Inhalt

VG München, Beschluss v. 22.12.2023 – M 9 SN 23.113
Titel:

Vorläufiger Rechtsschutz, Nachbarantrag, Abgrabungsrechtliche Genehmigung für Kiesabbau, Drittschutz, Lärmimmissionen, Vorläufiger Rechtsschutz;, Nachbarantrag;, Abgrabungsrechtliche Genehmigung für Kiesabbau;, Drittschutz;

Normenketten:
VwGO § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
BayAbgrG Art. 9
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 3
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
Schlagworte:
Vorläufiger Rechtsschutz, Nachbarantrag, Abgrabungsrechtliche Genehmigung für Kiesabbau, Drittschutz, Lärmimmissionen, Vorläufiger Rechtsschutz;, Nachbarantrag;, Abgrabungsrechtliche Genehmigung für Kiesabbau;, Drittschutz;
Fundstelle:
BeckRS 2023, 39235

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt als Nachbarin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die der Beigeladenen erteilte abgrabungsrechtliche Genehmigung zum Kiesabbau mit Verfüllung auf dem Grundstück Fl.-Nr. 342 der Gemarkung S.(im Folgenden Vorhabengrundstück).
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Mit Antrag vom 20. Juli 2020, den sie am 29. Juli 2020 bei der Gemeinde H-S. einreichte, beantragte die Beigeladene die Erteilung einer abgrabungsrechtlichen Genehmigung für eine Abgrabung zur Kiesgewinnung im Trockenabbau mit anschließender Wiederverfüllung auf der FlNr. 342 der Gemarkung S.Das Vorhaben sieht vor, in drei Abbauabschnitten auf einer Gesamtfläche von ca. 5,4 ha mit einem Abbaugebiet von ca. 4,9 ha in Abbaurichtung von Norden nach Süden Kies zu gewinnen. Die Abbauhöhe beträgt im Mittel 25 m. Das Volumen der Abbaustätte beträgt ca. 990.000 m³. Die Kiesausbeute wird unter Berücksichtigung einzuhaltender Abstände mit ca. 940.000 m³ veranschlagt. Die Abbaustätte soll nach dem Kiesabbau mit Bodenaushub und Bauschutt bis zum ursprünglichen Geländeniveau verfüllt, rekultiviert und danach wieder der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden bzw. für die im Flächennutzungsplan vorgesehene Nutzung zur Verfügung stehen. Das Grundstück wurde bisher landwirtschaftlich genutzt. Im Flächennutzungsplan der Gemeinde H-S. ist ein kleiner Teil der Fläche im Nordwesten des Vorhabengrundstücks als Fläche für Gewerbe dargestellt, an den sich ein als Aufforstungsfläche vorgesehener Streifen anschließt; die restliche Fläche ist im Flächennutzungsplan als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt.
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Die Beigeladene legte dem Landratsamt ... (im Folgenden Landratsamt) zum Antrag ein von der … .Sachverständige … … erstelltes immissionsschutztechnisches Gutachten – Schallimmissionsschutz – vom 13. Juli 2020 vor. Dieses Lärmschutzgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass bei regulärem Betrieb des Kiesabbaus mit Wiederverfüllung die Einhaltung der maßgeblichen Immissionsrichtwerte zu erwarten sei.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 28. September 2022 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 25. Juli 2023 erteilte das Landratsamt die beantragte abgrabungsrechtliche Genehmigung. Die Gesamtdauer des Vorhabens wird unter Nummer 1 des Genehmigungsbescheids mit insgesamt 16 Jahren angegeben (Abschluss der Rekultivierung bis zum 28. September 2038).
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Unter Nummer 3 des Bescheids wird geregelt, dass dem Bescheid der Lageplan „Abbau, M 1:1000“ vom 16. Juni 2020, der Plan Schnitt 1-1 „Abbau-/Verfüllplanung, M 1:1000/200“ vom 15. Juni 2020, das immissionsschutztechnische Gutachten – Schallimmissionsschutz – vom 13. Juli 2020 und die schalltechnische Stellungnahme vom 6. Juli 2023 der … .Sachverständige … … zugrunde liegen, welche mit dem Genehmigungsvermerk des Landratsamtes vom 28. September 2022 bzw. im Hinblick auf den Änderungsbescheid vom 25. Juli 2023 versehen und Bestandteil des Bescheids sind, soweit sie nicht von dessen Bedingungen und Auflagen abweichen.
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Der Genehmigungsbescheid sieht außerdem u.a. folgende Auflagen vor:
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„4. Bedingungen
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4.1 für Abtragung des Oberbodens und Kiesabbau …
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4.1.2 Mit dem Kiesabbau darf erst begonnen werden, wenn
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4.1.2.1 die Wallaufschüttung erfolgt ist (vgl. Auflage Nr. 5.8.1.2);
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5.3 Abstände und Schutzstreifen
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5.3.1 Die Kiesgrube muss einen Sicherheitsabstand von mindestens 5 m, gerechnet von der Oberkante des Geländeschnitts (Rand der Kiesgrube), zu den Nachbargrundstücken, sowie zu öffentlichen Feld- und Waldwegen einhalten.
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5.3.2 Diese Schutzstreifen sind von jeglichen – auch von baurechtlich nicht genehmigungspflichtigen – Vorhaben sowie von Abfallablagerungen freizuhalten. Ausgenommen davon ist die Ablagerung von Oberboden (Mutterboden) und Abraum, die in einem Abstand von 1 m zu den Nachbargrundstücken und mindestens 2 m von der Böschungskante der Kiesgrube gelagert werden dürfen.
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5.6 Erschließung
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Die Erschließung hat über die …-Straße im Gemeindegebiet H-S. und einen noch zu errichtenden Weg am nördlichen Rand der Fl.-Nrn. 344 und 343, beide Gemarkung S., gemäß den Unterlagen Nrn. 3.14 und 3.16 zu erfolgen.
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5.8 Immissionsschutz
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5.8.1 Allgemeines
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5.8.1.1 Der Kiesabbau und die Verfüllung sind entsprechend den Antragsunterlagen und der Verfahrensbeschreibung des immissionsschutztechnischen Gutachtens – Schallimmissionsschutz – vom 13.07.2020 von … .Sachverständige … … (Projekt …-01) und des immissionsschutztechnischen Gutachtens – Luftreinhaltung – vom 17.07.2020 von … .Sachverständige … … (Projekt …-02) sowie dem Stand der Technik entsprechend zu betreiben.
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5.8.1.2 Zur Herstellung der Wälle ist der abgeschobene Mutterboden zu verwenden. Es ist ein Neigungswinkel von ca. 45° einzuhalten. Die Auflage Nr. 5.3.2 ist zu beachten.
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An der Nordseite der Kiesgrube ist ein mindestens 3 m hoher Wall über GOK aufzuschütten, an der Ost-, Süd- und Westseite muss ein jeweils mindestens 2 m hoher Wall über GOK errichtet werden.
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5.8.1.4 Die Betriebszeiten der Kiesgrube sind an Werktagen jeweils von 06.00 bis 18.00 Uhr. An Sonn- und Feiertagen ist kein Betrieb zulässig.
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5.8.1.5 Mit Lärm verbundene Betriebsabläufe sind auf maximal 10 Stunden in der Zeit zwischen 06.00 Uhr und 18.00 Uhr an Werktagen zu beschränken.
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5.8.3 Lärmschutz
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5.8.3.1 Für den Betrieb darf gleichzeitig nur eine Maschine (Radlader, Bagger o.ä) zum Einsatz kommen.
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Während der Abraum- und Rekultivierungsarbeiten darf zusätzlich zum Radlader ein Bagger betrieben werden, um je nach Bedarf die Wälle zu profilieren oder die Böschungskante gerade zu ziehen.
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5.8.3.2 Abraum- und Rekultivierungsarbeiten im BA 1 sind auf der in Abbildung 12 und in Abbildung 13 des Schallschutzgutachtens vom 13.07.2020 jeweils grün schraffierten Teilfläche auf maximal zehn Tage im Jahr und auf nicht mehr als zwei aufeinanderfolgende Wochenenden zu beschränken. Dabei ist ein erhöhter Beurteilungspegel bis hin zu dem angehobenen Immissionsrichtwert eines seltenen Ereignisses gemäß Nr. 7.2 TA Lärm (IRWselten,Tag = 70 dB(A)) zulässig.
