufnahmestaat nicht kennen, adoptiert werden, ist im Rahmen der Kindeswohlprüfung ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, ob sie einen Umzug in ein anderes Land mit einer anderen Sprache und einer anderen Kultur ohne weiteres verkraften (OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.03.2020 – 7 UF 78/20 –, juris Rn. 17). Es ist zu beleuchten, ob die Annehmenden und deren Verhältnisse vor Ort hinreichende Möglichkeiten zu einer sprachlichen, schulischen und allgemeinen sozialen Integration der Kinder in deren neuen Lebensmittelpunkt schaffen können (OLG Hamm, Beschluss vom 12.08.2011 – 11 UF 37/11 –, juris Rn. 12 f.). An alldem fehlt es.
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3. Dieser Mangel der Kindeswohlprüfung kann im vorliegenden Verfahren nicht behoben werden. Denn es ist nicht Sinn des Anerkennungsverfahrens, das Adoptionsverfahren nachzuholen. Das Anerkennungsverfahren dient lediglich der Prüfung der Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Entscheidung, soll aber ein ordnungsgemäßes Adoptionsverfahren nicht ersetzen. Das ist ständige Rechtsprechung – und zwar nicht nur – des Oberlandesgerichts Nürnberg zu der bis 31.03.2021 geltenden Rechtslage (OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.11.2014 – 7 UF 1084/14 –, juris Rn. 15; Beschluss vom 27.10.2015 – 7 UF 718/15 –, juris Rn. 15; Beschluss vom 08.03.2018 – 7 UF 1313/17 –, juris Rn. 43; ebenso: OLG Hamm, Beschluss vom 12.08.2011 – 11 UF 37/11 –, juris Rn. 13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.08.2008 – 25 Wx 114/07 –, juris Rn. 21; OLG Celle, Beschluss vom 12.10.2011 – 17 UF 98/11 –, juris Rn. 19; OLG München, Beschluss vom 03.05.2011 – 31 Wx 46/10 –, juris Rn. 18; OLG Köln, Beschluss vom 29.05.2009 – 16 Wx 251/08 –, juris Rn. 17; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 15 UF 173/19 –, juris Rn. 14; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.09.2019 – 1 UF 93/18 –, juris Rn. 19, andere Ansicht allerdings: Hanseatisches OLG Bremen, Beschluss vom 29.09.2014 – 5 UF 52/14 –, juris Rn. 21; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 28.04.2016 – 15 UF 184/15 –, juris Rn. 10; Helms in Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl., Art. 22 EGBGB Rn. 86 f.). Das Gericht schließt sich dieser Rechtsprechung an, die insbesondere in Übereinstimmung mit dem Willen des Gesetzgebers des Adoptionswirkungsgesetzes steht. Dieser wollte den Prüfungsumfang des deutschen Gerichts in einem Anerkennungsverfahren bewusst nicht in einer Weise ausdehnen, die das Verfahren in die Nähe der Wiederholungsadoption rückt (Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung vom 20.05.2011, BT-Drucks. 14/6011, Seite 32).
29
Gegenstand des Anerkennungsverfahrens ist das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts (BGH, Beschluss vom 10.12.2014 – XII ZB 463/13 –, juris Rn. 28). Zwar kommt es für die Beurteilung der Frage, ob die ausländische Entscheidung bzw. das ihr zugrunde liegende Verfahren gegen den o. p. verstoßen, auf den Zeitpunkt an, in dem über die Anerkennung zu befinden ist (BGH, Urteil vom 14.12.1988 – IVa ZR 231/87 –, juris Rn. 24). Die Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts für die Beurteilung, ob das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts mit dem o. p. international unvereinbar ist, lässt aber nicht den Rückschluss zu, dass im Zuge des Anerkennungsverfahrens das diesem zugrunde liegende ausländische Adoptionsverfahren zu ergänzen und um eine eigene Kindeswohlprüfung zu ersetzen wäre. Auch wenn der Gesetzgeber eine Wiederholung der Kindeswohlprüfung nicht kategorisch, sondern nur „grundsätzlich“ ausgeschlossen haben sollte (und dabei von der Annahme ausgegangen ist, eine solche habe bereits im Herkunftsstaat stattgefunden), vermag das lediglich die Möglichkeit zu eröffnen, aufgrund zwingender verfassungsrechtlicher Vorgaben das Ergebnis der Anwendung materiellen ausländischen Rechts im Hinblick auf tatsächliche Veränderungen im Anerkennungszeitpunkt abweichend zu beurteilen, jedoch nicht grundlegende Verfahrensverstöße durch eigene Maßnahmen zu beheben (OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.09.2019 – 1 UF 93/18 –, juris Rn. 19).
30
Scheitert eine Anerkennung der ausländischen Adoptionsentscheidung – wie im vorliegenden Fall – an den Anerkennungsvoraussetzungen, kommt trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten nur die Wiederholung des Adoptionsverfahrens in Betracht.
31
Ob sich aus § 4 Abs. 1 Satz 2 AdWirkG in der seit 01.04.2021 geltenden Fassung etwas anderes ergibt, kann dahingestellt bleiben. Denn aus § 9 AdWirkG lässt sich nicht entnehmen, dass die Vorschrift rückwirkend anzuwenden ist.
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4. Das Gericht hat von einer Anhörung der Anzunehmenden abgesehen, weil die Versagung der Anerkennung auf rechtlichen Erwägungen zu Mängeln des brasilianischen Adoptionsverfahrens beruht, die auch durch einen persönlichen Eindruck der Kinder nicht hätten ausgeräumt werden können. Die Annehmenden sind umfassend angehört worden.
III.
33
Verfahren nach dem AdWirkG sind im ersten Rechtszug gebührenfrei (Markwardt, BeckOGK, AdWirkG, Stand 3/2023, § 6 Rn. 26). Dies folgt als der Vorbemerkung Nr. 1.3.2. KV-FamFGKG. Im Übrigen gilt § 21 Abs. 1 FamFGKG. Für die Anwendung von § 81 Abs. 1 Satz 2 FamGKG besteht kein Raum.
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