Inhalt

LG Regensburg, Endurteil v. 17.11.2023 – 45 O 1022/22
Titel:

Internationale Zuständigkeit, Unerlaubte Handlung, Online-Glücksspiel, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Bereicherungsrechtlicher Anspruch, Abtretungserklärung, Abtretungsvertrag, Erfüllungsort, Elektronischer Rechtsverkehr, Rechtsmißbrauch, Örtliche Zuständigkeit, Streitwert, Besonderer Gerichtsstand, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, Ansprüche aus unerlaubter Handlung, Vertrauenstatbestand, Spielvertrag, Treuwidrigkeit

Schlagworte:
Zulässigkeit der Klage, Internationale Zuständigkeit, Erfüllungsort, Aktivlegitimation, Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV, Schutzgesetz, Zinsanspruch
Fundstelle:
BeckRS 2023, 39076

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 22.117,88 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2022 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 22.117,88 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten aus abgetretenem Recht um Ansprüche auf Rückzahlung von verlorenen Einsätzen nach der Teilnahme einer Spielerin an einem Online-Glücksspiel.
2
Die Beklagte ist eine im Handelsregister von Gibraltar eingetragene Gesellschaft, die eine Plattform für Online-Glücksspiele mit dem Namen, …“ unter den Adressen, …“ betreibt, die im streitgegenständlichen Zeitraum in Deutschland abrufbar waren. Dabei bot die Beklagte Casinospiele wie Roulette, Blackjack, Baccarat und Slots an. Sie verfügte über eine Glücksspielerlaubnis nach britischem Recht. Eine Lizenz nach deutschen Recht besaß sie nicht.
3
Im Zeitraum vom 08.02.2016 bis zum 01.01.2021 nutzte die Zeugin unter dem Spielernamen die von der Beklagten betriebene deutschsprachige Plattform^^J zur Teilnahme an dem von der Beklagten angebotenen Online-Glücksspiel.
4
Die Klägerin trägt vor, im genannten Zeitraum habe die Zeugin über PC oder Smartphone von ihrer Wohnung aus insgesamt 24.353,36 EUR im Rahmen der Teilnahme an den Glücksspielen eingezahlt und hierbei einen Betrag von 1.891,51 EUR an Gewinnen und Guthaben erzielt, sodass insgesamt ein Verlust von 22.117,88 EUR entstanden sei. Hinsichtlich der Spieleinsätze, der Einzahlungen und Auszahlungen im Einzelnen verweist die Klägerin auf die Anlage K 1. Auf diese wird Bezug genommen.
5
Die Klägerin behauptet, durch das Betreiben der Plattform habe die Beklagte den sachlich unzutreffenden Eindruck vermittelt, sie verfüge über die in Deutschland erforderliche Lizenz und biete ein legales Online-Glücksspiel an. Der Zeugin sei nicht bekannt gewesen, dass On line-Glücksspiel im Internet in Deutschland verboten sei. Die Abbuchungen seien über ein in Deutschland geführtes Girokonto bzw. Kreditkartenkonto der Spielerin erfolgt. Die Zeugin habe am 06.03.2022 sämtliche ihr zustehenden Bereicherungs- und Schadenersatzansprüche an die Klägerin abgetreten (Anlage K4).
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Die Klägerin meint, es bestehe ein Anspruch auf Rückzahlung in Höhe des dargestellten Verlustes aus Bereicherungsrecht gem. § 812 Abs. 1 i.V.m. § 818 Abs. 1 BGB sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV, da der Spielvertrag nach der zuletzt genannten Vorschrift i.V.m. § 134 BGB nichtig sei. Sie meint ferner, das Landgericht Regensburg sei international und örtlich zuständig.
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Die Klage ist am 22.08.2022 zugestellt worden.
8
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 22.117,88 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
9
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
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Die Beklagte trägt vor, die Spielerin habe das Glücksspiel vorsätzlich gespielt, also gewusst, dass das Online-Glücksspiel illegal sei.
11
Sie behauptet, der endgültige Vermögensverlust sei erst auf dem am Sitz der Beklagten geführten Account eingetreten. Durch die Einzahlung auf dem bei der Beklagten geführten Account der Zeugin habe keine Schädigung stattgefunden, sondern nur eine Vermögensverschiebung. Durch die Einzahlung habe die Zeugin noch nicht an einem Glücksspiel teilgenommen. Zudem habe die zeugin nach einer Einzahlung jederzeit die Möglichkeit gehabt, den eingezahlten Betrag auf ihr Bankkonto auszahlen zu lassen. Erst durch den Einsatz von Guthaben des Spielerkontos und den Verlust des Spieleinsatzes im konkreten Spiel sei erstmalig eine Vermögensminderung aufgetreten. Diese habe sich ausschließlich auf dem bei der Betreiberin geführten Spielerkonto und nicht auf dem Bankkonto in Deutschland realisiert.