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5.8.3.3 Die Erdbewegungsmaschinen müssen den Anforderungen der 32. BImSchV (Baumaschinenlärm-Verordnung), respektive der EG-RL 2000/14/EG entsprechen.
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5.8.3.5 Alle Anlagen und Fahrzeuge sind entsprechend dem Stand der Technik zur Lärmminderung zu errichten, zu betreiben und zu warten.
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5.8.3.6 Durch den Betrieb der Gesamtanlage (Kiesabbau einschließlich Verfüllung und zugehörigem Fahrverkehr) darf beim nachfolgend genannten Immissionsort der folgende, reduzierte Immissionswert im Tagzeitraum nicht überschritten werden:

Immissionsort (IO)

Gebietsart

Immissionsrichtwert Tag in dB(A)

Fl.Nr. 292/6, Gemarkung S., Betriebsleiterwohnung in der …Straße 8a

GE

59

FlNr. 292/19, Gemarkung S., Gewerbegebäude mit Wohnnutzung in der …-Straße 2

GE

59

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5.8.3.7 Die Zahl der Lkw-Fuhren, die im Zusammenhang mit Betriebsabläufen gemäß Nr. 5.8.1.5 stehen, ist auf maximal 36 pro Tag beschränkt (maximal 36 Hin- und 36 Rückfahrten). Die Gesamtanzahl der pro Tag durchgeführten Hin- und Rückfahrten zur Kiesgrube ist in dem Betriebstagebuch gem. Nr. 5.14.4 zu dokumentieren.“
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Auf den Inhalt des Bescheids vom 28. September 2022 sowie den Änderungsbescheid vom 25. Juli 2023 im Übrigen wird jeweils Bezug genommen.
32
Die Antragstellerin ist Miteigentümerin eines mit einer Betriebsleiterwohnung bebauten Grundstücks, Fl.-Nr. 292/6 der Gemarkung S.(Anschrift: …Str. 8a, … …), das nördlich an den sogenannten „…weg“ (Fl.-Nr. 322, Gemarkung S.), der wiederum unmittelbar an der geplanten Zufahrt des Vorhabens liegt, angrenzt. Das Wohnhaus der Antragstellerin befindet sich in ca. 40 m Entfernung zur geplanten Kiesabbaufläche und hat zur geplanten Zufahrt zum Vorhaben einen Abstand von ca. 70 m.
33
Mit Schriftsätzen ihres Bevollmächtigten vom 28. Oktober 2022 und 9. August 2023, bei Gericht jeweils am selben Tag eingegangen, ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 28. September 2022 (M 9 K 22.5363) und Klage gegen den Änderungsbescheid vom 25. Juli 2023 (M 9 K 23.3974) erheben. Über die Klagen ist noch nicht entschieden.
34
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 9. Januar 2023, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ die Antragstellerin einen Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 VwGO stellen und beantragen,
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die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 28. Oktober 2022 gegen die mit Bescheid vom 28. September 2022 erteilte abgrabungsrechtliche Genehmigung des Landratsamtes ... für die … … … GmbH zum Kiesabbau mit Verfüllung auf dem Grundstück Fl.-Nr. 342, Gemarkung S., Gemeinde H-S(Az. …*), anzuordnen.
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Zur Begründung lässt die Antragstellerin im Wesentlichen vortragen, dass durch das streitgegenständliche Vorhaben ein Verstoß gegen die drittschützende Norm des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB wegen schädlicher Umwelteinwirkungen in Form von Lärmimmissionen und Erschütterungen gegeben sei.
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Vorgelegt wurde eine Stellungnahme der … .GmbH Lärmschutzberatung vom 25. November 2022, die zu dem Ergebnis kommt, dass das dem Genehmigungsbescheid zugrundeliegende immissionsschutztechnische Gutachten – Schallimmissionsschutz – von … .vom 13. Juli 2020 an erheblichen Mängeln leide und für eine Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens ungeeignet sei. Im Einzelnen wurde unter Bezugnahme auf dieses Gutachten seitens der Antragstellerin im Wesentlichen gerügt:
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Die Annahmen zum Lärmschutzwall im nördlichen Bereich des Vorhabengrundstücks zum Schutz des Anwesens der Antragstellerin seien widersprüchlich. Der Lageplan „Abbau“ vom 16. Juni 2020 (Unterlage Nr. 3.3 zum Bescheid) und der Plan „Schnitt 1-1 Abbau-/ Verfüllplanung“ (Unterlage Nr. 3.5 zum Bescheid) stellten zwischen dem nördlichen Rand des Abbaubereiches und der südlichen Grundstücksgrenze des Grundstücks FlNr. 322 lediglich einen Abstand von 5 m dar. Laut den Auflagen des Bescheides sei von der südlichen Kante des Grundstücks FlNr. 322 ein Abstand von 1 m und von der Böschungskante der Kiesgrube ein Abstand von 2 m einzuhalten. Der 3 m hohe Wall habe aufgrund des Böschungswinkels von 45 Grad eine Breite von 6 m, so dass sich insgesamt ein Abstand von 9 m zwischen der Böschungskante der Kiesgrube und der südlichen Grenze des Grundstücks FlNr. 322 ergebe.
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Das Schallschutzgutachten berücksichtige die Impulshaltigkeit der Ladegeräusche beim Abkippen des Materials auf den LKW nicht. Für die Schallemission des Radladers sei ein Pegel von 107 dB(A) festgesetzt worden, obwohl ein Gerät dieser Leistungsklasse gemäß Art. 12 der RL 2000/14/EG einen Schallleistungspegel von bis zu 108 dB(A) erreichen könne. Gemäß dem Technischen Bericht zur Untersuchung der Geräuschemissionen von Baumaschinen, Schriftenreihe des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie, Heft 2, 2004, (im Folgenden: Technischer Bericht 2004), Anlage E 33 sei wegen der Impulshaltigkeit ein zusätzlicher Emissionspegel von 5,7 dB(A) anzusetzen. Der Impulszuschlag betrage gemäß A.2.5.3 der TA Lärm wenigstens 5,4 dB(A). Ferner finde sich im Schallschutzgutachten kein Hinweis auf die Tonalität für die Rückfahrt-Einrichtungen eines Radladers, die gemäß A.2.5.2 der TA Lärm mit 3 und 6 dB(A) anzusetzen seien. Der Gesamtimmissionsschallleistungspegel betrage somit 112,4 dB(A) und sei um 5,4 dB(A) höher als im Gutachten angenommen.
40
Für den Bagger sei der notwendige Impulszuschlag von 5 dB(A) vergessen worden, wodurch der Schallleistungspegel von 110 dB(A) um 2 dB(a) höher sei, als im Gutachten angenommen.
41
Auch bei den LKW-Ladegeräuschen sei ein Impulszuschlag nicht berücksichtigt worden. Die Daten des Leitfadens zur Prognose von Geräuschen bei der Be- und Entladung von LKW, Merkblatt Nr. 25 des Landesumweltamts NRW, Essen, 2002 seien nicht bei der Beladung von LKW im Zuge des Kiesabbaus berücksichtigt worden, wonach ein Impulszuschlag von 3,6 dB(A) anzusetzen sei. Damit liege der Schallleistungspegel für eine LKW-Beladung je Stunde bei 103,3 dB(A); gerechnet auf täglich 36 LKW-Beladungen ergebe sich damit ein im Vergleich zum Gutachten um 1,8 dB(A) höherer Emissionspegel von 106,9 dB(A).
