Inhalt

VG München, Urteil v. 22.05.2023 – M 8 K 21.3037
Titel:

Erfolglose Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Neuerrichtung einer Gaube, eines Balkons und einer Dachterrasse an einem Baudenkmal

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 5, § 114
BayDSchG Art. 1 Abs. 2 S. 1, Art. 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1
BayBO Art. 68 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 40
Leitsätze:
1. Im Grundsatz ist danach davon auszugehen, dass bei Baudenkmälern stets ein Erhaltungsinteresse anzuerkennen ist und damit gewichtige Gründe für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes indiziert sind. Das Erhaltungsinteresse besteht ferner grundsätzlich für das Einzelbaudenkmal als Ganzes. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Umstand, dass Veränderungen an Dächern je nach den Gegebenheiten für Dritte nur beschränkt einsehbar sind, ist jedoch für die Beurteilung – insbesondere der Erheblichkeit eines Eingriffs – nicht von entscheidender Relevanz. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Veränderung eines Baudenkmals, Durchbrechung der bauzeitlichen Traufkante, Veränderung der Dachlandschaft, gerichtliche Überprüfung einer denkmalschutzrechtlichen Ermessensentscheidung, Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Neuerrichtung einer hofseitigen Gaube, Anbau eines hofseitigen Balkons, Erhöhung des Treppenhausdachaufbaus, Aufdachdämmung, Neuerrichtung einer Dachterrasse auf dem Treppenhausdach, gewichtige Gründe des Denkmalschutzes
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 13.09.2024 – 2 ZB 23.1899, 2 ZB 23.1900
Fundstelle:
BeckRS 2023, 39230

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für verschiedene bauliche Änderungen eines Gebäudes auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … ( …straße 22; im Folgenden: Baugrundstück).
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Das Baugrundstück ist mit einem viergeschossigen Vordergebäude zuzüglich ausgebautem Dachgeschoss sowie einem eingeschossigen, an drei Seiten grenzständigen Rückgebäude bebaut. Auf seiner Rückseite weist das Vordergebäude einen „Vorbau“/Mittelrisalit auf, in dem u.a. das Treppenhaus untergebracht ist. Nördlich und südlich des Mittelrisalits schließen sich die Seitenteile des Gebäudes an. Das Vordergebäude ist Teil einer in seitlich geschlossener Bauweise errichteten, entlang der Ostseite der …straße zwischen …- und …straße verlaufenden Gebäudezeile.
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Unmittelbar nördlich an das Baugrundstück grenzt das Grundstück FlNr. …, Gemarkung … (* …straße 24) an, auf welchem sich ein viergeschossiges Eckgebäude mit ausgebautem Dachgeschoss befindet. Der zur …straße hin ausgerichtete Teil des Gebäudes ist an seiner Südseite profilgleich an das Vordergebäude auf dem Baugrundstück angebaut.
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Das Eckgebäude …straße 24 und das Vordergebäude auf dem Baugrundstück sind mit folgender Beschreibung als Einzelbaudenkmal in die Denkmalliste des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) eingetragen (* …*):
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„Mietshausgruppe, viergeschossige Jugendstilbauten mit Erkern, Zwerchgiebeln und stuckierter Fassade, Eckbau mit über Eck gestelltem Erkerturm, von Johann Lang, 1899.“
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Die Gebäude liegen zudem im Umgriff des in der Denkmalliste unter der Aktennummer … eingetragenen Ensembles „…“.
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Vgl. zur Lage des Grundstücks und der umgebenden Bebauung nachstehenden Lageplan im Maßstab 1 : 1000 (nach dem Einscannen möglicherweise nicht mehr maßstabsgerecht):
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Die Baupläne des 1899 genehmigten Vordergebäudes auf dem Baugrundstück zeigen auf der Hofseite den 6,75 m breiten und im nördlichen Teil 2,50 m, im südlichen Teil bis zu 3,50 m vor die Gebäudeaußenwand tretenden „Vorbau“/Mittelrisalit. Das Dach des Vordergebäudes ist als Mansarddach ausgestaltet. Das Dach über dem Treppenhaus/Mittelrisalit stellt sich dabei als lineare Verlängerung der über dem Mansardknick liegenden Dachfläche des Vordergebäudes dar; diese wird über dem Mittelrisalit gleichsam nach „unten gezogen“. Die Traufhöhe des Mittelrisalits entsprach nach den Darstellungen im Schnitt a-b derjenigen des nördlichen Seitenteils (vermaßt mit 15,70 m).
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Unter dem 11. Dezember 1932 genehmigte die Beklagte die Errichtung einer Dachgeschosswohnung im Vordergebäude auf dem Baugrundstück (Plan-Nr. …*). Der mit Genehmigungsvermerk versehene Eingabeplan lässt im Schnitt a-b auch eine Erhöhung des Mittelrisalits um ca. 1,49 m erkennen; das darüber befindliche Dach, das am Mansardknick des Hauptbaukörpers endet, ist deutlich flacher ausgestaltet als nach den im Jahr 1899 genehmigten Plänen.
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Mit Bescheid vom 25. November 2015 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Baugenehmigung für den Anbau eines Aufzugs an der Hoffassade des Vordergebäudes auf dem Baugrundstück nach Plan-Nr. … unter Erteilung einer Abweichung von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken FlNr. … und FlNr. … Nach den genehmigten Planvorlagen liegt die Oberkante des unmittelbar nördlich des Mittelrisalits angebrachten Außenaufzugsturms (Höhenkote Oberkante: + 14,95 m, Geländeoberkante: – 0,41) unterhalb der Traufen von Mittelrisalit (Traufhöhe: + 16,78, Geländeoberkante: – 0,41 m) und den zurückspringenden Gebäudeteilen des Vordergebäudes (Traufhöhe: + 15,20 m). Die Klägerin hatte zunächst auch den Abbruch der bestehenden hofseitigen Balkonanlagen (erstes bis drittes Obergeschoss) sowohl südlich als auch nördlich des Mittelrisalits und deren Neuerrichtung beantragt, am südlichen Gebäudeteil an der Ostfassade des zurücktretenden Teils des Hauptbaukörpers (statt bislang an der Südseite des Mittelrisalits), nördlich des Mittelrisalits wie bisher an der Ostfassade des zurücktretenden Gebäudeteils, aber in vergrößerter Form. Nach negativer Stellungnahme der unteren Denkmalschutzbehörde und abschlägiger Behandlung in der Sitzung des Heimatpflegers, des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege und der Unteren Denkmalschutzbehörde (HDS) ließ die Klägerin die Bauantragsunterlagen per Handeintrag ihres Entwurfsverfassers ändern und verfolgte nur noch den Aufzuganbau weiter. Die Untere Denkmalschutzbehörde hat zur Begründung ihrer ablehnenden Beurteilung hinsichtlich des Abbruchs und der Neuerrichtung der Balkonanlagen in einer internen Stellungnahme vom 6. November 2015 insbesondere Folgendes ausgeführt:
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„Die filigrane, mit dem Nachbargebäude identische Ornamentik des Fassadenstucks ist erhalten geblieben. (…) Bei dem Gebäude handelt es sich um eine, für die Zeit um die Jahrhundertwende typische Architekturform, die im Zusammenhang mit den benachbarten denkmalgeschützten Bauten die städtebauliche Konzeption des malerischen Städtebaus nach Theodor Fischer bestens belegt.