12
Die Beklagte hält die Klage vor dem Landgericht Regensburg für unzulässig. Eine Zuständigkeit sei in Deutschland weder aus Art. 18 Abs. 1 EuGVVO, noch aus Art. 7 Nr. 1 a oder Art. 7 Nr. 2 EuGVVO gegeben.
13
Weiter meint die Beklagte, eine Aktivlegitimation der Klägerin sei nicht gegeben, da ihre Tätigkeit dem Rechtsdienstleistungsgesetz unterfalle und die Bedingungen, zu denen die Klägerin ihre Rechtsdienstleistungen in Deutschland anbiete, als missbräuchlich anzusehen seien. Die Klägerin trage nicht das wirtschaftliche Risiko der Forderungsgeltendmachung. Wegen des genaueren Vortrages hierzu wird auf die Klageerwiderung Bezug genommen.
14
Im Übrigen hält die Beklagte den klägerischen Vortrag hinsichtlich der Darstellung der Klageforderung für unsubstantiiert.
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Weiter ist die Beklagte der Ansicht, die Spielverträge seien nicht nach § 134 BGB nichtig; dies unterstellt würde aber der Kondiktionsausschluss gem. § 817 Satz 2 BGB greifen. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB bestehe nicht, da § 4 Abs. 4 GlüStV kein Schutzgesetz sei.
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Es ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeugin …|. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 20.10.2023 Bezug genommen.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze samt Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 30.06.2023 und 20.10.2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten aus abgetretenem Recht der Zeugin (§ 398 BGB) ein Schadenersatzanspruch in Höhe von 22.117,88 EUR aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV zu.
I.
19
Die Klage ist zulässig.
20
1. Die internationale Zuständigkeit folgt zwar nicht aus einer Bestimmung der EuGVVO. Für die nach dem 31.01.2020 eingeleiteten Verfahren ist das Vereinigte Königreich Drittstaat (Geimer, in: Zöller, ZPO, Art. 4 EuGVVO Rz 1). Hat der Beklagte im Vereinigten Königreich seinen Sitz, kommen gemäß Art. 6 Abs. 1 EuGVVO nur wenige Zuständigkeitsregeln der Verordnung zur Anwendung, nämlich solche, die universelle Geltung beanspruchen. Ansonsten gelten in Deutschland vorbehaltlich Art. 67 und Art. 71 die §§ 12 ff. ZPO. Gibraltar ist mit Großbritannien im Zuge des sog. „Brexits“ als Mitglied der Europäischen Union ausgeschieden.
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Eine internationale Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg folgt aber aus § 32 ZPO. Gemäß § 32 ZPO ist für eine Klage aus unerlaubter Handlung das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen wurde. Zur Begründung der Zuständigkeit ist es erforderlich, dass der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich das Vorliegen einer im Gerichtsbezirk begangenen unerlaubten Handlung ergibt (Schultzky, in: Zöller, ZPO, § 32 Rz 22). Die Klägerin hat nach dem Dafürhalten des Gerichts schlüssig Tatsachen dargelegt, die eine unerlaubte Handlung der Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV begründen. Der Erfolgsort ist selbst dann in Deutschland belegen, wenn die Spielerin zuvor Gelder auf ein in Gibraltar geführtes Spielerkonto überwiesen hat. Denn bis zum Einsatz dieser Gelder stand der Spielerin eine Forderung auf Herausgabe des Spielgeldes zu, wenn sie sich entschied, dieses nicht zum Spiel einzusetzen. Diese Forderung war dem Vermögen der Spielerin zuzurechnen, welches wiederum grundsätzlich am Wohnsitz der Spielerin belegen ist. Diese Forderung ist durch den Einsatz der Gelder, der zu Spielverlusten führte, verlustig gegangen (LG Köln Urt. v. 23.8.2023 – 16 O 195/22, BeckRS 2023, 21916).
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Die internationale Zuständigkeit erstreckt sich aber nur auf Ansprüche aus unerlaubten Handlungen, nicht auf bereicherungsrechtliche Ansprüche. Im besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung kann zwar – für Zwecke der örtlichen Zuständigkeit – auch über bereicherungsrechtliche Ansprüche entschieden werden. Ist der Klageantrag auf mehrere materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen gestützt, kommt dem zulässigerweise im besonderen Gerichtsstand angerufenen Gericht umfassende Kompetenz zur Entscheidung über den einheitlichen prozessualen Anspruch unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt „kraft Sachzusammenhangs“ zu (BGHZ 153, 173). Die umfassende Prüfungs- und Entscheidungskompetenz gilt aber nicht für die internationale Zuständigkeit (BGHZ 132, 114).