42
Der längenbezogene Schallleistungspegel für die LKW-Fahrten sei zu niedrig. Das Gutachten verwende einen mengenbezogenen Schallleistungspegel von 57,7 dB(A)/m, ohne auf bekannte Datenquellen, die dem Stand der Technik entsprächen, Bezug zu nehmen. Nach dem einschlägigen Technischen Bericht zur Untersuchung von Geräuschemissionen durch Lastkraftwagen auf Betriebsgeländen von Frachtzentren, Auslieferungslagern, Speditionen und Verbrauchermärkten sowie weiterer typischer Geräusche im Zusammenhang mit Verbrauchermärkten, Schriften des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie, Heft 3, 2005 (im Folgende: Technischer Bericht 2005), sei eine Schallleistung von 63 dB(A)/m zu berücksichtigen.
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Für die nicht befestigten Fahrtwege sei nach der Parkplatzlärmstudie ein weiterer Zuschlag von 4 dB(A) zu berücksichtigen.
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Der nach dem Genehmigungsbescheid mögliche Parallelbetrieb bzgl. Abraumen, Kiesabbau, Verfüllung und Rekultivierung führe zu zusätzlich möglichen LKW-Fahrten und dadurch zu einer deutlichen Erhöhung der Lärmbelastung. Weder in der schallschutztechnischen Untersuchung noch vom Fachbereich Immissionsschutz beim Landratsamt sei untersucht worden, wie sich der im Betriebskonzept dargestellte Parallelbetrieb von Auskiesung und Wiederverfüllung und die daraus resultierende Erhöhung der täglichen Fahrten für den Abtransport und die Anlieferung des Verfüllmaterials über die Zufahrt auf die Geräuschsituation auswirke.
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Entgegen des Gutachtens handele es sich beim Abraumen um kein seltenes Ereignis i. S. d. der Nr. 7.2 TA Lärm, da das Abraumen einer der Betriebszustände sei. Somit komme es am Immissionsort 1 während des Abraumens zu Lärmimmissionen von 67,3 dB(A) statt des Richtwerts von 59 db(A) und während des Kiesabbaus zu Lärmimmissionen von 62,1 dB(A) und damit zu einer Richtwertüberschreitung von 3,1 dB(A).
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Es liege eine unzureichende inhaltliche Bestimmtheit der Genehmigung vor. Die Zunahme von Fahrzeugbewegungen sei auch unabhängig von einem Parallelbetrieb möglich. Die Anzahl der täglich maximal möglichen LKW-Fahrten sei im Bescheid nicht geregelt. Die bisherigen Regelungen im Genehmigungsbescheid könnten nicht sicherstellen, dass bei regelmäßigem Betrieb die festgelegten Immissionsrichtwerte eingehalten werden könnten.
47
Der Bevollmächtigte der Beigeladenen beantragt mit Schriftsatz vom 2. Februar 2023,
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den Antrag abzulehnen.
49
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass die vom Vorhaben hervorgerufenen Lärmimmissionen keine schädlichen Umwelteinwirkungen seien. In diesem Zusammenhang wurde eine Stellungnahme der … .Sachverständige … … vom 31. Januar 2023 vorgelegt.
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Das dem Genehmigungsbescheid zugrundeliegende immissionsschutztechnische Gutachten der … .Sachverständige … … vom 13. Juli 2020 ordne die Betriebsphase des Abraumens als seltenes Ereignis i. S. d. der Nr. 7.2 TA Lärm ein. Zentrales und entscheidendes Tatbestandsmerkmal sei die Einordnung als voraussehbare Besonderheit. Dafür sei entgegen der Auffassung der Antragstellerin jede voraussehbare Abweichung von den ansonsten anzutreffenden Betriebsmodalitäten ausreichend, die nach außen hervortrete und mit einer größeren Lärmfracht, als sie sonst kennzeichnend für die Anlage sei, einhergehe. Prägend für das Abbauvorhaben seien die Abgrabungen selbst sowie das spätere Verfüllen der abgegrabenen Fläche. Im Abraumen liege lediglich der erste Schritt zur Durchführung der Abgrabung. Hiermit gehe auch ein besonderer Betrieb des Radladers einher, der temporär zu spezifischen Immissionen führe.
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Es käme auch nicht zu einer Richtwertüberschreitung infolge eines Parallelbetriebs von Abbau und Verfüllung. Ein solcher Parallelbetrieb von Abbau und Verfüllung sei nach dem Inhalt der Genehmigung und des zugrundeliegenden Gutachtens zwar möglich und auch vorgesehen. Eine konkrete Untersuchung des Parallelbetriebs bezogen auf das Grundstück der Antragstellerin finde sich in der Stellungnahme der Steger & Partner GmbH nicht. Der durch die Antragstellerin angenommene Maximalbetrieb werde durch die Auflage des Genehmigungsbescheids, dass nur ein Radlader für beide Betriebsphasen eingesetzt werden dürfe, ausgeschlossen. Die erforderlichen Fahrten seien abhängig von der abgebauten Menge bzw. von der tatsächlich verfüllten Menge. Der Maximal- und Parallelbetrieb schlössen sich gegenseitig aus. Selbst eine Erhöhung der Fahrten auf 114 Fahrbewegungen pro Tag würde aus schallschutztechnischer Sicht nicht zu einer relevanten Erhöhung des Beurteilungspegels führen, da der durch eine Fahrt herbeigeführte Lärm bloß ein temporäres Ereignis sei, welches sich zeitnah verflüchtige; eine Summationswirkung bestehe nicht.
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Die Schallleistungspegel der eingesetzten Maschinen seien in dem immissions-schutztechnischen Gutachten der … .Sachverständige … … zutreffend berechnet worden. Für den Radlader sei der Schallleistungspegel von 104 dB(A) aus dem Datenblatt des Herstellers entnommen und pauschal wegen der Impulshaltigkeit um 3 dB(A) erhöht worden. Der Gutachter habe sich in zulässiger Weise für einen Zuschlag von 3 dB(A) entschieden, da der Zuschlag insbesondere weniger geräuschintensive Arbeitsvorgänge und Betriebszustände umfasse, die wiederum keine oder kaum impulshaltige Geräuschanteile beinhalte. Die von der Antragstellerin vorgelegte Stellungnahme erfasse den angesetzten Impulszuschlag im Nahbereich des Radladers statt wie nach den Vorgaben der TA Lärm am maßgeblichen Immissionsort. Von Erfahrungswerten von vergleichbaren Anlagen nach A.2.5.3 TA Lärm sei nicht auszugehen. Die in den Anlagen E 33-38 der von der Antragstellerin vorgelegten Stellungnahme angeführten Radlader seien nicht mit dem im gegenständlichen Vorhaben eingesetzten Radlader vergleichbar. Zudem werde ohne jede fachliche Begründung ein Durchschnittswert aus den Zuschlägen der Impulshaltigkeit für die einzelnen Radlader gebildet. Wäre eine der Anlagen aus dem genutzten Datenblatt mit dem gegenständlichen Radlader vergleichbar, hätte er mit einem entsprechenden Einzelwert in der Stellungnahme bezeichnet werden müssen.
53
Hinsichtlich des Zuschlags für Tonhaltigkeit des Radladers unterstelle die Stellungnahme das Vorhandensein einer Rückfahrwarneinrichtung und verkenne, dass es für das Ansetzen eines solchen Zuschlags einer besonders hohen Pegeländerung mit einem außergewöhnlichen Grad an Störung bedürfe. In Anbetracht der übrigen Lärmquellen und der kurzzeitigen Einwirkung durch die Rückfahreinrichtung sei die daraus entstehende Beeinträchtigung als von bloß geringem Gewicht einzustufen.
54
Für den Bagger betrage der Schallleistungspegel nach dem Datenblatt des Herstellers 105 dB(A) und dieser Wert erhöhe sich durch den Zuschlag wegen Impulshaltigkeit auf 108 dB(A). Die von der Antragstellerin vorgelegte Stellungnahme setze hierfür willkürlich einen Zuschlag von 5 dB für Impulshaltigkeit ohne fachlich plausible Begründung an.
55
Die durch den LKW auf dem Betriebsgelände hervorgerufenen Immissionen würden unter hinreichender Beachtung wissenschaftlich einschlägiger Quellen bewertet. Die Tabelle unter dem Punkt 5.2.2 im Gutachten führe die einzelnen Schallquellen für den Kiesabbau auf und bewerte sie. Der Beladungsvorgang selbst werde vom dynamischen Betrieb des Radladers umfasst.