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Dies gilt auch für die Hofseite des Gebäudes. Die an den Hoffassaden angeordneten, feingliedrigen Eisenbalkone mit Geländer aus Flachstahl, umlaufenden Blumenkasten und Ausleger für Wäsche finden sich im gleichem Maß und in Detailausführung beim benachbarten, denkmalgeschützten Doppelhaus wieder. Sowohl in der Architektur nach außen, wie auch nach innen zum gemeinschaftlichen Hof, stellt die Hausgruppe eine gestaltete Einheit dar (…).
13
Insgesamt ist festzustellen, dass das Baudenkmal …str. 22 und das Gruppengebäude …str. 24 die authentischen Details der Bauzeit bis heute bewahrt haben und damit ein ganz erheblicher Teil der Denkmalwerte der Einzelbaudenkmäler in der unbeeinträchtigten Fassaden- und Hofgestaltung begründet liegt (…).
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Aufgrund der Bedeutung der historischen Balkonanlagen, auch im Kontext der Baugruppe, ist es aus denkmalpflegerischen Belangen unabdingbar, die Bestandsbalkone zu erhalten. Der Abbruch der bestehenden Balkone bedeutet Verlust an Originalsubstanz und würde zu einer Minderung des Denkmalwerts des Einzelgebäudes und des baugleichen Eckgebäudes führen. (…)“
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Am 4. September 2015 (Eingang bei der Beklagten) beantragte die Klägerin sodann zunächst eine baurechtliche Genehmigung für den „Abbruch und die Neuerrichtung des Dachgeschosses mit zwei Wohneinheiten“ (Plan-Nr. …*). Das Vorhaben wurde am 16. Dezember 2015 in der HDS behandelt. Dabei wies die Untere Denkmalschutzbehörde darauf hin, dass im Rahmen einer Besichtigung des Dachtragwerks habe festgestellt werden können, dass es sich um eine historische Dachkonstruktion handle, die bisher nicht behobene Schäden aufweise. Daher bestehe ein gewisser Reparaturbedarf. Ausweislich des von der Bauherrin vorgelegten Statikgutachtens könne der Dachstuhl auch für eine Wohnnutzung statisch ertüchtigt werden. Der Vertreter des Landesamtes für Denkmalpflege führte aus, dass es im Hinblick darauf aus Sicht des Landesamtes keinen Grund gebe, dem Abbruch des bauzeitlichen Dachtragwerks zuzustimmen. Daraufhin wurden Bauantrag und Planvorlagen durch den Entwurfsverfasser der Klägerin per Handeintrag dahingehend korrigiert, dass Vorhabensgegenstand nunmehr die „Neuerrichtung des Dachgeschosses mit zwei Wohneinheiten unter Erhalt des historischen Dachstuhls“ sein sollte. Sodann erteilte die Beklagte mit Bescheid vom 12. April 2016 eine entsprechende Baugenehmigung (Plan-Nr. …*). Nach den genehmigten Bauvorlagen sollten auf dem Mansarddach – mit Blick auf den hofseitigen Bereich – die in der ersten Dachgeschossebene unterhalb des Mansardknicks vorhandenen kleineren Dachgauben entfernt und drei größere Dachgauben – zwei mit dreiflügeligen Fenstern, eine mit einflügeligem Fenster – errichtet werden; in der zweiten Dachgeschossebene, oberhalb des Mansardknicks, sollten hofseitig fünf Dachflächenfenster eingebaut werden.
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Am 12. Mai 2020 stellte die Beklagte fest, dass auf der Hofseite des Vordergebäudes in der ersten Dachgeschossebene des südlichen Seitenteils eine zum Austritt geeignete Dachgaube (mit bodentiefen Fenstern) und davor ein sich über den gesamten südlichen Seitenteil des Gebäudes erstreckender Balkon errichtet, das Dach des Mittelrisalits entfernt, dieser erhöht und darauf eine Dachterrasse mit außenwandbündiger Brüstung erstellt worden ist, die über ein in der zweiten Dachgeschossebene liegendes Austrittsbauwerk betreten werden kann.
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Mit Schreiben vom 19. Mai 2020 hörte die Beklagte die Klägerin an und forderte sie auf, das Vorhaben gemäß den genehmigten Plänen zurückzubauen.
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Daraufhin reichte die Klägerin am 10. November 2020 (Eingang bei der Beklagten) einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Neuerrichtung einer hofseitigen Gaube, den Anbau eines hofseitigen Balkons, die Erhöhung des bestehenden Treppenhausdachaufbaus (Aufdachdämmung), die Neuerrichtung einer Terrasse auf dem Treppenhausdach mit Zugang zur Wohnung aus dem Dachgeschoss rechts und den Abbruch des bestehenden Spitzbodens unter Erhalt des historischen Dachstuhls nach Plan-Nr. … ein. Nach den zur Genehmigung gestellten Plänen ist, bei einer Geländeoberkante im Bereich des Mittelrisalits von – 0,43 m, dessen Erhöhung von +16,78 m auf + 17,18 m (an der Traufkante, ohne Berücksichtigung der Bodenplatte) unter Beseitigung des bisherigen Dachs des Mittelrisalits vorgesehen. Auf dem erhöhten Mittelrisalit ist eine zurückversetzte Dachterrasse (Fußbodenoberkante nicht vermaßt) mit einer Geländeroberkante von + 18,40 m, einer Breite von 2,875 m und einer Tiefe von 2,80 m (Maße jeweils ohne Geländer) eingezeichnet. Die Dachterrasse wird auf drei Seiten von einem flachen Dachstreifen mit ca. 1,90 m bis 2,00 m (bis zur Traufkante) umgeben. Der Zugang zur Dachterrasse soll von der zweiten Dachgeschossebene aus über ein Austrittsbauwerk [Höhe: + 20,00 m, Flachdach, Breite ca. 3,30 m (abgegriffen aus der Ansicht „Hof – Ost“)] erfolgen, welches nördlich und südlich von zwei Gaubenfenstern gesäumt wird (Gesamtbreite dieses „Gaubenbands“: ca. 5,20 m, abgegriffen aus der Ansicht „Hof – Ost“). Am südlichen Gebäudeteil ist auf dessen gesamter Breite (3,76 m) in der ersten Dachgeschossebene ein Balkon vorgesehen, der über eine bodentiefe Gaube betreten werden soll. Die Planung entspricht insbesondere hinsichtlich der Dachterrasse mit dem auf drei Seiten deutlich von der Gebäudeaußenkante zurückgesetzten Terrassengeländer nicht der bereits umgesetzten tatsächlichen Ausführung (außenwandbündige Brüstung). Zusammen mit dem Bauantrag wurden die Erteilung von Abweichungen wegen Nichteinhaltung der Anforderungen des Art. 6 Bayerische Bauordnung sowie einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis beantragt.