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2. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg ist gegeben, da im hiesigen Zuständigkeitsbereich der Erfüllungsort liegt.
24
Erfüllungsort im Sinne der genannten Vorschrift ist Regensburg. Der Erfüllungsort für bereicherungsrechtliche Ansprüche liegt nämlich dort, wo die (gestörte) Primärpflicht zu erfüllen gewesen wäre (vgl. Gottwald in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, Brüssel I a – VO Art. 7, RdNr. 35). Die Zeugin hat, wovon das Gericht nach ihrer Einvernahme über zeugt ist, als Spielerin ihr Geld von ihrem Wohnsitz eingezahlt, somit im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Regensburg.
II.
25
Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Spielbeträge in Höhe von 22.117,88 EUR zu.
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1. Auf den jeweiligen Spielvertrag ist gemäß Art. 4 Rom-I-Verordnung deutsches Recht anzuwenden, da nach dem schlüssigen Vortrag der Zeugin diese ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, sie von ihrer Wohnung in Regensburg aus über die deutschsprachige Internetdomain der Beklagten an den Online-Casinospielen teilgenommen hat und die Abbuchungen über ihr in Deutschland geführtes Girokonto erfolgten.
27
2. Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
28
Die unstreitig erfolgte Abtretung ist gern. § 398 BGB wirksam.
29
a) Ein Verstoß gegen § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz mit der Folge einer Unwirksamkeit der Abtretung gern. § 134 BGB liegt nicht vor. Das RDG ist nicht anwendbar, da die Klägerin weder Rechtsdienstleistungen nach § 2 Abs. 1 RDG, noch Inkassodienstleistungen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG erbringt. Wie sich aus dem Abtretungsvertrag (vgl. Anlage K 4) ergibt, liegt hier ein Forderungskauf vor. Die Klägerin übernimmt hiermit das Risiko des Ausfalls der Forderungen und macht die Forderungen im eigenen Namen gerichtlich geltend.
30
Auch wenn in dieser Erklärung eine Verlusthöhe von 23.638,84 Euro unter der Überschrift „Vertragsdaten“ angegeben ist, wird durch Ziffer 1 der Abtretungserklärung deutlich, dass sich die Abtretungserklärung auf sämtliche Schadenersatzansprüche erstreckt, die der Höhe nach gerade nicht konkretisiert sind.
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b) Die Abtretung ist nicht i.S.v. § 138 BGB sittenwidrig und damit unwirksam. Eine Knebelung oder sonst untragbare Benachteiligung des Kunden, hier also der Zeugin …fand nicht statt. Es steht jedem Kunden frei, die Ansprüche selbst auf eigenes Risiko durchzusetzen oder einen anderen Preis für den Verkauf der Forderung auszuhandeln. Letztlich ist die vorliegende Vertragsgestaltung von der Vertragsfreiheit gedeckt.
32
Vorliegend ist im Besonderen zu berücksichtigen, dass den Angaben der Zeugin ein übergeordnetes Ziel zu entnehmen ist, nämlich endgültig einen Schlussstrich unter die zwischenzeitlich eingetretene Spielsucht zu setzen. Hiermit unvereinbar wäre es gewesen, in eigener Verantwortung einen langwierigen Gerichtsprozess zu betreiben, in welchem die getätigten Spieleinsätze nochmals ausführlich thematisiert werden müssten. Mit diesem unbedingten Willen einer endgültigen Distanzierung von der eigenen Spielsucht ist es vereinbar, die Forderung zu einem Preis zu verkaufen, welcher erheblich von den selbst getätigten Spieleinsätzen abweicht. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu den aufgeworfenen Problemen nicht existiert und zum Zeitpunkt der Abtretung auch noch keine klare Tendenz hinsichtlich der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte festzustellen war. Es bestand damit das Risiko für die Spielerin, nicht einmal den geringsten Teil der eingezahlten Gelder zurückzuerhalten. Die Beklagte selbst machte ja in umfangreichen Schriftsätzen deutlich, dass sie die Anspruchsvoraussetzungen nicht für gegeben hält.
