Titel:
Anrechnung der Nutzungsentschädigung und des Restwertes auf einen etwaigen Differenzschaden in Dieselfällen
Normenketten:
BGB § 823 Abs. 2, § 826
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
ZPO § 287
Leitsätze:
1. Bei der Schadensschätzung steht den Gerichten gemäß § 287 ZPO ein Ermessen zu, wobei in Kauf genommen wird, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Die Annahme einer zu erwartenden durchschnittlichen Gesamtlaufleistung von 250.000 km erscheint bei Dieselfahrzeugen realistisch und jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Fahrzeugbewertungsportal der DAT stellt eine geeignete Grundlage zur Bestimmung des Fahrzeugrestwerts dar. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Thermofenster, Differenzschaden, Restwert, Fahrzeugbewertungsportal, Nutzungsentschädigung
Vorinstanz:
LG Memmingen, Urteil vom 28.07.2023 – 25 O 1593/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 39160
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 28.07.2023, Aktenzeichen 25 O 1593/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Memmingen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.260,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Klägerin erwarb am 25.01.2019 einen Gebrauchtwagen Opel Astra Sports Tourer (Erstzulassung: 26.02.2015) zum Kaufpreis von 8.400 € mit einer Laufleistung von 124.640 km. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor EU 6 mit Thermofenster verbaut. Zum 10.03.2023 hatte es einen Kilometerstand von 166.089 km und zum 14.12.2023 einen Kilometerstand von 175.112 km (Bl. 44 d. A).
2
Das Landgericht Memmingen hat die Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs abgewiesen. Die Klägerin wendet sich mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung gegen die Abweisung der Klage nach § 823 Abs. 2 BGB, während die Verneinung des Anspruchs aus § 826 BGB nicht angegriffen wird. Unter Abänderung ihrer ursprünglichen Anträge begehrt sie nun den Differenzschaden in Höhe von 1.260 €.
3
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 28.07.2023, Aktenzeichen 25 O 1593/22, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
4
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 29.11.2023 Bezug genommen. Die Gegenerklärung der Klägerin vom 14.12.2023 (Bl. 43 ff. d. A.) rechtfertigt keine andere Beurteilung als im Hinweis dargelegt. Der Senat hält auch in Ansehung der neuerlichen Ausführungen der Klägerin an den im Hinweisbeschluss dargelegten rechtlichen Beurteilungen fest.
5
Die Klägerin behauptet, dass ihr selbst dann, wenn man einen aktuellen Fahrzeugwert von 4.200 € (inkl. USt) sowie eine zu erwartende Gesamtlaufleistung von lediglich 250.000 km zugrunde legen würde, ein im vorliegenden Fall zu ersetzender Differenzschaden von 1.260 € zustehen würde (S. 2 der Gegenerklärung, Bl. 44 d. A.). Wie sie auf Basis dieser Werte zu dieser Annahme kommt, bleibt im Dunkeln und wird im Folgenden nicht mehr ausgeführt. Vielmehr meint die Klägerin, dass laut Schwacke der aktuelle Fahrzeugwert 3.529,41 € betrage und eine Gesamtlaufleistung von 300.000 km anzunehmen sei.
6
1. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass für die Berechnung der in Abzug zu bringenden Nutzungsentschädigung eine Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 250.000 km anzunehmen ist. Der Auffassung der Klägerin, im vorliegenden Fall sei für die Berechnung der Nutzungsentschädigung eine voraussichtliche Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 300.000 km anzunehmen, folgt der Senat nicht. Bei der Schadensschätzung steht den Gerichten gemäß § 287 ZPO ein Ermessen zu, wobei in Kauf genommen wird, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt (vgl. nur BGH vom 23.03.2021 VI ZR 3/20 Rn. 11). Die Annahme einer zu erwartenden durchschnittlichen Gesamtlaufleistung von 250.000 km erscheint dem Senat bei Dieselfahrzeugen realistisch und jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft. Der Senat bezweifelt nicht, dass es mit dem streitgegenständlichen Motor ausgestattete Fahrzeuge gibt, die Fahrleistungen von 300.000 km erreichen können. Diese Fahrzeuge bilden aber nicht den für die Bestimmung der Nutzungsentschädigung maßgeblichen Durchschnitt.
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2. Die Klägerin wendet sich in der Gegenerklärung auch gegen den Vortrag der Beklagten zum Restwert des Fahrzeugs und gegen die Schätzung des Senats, auf der Grundlage des Fahrzeugbewertungsportals der DAT sei ein Restwert von mindestens 5.800 € anzusetzen.
8
Der von der Klägerin vorgeschlagenen Restwertermittlung wird nicht gefolgt. Anders als die Klägerin hält der Senat das Fahrzeugbewertungsportal der DAT für eine geeignete Grundlage zur Bestimmung des Fahrzeugrestwerts. Gegen das Fahrzeugbewertungsportal der DAT wendet sich die Klägerin in ihrer Gegenerklärung auch gar nicht, sondern führt lediglich aus, dass die von der Beklagten vorgelegten Inserate ersichtlich reine Angebote auf Verhandlungsbasis seien. Die Fahrzeugbewertung im Portal der DAT erfolgt auf der Grundlage realer Transaktionspreise, nicht anhand von bloßen Preisangeboten. Wie im Hinweisbeschluss vom 29.11.2023 ausgeführt, übersteigt im Fall der Klägerin die in Ansatz zu bringende Nutzungsentschädigung schon bei Zugrundelegung des noch zum 10.03.2023 bestehenden niedrigeren Kilometerstandes den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits um mindestens 1.437,37 € (wenn man – entsprechend den klägerischen Vorstellungen – den Minderwert auf 15% des Kaufpreises festlegt). Ein etwaiger Differenzschadensersatzanspruch wäre daher bei einem Restwert von 5.800 € aufgezehrt. Mit Blick auf die Bewertung im DAT-Portal (mindestens 5.800 € Restwert) hat der Senat keinen Zweifel, dass die Summe aus Restwert und Nutzungsentschädigung im vorliegenden Fall den tatsächlichen Fahrzeugwert um einen Betrag übersteigt, der höher ist als der geltend gemachte Differenzschaden (1.260 €).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.