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Mit Bescheid vom 12. Mai 2021, der Klägerin ausweislich der in den Behördenakten enthaltenen Postzustellungsurkunde zugestellt am 21. Mai 2021, lehnte die Beklagte den Bauantrag vom 10. November 2020 nach Plan-Nr. … insbesondere aus denkmalschutzrechtlichen Gründen ab. Hierzu wurde im Wesentlichen ausgeführt, den baulichen Maßnahmen stünden gewichtige Gründe des Denkmalschutzes entgegen. Eine möglichst unveränderte Erhaltung der Dachlandschaft liege vorliegend im Interesse der Allgemeinheit. Mit der – bereits ausgeführten – Planung werde keine Rücksicht auf die architektonischen Besonderheiten des Baudenkmals, die eigentlich klar definierte Gebäude- und Dachstruktur, die Hofgestaltung und den originalen Baubestand genommen. Die Traufe von Treppenhaus und einer Haushälfte sei, ebenso wie das Treppenhausdach selbst, in Gänze aufgelöst. Das Verhältnis von untergeordneten Dachaufbauten zu ursprünglicher Dachfläche werde derart zu Lasten der Dachfläche verändert, dass hier eine proportional noch hinnehmbare Einfügung nicht mehr gegeben sei. Das historisch stimmige Zusammenspiel zwischen Fassade und Dach werde gestört, was sich auch auf die gestalterische Einheit mit dem Nachbargebäude …straße 24 auswirke. Die Maßnahmen stellten eine erhebliche Belastung für die Gesamtwirkung dar und ließen darüber hinaus einen negativen Bezugsfall entstehen. Zusätzlich sei die Art und Weise, wie hier intensive Vorberatungen und abgestimmtes Vorgehen vorsätzlich ignoriert worden seien, nicht hinnehmbar. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege habe sich gegen einen Traufbalkon und den sehr breiten Terrassenausgang und in diesem Sinne für den Rückbau dieser Elemente ausgesprochen und die Lokalbaukommission aufgefordert, die Rückführung zu verfügen. Diese Forderung sei nicht unverhältnismäßig. Zudem habe der durchaus verständliche Wunsch des Bauherrn, jeder Wohneinheit großzügige Balkone zuordnen zu können, um so eine bessere Vermarktbarkeit zu erlangen, durch Dacheinschnitte realisiert werden können, die eine geringere Störung bedeutet hätten. Die Erhöhung des Treppenhauses sowie die Erstellung eines Dachaustrittes aus dem zweiten Dachgeschoss seien nicht notwendig gewesen. Das wirtschaftliche Interesse des Bauherrn, durch die Schaffung einer Terrasse sowie eines Balkons zusätzliche Nutzung und eine Aufwertung der Wohnungen zu schaffen, habe hier gegenüber den gewichtigen Gründen des Denkmalschutzes zurückzustehen. Die Bewirtschaftung des Eigentums werde durch die Ablehnung der nachträglichen Legalisierung der planabweichend erstellten Bauteile nicht unzumutbar oder unmöglich gemacht. Da gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die möglichst unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprächen, halte es die Beklagte unter Berücksichtigung aller Umstände für sachgerecht, den Antrag auf Genehmigung der beantragten Maßnahmen abzulehnen. Das öffentliche Interesse an dem weitgehend unbeeinträchtigten Erhalt des Baudenkmals sei gewichtiger als das Interesse des Bauherrn an einer Erweiterung in der beantragten Weise. Darüber hinaus könnten die beantragten Abweichungen von Art. 6 Abs. 2 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen und von Art. 31 BayBO wegen Ausbildung des zweiten Rettungswegs über eine interne Notleiter vom zweiten Dachgeschoss in das Treppenhaus nicht erteilt werden. Ferner seien die Flächen für die Feuerwehr und der zweite Rettungsweg nicht gegeben.
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Gleichzeitig ordnete die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 12. Mai 2021 die Beseitigung der hofseitigen Gaube, des Balkons, der Erhöhung des Treppenhausdachaufbaus sowie der darauf befindlichen Dachterrasse an und drohte für den Fall der Nichterfüllung ein Zwangsgeld an. Die Klage gegen diesen Bescheid (M 8 K 21.3038) wurde mit Urteil der Kammer vom 22. Mai 2023 abgewiesen.
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Mit Schriftsatz vom 8. Juni 2021, bei Gericht eingegangen am selben Tag, erhob die Klägerin durch ihre Verfahrensbevollmächtigten gegen die Ablehnung des Bauantrags Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragt,
22
Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2021, Az.: … wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die beantragte Baugenehmigung (Bauantrag der Klägerin vom 10. November 2020) zu erteilen.
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Das Vorhaben sei genehmigungsfähig, insbesondere in denkmalschutzrechtlicher Hinsicht. Die Ablehnung sei bereits deswegen fehlerhaft, weil die Beklagte bei ihrer Entscheidung zu Unrecht Vorgänge berücksichtigt habe, die dem beantragten Vorhaben vorausgegangen seien und dieses in großen Teilen gar nicht beträfen. Die Klägerin habe weder die historischen Balkone noch die historische Dachkonstruktion in ihren tragenden Teilen abgebrochen. Dass die Klägerin hierfür zu einem früheren Zeitpunkt einen Bauantrag gestellt habe, spiele für die Beurteilung der Denkmalwürdigkeit der nun zur Genehmigung gestellten Maßnahmen keine Rolle. Ebenso wenig mache der Umstand, dass die streitgegenständlichen Maßnahmen nicht mit der Denkmalschutzbehörde abgestimmt worden seien, diese nicht per se denkmalunverträglich.
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Aufgrund der Art und der Intensität des Eingriffs seien die beantragten Baumaßnahmen denkmalverträglich. Es lägen keine Eingriffe in prägende Elemente des Baudenkmals vor. Sowohl der Denkmalliste als auch der Gebäudebeschreibung im Ablehnungsbescheid lasse sich entnehmen, dass der straßenseitigen Fassade ein besonderes Gewicht zukomme. Alle dort genannten Elemente seien jedoch von den beantragten Baumaßnahmen, die ausschließlich an der Hofseite erfolgt seien, nicht betroffen.
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Des Weiteren treffe die pauschale Behauptung, es werde keine Rücksicht auf die architektonischen Besonderheiten des Baudenkmals und die Hofgestaltung genommen, nicht zu. Die östliche Hoffassade des klägerischen Anwesens bleibe unangetastet. Insoweit erfolge gerade kein Eingriff in die gemeinsame Gestaltung mit dem nördlich angrenzenden Nachbaranwesen. Die Erhöhung des Treppenhausanbaus, die Dachterrasse und die Gaube beträfen vielmehr den Bereich über dem Treppenhausanbau, der in der Gebäudebeschreibung des Ablehnungsbescheids als „klar abgesetzt“ beschrieben werde. Es handle sich hierbei um kein gemeinsames gestalterisches Element mit dem Nachbargebäude, an welchem ein solches Element nicht vorhanden sei. Der Treppenhausanbau habe bereits in seinem bisherigen Bestand über die Traufe der nördlich und südlich angrenzenden Haushälfte hinausgereicht und diese unterbrochen. Daher treffe es – anders als im Ablehnungsbescheid angeführt – nicht zu, dass die beantragten Maßnahmen die Dachtraufe auflösten. Die geringfügige Erhöhung der Traufe des Treppenhausanbaus um 40 cm, die zugleich der Dämmung diene, sei kein bedeutender Eingriff in das Denkmal. Gleiches gelte aufgrund der klaren Absetzung des Treppenhausanbaus auch für die darauf errichtete Dachterrasse. Zu Gunsten dieser beiden Maßnahmen sei zu werten, dass hierdurch ein Außenwohnbereich für die Wohnnutzung im Dachgeschoss geschaffen werde. Die Dachterrasse bilde auch keinen Bezugsfall, da in der näheren Umgebung auf der Hofseite bereits Dachterrassen vorhanden seien (z.B. bei den Anwesen …straße 64 und 66).