56
Der Pegel der LKW-Fahrgeräusche sei über Rückrechnung der laut der Quelle „Vorbeifahrtpegel verschiedener Fahrzeuge“ des Bayerischen Landesamtes für Umwelt in 7,5 m Abstand erfassten Pegel für schwere Nutzfahrzeuge bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 30 km/h von ca. 77 dB(A) ermittelt worden. Nach entsprechender Rückrechnung bei halbkugelförmiger, freier Schallausbreitung ergebe sich ein Schallleistungspegel von 102 dB(A).
57
Der nach der Genehmigung zu errichtende Schutzwall könne errichtet werden. Nach der Auflage 5.3.1 müsse der Schutzstreifen mindestens 5 m betragen, sei aber nicht auf eine starre Breite von 5 m beschränkt. Dementsprechend liege es beim Vorhabenträger, den Schutzstreifen bei Bedarf großzügiger zu gestalten.
58
Die Abgrabungsgenehmigung sei auch hinreichend bestimmt. Die Abgrabungsgenehmigung begrenze durch eine Inbezugnahme des Gutachtens vom 13. Juli 2020 eindeutig die zulässige Zahl an Fahrten pro Tag. Bekräftigt werde dies durch die Auflage 5.1.1, nach der das Vorhaben entsprechend der unter Nr. 3 des Bescheides angeführten Unterlagen auszuführen sei.
59
Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 21. März 2023, eingegangen bei Gericht am 23. März 2023,
60
den Antrag abzulehnen.
61
Zur Begründung wurde in Ergänzung zum Vortrag der Beigeladenen im Wesentlichen ausgeführt, dass die genehmigungskonforme Errichtung der Wälle unter Einhaltung der entsprechenden Abstände möglich und gewährleistet sei. Ein möglicher höherer Platzbedarf des Betreibers führe nicht dazu, dass die Abstände gemäß Auflage 5.3.2 und des Roteintrags im Plan „Schnitt 1-1 Abbau“ verringert würden oder der Wall nicht in der beauflagten Höhe errichtet würde, sondern die Kiesabbaufläche entsprechend nach Süden verschoben werden müsste.
62
Die entstehenden Immissionen seien zutreffend und methodisch korrekt gemäß der TA Lärm ermittelt worden. Die Betriebsleiterwohnung auf dem Grundstück Fl.-Nr. 292/6, Gemarkung S., …-Str. 8a, sei als maßgeblicher Immissionsort gewählt worden, weil sich dort die für alle Betriebszustände am stärksten betroffene schutzbedürftige Nutzung befinde. Dem Schreiben liegt eine immissionsschutzfachliche Stellungnahme des Landratsamts ... vom 3. Februar 2023 bei, auf die Bezug genommen wird.
63
Die Geräusche des Radladers, der LKW sowie der Bagger seien sachgerecht berücksichtigt worden und bezögen sich auf den konkreten Betrieb der Kiesabbaustätte. Es sei ein hinreichender Impulszuschlag für die Be- und Entladung der LKW bzw. für das Abladen von Material durch den Radlader und den Baggerbetrieb berücksichtigt. Die LKW-Beladegeräusche seien sachgerecht als Impulszuschlag in Höhe von 3 dB beim Radlader zu berücksichtigen. Ein weiterer Impulszuschlag für denselben Vorgang sei nicht zu begründen. Ein Zuschlag sei nach A.2.5.2 des Anhangs zur TA Lärm bei impulshaltigen Geräuschen nur für die Teilzeiten anzusetzen, in der das Geräusch tatsächlich anfalle, nicht durchgängig für die ganze Betriebszeit.
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Auch im Hinblick auf die längenbezogenen Schallleistungspegel für LKW-Fahrten ergebe sich keine Überschreitung des Immissionsrichtwertes. Die Antragstellerin vermische unterschiedliche Betriebssituationen, nämlich die Zu- und Abfahrten der LKWs auf der Zuwegung und den LKW-Verkehr auf dem unbefestigten eigentlichen Betriebsgrundstück. Sie addiere einen Zuschlag zum Schallleistungspegel für die Fahrten auf der Zuwegung zum Schallleistungspegel für die Fahrten auf dem eigentlichen unbefestigten Betriebsgrundstück. Die Zuwegung sei allerdings asphaltiert.
65
Es seien keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch unzumutbare Lärmimmissionen aufgrund eines zeitgleichen Maximalbetriebs in zwei Betriebszuständen zu erwarten. Ein Parallelbetrieb dahingehend, dass beide Betriebszustände gleichzeitig in vollem Umfang stattfänden, sei bereits aus logistischen Gründen ausgeschlossen. Gemäß der Auflage Nr. 5.8.3.1 des Genehmigungsbescheids dürfe in den Betriebszuständen Kiesabbau und Rekultivierung nur eine Maschine zum Einsatz kommen, so dass auch nur in einem der Kapazität dieser Maschine entsprechenden Umfang Material abgefahren werden könne. Selbst wenn ein von der Antragstellerin vorgetragener Maximalbetrieb unterstellt würde, führe ein solcher Parallelbetreib von Auskiesung und Wiederverfüllung in der streitgegenständlichen Anlage zum Kiesabbau nicht zu einer Überschreitung des im Genehmigungsbescheid beauflagten, am festgesetzten Immissionsort zu ermittelnden Immissionswerts von 59 dB(A).
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Unzutreffend sei die Auffassung der Antragstellerin, dass es sich bei dem Vorgang des Abraumens nicht um ein seltenes Ereignis i. S.d. Nr. 7.2. TA Lärm handele, da es sich dabei um einen regulären Betriebszustand handle. Ein seltenes Ereignis liege auch vor, wenn dieses Ereignis zum bestimmungsgemäßen Betriebsablauf gehöre, aber aufgrund seiner Seltenheit bzw. wegen seiner zeitlichen Beschränkung im Kontext des Gesamtbetriebes eine Besonderheit betriebstechnischer Art darstelle. Der Gesamtbetrieb bestehe im Wesentlichen aus dem eigentlichen Kiesabbau und der Verfüllung, die Phase des Abraumens trete zeitlich und abbautechnisch zurück.
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Mit Schriftsatz vom 5. April 2023 führte der Bevollmächtigte der Antragstellerin weiter antragsbegründend im Wesentlichen aus, dass am Immissionsort …-Straße 8a eine Richtwertüberschreitung von 59 dB(A) zu einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots führe. Vorgelegt wurde diesbezüglich eine Stellungnahme der … .GmbH Lärmschutzberatung vom 27. März 2023, auf die Bezug genommen wird.
68
Die schalltechnische Stellungnahme der … .Sachverständige … … vom 13. Juli 2020 berücksichtige nur die Geräuschemissionen, die vom Motor und der Anlage erzeugt würden. Nicht hinreichend berücksichtigt worden sei der Impulszuschlag, der durch die Bewegung des Materials entstehe, insbesondere die Geräusche der Baggerschaufel, wenn Kies aufgenommen, bewegt und dann auf dem LKW abgeladen werde. Für das Zustandekommen des Zuschlags von 3 dB(A) fehle in der Stellungnahme der … .Sachverständige … … jede Dokumentation.
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Ausführungen zu einer Begrenzung von Lärmimmissionen durch Rückfahrwarneinrichtungen beim Betrieb des Radladers fehlten sowohl im Genehmigungsbescheid und Antragsgutachten vom 13. Juli 2020 als auch bei der Betriebsbeschreibung vom 17. Juli 2020.
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Da am Anwesen der Antragstellerin bei Ansatz korrekter Emissionswerte der Lärmrichtwerte nach TA Lärm um mehr als 3 dB(A) überschritten werde, komme es auf die Einordnung des Abraumens als besonderes [gemeint wohl: seltenes] Ereignis nach TA Lärm nicht an. Es handle sich dabei aber um kein besonderes Ereignis, da das Abraumen ein fester Bestandteil des Betriebskonzepts der Beigeladenen sei. Zudem sei der Verursacher nach Ziffer 7.2 der TA Lärm nur dann berechtigt, die Lärmrichtwerte zu überschreiten, wenn er bei Einhaltung des Standes der Technik zur Lärmminderung nicht in der Lage sei, den Lärmrichtwert einzuhalten. Er sei auch verpflichtet, durch organisatorische und betriebliche Maßnahmen alles zu unternehmen, um eine Lärmminderung zu erreichen. Eine Reduzierung der Betriebszeiten des Abraumens sei ohne weiteres möglich.
