Inhalt

AG München, Endurteil v. 22.02.2023 – 231 C 14935/22
Titel:

Streit um Ende des Ruhens der Versicherung bei zwischenzeitlicher Versicherung im Notlagentarif

Normenkette:
VVG § 193 Abs. 9 S. 1
Leitsätze:
1. Macht der Versicherer einer zwischenzeitlich im Notlagentarif geführten privaten Krankheitskostenversicherung nach dem Normaltarif berechnete Prämienansprüche mit der Behauptung geltend, der Versicherungsnehmer habe iSv § 193 Abs. 9 S. 1 VVG alle rückständigen Prämienanteile einschließlich der Säumniszuschläge und der Beitreibungskosten gezahlt, kann er jedoch den Nachweis nicht erbringen, dass auch die Mahngebühren vollständig entrichtet waren, bleibt er für die Zuordnung der Versicherung zum Normaltarif beweisfällig. (Rn. 15 und 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. In einem solchen Fall kann der Versicherer auch nicht rückwirkend durch Ausbuchen einer Forderung o.ä. den Wechsel in den Normaltarif einseitig herbeiführen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
private Krankenversicherung, Notlagentarif, Normaltarif, Mahngebühren
Fundstelle:
BeckRS 2023, 3911

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 4.306,62 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Krankenversicherungsbeiträge.
2
Der Beklagte ist bei der Klägerin privat krankenversichert.
3
Vom 01.08.2019 bis zum 30.11.2019 befand sich der Beklagte im Notlagentarif und schuldete daher monatlich 66,77 € Beitrag. Zum 11.10.2019 beglich der Beklagte die Rückstände bzgl. der monatlichen Beitragszahlungen.
4
Im Zeitraum 01.12.2019 bis 31.05.2020 leistete der Beklagte Zahlungen in Höhe von insgesamt 582,12 €.
5
Ab dem 01.06.2020 befand sich der Beklagte erneut im Notlagentarif zu 66,77 € monatlich.
6
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe am 06.06.2019 auch ausstehende Mahnkosten in Höhe von 3,00 € (je 1,50 € vom 23.01.2019 und vom 01.02.2019) beglichen. Zum 11.10.2019 seien somit nicht nur die monatlichen Beiträge sondern sämtliche bis dahin bestehenden Rückstände beglichen gewesen.
7
Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte sei daher im Zeitraum 01.12.2019 bis 31.05.2020 nicht mehr im Notlagentarif versichert gewesen. Er habe in diesem Zeitraum sechs monatliche Beiträge zu je 814,79 € geschuldet, insgesamt 4.888,74 €, also 4.306,62 € zu wenig bezahlt.
8
Die Klägerin beantragt:
Die beklagte Partei wird verurteilt, an die Klagepartei folgende Beträge zu zahlen:
Hauptforderung: 4.306,62 EUR
sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten: 453,87 EUR
9
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
10
Der Beklagte ist der Ansicht, er sei während der streitgegenständlichen sechs Monate ebenfalls im Notlagentarif versichert gewesen.
11
Dem streitigen Verfahren ist ein Mahnverfahren vorausgegangen.
12
Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

A)
13
Die zulässige Klage ist unbegründet.
14
Die eingeklagte Hauptforderung steht der Klägerin nicht zu. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
15
Der insofern darlegungs- und beweisbelasteten Klageseite (s. BeckOK § 193 VVG, Rn. 67) ist es nicht gelungen, das Gericht davon zu überzeugen (§ 286 ZPO), dass im Oktober 2019 „alle rückständigen Prämienanteile einschließlich der Säumniszuschläge und der Beitreibungskosten“ gezahlt waren gem. § 193 Abs. 9 S. 1 VVG.
16
Denn die Zahlung von Mahngebühren in Höhe von 3,00 € (je 1,50 € vom 23.01.2019 und vom 01.02.2019) war zwischen den Parteien streitig. Die Klageseite hat zum Beweis dafür, dass dieser Betrag am 06.06.2019 beglichen worden ist, als Anlage K7 eine Beitragsübersicht vorgelegt. In dieser Anlage ist unter dem 06.06.2019 ein schwer leserlicher Zahlungseingang verzeichnet, welcher bei vergrößerter Betrachtung der elektronischen Datei entweder 833,00 oder 836,00 lauten könnte. In beiden Fällen übersteigt die Zahlung den aufgeführten und in den Vormonaten jeweils gezahlten Betrag von 833,04 € nicht um 3,00 €. Es bleiben somit vernünftige Zweifel an der vollständigen Zahlung, welche zur Beendigung des Notlagentarifs geführt hätte.
17
Die Klägerin kann auch nicht rückwirkend durch Ausbuchen einer Forderung o.ä. den Wechsel in den Normaltarif einseitig herbeiführten (s. Spickhoff/J. Eichelberger, VVG § 193 Rn. 39 m.w.N.).
18
Die im streitgegenständlichen Zeitraum Dezember 2019 mit Mai 2020 geleisteten Zahlungen des Beklagten von 582,12 € übersteigen den geschuldeten Betrag von (6 × 66,77 € =) 400,62 €. Die Überzahlungen im Februar/März 2020 erfolgten ausweislich der Anlage K6 „für 2/20“, betrafen also nicht die o.g. rückständigen Mahngebühren.
B)
19
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11 Alt. 2, 711 ZPO. Der Streitwert wurde nach § 3 ZPO festgesetzt.