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Auch die neue Dachgaube, über die der Zugang zur Dachterrasse erfolge, befinde sich über dem Treppenhausanbau und damit in einem Bereich, in dem das Dach bereits aufgrund des im Bestand bis in das Dachgeschoss hochgezogenen Treppenhauses nicht durchgehe. Zudem seien auf Baudenkmälern in der Umgebung bereits Dachgauben vergleichbarer Dimension vorhanden, so dass auch kein Bezugsfall gebildet werde. Die historische Tragkonstruktion des Daches sei erhalten geblieben. Im Übrigen würden nach den Ausführungen im Ablehnungsbescheid Dacheinschnitte grundsätzlich als denkmalfachlich möglich angesehen.
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Der im Bereich der Traufe an der südlichen Hofseite des Gebäudes angebaute Balkon sei aufgrund seiner Gestaltung und Situierung ebenfalls denkmalverträglich. Die Fassadenseite betrage lediglich 3,76 m, sie liege zurückversetzt zwischen Treppenhausanbau und der Brandwand des Nachbargebäudes, werde daher vom Hof aus durch den Treppenhausanbau optisch verdeckt und nehme nicht an der gemeinsamen Hofgestaltung teil. An dieser Fassade befänden sich auch keine historischen Balkone. Eine durchgehende Traufe sei wegen des Treppenhausanbaus ohnehin nicht vorhanden.
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Schließlich könne die Ablehnung auch nicht auf die – geringfügigen – Abstandsflächenveränderungen, das Fehlen von Flächen für die Feuerwehr und des zweiten Rettungswegs sowie die Ablehnung der beantragten Abweichung von Art. 31 Abs. 2 BayBO wegen Ausbildung des zweiten Rettungsweges für die Dachterrasse über eine interne Notleiter gestützt werden.
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Die Beklagte legte die Behördenakten vor und beantragt,
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Klageabweisung.
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Der abgelehnte Bauantrag stelle einen teilweisen Legalisierungsversuch von bereits ungenehmigt ausgeführten Veränderungen des Baudenkmals dar. Zu den Ablehnungsgründen werde auf die Ausführungen im Ablehnungsbescheid Bezug genommen. Insbesondere der Substanzeingriff in Dach, Traufe und Erscheinungsbild des Denkmals sowie seine architektonische und bauzeitliche Wirkung seien dort ausführlich dargelegt und abgewogen worden.
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Mit Schriftsatz vom 3. Mai 2023 teilte die Beklagte ergänzend mit, eine Vorprüfung des zwischenzeitlich eingereichten, neuerlichen Antrags vom 20. März 2023 habe ergeben, dass dieser deutlich weitergehender als die Ablehnung vom 21. Mai 2021 (gemeint wohl: 12. Mai 2021) sei (größere Dachterrasse, größere Balkone und Grundrissänderungen im Dachgeschoss u.a., möglicherweise entsprechend dem vorhandenen Bestand).
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Das Gericht hat am 22. Mai 2023 in diesem Verfahren und im Verfahren M 8 K 21.3038 Beweis durch Einnahme eines Augenscheins über die Verhältnisse auf dem Baugrundstück sowie in dessen Umgebung erhoben und eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Bevollmächtigte der Klägerin einen unbedingten Beweisantrag gestellt hat, der von der erkennenden Kammer durch einen mit Gründen versehenen Beschluss abgelehnt wurde. Hinsichtlich der Einzelheiten des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung in beiden Verfahren wird auf die entsprechenden Protokolle verwiesen.
34
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses und des Verfahrens M 8 K 21.3038 sowie der von der Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige (Versagungsgegen-)Klage (§ 42 Abs. 1 Var. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I.
36
Der Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat weder einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Bayerische Bauordnung – BayBO) noch einen Anspruch auf Neuverbescheidung ihres Bauantrags vom 10. November 2020 (Eingang bei der Beklagten) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
37
1. Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem (genehmigungspflichtigen) Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.
38
2. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
39
Dem Bauvorhaben der Klägerin steht Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler (Bayerisches Denkmalschutzgesetz – BayDSchG) entgegen, der bei – wie hier – baugenehmigungspflichtigen Vorhaben (Art. 55 Abs. 1 BayBO) zum Prüfungsumfang im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren – auch dem vereinfachten – gehört (Art. 59 Satz 1 Nr. 3 bzw. Art. 60 Satz 1 Nr. 3 BayBO, Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayDSchG).
40
a) Das streitgegenständliche Gebäude ist als Einzeldenkmal in die Denkmalliste eingetragen. Es handelt sich, obschon die Eintragung in die Denkmallisteliste nur nachrichtlichen Charakter hat – Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG –, unzweifelhaft um ein Baudenkmal im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG, wovon sich das Gericht bei der Einnahme des Augenscheins überzeugen konnte und was von den Beteiligten auch nicht angezweifelt wird.
41
b) Gem. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSchG bedarf der Erlaubnis, wer Baudenkmäler – wie hier – verändern will. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG kann diese Erlaubnis versagt werden, soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen.
42
aa) Der Begriff der „gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes“ unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (vgl. BayVGH, U.v. 8.5.1989 – 14 B 88.02426 – NVwZ-RR 1990, 452/453; U.v. 27.9.2007 – 1 B 00.2474 – juris Rn. 50; B.v. 31.10.2012 – 2 ZB 11.1575 – juris Rn. 4 m.w.N.; U.v. 2.8.2018 – 2 B 18.742 – juris Rn. 39; U.v. 11.1.2011 – 15 B 10.212 – juris Rn. 19; U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 32). Bei der Beurteilung, ob ein Denkmal durch eine vorgenommene Veränderung nachteilig betroffen wird, ist auf die Sicht eines fachkundigen Betrachters abzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 12.11.2018 – 1 ZB 17.813 – juris Rn. 4).
43
bb) Gewichtige Gründe des Denkmalschutzes liegen nicht erst dann vor, wenn dem Baudenkmal im Vergleich mit der allgemein für die Begründung der Denkmaleigenschaft maßgeblichen Bewertung gesteigerte Bedeutung zukommt (BayVGH, U.v. 18.10.2010 – 1 B 06.63 – BayVBl 2011 – 303, juris Rn. 35); denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei Baudenkmälern von geringerer Bedeutung die Voraussetzungen für eine Veränderung oder Beseitigung grundsätzlich erfüllt wären. Es wäre widersprüchlich, wenn eine bauliche Anlage, die wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit erhaltenswert ist, ohne weiteres beseitigt oder verändert werden dürfte, weil die für ihre unveränderte Erhaltung sprechenden, die Denkmaleigenschaft konstituierenden Gründe von – im Vergleich zu anderen Denkmälern – geringerem Gewicht sind. Die „gewichtigen Gründe“ ergeben sich vielmehr in erster Linie aus der Bedeutung, auf der die Denkmaleigenschaft beruht (BayVGH, U.v. 27.9.2007 – 1 B 00.2474 – BayVBl. 2008, 141 ff. – juris Rn. 70).