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Mit Schreiben vom 18. Oktober 2023 legte der Bevollmächtigte der Antragstellerin eine weitere Stellungnahme der … .GmbH Lärmschutzberatung vom 19. September 2023 vor, auf die Bezug genommen wird. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag führte der Bevollmächtigte der Antragstellerin im Verfahren M 9 K 23.3974 im Wesentlichen ergänzend aus, dass die Wahl der aufgeführten Immissionsorte nicht den Anforderungen der TA Lärm entspreche, da v.a. der einzuhaltende Abstand von 0,5 m vor dem geöffneten Fenster nicht berücksichtigt worden sei. Dies führe zu einer Reduzierung der Messergebnisse.
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Die LKW-Betriebsbremse als Geräuschquelle werde nicht für das Bremsen auf dem Fahrweg außerhalb des Kiesabbaugeländes angesetzt. Zusätzlich auftretende Einzelereignisse beim Anfahren und Abbremsen seien nicht im Geräuschemissionsansatz von 63 dB(A)/m des Technischen Berichts 2005 enthalten. Der Druckluftstoß könne an jeder Stelle des Bremsweges, auch mehrfach, und nicht nur bei der Ausfahrt, sondern auch bei der Einfahrt auftreten.
73
Weiter sei in der schalltechnischen Stellungnahme nur dadurch die Einhaltung des beauflagten Immissionsrichtwerts von 59 dB(A) am Immissionsort …-Str. 8a nachgewiesen worden, indem ein Gerät mit einem Schallleistungspegel von 101,8 dB(A) und nicht mehr der Schalleistungspegel von 104 dB(A) des tatsächlich verwendeten und beauflagten Radladers in die Berechnung eingesetzt worden sei. Das Gerät aus der Anlage E 43 erfülle aber schon nicht die Nebenbestimmung 5.8.3.3 des Bescheids, wonach die Erdbewegungsmaschinen den Anforderungen der 32. BImSchV entsprechen müssten. Darüber hinaus handele es sich bei dem in Anlage E 43 genannten Radlader um ein Gerät der Leistungsklasse bis 135 kW und einer Ladekapazität der Schaufel von ca. 3 m³, bei dem tatsächlich verwendeten Radlader aber gemäß Betriebsbeschreibung um ein Gerät mit einer Motorleistung von 250 kW und einer Ladekapazität von ca. 5 m³.
74
Die vorgelegten Schallschutzgutachten berücksichtigten nicht den notwendigen Impulszuschlag, da die Impulshaltigkeit vor allem durch Schütt- und Kratzvorgänge mit der Schaufel des Radladers entstehe.
75
Zudem sei das Vorhaben in der genehmigten Ausführung nicht gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegiert, da es gegen den Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs verstoße. Die Erschließung sei über die öffentliche Straße „… …“ möglich, ohne dass eine neue Straße auf dem Grundstück FlNr. 344 der Gemarkung S.errichtet werden müsse. Die öffentliche Straße sei im Durchschnitt ca. 4 m breit und verfüge über Teilbereiche mit größerer Breite, die einen Begegnungsverkehr mit größeren Fahrzeugen ermöglichten. Durch die genehmigte Erschließungsvariante komme es zu einer zusätzlichen Bodenversiegelung von 1.200 m². Bei einer Erschließung über die bestehende Straße sei davon auszugehen, dass eine Asphaltierung der Zuwegung aus Gründen des Lärm- und Staubschutzes nicht erforderlich sei, sondern allenfalls eine Ausbesserung der vorhandenen Schotterschicht. Die Erschließung vom Süden aus werde auch vom Straßenbauamt Freising nicht kategorisch abgelehnt und die im Änderungsbescheid vom 25. Juli 2023 festgesetzte Begrenzung der Zahl der zulässigen LKW-Fahrten pro Tag spreche gegen eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit.
76
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, auch in den zugehörigen Klageverfahren M 9 K 22.5363 und M 9 K 23.3974, und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
77
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen (M 9 K 22.5363 und M 9 K 23.3974) hat keinen Erfolg. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
78
1. Der Antrag ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft, weil den in der Hauptsache erhobenen Klagen gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m.
Art. 9 Abs. 2 Satz 2 BayAbgrG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
79
Gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO bzw. § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag eines Dritten, hier der Antragstellerin, die gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 2 BayAbgrG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Var. 2 VwGO grundsätzlich ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung über den Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessungsentscheidung darüber, ob die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechenden Interessen oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Hauptsache als Indiz heranzuziehen, wie sie sich aufgrund der summarischen Prüfung im Zeitpunkt der Entscheidung darstellen. Sind die Erfolgsaussichten hingegen offen, so kommt es darauf an, ob das Interesse eines Beteiligten es verlangt, dass die Betroffenen sich so behandeln lassen müssen, als ob der Verwaltungsakt bereits unanfechtbar sei.
80
2. Dies zugrunde gelegt, überwiegt vorliegend das Vollzugsinteresse gegenüber dem entgegenstehenden Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, da die Klagen der Antragstellerin voraussichtlich keinen Erfolg haben werden. Denn die mit den Klagen angegriffene Abgrabungsgenehmigung vom 28. September 2022 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 25. Juli 2023 verletzt nach summarischer Prüfung die Antragstellerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
81
Zu berücksichtigen ist im vorliegenden Fall, dass Nachbarn – wie sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergibt – die einem Dritten erteilte Genehmigung nur dann mit Erfolg anfechten können, wenn sie hierdurch in einem ihnen zustehenden subjektiven öffentlichen Recht verletzt werden. Es genügt daher nicht, wenn die Abgrabungsgenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im vorliegenden gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob durch die angefochtene Abgrabungsgenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln und die im Genehmigungsverfahren prüfungsgegenständlich sind, verletzt sind (statt aller VG München, B.v. 26.10.2017 – M 9 S 17.3585 – juris m.w.N.).
82
2.1 Die erteilte Genehmigung vom 28. September 2022 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 25. Juli 2023 verstößt zunächst nicht, wie von der Antragstellerin vorgetragen, dadurch gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, dass sie die Anzahl der zulässigen LKW-Bewegungen auf der Zufahrt zum Vorhabengrundstück nicht festlegt.
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Der Antragsgegner hat mit Änderungsbescheid vom 25. Juli 2023 die Zahl der LKW-Fuhren, die im Zusammenhang mit den Betriebsabläufen gemäß Nr. 5.8.1.5 des Bescheids stehen, auf maximal 36 pro Tag (jeweils 36 Hin- und 36 Rückfahrten) beschränkt.
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Zudem bestehen seitens des Gerichts auch keine Bedenken an den diesbezüglich im ursprünglichen Bescheid getroffenen Regelungen:
85
Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Das Bestimmtheitsgebot bezieht sich auf den verfügenden Teil des Verwaltungsakts einschließlich aller seiner Nebenbestimmungen, da diese zum verfügenden Teil gehören. Soweit Dritte von einem Verwaltungsakt begünstigend oder belastend betroffen werden, muss dieser auch ihnen gegenüber bestimmt sein. Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot verletzt einen Dritten dann in eigenen Rechten, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf Merkmale des Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung zum Schutz seiner subjektiven Rechte erforderlich ist (BayVGH, B. v. 15.02.2019 – 9 CS 18.2610 – juris Rn. 10).