33
3. Der Vortrag der Klagepartei zu den von der Zeugin getätigten Einsätzen inklusive Gewinnen und Guthaben ist ausreichend substantiiert. Die Ein- und Auszahlungen ergeben sich im Einzelnen aus der Anlage K 1. Ausnahmsweise war es ausreichend, in der Klageschrift auf diese Anlage Bezug zu nehmen. Es wäre eine bloße Förmelei, müsste diese umfangreiche Aufstellung in den Schriftsatz integriert werden. Die Aufstellung ist im Übrigen aus sich selbst heraus verständlich und stammt von der Beklagten selbst. Unter Verrechnung der Einsätze mit den Gewinnen/Guthaben ergibt sich der streitgegenständliche Betrag von 22.117,88 EUR. Dass einzelne Umsätze nicht stattgefunden hätten, wird von der beklagten Partei nicht substantiiert vorgetragen.
34
4. Die Beklagte hat gegen § 4 Abs. 4 GlüStV verstoßen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 – I-19 U 51/22).
35
§ 4 Abs. 4, Abs. 1 GlüStV ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Rechtsnorm ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes oder eines bestimmten Rechtsinteresses zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt, Zweck und Entstehungsgeschichte des Gesetzes an, also darauf, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben. Andererseits soll der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen nicht ausufern. Es reicht deshalb nicht aus, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen (vgl. nur BGH, Urteil vom 13.03.2018 – VI ZR 143/17, beck-online; BGH, Urteil vom 22.06.2010 – VI ZR 212/09, beck-online; BGH, Urteil vom 13.03.2018 – II ZR 158/16, beck-online).
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Ein gesetzliches Gebot oder Verbot ist als Schutzgesetz nur geeignet, soweit das geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und der Kreis der geschützten Personen hinreichend klargestellt und bestimmt sind (BGH, Urteil vom 23.07.2019 – VI ZR 307/18, juris).
37
Diesen Anforderungen genügt § 4 Abs. 4 GlüStV. Dadurch, dass die Norm ein Verbot der Veranstaltung von Glückspielen im Internet vorsieht, dient sie gerade auch den in § 1 GlüStV aufgeführten Zwecken, zu denen die Verhinderung bzw. Bekämpfung der Glücksspiel- und Wettsucht, dem Spieler- und Jugendschutz und dem Schutz des Spielers vor betrügerischen Machenschaften. Zwar dient die Norm hiernach vor allem auch Allgemeininteressen; gerade auch der Schutz des einzelnen Spielers vor den genannten Gefahren des Glücksspiels liegt hiernach jedoch auch im Aufgabenbereich der Norm (OLG Köln, a.a.O.).
38
Die Beklagte handelte vorsätzlich. Ihr war bekannt, dass sie keine deutsche Lizenz zum Betrieb des Glücksspiels hatte.
39
Durch die Verletzung des Schutzgesetzes ist der Klägerin auch ein Schaden in Höhe des dargestellten Verlustes entstanden. Insofern kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, die Spielerin habe durch die Hingabe des Geldes eine Gewinnchance erworben; denn aufgrund der Nichtigkeit des Spielvertrages hätte die Klägerin im Fall eines Gewinnes keinen einklagbaren Einspruch erworben.
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Auch ist der Anspruch der Klägerin nicht nach § 254 BGB ausgeschlossen oder beschränkt. Ein Verschulden der Spielerin in eigenen Angelegenheiten durch die freiwillige Hingabe des Geldes zu Zwecken des Online-Glücksspiels anzunehmen, liefe dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 GlüStV zuwider und würde auch dessen Charakter als Schutzgesetz konterkarieren.
41
Der Rückzahlungsanspruch ist vorliegend auch nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit gemäß § 242 BGB ausgeschlossen.
42
Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagten kann schon aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns nicht angenommen werden. Vor diesem Hintergrund erscheinen ihre Interessen auch nicht als vorrangig schutzwürdig i.S.v. § 242 BGB. Indem die Beklagte einen ihr ohne weiteres möglichen Hinweis unterlassen hat, dass die Online-Glücksspiele in Deutschland nicht zulässig waren, ist sie zum einen bewusst die Gefahr eingegangen, Gelder ohne Rechtsgrund einzunehmen. Dass das Behalten von Geldern, die die Beklagte durch die rechtswidrige Veranstaltung von Glücksspiel eingenommen hat, besonders schutzwürdig wäre, ist nicht ersichtlich. Zum anderen hat die Spielerin für die von ihr geleisteten Spieleinsätze aber auch keine einklagbaren Forderungen erhalten, so dass es nicht treuwidrig erscheint, die Spieleinsätze zurückzufordern (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 03.12.2021 – 8 W 20/21, nicht veröffentlicht).
43
5. Der geltend gemachte Zinsanspruch besteht gem. §§ 291, 288 BGB seit dem 22.08.2022, da die Klage zu diesem Zeitpunkt zugestellt worden ist.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.