44
cc) Das Vorliegen gewichtiger Gründe ist dabei für den konkreten Einzelfall festzustellen (BayVGH, B.v. 31.10.2012 – 2 ZB 11.1575 – juris Rn. 4). Im Grundsatz – und so liegt der Fall auch hier – ist danach davon auszugehen, dass bei Baudenkmälern stets ein Erhaltungsinteresse anzuerkennen ist und damit gewichtige Gründe für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes indiziert sind (vgl. vgl. Gerstner in: Eberl/Spennemann/Schindler-Friedrich/Gerstner, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 8. Aufl. 2021, Art. 6 Rn. 45).
45
dd) Das Erhaltungsinteresse besteht ferner grundsätzlich für das Einzelbaudenkmal als Ganzes. Ziel des Denkmalschutzes ist es, die Baukultur der Vergangenheit, d.h. die geschichtlichen Zeugnisse im Original zu erhalten. Das Denkmalschutzgesetz ist dementsprechend kein Gesetz zur Ortsbildpflege, sondern zur Erhaltung der historischen Bausubstanz (vgl. BayVGH, U.v. 3.1.2008 – 2 BV 07.760 – juris Rn. 18). Der Denkmalschutz ist nicht auf das Ziel beschränkt, über die Vergangenheit lediglich zu informieren, sondern will darüber hinaus körperliche Zeugnisse aus vergangener Zeit als sichtbare Identitätszeichen für historische Umstände bewahren und die Zerstörung historischer Substanz verhindern (vgl. OVG NW, U.v. 26.8.2008 – 10 A 3250/07 – juris Rn. 45; BayVGH, B.v. 14.9.2010 – 2 ZB 08.1815 – juris Rn. 3). Mithin dient das Denkmalschutzgesetz nicht nur der bloßen Erhaltung von Fassaden und von außen wahrnehmbarer, besonderer Gebäudeteile. Auch wenn gewissen Bauteilen eines Denkmals ein herausgehobener, besonderer Denkmalwert zukommen mag, bleibt stets das Denkmal als Ganzes Gegenstand der Betrachtung (VG München, U.v. 28.6.2011 – M 1 K 11.1954 – BeckRS 2011, 31242). Würde man an Teilen von Einzelbaudenkmälern, die nicht in gleichem Maße einsehbar und/oder optisch ansprechend sind, massive Beeinträchtigungen – so wie hier – zulassen, würde absehbar das ganze Baudenkmal in Frage gestellt (VG München, U.v. 29.7.2019 – M 8 K 17.3884 – BeckRS 2019, 59566 Rn. 26; U.v. 14.5.2018 – M 8 K 17.984 – juris Rn. 38).
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ee) Dies zugrunde gelegt, liegen gewichtige Gründe des Denkmalschutzes, die für eine unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen, hier vor. Mit den zur Genehmigung gestellten Baumaßnahmen sind gravierende, verunklarende Eingriffe in die historische Bausubstanz verbunden, wodurch das Denkmal in besonders unästhetischer und unerträglicher Weise beeinträchtigt wird.
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(1) Die Gebäuderückseite des streitgegenständlichen Anwesens besteht aus einem einen großen Teil der Fassade einnehmenden Mittelrisalit sowie den nördlich und südlich angrenzenden Seitenteilen des Gebäudes. Die beiden Seitenteile wiesen bisher durchlaufende Traufen des Mansarddachs auf, lediglich mittig unterbrochen durch das bereits im Bestand klar abgesetzte Treppenhaus mit seiner im Vergleich zu den Seitenteilen höherliegenden Traufe.
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Die beantragten – und bereits ins Werk gesetzten – Baumaßnahmen führen dazu, dass die bisher klare Gebäude- und Dachstruktur vollständig verunklart und das Gebäude in seiner Gestaltung und seinem Erscheinungsbild erheblich beeinträchtigt wird.
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Durch den Balkon in der ersten Dachgeschossebene wird die Traufe des südlichen Seitenteils, durch die Erhöhung des Mittelrisalits, die Dachterrasse sowie das Austrittsbauwerk werden die bisherige Traufe des Mittelrisalits und dessen bisheriges Dach in Gänze aufgelöst. Der die Traufe durchschneidende Balkon der ersten Dachgeschossebene setzt sich dabei nicht nur in einen disharmonischen Gegensatz zu der Dachform und -fläche, sondern auch zu den darunter liegenden, im 90°-Winkel versetzten Balkonen an der Südseite des Mittelrisalits.
50
Die Durchbrechung der Traufe stellt sich bei Denkmälern aufgrund der erheblichen Störung des Gesamteindrucks grundsätzlich als gewichtige Verschlechterung dar (VG München, U.v. 29.7.2019 a.a.O. Rn. 29; U.v. 14.5.2018 a.a.O. Rn. 32). Die Dachtraufe als derzeit klar erkennbarer Abschluss des Daches würde ihrer gestalterischen Funktion vollständig enthoben. Das historische Erscheinungsbild des Gebäudes wäre nicht mehr ablesbar, die gestalterische Beziehung von Dach und Fassade ginge durch die baulichen Maßnahmen vollständig verloren. Eine andere Bewertung ist hinsichtlich des Traufbalkons auch nicht dadurch angezeigt, dass sich dieser in dem zurückspringenden Seitenteil des Gebäudes, zwischen Mittelrisalit und Brandwand des südlichen Nachbaranwesens, befindet. Er erstreckt sich mit einer Breite von 3,76 m über die gesamte Breite des südlichen Gebäudeteils und tritt hier an die Stelle der bisherigen Traufe. Dass der Mittelrisalit bereits bisher eine höhere Traufe aufwies als die beiden Seitenteile des Gebäudes, vermag ebenso wenig eine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Dieser Umstand zeigt vielmehr die Entwicklungsstadien des Gebäudes auf und kann insbesondere nicht dazu führen, dass nunmehr eine (weitere) Modifizierung des Denkmals und Baumaßnahmen zugelassen werden müssten, die eine vollständigen Auflösung der überkommenen Traufen begründeten.
51
Ferner führen auch die auf dem Mittelrisalit angeordnete Dachterrasse mit einem Geländer von bis zu 1,10 m und das dazugehörige, massive Austrittsbauwerk in der zweiten Dachgeschossebene – beides in der Mitte der Dachfläche angeordnet und einen großen Teil ihrer Fläche einnehmend – zu einer übermäßigen Dominanz der – bislang untergeordneten – Dachaufbauten gegenüber der Dachfläche und so zu einer erheblichen Verunklarung des Daches in seiner bisherigen Form. Das Flachdach des Austrittsbauwerks endet in nur geringem Abstand zum Dachfirst, die verbleibende Dachschräge beläuft sich hier auf ca. 70 cm (abgegriffen). Damit wird dem Dach und dessen First im Bereich des Dachaufbaus in Zusammenschau mit der vorgesetzten Dachterrasse jegliches gestalterische Element genommen. Die Dachlandschaft gehört zu den ein Baudenkmal wesentlich prägenden Elementen (vgl. VG München, U.v. 21.2.2010 – M 8 K 10.552 – juris Rn. 52). An dieser Beurteilung vermag auch der – in den Bauvorlagen in Abweichung zur tatsächlichen Bauausführung dargestellte – Rückversatz der Dachterrasse an drei Seiten nichts zu ändern. Durch diesen Rückversatz wird ein treppenartiger Aufbau geschaffen, der sich durch die Kombination und die Höhenversätze von Mittelrisalit, Geländer der Dachterrasse bis hin zu dem sich anschließenden, massiven Austrittsbauwerk in besonders disharmonischen Gegensatz zur überkommenen Gestaltung des Anwesens setzt.