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Bei einem Vorhaben, dessen Nutzung mit Lärmimmissionen als schädliche Umwelteinwirkungen i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB, § 3 Abs. 1 BImSchG für die Nachbarschaft verbunden ist, sind grundsätzlich auch Regelungen zum Schutz der subjektiven Rechte von Nachbarn erforderlich, insbesondere wenn der Standort des Vorhabens – wie hier – in unmittelbarer Nähe zur schutzbedürftigen Nachbarschaft liegt. In diesem Fall muss die Genehmigung das gestattete Ausmaß der Geräuschimmissionen durch Inhalts- oder Nebenbestimmungen festlegen (vgl. z.B. VGH BW, B. v. 30.01.2019 – 5 S 1913/18 – juris Rn. 36 m. w. N.). Die Bestimmtheit der Genehmigung erfordert mit Blick auf betroffene Nachbarn, dass sich ihr etwa die für eine Immissionsprognose erforderlichen Kenngrößen der Anlage entnehmen lassen. Das sind bei einer dem Anwendungsbereich der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm vom 26. August 1998 (TA Lärm) unterfallenden baulichen Anlage zumindest die für eine vereinfachte Regelfallprüfung (Nr. 4.2 TA Lärm) notwendigen Eingabedaten wie emissionsrelevante Konstruktionsmerkmale, (maximale) Schallleistungspegel, Betriebszeiten, Abschirmung, Abstand zum Immissionsort und Gebietsart sowie gegebenenfalls Angaben über Ton- und Impulshaltigkeit, Nr. 4.2 b) Satz 2 TA Lärm sowie Nr. A. 2.2 Satz 3 und Nr. A. 2.3.2 des Anhangs zur TA Lärm. Zudem muss die Genehmigung die für betroffene Nachbarn maßgebende Zumutbarkeitsgrenze konkret bestimmen, etwa durch verbindliche Festlegung eines zielorientierten – nicht nur abstrakt einem Baugebiet zugeordneten (vgl. BVerwG, Urt. v. 16. Mai 2001, NVwZ 2001, 1167) – Immissionsrichtwerts nach Nr. 6 TA Lärm als Grenzwert (vgl. VGH BW, B. v. 30.01.2019 – 5 S 1913/18 – juris Rn. 37 m. w. N.).
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Ob die einem festgelegten Immissionsgrenzwert zugrunde liegende Immissionsprognose fehlerfrei ist oder ob die Festlegung eines Immissionsgrenzwerts allein oder in Kombination mit weiteren Nebenbestimmungen genügt, um schädliche Umwelteinwirkungen für die Nachbarschaft zu verhindern, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG), oder ob es insoweit zusätzlicher Nebenbestimmungen zum Schutz der Nachbarschaft bedarf, ist hingegen keine Frage der Bestimmtheit, sondern der materiellen Rechtmäßigkeit der Genehmigung im Übrigen (vgl. VGH BW, B. v. 30.01.2019 – 5 S 1913/18 – juris Rn. 37 m. w. N.).
88
Davon ausgehend ist die angefochtene Abgrabungsgenehmigung hinreichend bestimmt. Der Bescheid lässt erkennen, was Gegenstand der Genehmigung ist und welchen Umfang das genehmigte Vorhaben hat; Bestandteil sind die geplante Abbaufläche mit den entsprechenden Fristen für die jeweiligen Abbauabschnitte, die Abbautiefe, die Zufahrt sowie das Material für die Verfüllung. In den Auflagen ist die Errichtung eines Schutzwalls mit einer Höhe von mindestens 3 m an der Nordseite und mindestens 2 m an der Ost-, Süd- und Westseite festgelegt. Außerdem sind in dem Bescheid Arbeitszeit- und Betriebszeitbegrenzungen enthalten und maximal zulässige Lärmgrenzwerte an einem angegebenen, für dieses Verfahren maßgeblichen Immissionsort festgesetzt.
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Die Genehmigung setzt durch die Inbezugnahme der Verfahrensbeschreibung im immissionsschutztechnischen Gutachten der … .… mbB vom 13. Juli 2020 auch ausreichend das zu verwendende Verfahren für den Kiesabbau und die Wiederverfüllung fest.
90
Eine solche Bezugnahme auf Dokumente außerhalb des Bescheids ist zulässig, wenn dem Betroffenen die Dokumente – wie hier – bekannt sind und wenn genau festgelegt wird, auf welche bestimmte Aussage eines Dokuments sich die Bezugnahme bezieht (vgl. VG Würzburg, U. v. 08.12.2011 – W 5 K 11.211 – juris Rn. 72). Die Abgrabungsgenehmigung vom 28. September 2022 regelt zunächst unter Nr. 3.12, dass das immissionschutztechnische Gutachten – Schallimmissionsschutz – der … .Sachverständige … … vom 13. Juli 2020 der Genehmigung zugrunde liegt, mit einem Genehmigungsvermerk des Landratsamtes ... vom 28. September 2022 versehen und Bestandteil des Bescheids ist, soweit es nicht von dessen Bedingungen und Auflagen abweicht. Unter Nr. 5.8.1.1 des Bescheids ist außerdem festgelegt, dass der Kiesabbau und die Verfüllung entsprechend den Antragsunterlagen und der Verfahrensbeschreibung des immissionsschutztechnischen Gutachtens – Schallimmissionsschutz – vom 13. Juli 2020 von … .Sachverständige … … (Projekt …-01) und des immissionsschutztechnischen Gutachtens – Luftreinhaltung – vom 17. Juli 2020 von … .Sachverständige … … sowie dem Stand der Technik entsprechend zu betreiben ist. Unter der Überschrift „Verfahrensbeschreibung“ des immissionsschutztechnischen Gutachtens der … .Sachverständige … … (S. 7 und 8 des Gutachtens) werden die einzelnen geplanten Abschnitte des Vorhabens beschrieben. Dabei enthält der Abschnitt über den Kiesabbau u.a. die Feststellung: „Pro Tag ist von maximal 36 Lkw-Fuhren für den Abtransport auszugehen (6 Lkw, die jeweils sechsmal am Tag pendeln).“ Auch der Abschnitt der Verfahrensbeschreibung zur Wiederverfüllung enthält eine Aussage zur Anzahl der zulässigen LKW-Bewegungen: „Die Frequentierung schwankt in Abhängigkeit von der Auftragslage bzw. der Lage der Baustellen und wird bei maximal 21 LKW-Fuhren am Tag liegen (3 Lkw, die jeweils siebenmal am Tag pendeln).“
91
2.2 Entgegen des Vortrags der Antragstellerin besteht auch insoweit kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot, als der Lageplan „Abbau M 1:1000“ vom 16. Juni 2020 (Unterlage Nr. 3.3 zum Bescheid) und der Plan „Schnitt 1-1 Abbau-/Verfüllplanung M 1:1000/200“ vom 15. Juni 2020 (Unterlage Nr. 3.5 zum Bescheid) zwischen dem nördlichen Rand des Abbaubereiches und der südlichen Grundstücksgrenze des Grundstücks FlNr. 322 lediglich einen Abstand von 5 m darstellen, im Widerspruch dazu aber gemäß Auflage 5.8.1.2 des Bescheides der in einer Höhe von mindestens 3 m zu errichtende Wall in Folge des festgesetzten Neigungswinkels von 45 Grad eine Breite von 6 m hat, so dass sich aufgrund der gemäß Auflage 5.3.2 des Bescheides einzuhaltenden Abstände des Walls von 1 m zu den Nachbargrundstücken und mindestens 2 m zu der Böschungskante der Kiesgrube insgesamt ein Abstand von 9 m zwischen der Böschungskante der Kiesgrube und der südlichen Grenze des Grundstücks FlNr. 322 ergibt. Zwar werden die beiden o.g. Pläne gemäß Nr. 3.3 bzw. Nr. 3.5 des Bescheides zu Bestandteilen des Bescheids gemacht, der Bescheid schreibt aber unter Nr. 3 in seinem letzten Absatz ausdrücklich fest, dass Unterlagen nur insoweit Bestandteil des Bescheides sind, soweit sie nicht von dessen Bedingungen und Auflagen abweichen. Somit kann dahinstehen, ob die Darstellungen in den o.g. Plänen im Widerspruch zu den Auflagen Nrn. 5.3.1 und 5.3.2 sowie 5.8.1.2 des Bescheides stehen, da sie, insoweit ein solcher Widerspruch bestehen würde, nach der Regelung in Nr. 3 des Bescheides insoweit nicht Bestandteil des Bescheides wären, d.h. also, dass insoweit die Bedingungen und Auflagen den Plandarstellungen vorgehen. Die Regelungen zu den Wallaufschüttungen sind auch ohne die Darstellungen in den o.g. Plänen durch die Auflagen des Bescheides ausreichend bestimmt. Durch die Bedingung Nr. 4.1.2.1 i.V.m. der Auflage Nr. 5.8.1.2 des Bescheids wird als Bedingung für den Beginn des Kiesabbaus festgesetzt, dass aus dem abgeschobenen Mutterboden ein mindestens 3 m über der Geländeoberkante hoher Wall mit einem Neigungswinkel von ca. 45 Grad an der Nordseite der Kiesgrube hergestellt wird.
