Titel:
Dublin-Verfahren (Schweden)
Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, § 34 Abs. 1 S. 1
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2, Art. 18 Abs. 1 lit. d
Leitsatz:
Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass Personen, die im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Schweden überstellt werden, auf Grund dort vorhandener systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende generell eine menschenunwürdige oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK droht. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asyl, Afghanistan, Dublin-Verfahren, Abschiebungsanordnung nach Schweden, keine systemischen Schwachstellen im schwedischen Asylverfahren, Bezugnahme auf Bescheid des Bundesamts, Asylverfahren, Schweden, Abschiebungsanordnung, systemische Schwachstellen, Kettenabschiebung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 39043
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig und die Anordnung der Rücküberstellung nach Schweden.
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Der Kläger ist nach den Feststellungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden Bundesamt) eigenen Angaben zufolge afghanischer Staatsangehöriger vom Volke der Hazara, christlichen Glaubens, reiste am 13. Juni 2023 in die Bundesrepublik Deutschland ein und äußerte ein Asylgesuch, von dem das Bundesamt am 14. Juni 2023 Kenntnis erlangte. Am 19. Juli 2023 stellte der Kläger einen förmlichen Asylantrag.
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Nach den Erkenntnissen des Bundesamts lagen aufgrund des Fingerabdruckdatenabgleichs Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) vor. Das Bundesamt richtete am 28. Juli 2023 ein Übernahmeersuchen an Schweden. Die schwedischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 31. Juli 2023 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt gab der Kläger im Wesentlichen an: Er habe sich vom 31. August 2015 bis 13. Juni 2023 in Schweden aufgehalten und dort einen Asylantrag gestellt. Er habe eine Ablehnung bekommen. Den Bescheid habe er im Oktober oder November 2022 erhalten. Dieser befinde sich noch in Schweden. In Schweden sei er zuerst in einem Camp, danach bei einer Familie und später wieder in einem Camp untergebracht gewesen. Er habe in Schweden die Schule bis zur 9. Klasse besucht, danach Wirtschaft studiert und das Studium abgeschlossen. Er habe als Ferienjobs in einem Krankenhaus und in einem Supermarkt gearbeitet. Schweden habe er wieder verlassen, weil er eine Ablehnung bzw. einen Abschiebebescheid bekommen habe. Wegen der Lage in Afghanistan sei er nicht abgeschoben worden. Er habe lange in Ungewissheit gelebt. Es habe die Gefahr bestanden, dass er in ein „Abschiebungscamp“ gekommen wäre. Die Frage nach Beschwerden, Erkrankungen oder Gebrechen etc. verneinte der Kläger. Er habe hier in Deutschland niemanden.
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Mit Bescheid vom 22. August 2023 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Ziffer 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2). Die Abschiebung des Klägers nach Schweden wurde angeordnet (Ziffer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 22 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Auf die Begründung des Bescheids wird verwiesen.
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Am 28. August 2023 erhob der Kläger Klage und beantragt zuletzt (sinngemäß):
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Den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22. August 2023 aufzuheben und hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
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In Schweden habe er mehrfach eine Ablehnung zu seinem Asylantrag bekommen, zuletzt 2023, und auch eine Abschiebeandrohung erhalten. Ein Folgeantrag sei nicht mehr möglich. Schweden habe aufgrund technischer Gegebenheiten bemerkt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan nicht möglich sei, ihm aber keinen Schutzstatus, nicht einmal ein Abschiebeverbot, gegeben bzw. ihn aufgefordert, das Land zu verlassen. Nun wolle ihn das Bundesamt nach Schweden zurücksenden, obwohl er dort nicht bleiben dürfe und von Abschiebung in seine Heimat Afghanistan bedroht wäre. Diese Kettenabschiebung würde zu einer Gefährdung seiner Person führen. Er wolle ein Asylverfahren in Deutschland durchlaufen.
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Auf die Klagebegründung samt den vorgelegten Unterlagen wird Bezug genommen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte legte die Behördenakte vor und bezog sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.
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Mit Beschluss vom 29. August 2023 wurde der Eilantrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt (VG Augsburg, B.v. 29.8.2023 – Au 8 S 23.50328).
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Mit Schreiben vom 28. August 2023, eingegangen bei Gericht am 21. September 2023, nahm der Kläger Stellung und legte in Ergänzung zur Begründung seiner Klage, ein nach eigenen Angaben von seiner ehemaligen Anwältin aus Schweden stammendes Schreiben vor, worin im Wesentlichen ausgeführt wird: Der Kläger sei rechtskräftig am 27. Juli 2020 ausgewiesen worden. Ein Wiederaufnahmeverfahren aufgrund seiner Konvertierung zum Christentum sei am 4. Juni 2021 im Hinblick auf seinen Aufenthalt in Schweden gewährt worden. Jedoch sei sein Antrag auf eine Aufenthaltsgestattung am 26. Juli 2022 letztinstanzlich abgelehnt worden. Der Kläger habe ausführliche Angaben zu seinem christlichen Glauben gemacht und sei in seiner Überzeugung glaubwürdig. Die schwedischen Behörden hätten jedoch nicht akzeptiert, dass er den Islam verlassen habe und Christ geworden sei. Schweden sei vom UN-Ausschuss für Folter in anderen Fällen kritisiert worden, da die christliche Konvertierung nicht ausreichend geprüft und die Abschiebung einer Person nach Afghanistan angeordnet worden sei, die ihre Konvertierung nicht glaubhaft gemacht habe. Sollte der Kläger nach Schweden weitergeleitet werden, so würde er nach Afghanistan abgeschoben werden.
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Auf die Stellungnahme (samt Anlagen) wird im Einzelnen verwiesen.
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Mit Beschluss vom 8. November 2023 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (VG Augsburg, B.v. 8.11.2023 – Au 8 K 23.50327).
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Mit Beschluss vom 30. November 2023 wurde vom Verfahren Au 8 K 23.50327 der von der teilweisen Klagerücknahme erfasste Verfahrensteil als eigenständiges Klageverfahren abgetrennt, unter dem Aktenzeichen Au 8 K 23.50442 fortgeführt sowie eingestellt (VG Augsburg, B.v. 30.11.2023 – Au 8 K 23.50327; Au 8 K 23.50442).
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Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in Klage- und Eilverfahren sowie der beigezogenen Behördenakten und des Protokolls der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2023 über die Verwaltungsstreitsache verhandeln und entscheiden, weil die Parteien mit der Ladung auf diese Folge ihres Ausbleibens hingewiesen worden sind, § 102 Abs. 2 VwGO.
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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Beklagte hat den Asylantrag des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland zu Recht als unzulässig behandelt. Es wird in vollem Umfang Bezug genommen auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheids (§ 77 Abs. 3 AsylG). Lediglich ergänzend wird insoweit ausgeführt:
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1. Die Klage ist – jedenfalls bei entsprechender Auslegung (§ 88 VwGO) – zulässig.
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Unzulässig wäre ein Klageantrag (gewesen), der über die Aufhebung der Ziffer 1 des Bescheids des Bundesamts hinaus (hilfsweise) erstrebt, die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen bzw. ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen bzw. ihm den subsidiären Schutzstatus zu gewähren bzw. nationale Abschiebungshindernisse hinsichtlich Afghanistans festzustellen.
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Die Anfechtungsklage ist grundsätzlich die allein statthafte Klageart gegen die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des hiesigen Bescheids. Die Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig kann nur mit der Anfechtungsklage angefochten werden. Nach der gerichtlichen Aufhebung einer Unzulässigkeitsentscheidung ist das Bundesamt automatisch zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet. Wird die Unzulässigkeitsentscheidung aufgehoben ist die Feststellung zum Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten und die Abschiebungsanordnung aufzuheben, da diese Entscheidung dann jedenfalls verfrüht ergangen ist (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16; U.v. 20.5.2020 – 1 C 34/19; BayVGH, B.v. 8.3.2019 – 10 B 18.50031 – alle juris; vgl. auch BeckOK Ausländerrecht, 38. Edition, 1.1.2023, § 34a AsylG Rn. 26 m.w.N.). Für ein etwaiges (hilfsweises) Begehren, die Beklagte dahingehend zu verpflichten, den Kläger nicht nach Schweden zurückzuführen, würde es unter Berücksichtigung des Vorstehenden an einem Rechtschutzinteresse fehlen.
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2. Soweit Gegenstand der Klage die Aufhebung der Ziffern 1, 3 und 4 des streitgegenständlichen Bescheids ist, ist die Klage als Anfechtungsklage zulässig (§ 113 Abs. 1 VwGO). Soweit mit der Klage – bei sachgerechter Auslegung – auch erstrebt wird, die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 2 des Bescheids zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Schwedens festzustellen, ist eine hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage zulässig, da es sich um einen eigenen Streitgegenstand handelt (vgl. BayVGH, B.v. 8.3.2019 – 10 B 18.50031 – juris Rn. 19).
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3. Der Asylantrag des Klägers ist unzulässig. Es wird hierzu in vollem Umfang Bezug genommen auf die Begründung des angegriffenen Bescheids (§ 77 Abs. 3 AsylG). Nur ergänzend wird ausgeführt:
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Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. Nr. L 180 S. 31 – Dublin III-VO)] für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
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a) Vorliegend ist davon auszugehen, dass für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers nach Maßgabe der Dublin III-VO nicht die Beklagte, sondern Schweden zuständig ist (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG; zum Vorrang gegenüber § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG etwa BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 18). Die Zuständigkeit Schwedens für die Bearbeitung des Antrags auf internationalen Schutz ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO. Die schwedischen Behörden haben auch mit Schreiben vom 31. Juli 2023 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags ausdrücklich nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO erklärt. Die Überstellungsfrist ist noch nicht abgelaufen (vgl. Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO).
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b) Gründe, von einer Überstellung nach Schweden gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO abzusehen, sind nicht ersichtlich.
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Dies würde voraussetzen, dass es sich als unmöglich erweist, den Kläger an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedsstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedsstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) mit sich bringen. Den nationalen Gerichten obliegt die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedsstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für einen Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedsstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH vom 21.12.2011 – C 493/10 – juris). An die Feststellung solcher systemischen Schwachstellen sind hohe Anforderungen zu stellen. Von derartigen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im betreffenden Mitgliedsstaat regelhaft so defizitär sind, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6/14 – NVwZ 2014, 1039).
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Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den jeweiligen Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris).
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Schweden ist als Mitgliedstaat der Europäischen Union an die europäischen Grundrechte (Art. 51 Abs. 1 GRCh) sowie an die EMRK gebunden. Damit spricht zunächst die durch das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens begründete Vermutung für die Zulässigkeit der Abschiebung in einen solchen Staat.
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Entsprechend vorstehender Grundsätze sind unter Berücksichtigung aller Umstände des hiesigen Einzelfalls zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) bei Würdigung der dem Gericht vorliegenden aktuellen Auskunftslage (Asylum Information Database (AIDA), Country Report: Sweden, 2022 Update bzw. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Schweden, 20.12.2021) keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Kläger bei Überstellung nach Schweden wegen dort bestehender systemischer Schwachstellen im Asylverfahren respektive in den Aufnahmebedingungen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh drohen würde. Das Bundesamt hat in den Gründen seines Bescheides sehr ausführlich dargelegt und mit zahlreichen Quellen untermauert, aus welchen Gründen es davon ausgeht, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen auch für im Dublin-Verfahren zurückkehrende Asylbewerber in Schweden keine systemischen Mängel aufweist und diese dort nicht Gefahr laufen, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Das Gericht nimmt zur Begründung seines Urteils auf diese Ausführungen des Bundesamts, welche sich in vertiefter Weise mit dem Nichtvorliegen systemischer Mängel im schwedischen Asylverfahren bzw. dem Zugang zum Asylverfahren, unter anderem zu der Frage eines Folgeantrags sowie den gegebenen Rechtsschutzmöglichkeiten in Schweden, auseinandersetzen, und ergänzend auf die sehr sorgfältige Auswertung der aktuellen Erkenntnismittellage in der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, die keine systemischen Mängel hinsichtlich Schwedens anerkennt (statt vieler nur VG Minden, B.v. 29.10.2021 – 12 L 683/21.A; VG Ansbach, B.v. 10.3.2021 – AN 14 S 21.50032; VG München, B.v. 8.2.2021 – M 30 S 21.50078 – alle juris) im Hinblick auf den Kläger im vorliegenden Verfahren Bezug und macht sich diese in vollem Umfang zu eigen. Auch aus dem Klage- und Antragsvorbringen ergeben sich keine Umstände, welche eine hiervon abweichende Bewertung rechtfertigen könnten. Die persönliche Situation des Klägers führt zu keiner anderen Beurteilung.