52
Überdies würde auch die rückwärtige Fassade des Denkmals …straße 24, das die gleiche Typologie und Architektur aufweist und mit dem streitgegenständlichen Denkmal eine Gruppe bildet, erheblich beeinträchtigt im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG. Die Einheitlichkeit der beiden Gebäude wäre nicht mehr ablesbar. Dass das Gebäude …straße 24 keinen Mittelrisalit aufweist, steht der Annahme dieser Einheitlichkeit nicht entgegen.
53
(2) Entgegen der Auffassung der Klagepartei können gegen das Vorliegen „gewichtiger, für die Beibehaltung des bisherigen, das heißt des genehmigten Zustandes“ sprechender Gründe weder die vermeintliche Nichterkennbarkeit des streitgegenständlichen Vorhabens von öffentlichen Verkehrsflächen und – was Treppenhauserhöhung, Dachterrasse und Austrittsbauwerk auf dem Mittelrisalit anbelangt – vom Hinterhof aus noch die behauptete nicht schützenswerte rückwärtige Fassadengestaltung angeführt werden.
54
Die denkmalfachliche Wertigkeit des rückwärtigen Dachbereichs ist bereits dadurch indiziert, dass es sich hierbei um die überkommene Dachform/-gestaltung handelt. Ziel des Denkmalschutzes ist es, die Substanz zu schützen und nicht erforderliche Eingriffe zu verhindern (vgl. BayVGH, B. v. 31.10.2012, a.a.O.).
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Zwar stellt sich die hofseitige Fassade des Denkmals, wovon sich das Gericht bei dem durchgeführten Augenschein überzeugen konnte, als relativ schlicht dar und findet in der Beschreibung in der Denkmalliste keine Erwähnung. Dies spricht jedoch nicht gegen das Vorliegen „gewichtiger Gründe“. Unbestrittenerweise handelt es sich vorliegend bei dem Vordergebäude …straße 22 insgesamt um ein Einzelbaudenkmal, das – wenngleich die rückwärtige Fassade schlichter gestaltet ist – auch hier eine nicht zu vernachlässigende Wertigkeit aufweist. Dies gilt auch in Zusammenschau mit der rückwärtigen Fassade des mit dem streitgegenständlichen Anwesen eine Einheit bildenden Gebäudes …straße 24.
56
Ferner sind zwar sowohl der Balkon in der ersten Dachgeschossebene als auch die Dachterrasse mit Austrittsbauwerk straßenseitig nicht erkennbar. Gleiches gilt, wie der gerichtliche Augenschein gezeigt hat, für die Dachterrasse und das Austrittsbauwerk vom Hinterhof des Anwesens …straße 22 aus (angesichts der dortigen beengten Verhältnisse). Der Umstand, dass Veränderungen an Dächern je nach den Gegebenheiten für Dritte nur beschränkt einsehbar sind, ist jedoch für die Beurteilung – insbesondere der Erheblichkeit eines Eingriffs – nicht von entscheidender Relevanz (VG München, U.v. 29.7.2019 a.a.O. Rn. 39; U.v. 21.2.2011 – M 8 K 10.552 – juris Rn. 52; U.v. 17.9.2007 – M 8 K 07.174 – juris Rn. 36; U.v. 15.11.2010 – M 8 K 10.245 – juris Rn. 27; vgl. dazu auch: BayVGH, U.v. 19.12.2013 – 1 B 12.2596 – BaVBl 2014, 506 – juris Rn. 21). Zudem können die baulichen Veränderungen von den Fenstern und Gauben der umliegenden Bebauung (beispielsweise …straße 24, …straße 65) zweifelsohne eingesehen werden. Die Durchschneidung der Traufkante durch den zum ersten Dachgeschoss gehörenden Balkon ist ferner auch für einen im Innenhof stehenden Betrachter ohne Weiteres wahrnehmbar. Die nach dem eingereichten Plan bis zu 2,65 m vor die Gebäudeaußenwand tretende Untersicht des Balkons ist in keiner Weise mit einer regulären Traufe vergleichbar. Die Ausführung des Balkons ersetzt an dieser Stelle die zur Dachkonstruktion gehörende Traufe in besonders unästhetischer Weise und setzt sich in einen ebensolchen Gegensatz zu der Traufe des nördlich des Mittelrisalits gelegenen Gebäudeteils des Anwesens …straße 22 sowie der Traufe des unmittelbar nördlich benachbarten Gebäudes …straße 24. Dass dort an einer Stelle im Eckbereich die Gebäudeaußenwand höher ist als am restlichen, überwiegenden Teil des Gebäudes und damit in diesem Bereich auch die Traufe nach oben versetzt ist, vermag insoweit keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen. Dadurch wird die Einheitlichkeit im Übrigen nicht in Frage gestellt.
57
Insofern stehen den geplanten Änderungen des Bestandsgebäudes gewichtige Gründe des Denkmalschutzes entgegen.
58
c) Da sich vorliegend aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 BayDSchG eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnispflicht mit behördlicher (Ermessens-) Versagensmöglichkeit ergibt, über die die Baugenehmigungsbehörde der Beklagten gem. Art. 6 Abs. 3 BayDSchG i.V.m. Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO im Rahmen der Baugenehmigungserteilung zu entscheiden hat, scheidet ein strikter Anspruch der Klägerin gem. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO darauf, dass die Beklagte ihr die Baugenehmigung erteilen muss, aus. Ein Ausnahmefall (vgl. BayVGH, B.v. 19.12.2013 – 1 B 12.2596 – BayVBl 2014, 506 = juris Rn. 23; U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 40) einer Ermessensreduzierung auf Null in dem Sinn‚ dass die Erlaubnis trotz Vorliegens gewichtiger Gründe des Denkmalschutzes erteilt werden muss‚ weil die für das Änderungsvorhaben sprechenden Gründe so viel Gewicht hätten‚ dass der Beklagten bei der Ermessensausübung keine andere Wahl bliebe, als dem Antrag zu entsprechen, ist vorliegend nicht ersichtlich.
59
d) Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte das ihr gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG eingeräumte Ermessen zur Versagung der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO fehlerhaft ausgeübt hätte.