92
2.3 Die angegriffene Abgrabungsgenehmigung verletzt voraussichtlich keine der Antragstellerin zustehenden Nachbarrechte einschließlich des Rücksichtnahmegebots, soweit diese vorträgt, mit Blick auf das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs (a.) und schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB (b.) beeinträchtigt zu sein.
93
Rechtsgrundlage für die Erteilung der Abgrabungsgenehmigung ist Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayAbgrG. Danach ist die Genehmigung zu erteilen, wenn Anlagen nach Art. 1 BayAbgrG (Abgrabungen zur Gewinnung von nicht dem Bergrecht unterliegenden Bodenschätzen und sonstige Abgrabungen, einschließlich der Aufschüttungen, die unmittelbare Folge von Abgrabungen sind, einschließlich der dem Abgrabungsbetrieb dienenden Gebäude und Nebenanlagen) den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im abgrabungsaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, nicht widersprechen.
94
Mit Bescheid vom 28. September 2022 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 25. Juli 2023 wurde der Beigeladenen eine bis zum 28. September 2038 befristete Genehmigung zum Abbau von Kies und Sanden mit anschließender Verfüllung und Rekultivierung auf dem Grundstück Fl.-Nr. 342, Gemarkung S., einschließlich der Genehmigung gemäß § 17 Abs. 1 BNatschG, erteilt.
95
Die im abgrabungsrechtlichen Verfahren nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BayAbgrG i.V.m. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO zu prüfende bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich, da das Vorhabensgrundstück im Außenbereich liegt, nach § 35 BauGB.
96
Der Kiesabbau im Trockenabbau stellt ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB dar, da es sich um einen ortsgebundenen gewerblichen Betrieb handelt; der Abbau ist aus geologischen Gründen auf den Standort angewiesen.
97
a. Soweit die Antragstellerin vorträgt, der Privilegierung des Vorhabens stehe entgegen, dass die Erschließung des Vorhabengrundstücks entgegen des Gebots der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs über das Grundstück FlNr. 344 erfolgt, kann sich daraus voraussichtlich keine Beeinträchtigung von Rechten der Antragstellerin als Nachbarin ergeben.
98
Dabei kommt es letztlich nicht darauf an, dass die Antragstellerin mit diesem Vortrag bereits nach § 6 Satz 2 UmwRG präkludiert ist, da eine Verletzung des Gebots der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs erstmals mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2023 und somit außerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Erhebung der Klage gegen den Ausgangsbescheid am 28. Oktober 2022 geltend gemacht wurde und für die Verspätung seitens der Antragstellerin keine Gründe vorgetragen wurden.
99
Denn das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs ist bereits nicht drittschützend, vielmehr ist es maßgeblich der Allgemeinheit zu dienen bestimmt. Insoweit wird auf die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 7. Dezember 2023 (Az. 2 CS 23.1169 – BeckRS 2023, 35958 Rn. 39), der einen anderen Nachbarrechtsbehelf gegen das streitgegenständliche Vorhaben betrifft, Bezug genommen, denen sich das Gericht anschließt.
100
Diesbezüglich liegt auch keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme als ungeschriebener öffentlicher Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB vor. Im Hinblick auf die Erschließung fehlt es vorliegend nicht an der erforderlichen „Dienlichkeit“ des Vorhabens. Insoweit kommt es maßgeblich darauf an, ob ein „vernünftiger Betriebsinhaber“ unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs dieses Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde (BVerwG, U. v. 7. 5. 1976 – IV C 43.74 – NJW 1977, 119).
101
Eine generelle Standortalternativenprüfung im Außenbereich findet im Baugenehmigungsverfahren grundsätzlich nicht statt (BVerwG, U. v. 20.6.2013 – 4 C 2.12 – juris Rn. 14 m.w.N.). Hinsichtlich der räumlichen Zuordnung des Vorhabens sind nach der hauptsächlich zu § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung, die auf den vorliegenden Fall übertragbar ist, keine zu strengen Maßstäbe anzulegen (vgl. BVerwG, U. v. 22.11.1985 – 4 C 71.82 – juris Rn. 14). Mit dem Tatbestandsmerkmal des Dienens in § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB soll vor allem sichergestellt werden, dass das Bauvorhaben tatsächlich in einer funktionalen Beziehung zu dem Betrieb steht (vgl. zum gleichbedeutenden Merkmal „Dienen“ bei § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB: BayVGH, B. v. 11.7.2016 – 15 ZB 14.400 – juris Rn. 7).
102
Die eigentliche Zweckbestimmung des Erfordernisses des Dienens liegt insbesondere darin, Missbrauchsversuchen begegnen zu können. Nicht der nur behauptete Zweck des Vorhabens, sondern seine wirkliche Funktion soll entscheidend sein. Es sollen Vorhaben verhindert werden, die zwar an sich objektiv geeignet wären, einem privilegierten Betrieb zu dienen, mit denen aber in Wirklichkeit andere Zwecke verfolgt werden. Ist das Vorhaben jedoch dem Betrieb funktional zugeordnet und auch äußerlich durch den betrieblichen Verwendungszweck geprägt, so entfällt seine Privilegierung nicht automatisch deshalb, weil es an dem vom Bauherrn gewünschten Standort – etwa wegen seiner exponierten Lage – den Außenbereich in besonderem Maße beeinträchtigt. (BVerwG, U. v. 16.5.1991 – Az. 4 C 2.89 – juris Rn. 17; U. v. vom 19.6.1991 – 4 C 11.89 – juris Rn. 23 f.). Hierbei ist auf konkrete Anhaltspunkte und nicht auf vage Vermutungen abzustellen.
103
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe stellen die Ausführungen der Antragstellerin, dass eine Erschließung über die südlich der Vorhabensfläche gelegenen Straße „… …, FlNr. 340, außenbereichsschonender wäre, da keine Bodenversiegelung durch Asphaltierung, sondern allenfalls eine Ausbesserung der Schotterschicht erforderlich wäre, die Privilegierung des Vorhabens im Hinblick auf seine „Dienlichkeit“, bezogen auch auf die Erschließung, nicht in Frage. Die Antragstellerin hat nicht ansatzweise substantiiert vorgetragen, dass die von ihr dargestellte Erschließungsalternative tatsächlich außenbereichsschonender ist. So verbleibt ihr Vortrag, dass es für eine ausreichende Erschließung über die Straße „… …“ keiner Asphaltierung bedarf und der Weg in seiner aktuellen Form Begegnungsverkehr mit größeren Fahrzeugen ermögliche, spekulativ.
104
Was erforderlich ist, um eine ausreichende Erschließung sicherzustellen, hängt von den Erfordernissen des jeweiligen Vorhabens ab (Spieß in Jäde/Dirnberger, BauGB, 10. Aufl., § 35 RdNr. 282). Es gibt keine für alle denkbaren Sachverhalte einheitlichen (Mindest-)Anforderungen. Vielmehr bedeutet die „Sicherung der Erschließung“ die Erfüllung von Anforderungen, die sich in Art und Umfang nach dem konkreten Vorhaben richten. Welche Anforderungen an die Erschließung im Einzelfall zu stellen sind, hängt damit maßgeblich von der Größe des Betriebs, vom erwarteten Verkehrsaufkommen und den Besonderheiten des Betriebs ab. Gerade im Außenbereich macht es einen wesentlichen Unterschied, ob mit häufigem, gelegentlichem oder nur seltenem Anfahren eines Grundstücks zu rechnen ist. Je häufiger ein Grundstück angefahren wird, desto eher ist mit Begegnungsverkehr zu rechnen. Dementsprechend wird davon auszugehen sein, dass die Mindestanforderungen für die Errichtung eines landwirtschaftlichen Betriebs im Außenbereich, weitab von sonstiger Bebauung, geringer sind, als die Anforderungen, die durch einen gewerblichen Betrieb mit starkem An- und Abfahrverkehr ausgelöst werden (BVerwG, U. v. 3.8.1986 – 4 C 48.81 – juris Rn. 16).
105
Ausweislich des Bescheides sind dem Beigeladenen täglich 36 LKW-Fuhren mit jeweils 36 Hin- und Rückfahrten erlaubt, so dass aus Sicht des Gerichts mit starkem An- und Abfahrverkehr zu rechnen ist. Die Straße „… …“ wird nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beigeladenen aktuell zudem von landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen befahren. Sie verfügt laut den Angaben der Antragstellerin über eine Schotterschicht. Ausgehend von dieser aktuellen Beschaffenheit und Nutzung und dem durch das Vorhaben entstehenden starken An- und Abfahrtsverkehr erschließt sich für das Gericht nicht, wie die Straße „… …“ trotz des durch das Vorhaben ausgelösten starken An- und Abfahrverkehrs ohne eine Asphaltierung und ohne einen Ausbau des Weges auf eine Breite von 6 m, vergleichbar der im Bescheid vorgesehenen Erschließung für den außerdem wesentlich näher an der bestehenden Bebauung gelegenen Weg, eine ausreichende Erschließung im Hinblick auf seine Tragfähigkeit und Breite darstellen soll. Dass es trotz der durch das Vorhaben starken Intensivierung der Nutzung der Straße „… …“ zu keiner wesentlichen Verschlechterung der Schotterschicht und somit keiner Schädigung des Straßenzustands kommen würde, hat die Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt. Weiter wurde seitens der Antragstellerin lediglich unzureichend vorgetragen, dass der Weg bereits jetzt über Teilbereiche mit ausreichender Breite für größere Fahrzeuge verfüge, obwohl der Weg nach eigenem Vortrag nur durchschnittlich 4 m breit ist und dadurch ein Begegnungsverkehr durch gleichzeitige Nutzung durch LKW und landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge im Einzelfall des hier streitgegenständlichen Vorhabens unter Berücksichtigung von dessen konkreten Erfordernissen nicht gewährleistet ist. Ob der Weg auch für einen Begegnungsverkehr von LKW und landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen, insbesondere auch bei einer durch das Vorhaben deutlich erhöhten Auslastung des Weges, ausreicht und in welchen Teilbereichen eine ausreichende Breite vorhanden sein soll, wurde nicht substantiiert vorgetragen. Zudem ist für das Gericht weder ersichtlich noch von der Antragstellerin substantiiert vorgetragen, dass die zuständige Straßenbaubehörde einem etwaigen Ausbau bzw. einer Ertüchtigung der öffentlichen Straße „… …“ zustimmen würde. Die Aussagen des Staatlichen Bauamts F.sind insoweit ohne Bedeutung, da diese sich nur auf die durch die Erschließung betroffene Kreisstraße M 24 beziehen. Darüber hinaus ist die Erschließung über die Straße „… …“ auch aus verkehrsrechtlichen Gründen deutlich schwieriger. Insoweit wird auf die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 7. Dezember 2023 (Az. 2 CS 23.1169 – BeckRS 2023, 35958 Rn. 39) im Parallelfall anderer Nachbarn des streitgegenständlichen Vorhabens Bezug genommen, denen sich das Gericht anschließt.
106
b. Von dem Vorhaben gehen voraussichtlich keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB aus, die zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Antragstellerin führen könnten.
107
Ein privilegiertes Vorhaben ist nach § 35 Abs. 1 BauGB unzulässig, wenn öffentliche Belange entgegenstehen. Gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB darf ein Außenbereichsvorhaben keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorrufen. Diese Vorschrift stellt eine Konkretisierung des im Einzelfall nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme dar (vgl. BVerwG 28.10.1993 – 4 C 5.93 – NVwZ 1994, 686). Schädliche Umwelteinwirkungen sind alle Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (vgl. § 3 Abs. 1 BImSchG). Zu den Immissionen zählen insbesondere Geräusche.
108
Für die Frage, ob und inwieweit Lärmimmissionen der Nachbarschaft zumutbar sind, werden die Bestimmungen der TA Lärm bzw. die darin enthaltenen Immissionsrichtwerte herangezogen. Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA-Lärm nur insoweit Raum, als diese Verwaltungsvorschrift selbst durch Kann-Vorschriften und Bewertungsspannen Spielräume belässt (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – juris Rn. 18 m.w.N.; BayVGH, B.v. 18.8.2016 – 15 B 14.1624 – juris Rn. 10).
109
Das streitgegenständliche Vorhaben ist eine nach Bundesimmissionsschutzgesetz nicht genehmigungsbedürftige Anlage i.S.v. § 22 BImSchG, die im Katalog der vom Anwendungsbereich der TA Lärm ausgenommenen Anlagen nicht aufgeführt ist.
110
Da das Grundstück der Antragstellerin sich, was insoweit nicht bestritten wird, in einem faktischen Gewerbegebiet i.S.d. § 34 Abs. 2 Hs. 1 BauGB i.V.m. § 8 BauNVO befindet, kann die Antragstellerin grundsätzlich (lediglich) die Einhaltung der in Nr. 6.1 TA Lärm unter Buchst. b) festgelegten Immissionsrichtwerte für Gewerbegebiete von tags 65 dB(A) und nachts 50 dB(A) beanspruchen.
111
Es ist Sache des die Genehmigung Beantragenden, im Genehmigungsverfahren den Nachweis zu erbringen, dass die zur Genehmigung gestellte Anlage die Zumutbarkeitskriterien der TA Lärm für jeden bestimmungsgemäßen Betriebszustand, also auch für eine Maximalauslastung, einhält. Dabei sind an die Einschätzung der Einhaltung der Zumutbarkeitskriterien hohe Anforderungen zu stellen. Um im Genehmigungsverfahren „auf der sicheren Seite zu sein“, sind mögliche Unsicherheiten durch entsprechende Sicherheitszuschläge auszugleichen. Andernfalls würden die regelmäßig nicht zu vermeidenden Unsicherheiten bei nachträglichen Kontrollen zu Lasten der zu schützenden Betroffenen gehen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, U.v. 31.5.2005 – 1 LB 4/05 – juris Rn. 39).
112
Dieser Nachweis ist der Beigeladenen nach summarischer Prüfung gelungen. Die Einwände der Antragstellerin sind nicht geeignet, diesen Nachweis zu erschüttern. Insoweit wird auf die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 7. Dezember 2023 (Az. 2 CS 23.1169 – BeckRS 2023, 35958) Bezug genommen, denen sich das Gericht anschließt und aus denen sich ergibt, dass auch (erst recht) im Fall der Antragstellerin eine Rechtsverletzung ausgeschlossen ist. Die Fehler im ursprünglichen Genehmigungsbescheid des Landratsamts, die im Parallelfall des Rechtsbehelfs anderer Nachbarn zunächst zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung von deren Klage führten (VG München, B.v. 2.6.2023 – M 9 SN 22.5931) und die sich im Fall der hiesigen Antragstellerin ohnehin nur teilweise (für diese drittschützend) ausgewirkt hätten, wurden durch den Änderungsbescheid vom 25. Juli 2023 „repariert“ (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 7.12.2023 a.a.O.)
113
Nach alledem wird der Antrag abgelehnt, da die Abgrabungsgenehmigung nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt und das Vollzugsinteresse wegen des voraussichtlich fehlenden Erfolgs der Anfechtung in der Hauptsache das Aussetzungsinteresse überwiegt.
114
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen nach § 162 Abs. 3 VwGO, der unterliegenden Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese sich durch Stellung eines schriftsätzlich begründeten Sachantrags dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO ausgesetzt hat.
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4. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nummer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und in Anlehnung an Nr. 9.7.1.