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Mit dem (sinngemäßen) Vortrag, Schweden gewähre ihm keinen Schutz vor einer Abschiebung nach Afghanistan, kann der Kläger nicht durchdringen. Bezüglich etwaiger Einwände gegen die Ablehnung seines Asylgesuchs in Schweden ist er darauf zu verweisen, in Schweden Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Sollte er dies versäumt haben, führt dies nicht dazu, dass ihm die Möglichkeit zu eröffnen wäre, in Deutschland ein (weiteres) Asylverfahren durchzuführen. Auf Gründe, die aus seiner Sicht der Abschiebung nach Afghanistan entgegenstehen (z.B. Konvertierung zum Christentum), kommt es für das hiesige Verfahren, bei dem es allein um die Abschiebungsanordnung nach Schweden geht, nicht an. Anhaltspunkte dafür, dass Schweden gegen das sog. Non-refoulement-Prinzip verstoßen würde, bestehen nicht (vgl. hierzu Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Schweden, 20.12.2021, S. 9): Dem Gericht liegen keine Erkenntnisse zu Kettenabschiebungen oder Abschiebungen ohne inhaltliche Prüfung aus Schweden vor. Allein die Möglichkeit einer Abschiebung nach Afghanistan nach Durchführung eines internationalen sowie europäischen Vorgaben entsprechenden Asylverfahrens in Schweden begründet keinen Verstoß gegen das Non-refoulement-Prinzip. Die grundsätzliche Möglichkeit der Abschiebung eines Asylbewerbers in sein Herkunftsland (Afghanistan), u.U. nach der vorherigen Überstellung in den gemäß der Dublin III-VO für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat, ist dem europäischen Asylsystem immanent (VG Berlin, B.v. 3.5.2021 – 35 L 57/21 A – juris Rn. 16 f.; vgl. auch VG Ansbach, B.v. 10.3.2021 – AN 14 S 21.50018 – BeckRS 2021, 4685 Rn. 38). Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO regelt, dass grundsätzlich lediglich ein Mitgliedstaat für die Entscheidung über den Asylantrag zuständig ist. Durch Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO wird hierbei nicht die Möglichkeit geschaffen, inzident zu überprüfen, ob die im Zielstaat der Überstellung getroffene Entscheidung über den Asylantrag den eigenen nationalen Voraussetzungen entsprechen würde, sodass quasi in eine hypothetische materielle Prüfung einzusteigen wäre. Es ist nicht Aufgabe der deutschen Verwaltungsgerichte, insoweit im Dublin-System Entscheidungen schwedischer Behörden/Gerichte auf ihre Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen. Schweden hat ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Schweden, 20.12.2021, S. 6).
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Hiervon unabhängig wird in der überwiegenden Rechtsprechung auch hinsichtlich Dublin-Rückkehrern, welche in Schweden das Asylverfahren durchlaufen und eine (nunmehr rechtskräftige) negative Entscheidung erhalten haben, davon ausgegangen, dass in Schweden keine systemischen Mängel bestehen (statt vieler VG München, B.v. 8.2.2021 – M 30 S 21.50078 – juris Rn. 17 f. m.w.N.). Dem schließt sich der Einzelrichter an, nimmt auf die Begründung im Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 8. Februar 2021 (VG München, B.v. 8.2.2021, a.a.O.) entsprechend Bezug und macht sie sich in vollem Umfang zu eigen.
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c) Individuelle Umstände, die im Falle des Klägers dennoch gegen eine Überstellung sprächen und die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts (Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) notwendig machten, sind – wie im verfahrensgegenständlichen Bescheid zutreffend ausgeführt, worauf entsprechend Bezug genommen wird – nicht ersichtlich.
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Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei einer Rückführung nach Schweden erhebliche Gefahren für Leib und Leben befürchten müssten, welche einen Verstoß gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen ließen, sind nach den obigen Ausführungen und unter Bezugnahme auf den angegriffenen Bescheid ebenfalls nicht ersichtlich. Gesundheitliche Beeinträchtigungen, welche aufgrund des medizinischen Standards in Schweden nicht in ausreichender Form behandelt werden könnten, sind vorliegend nicht ersichtlich. Auch für abgelehnte Asylbewerber sind zwingende medizinische Behandlungen in Schweden ebenfalls gewährleistet (im Einzelnen AIDA, a.a.O. S. 86).
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4. Die Abschiebung nach Schweden kann auch durchgeführt werden; sie ist rechtlich bzw. tatsächlich möglich. Die Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ist ebenfalls rechtmäßig. Angesichts dessen ist auch der – bei sachgerechter Auslegung (s.o.) – insoweit gestellte Hilfsantrag unbegründet.
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Der Kläger kann sich auf zielstaatsbezogene – bezogen auf Schweden – oder inlandsbezogene Abschiebungsverbote, die in Bezug auf die Abschiebungsanordnung gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht werden können (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2015 – 11 ZB 15.50050 – juris Rn. 4), nicht berufen.
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Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Schwedens sind vorliegend unter Berücksichtigung des Vorstehenden und bezugnehmend auf den angegriffenen Bescheid nicht ersichtlich. Insbesondere ein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) ist hinsichtlich Schwedens zu verneinen. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die Reisefähigkeit des Klägers eingeschränkt wäre. Abschiebungsverbote bezogen auf Afghanistan sind – wie bereits ausgeführt – im Dublin-Verfahren nicht zu prüfen (vgl. allgemein BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 16. Ed., Stand: 15.07.2023, § 31 Rn. 53 f. m.w.N.).
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5. Auch die Anordnung sowie Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 bis 3 AufenthG erweist sich als rechtmäßig.
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Nach Ansicht des Gerichts ist die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 22 Monate angemessen (§ 11 Abs. 2 AufenthG). Die Befristung hält sich innerhalb des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffneten gesetzlichen Rahmens von bis zu fünf Jahren. Das nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eröffnete Ermessen wurde erkannt und ermessensfehlerfrei ausgeübt.
41
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.