60
aa) Die Feststellung, dass gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen, rechtfertigt für sich alleine noch nicht eine Ablehnung eines Genehmigungsantrags. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BayDSchG eröffnen vielmehr ein Ermessen, ob die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis dennoch erteilt oder ob diese aufgrund der Betroffenheit denkmalschutzrechtlicher Belange versagt werden soll. Die Behörde hat im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung die für und gegen eine Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechenden Umstände des Einzelfalls, unter Würdigung insbesondere auch der Belange des Denkmaleigentümers gegeneinander und untereinander abzuwägen. Der Bauherr hat im Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 2 BayDSchG einen Rechtsanspruch darauf, dass bei Versagung der Erlaubnis vom Ermessen pflichtgemäß Gebrauch gemacht wird (vgl. BayVGH, B.v. 23.10.2019 – 15 ZB 18.1275 – juris Rn 5; B.v. 8.1.2021 – 9 ZB 19.282 – juris Rn. 16). Die der Beklagten originär zustehende Ermessensentscheidung unterliegt nach § 114 Satz 1 VwGO nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung.
61
bb) Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Verwaltungsgericht bei Ermessensentscheidungen nur, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
62
cc) Nach Art. 40 BayVwVfG ist das Ermessen dem Zweck der Ermächtigung entsprechend auszuüben. Der Zweck des Erlaubnisvorbehalts in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBayDSchG steht unter dem Vorzeichen des gesamten Denkmalschutzrechts, mit dessen Hilfe die Denkmäler in Bayern möglichst unverändert erhalten und gegenüber Maßnahmen, die diesem Ziel typischerweise zuwiderlaufen, im Rahmen des dem Denkmaleigentümer Zumutbaren geschützt werden sollen (Art. 4 BayDSchG; vgl. BayVGH, U.v. 27.9.2007 – 1 B 00.2474 – juris Rn. 87; U.v. 11.1.2011 – 15 B 10.212 – juris Rn. 26). Die Behörde trifft mithin eine rechtsgestaltende Entscheidung, welche die Belange des Denkmalschutzes auf der einen sowie widerstreitende öffentliche Belange und die betroffenen privaten Belange auf der anderen Seite unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben ausgleichen muss. Hierfür müssen die von dem Vorhaben berührten Belange berücksichtigt und miteinander und gegeneinander abgewogen werden (vgl. BayVGH, U.v. 27.9.2007 – 1 B 00.2474 – juris Rn. 87 m.w.N.). Bei den im Rahmen des Ermessens zu würdigenden Eigentümerinteressen ist von der Sicht eines dem Denkmalschutz aufgeschlossenen Eigentümers auszugehen (BVerfG, B.v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226 – juris Rn. 85; BayVGH, U.v. 27.9.2007 – 1 B 00.2474 – BayVBl 2008, 141 – juris Rn. 73). Dabei hat die Erhaltung von Baudenkmälern in aller Regel in der überkommenen Form zu geschehen, denn die Ziele des Denkmalschutzes haben u.a. zum Inhalt, die Substanz zu schützen und nicht objektiv erforderliche Eingriffe zu verhindern. Der Geschichtswert der Denkmäler soll so erhalten und Verfälschungen vermieden werden (vgl. BayVGH, U.v. 16.1.2012 – 2 B 11.2408 – juris Rn. 23). Die Erlaubnis darf nur versagt werden, wenn die Gründe, die für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen, so viel Gewicht haben, dass sie die für das Vorhaben streitenden öffentlichen und privaten Belange überwiegen (vgl. BayVGH, U.v. 11.1.2011 – 15 B 10.212 – juris Rn. 26).
63
dd) Die Ermessensentscheidung der Beklagten genügt den sich hieraus ergebenden Anforderungen. Insbesondere hat sie das ihr zustehende Ermessen erkannt und sich mit Belangen der Klägerin auseinandergesetzt. Ferner hat sie in zutreffender Weise gewürdigt, dass dem erheblich beeinträchtigenden Eingriff in das überlieferte Erscheinungsbild des Baudenkmals keine gleichgewichtigen privaten Belange der Klägerin oder öffentliche Belange gegenüberstehen. Zwar wird im Bescheid vom 12. Mai 2021 strukturell nicht zwischen der Darlegung der gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes und den Ermessensüberlegungen differenziert; dennoch werden das mindere Gewicht des klägerischen Interesses und die Ermessenserwägungen ausreichend dargelegt. Auch der Vortrag der Klagepartei in der Klagebegründung führt insoweit zu keiner anderen Beurteilung.
64
(1) Zunächst greift der klägerische Einwand nicht durch, die Beklagte habe sachfremde Erwägungen in das Ermessen einbezogen, indem sie sowohl Vorgänge berücksichtigt habe, die dem beantragten Vorhaben vorausgegangen seien, als auch darauf abgestellt habe, dass die Baumaßnahmen nicht vorab mit der Beklagten abgestimmt worden seien.
65
Zwar könnte der Satz „zusätzlich ist die Art und Weise, wie hier intensive Vorberatungen und abgestimmte Vorgehen vorsätzlich ignoriert werden, nicht hinnehmbar“ (vgl. erster Absatz unter „Begründung/Beurteilung auf S. 5), bei isolierter Betrachtung durchaus einen solchen Eindruck vermitteln. In die gleiche Richtung geht die von der Klägerin zitierte Passage auf S. 3 des Bescheids, wonach dem beantragten Vorhaben zahlreiche Vorgänge vorausgingen, „die für die Ablehnung zu berücksichtigen“ sind.
66
Bei einer Gesamtschau der weiteren Ausführungen im Bescheid und der darin angestellten vielfältigen Erwägungen wird jedoch erkennbar, dass es der Beklagten insoweit darum ging, die der Klägerin durch eine Versagung der Genehmigung (und der darauf aufbauenden Rückbauanordnung) entstehenden finanziellen Einbußen herauszuarbeiten, zu gewichten und in die Abwägung einzustellen.
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Dies zeigt sich insbesondere auf S. 5, dritter Absatz von unten, wonach eine solche Forderung – gemeint ist dabei die Rückführung in den genehmigten Zustand – „nicht unverhältnismäßig“ sei, „(…) da der Bauherr die planabweichend durchgeführten Maßnahmen bewusst und trotz Kenntnis der Bedeutung des Gebäudes als Baudenkmal – also vorsätzlich – hat durchführen lassen und somit mit einer Rückbauverfügung rechnen musste“. In diesem Zusammenhang ist auch die unter „Sachverhalt“ auf S. 3 f. geschilderte „Vorgeschichte“ zu sehen. Die Beklagte bringt damit zum Ausdruck, dass der Klägerin aufgrund der vorangegangenen Genehmigungsverfahren, dem Ortstermin am 21. Juli 2015, den Beratungsgesprächen durch die Untere Denkmalschutzbehörde und deren Stellungnahmen, insbesondere vom 6. November 2015, bekannt gewesen sein muss, dass die nunmehr beantragten (und bereits umgesetzten) baulichen Maßnahmen von der Beklagten nicht als denkmalverträglich angesehen werden würden und die Klägerin insoweit – aus Sicht der Beklagten – im Hinblick auf ihr entstehenden wirtschaftlichen Schäden durch Ablehnung (und darauf aufbauende Beseitigungsanordnung) weniger schutzbedürftig, d.h. der in die Abwägung einzustellende Schaden mithin von geringerer Bedeutung und die Entscheidung daher nicht unverhältnismäßig ist.
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(2) Die Beklagte hat ferner in zutreffender Weise gewürdigt, dass dem beeinträchtigenden Eingriff keine gewichtigen Belange der Klägerin gegenüberstehen.
69
Sie weist zu Recht darauf hin, dass die bisherige Nutzung des Gebäudes auch ohne die beantragten baulichen Änderungen weiterhin möglich ist. Traufbalkon, Dachterrasse und Austrittsbauwerk dienen ausschließlich der Erhöhung der Wohnqualität und damit schlussendlich nur monetären Interessen der Klägerin, welche den Abbruch von denkmalrechtlich geschützter, baulicher Substanz nicht zu rechtfertigen vermögen. Ferner berücksichtigt die Beklagte, dass dem Wunsch der Bauherrin, jeder Wohneinheit Balkone zuordnen zu können, um eine bessere Vermarktbarkeit zu erlagen, aus ihrer Sicht durch denkmalverträglichere Lösungen, nämlich über Dacheinschnitte, entsprochen werden könnte.
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(3) Schließlich ist nicht ersichtlich, dass der Beklagten im Rahmen ihrer Ermessenausübung bei der Bewertung der Intensität des beabsichtigten Eingriffs in das Bestandsgebäude eine Fehlbewertung unterlaufen wäre.
71
Bei der Gewichtung der Eigentümerinteressen ist von der Sicht eines dem Denkmalschutz aufgeschlossenen Eigentümers auszugehen (vgl. BVerfG, U.v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91 – juris Rn. 85; BayVGH, U.v. 11.1.2011 – 15 B 10.212 – juris Rn. 28). Die Klägerin kann das Gebäude auch ohne die begehrte Änderung und damit – mangels gegenteiliger Anhaltspunkte – in wirtschaftlicher Weise nutzen (lassen). Eine unverhältnismäßige Belastung für sie ist zu verneinen. Angesichts des hohen Ranges des Denkmalschutzes, dem in Bayern aufgrund der Staatszielbestimmung des Art. 141 Abs. 2 Bayerische Verfassung (BV) Verfassungsrang zukommt, und im Hinblick auf Art. 14 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG) muss es der Eigentümer grundsätzlich hinnehmen, dass ihm möglicherweise eine rentablere Nutzung des Grundstücks verwehrt wird, da Art. 14 Abs. 1 GG nicht die erträglichste Nutzung des Eigentums schützt (vgl. BVerfG, U.v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91 – juris Rn. 84). Der Schluss der Beklagten, dass die gewichtigen Belange des Denkmalschutzes die Interessen der Klägerin überwiegen, ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.
72
Im Hinblick auf die Veränderung der Dachgestalt durch die Baumaßnahmen ist die Beklagte weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die Dachlandschaft zu den ein Baudenkmal wesentlich prägenden Elementen gehört. Der Umstand, dass Veränderungen je nach den Gegebenheiten für Dritte nur beschränkt einsehbar sind, ist, wie bereits dargelegt, für die Beurteilung – insbesondere der Erheblichkeit eines Eingriffs – nicht von entscheidender Relevanz (VG München, U.v. 29.7.2019 a.a.O. Rn. 39; U.v. 21.2.2011 – M 8 K 10.552 – juris Rn. 52; U.v. 17.9.2007 – M 8 K 07.174 – juris Rn. 36; U.v. 15.11.2010 – M 8 K 10.245 – juris Rn. 27).
73
Darüber hinaus stellt die Beklagte zu Recht darauf ab, dass bei der Zulassung des streitgegenständlichen Vorhabens eine erhebliche Bezugsfallgefahr im Raum stünde. Das gilt auch im Hinblick darauf, dass in der Umgebung des Vorhabens bisher keine vergleichbaren Durchbrechungen der Traufe und auch keine derart massiven Eingriffe in die Dachfläche durch Dachaufbauten vorzufinden sind. Die von der Klagepartei angeführten Bezugsfälle …straße 64 und 66 sowie …straße 16 sind mit dem streitgegenständlichen Vorhaben nicht vergleichbar, da die Dachflächen bei diesen Gebäuden nicht in dem hier vorliegenden, massiven Umfang in Anspruch genommen werden. Bei den Anwesen …straße 66 und …straße 16 liegt jeweils ein Dacheinschnitt vor. Bei der zum Anwesen …straße 64 gehörenden Dachterrasse wird ebenso wenig ein vergleichbarer Eingriff in das Dach vorgenommen wie beim streitgegenständlichen Vorhaben.
74
Es liegt auf der Hand, dass bei einer Zulassung der streitgegenständlichen Balkonanlage der Wunsch nach vergleichbaren Dachgestaltungen auch bei anderen Wohnungseigentümern bzw. B. Platz greift. Dies wiederum würde zu erheblichen Veränderungen der Einzeldenkmäler und auch der Dachlandschaft der Umgebung führen.
75
(4) Was die von der Klagepartei genannten Bezugsfälle anbelangt, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, es sich bei der denkmalschutzrechtliche Ermessensentscheidung immer um eine Frage des Einzelfalls handelt (BayVGH, B.v. 31.10.2012 a.a.O. Rn. 17; B.v. 4.9.2012 – 2 ZB 11.587 – juris 14). Vergleiche mit anderen Denkmälern verbieten sich regelmäßig, weil die Gebäude individuelle Besonderheiten aufweisen und in die jeweilige städtebauliche Situation eingebunden sind (VG München, Urt. v. 14.5.2018 a.a.O. Rn. 39). Kaum ein Denkmal wird je vollständig mit einem anderen vergleichbar sein, da dafür zu viele verschiedene Parameter maßgeblich sind, etwa Baujahr, Stilrichtung und -elemente, optische Gestaltung und städtebaulicher Kontext.
76
Zwar können nach der Rechtsprechung des BayVGH solche Bezugsfälle zu berücksichtigen sein, die nach den Dimensionen und ihrer gesamten baulichen Gestaltung einen vergleichbaren Zuschnitt und eine vergleichbare Lage in der näheren Umgebung haben (BayVGH, B. v. 31.10.2010 a.a.O. Rn. 17). Die Beklagte hätte die genannten Bezugsfälle jedoch nur dann in ihren Ermessenserwägungen berücksichtigen müssen, wenn eine Ermessensbindung durch einheitliches Verwaltungshandeln vorläge. Ein solches einheitliches Verwaltungshandeln ist jedoch gerade nicht ersichtlich, und durch die Klägerin auch nicht substantiiert nachgewiesen. Wie oben bereits dargelegt, ist die Situation bei den von der Klägerin genannten „Bezugsfällen“ der des streitgegenständlichen Anwesens nicht vergleichbar.
77
Darüber hinaus muss sich die Beklagte nicht an in der Vergangenheit getroffenen fehlerhaften Einschätzungen bei der denkmalfachlichen Beurteilung von baulichen Veränderungen messen und festhalten lassen, denn dies käme der durch nichts zu rechtfertigenden Fortschreibung von rechtswidrigen Zuständen gleich.
78
3. Da nach alledem die Versagung der Baugenehmigung aufgrund der Unvereinbarkeit des Vorhabens mit den Anforderungen des Denkmalschutzes gerechtfertigt ist, bedarf es keines weiteren Eingehens darauf, ob sonstige im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu prüfende Vorschriften einer Genehmigung entgegenstehen könnten.
II.
79
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
80
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO.