Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 26.10.2023 – Au 5 K 22.1431
Titel:

Angebot aktiver Sexualbegleitung für Menschen mit Behinderung kein Prostitutionsgewerbe

Normenketten:
VwGO § 43
ProstSchG § 2 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 7, § 12 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein ambulanter Pflege- und Assistenzdienst in Form einer gGmbH, der den von ihm betreuten Personen in einer Mietwohnanlage eine aktive Sexualbegleitung zur Verfügung stellen will, ist nicht an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis etwaiger "Prostitution" befasst. (Rn. 27 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Vermitteln von Leistungen einer entgeltlichen aktiven Sexualbegleitung durch den Pflege- und Assistenzdienst in den Appartements der von den Menschen mit Behinderung bewohnten Mietwohnanlage stellt für die Klägerin keinen Betrieb eines Prostitutionsgewerbes und keine Prostitutionsvermittlung dar. (Rn. 39 und 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Feststellungsbegehren einer gGmbH (ambulanter Pflege- und Assistenzdienst), aktive entgeltliche Sexualbegleitung für Menschen mit Behinderung, die von der Klägerin in einer Mietwohnanlage in ... betreut werden, unzulässige Haupt- und Hilfsanträge, teilweise feststellungsfähiges Rechtsverhältnis verneint, Feststellungsinteresse verneint, aktive Sexualbegleitung, Sexualassistenz, Feststellungsklage, Rechtsverhältnis, Prostitution, Pflegedienst, Wohnanlage
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 13.05.2024 – 22 ZB 24.17
Fundstelle:
BeckRS 2023, 39036

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt im Rahmen einer Feststellungsklage die Klärung von Rechtsverhältnissen hinsichtlich entgeltlicher aktiver Sexualbegleitung.
2
Die Klägerin ist ein Tochterunternehmen des Trägers ...-...-Haus e.V., der seinerseits ein Kompetenzzentrum für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderungen für rund 300 Erwachsene, Kinder und Jugendliche betreibt. Als ambulanter Pflege- und Assistenzdienst in Form einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH) betreut und pflegt die Klägerin Personen mit Körperbehinderung, die in der Mietwohnanlage „... – ...“ in ... in 12 von 24 Appartements leben. Die Betreuung erfolgt zum einen auf der Grundlage des Vertrags nach § 89 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) mit den Pflegekassen und dem Sozialhilfeträger über Leistungen der häuslichen Pflegehilfe nach § 36 SGB XI und zum anderen auf der Grundlage einer Vereinbarung mit dem Bezirk ... nach §§ 123, 125 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) über behinderungsspezifische Assistenzleistungen über viele Stunden täglich bis hin zu 24 Stunden. Zwischen den betreuten Personen und der Klägerin bestehen Pflege- und Betreuungsverträge. Vermieter ist der Träger-Verein, der zudem auch pädagogische Fachleistungen im Umfang von zwei bis vier Stunden/Woche im Sinn einer qualifizierten Assistenz gegenüber den betreuten Personen erbringt. In den Appartements der Wohnanlage leben ausschließlich erwachsene Personen, teils mit intensiven Körper- und Mehrfachbehinderungen. Ihre körperlichen Einschränkungen führen nach den klägerischen Ausführungen dazu, dass die Bewohner motorisch nicht in der Lage sind, sexuell aktiv zu sein. Dies gelte auch für Selbstbefriedigung.
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Die Wohnanlage befindet sich räumlich im Geltungsbereich der Verordnung der Regierung von ... über das Verbot der Prostitution in der Stadt ... vom 10. November 1975 (ProstV Stadt ...).
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Die Klägerin beabsichtigt, den betreuten Personen auf deren Wunsch hin entsprechende Dienstleistungen einer sog. aktiven Sexualbegleitung, bei der der jeweilige Dienstleister bei seiner Hilfestellung in die sexuelle Handlung unmittelbar einbezogen wird, zu vermitteln und deren Inanspruchnahme in den Appartements zu unterstützen. Um Sexualität und hier gerade die eigene Körperlichkeit erleben zu können, seien die Personen aufgrund ihrer Behinderungen weitgehend auf andere Personen angewiesen. Dies gelte auch für die Selbstbefriedigung. Die Klägerin habe sich konzeptionell selbst verpflichtet, den betreuten Personen Teilhabe an Sexualität in einem weitgefassten Verständnis als eine zentrale Komponente von Selbstbestimmung, Lebensenergie und Lebensqualität zugänglich zu machen und zu ermöglichen. Es gehe um das Erleben von Kontakt mit dem eigenen Körper, um ein „Berührt-werden-können“. Soweit kein Beziehungspartner oder keine Beziehungspartnerin bzw. insoweit keine anderweitig persönlichen Bezugspersonen existieren würden, könnten die betreuten Personen ihre sexuellen Bedürfnisse nur durch die Inanspruchnahme entsprechender Dienstleistungen erfüllen. Den Einsatz angestellter Mitarbeitenden aus der Betreuung schließe die Klägerin jedoch konzeptionell und pädagogisch grundsätzlich aus. Insoweit würden die betreuten Personen auf Leistungen einer externen „Sexualassistenz“ bzw. „aktiven Sexualbegleitung“ verwiesen.
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Mit Schreiben vom 14. Juni 2019 beantragte der Träger-Verein der Klägerin (Kläger im Verfahren Au 5 K 22.1430) bei der Regierung von ... die Genehmigung einer Ausnahme nach § 1 Satz 2 der bayerischen Verordnung über das Verbot der Prostitution (ProstV). Mit Schreiben vom 23. August 2019 (Gz. ...) teilte die Regierung mit, dem Antragsbegehren nicht nachkommen zu wollen. Nach coronabedingter Unterbrechung und nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage, auch unter Einschaltung des Bayerischen Staatsministeriums des ... (StMI), führte die Regierung von ... mit Schreiben vom 30. Juli 2021 (Gz. ...) aus, an der ablehnenden Haltung werde festgehalten. Bei der gewünschten aktiven Sexualbegleitung durch externe Sexualbegleiter handele es sich um Prostitution. Sexualbegleitung und aktive Sexualassistenz fielen in den Geltungsbereich des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) und des Prostitutionsgesetzes (ProstG). Für die rechtliche Definition der Vornahme sexueller Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt sei es unbeachtlich, ob sich das kommerzielle Angebot (nur) an einen bestimmten Kundenkreis (z.B. Menschen mit Behinderung) richte oder die Dienstleistenden über eine bestimmte Ausbildung oder Qualifikation verfügten. Eine klare Unterscheidung zwischen Sexualbegleitung und Prostitution sei nicht möglich. Der maßgebliche Kern der Sexualbegleitung sei die Vornahme sexueller Handlungen, Geschlechtsverkehr inbegriffen, gegen Entgelt. Dass es nicht in allen Fällen zum Geschlechtsverkehr komme, schade insoweit nicht. Eine sinnvolle Herausnahme der Sexualbegleitung aus dem Prostitutionsbegriff sei nach der gegebenen Rechtslage nicht möglich. Auch scheide nach der Gesetzeslage eine Differenzierung zwischen „erwünschter“ Prostitution (Sexualbegleitung) und „unerwünschter“ („normaler“) Prostitution aus. Zwar könnten nach § 1 Satz 2 ProstV Regierungen durch Rechtsverordnung in besonders begründeten Fällen einzelne Gemeinden mit deren Zustimmung ganz oder teilweise von dem Verbot der Prostitution ausnehmen. Aufgrund des Wortlauts „besonders begründete Fälle“ sei von einem Verbots-Grundsatz mit Ausnahmemöglichkeit auszugehen. Die Regelung des § 1 Satz 2 ProstV stelle darauf ab, im Einzelfall besondere örtliche Verhältnisse in einer Gemeinde berücksichtigen zu können. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Auch dürften nach dem klaren Wortlaut nur „einzelne Gemeinden“ von dem Verbot ausgenommen werden. Es solle damit eine flächendeckende Zulassung der Prostitution über die Ausnahmeregelung ausgeschlossen werden. Vorliegend würden sich aber andere vergleichbare Fälle mit entsprechenden Anträgen nicht nur aus Behinderteneinrichtungen, sondern auch aus Alten-Pflegeheimen, erwarten lassen. Soweit ersichtlich, existiere in Bayern nur eine einzige Ausnahmeregelung, nämlich die Rechtsverordnung der Regierung von ... über eine Ausnahme vom Verbot der Prostitution in der Stadt, die eine Fläche von 11 ha erfasse. Schließlich sei auch das Instrument der Verordnung prinzipiell nicht für die Bewältigung einer Vielzahl von Fällen gedacht bzw. geeignet. Der Anspruch auf Ausnahmeregelung könne auch nicht auf die Grundrechte des Grundgesetzes gestützt werden. Ohne dass es noch darauf ankäme, bestehe nach § 1 Satz 2 ProstV auch kein Rechtsanspruch auf Erlass einer Ausnahme, sondern die Regierungen entschieden hierüber in pflichtgemäßem Ermessen. Ein Rechtsanspruch auf Erlass einer Ausnahme sei weder aus dem Grundgesetz, noch aus der Allgemeinerklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948, noch aus der UN-Behindertenrechtskonvention herleitbar. Auch richte sich das Pflege- und Wohnqualitätsgesetz (PfleWoqG) klar an die Träger und Leiter einer stationären Einrichtung. Eine Bindungswirkung für die Regierungen als Verordnungsgeber bestehe nicht. Im Ergebnis bestünde damit kein Anspruch auf Erlass einer Ausnahme nach § 1 Satz 2 der Prostitutionsverordnung.
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Mit Schreiben vom 5. Juli 2022, eingegangen am selben Tag, begehrt die Klägerin im Rahmen ihrer Klage,
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festzustellen, dass eine entgeltliche aktive Sexualbegleitung der von der Klägerin betreuten Personen in der Mietwohnanlage „... – ...“,,, keine Prostitution im Sinne der gesetzlichen Vorschriften des Prostituiertenschutzgesetzes, des Prostitutionsgesetzes und der Verordnung über das Verbot der Prostitution in der Stadt ... vom 10. November 1975 (Sperrbezirke) ist,
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hilfsweise,
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festzustellen, dass die Klägerin kein Prostitutionsgewerbe im Sinne des Prostituiertenschutzgesetzes, des Prostitutionsgesetzes und der Verordnung über das Verbot der Prostitution in der Stadt ... vom 10. November 1975 in der jeweiligen Fassung betreibt, wenn sie den von ihr betreuten Personen Leistungen einer entgeltlichen aktiven Sexualbegleitung vermittelt und/oder deren Erbringung in den Appartements der von ihr betreuten Personen unterstützt.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, der Freistaat Bayern sei korrekter Klagegegner, da für den Vollzug des Prostituiertenschutzgesetzes die Kreisverwaltungsbehörden im Rahmen des übertragenen Wirkungskreises zuständig seien. Die Klage sei als Feststellungsklage nach § 43 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig, da die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werde. Dies setzte voraus, dass zwischen den Beteiligten des Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit bestehe, aus dem heraus sich eine Seite berühme, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Vorliegend berühme sich der Beklagte eines Verbots der beabsichtigten Sexualbegleitung. Die Klägerin würde sich danach im Falle gleichwohl erfolgter (durch sie vermittelte) und in ihren Räumen zugelassener Sexualbegleitung nach § 33 ProstSchG nach Auffassung des Beklagten ordnungswidrig verhalten. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis liege mithin vor, denn der Beklagte verlange ein Unterlassen in Folge des von ihm behaupteten Verbots. Das notwendige Feststellungsinteresse sei gegeben, da es der Klägerin nicht zuzumuten sei, die befürchteten Maßnahmen der Verwaltung abzuwarten und auf den Rechtsschutz gegen etwaige Untersagungsverfügungen oder Bußgelder verwiesen zu werden. Bußgeldverfahren gegen die Klägerin hätten zum einen nachteilige finanzielle Folgen und zum anderen würden diese möglicherweise die Zuverlässigkeit der Klägerin mit Blick auf die Vertragspartnerstellung nach den §§ 123 ff. SGB IX gegenüber dem Bezirk ... gefährden. Die Feststellungsklage sei auch nicht subsidiär. Es sei von der Klägerin nicht zu verlangen, für ein aus ihrer Sicht erlaubnisfreies Vorgehen eine Genehmigung zu beantragen. Mit Blick auf die schon ausführlich formulierte Position der Regierung von ... sei ihr auch nicht zuzumuten, ein offensichtlich aussichtsloses Erlaubnisverfahren zu betreiben. Sie sei auch nicht verpflichtet, sich durch ein entsprechendes Verhalten einer Vielzahl von Bußgeldverfahren auszusetzen. Die zulässige Klage sei auch begründet. Inhaltlich werde daran festgehalten, dass aktive Sexualbegleitung keine Prostitution sei. Soweit in der Rechtsprechung bislang die Frage einer behinderungsspezifischen Sexualbegleitung diskutiert worden sei, gingen Gerichte ohne weitere Begründung und gewissermaßen nebenbei davon aus, dass auch die Sexualbegleitung für Menschen mit Behinderung vom Begriff der sexuellen Dienstleistung bzw. der Prostitution erfasst sei (OVG Münster, B.v. 8.9.2020 – 13 B 902/20 – juris Rn. 24; VG Gelsenkirchen, B.v. 25.11.2020 – 18 L 967 – juris Rn. 22; BayLSG, U.v. 6.2.2020 – L 8 SO 163/17 – juris Rn. 24). Die Sexualbegleitung sei weder begrifflich definiert noch rechtlich geschützt, noch sage die Gesetzesbegründung zum Prostituiertenschutzgesetz hinreichend präzise etwas zum Verständnis des Begriffs „sexuelle Dienstleistung“ aus (VG Düsseldorf, U.v. 17.11.2021 – 29 K 8461/18 – juris Rn. 87). Es bedürfe daher einer wertenden Betrachtung des Einzelfalls und des vorherrschenden Gesamteindrucks, unter teleologischer Reduzierung des Prostituiertenschutzgesetzes, um den gesetzgeberisch mit dem Prostituiertenschutzgesetz verfolgten Sinn und Zweck sachgerecht in das Begriffsverständnis einbeziehen zu können (vgl. VG Gelsenkirchen, U.v. 29.8.2019 – 5 K 4649/18 – juris Rn. 29ff., dort einen „bordellartigen Betrieb“ verneinend). Eine schlicht am Wortlaut des § 2 Abs. 1 ProstSchG orientierte Subsumption, die – wie sich auch aus der Gesetzesbegründung ergebe -begrifflich jegliche sexuelle Dienstleistung mit Prostitution gleichstelle, greife für die Sexualbegleitung von Menschen mit Behinderung zu kurz. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Prostituiertenschutzgesetz sei teleologisch reduziert zu verstehen und der vorliegende Sachverhalt auszugrenzen. Es liege keine Situation vor, die „typischerweise“ vom Schutzzweck des Prostituiertenschutzgesetzes in den Blick genommen werde. Insbesondere finde keine Sexualbegleitung durch Personen statt, die sich – wie „normale Prostituierte“ – oft in einer besonders verletzlichen oder belastenden Situation befänden und deshalb sozial oder psychisch nicht in der Lage seien, selbstbestimmt für ihre Rechte einzutreten (VG Gelsenkirchen, B.v. 25.11.2020 – 18 L 967 – juris Rn. 36; VG Gelsenkirchen, B.v. 29.8.2019 – 5 K 4649/18 – juris Rn. 18). Die in den Räumlichkeiten der Wohngruppen tätigen Sexualbegleiter seien entsprechend fortgebildet. Auch seien weitere Mitarbeitende der Klägerin in den Wohngruppen anwesend und könnten für den Fall, dass ein anderweitiger behinderungsspezifischer Hilfebedarf vor, während oder nach der Sexualbegleitung auftrete, diesem gerecht werden. Die beteiligten Personen würden also nicht sich selbst überlassen, sondern für alle Beteiligten bestünde in dieser spezifischen Situation ein besonders geschützter Raum, der gleichzeitig die Privatsphäre und die Schutzbedürfnisse aller Beteiligten sichere. Auch würden weder der öffentliche Anstand noch der Jugendschutz berührt, da weder eine öffentlich wahrnehmbare Situation bestünde noch die Wohngruppen als solche „von außen“ einer Erbringung von Sexualbegleitung gewissermaßen zugeordnet werden könnten (anders als z.B. bei einem Massagesalon). In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass es den betroffenen Personen mit Behinderung in aller Regel nicht möglich sei, sexuelle Dienstleistungen an anderen Orten, etwa in angemeldeten Prostitutionsstätten, in Anspruch zu nehmen, da diese in der Regel nicht barrierefrei seien. Mit Blick auf Art. 3 Abs. 2 und 3 Grundgesetz (GG) seien die von der Klägerin betreuten Personen als sich maßgeblich aufgrund ihrer (körperlichen) Behinderung von Personen ohne entsprechende Behinderung unterscheidende Personen zu betrachten. Die von der Klägerin betreuten Personen könnten aufgrund ihrer Behinderung ihre sexuellen Bedürfnisse nicht selbständig, z. Bsp. durch Selbstbefriedigung, ausleben, sondern seien unmittelbar auf die Hilfe anderer angewiesen. Hierin liege ein maßgeblicher Unterschied im Vergleich zu allen übrigen Personen, die entgeltliche sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nähmen. Diese seien hierzu nicht gezwungen, sondern täten dies bspw. aufgrund einer fehlenden Partnerschaft oder besonderer Vorlieben. Den von der Klägerin betreuten Personen sei es jedoch körperlich tatsächlich unmöglich, sexuelle Befriedigung ohne Hilfe Dritter zu erfahren. Sexualität gehöre aber zu den Grundbedürfnissen eines jeden Menschen und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung sei grundrechtlich als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt. Bei Personen, die beim Ausleben ihrer Sexualität auf eine Assistenz körperlich angewiesen seien, würde ein undifferenziert verstandenes Prostitutionsverbot dazu führen, dass ihnen die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit in diesem Kernbereich menschlichen Lebens genommen würde, ohne dass es dafür eine Rechtfertigung aufgrund widerstreitender anderer Belange gäbe. Die Argumentation der Regierung von, dass in einer Vielzahl von vergleichbaren Fällen eine Ausnahme nach § 1 Satz 2 ProstV begehrt werden könne, könne nicht überzeugen. Ein sachlich-persönlich differenziertes Begriffsverständnis der Sexualbegleitung erlaube eine Begrenzung des Anwendungsbereichs für den Personenkreis, wie er sich aus der Leistungsvereinbarung der Klägerin mit dem Bezirk ... ergebe. Für die jeweilige Gemeinde bliebe das Prostitutionsverbot dagegen bestehen. Für dieses teleologisch reduzierte Begriffsverständnis sprächen schließlich auch die ordnungsrechtlichen Vorgaben für den Betrieb der Wohngruppen im Bayerischen Pflege- und Wohnungsqualitätsgesetz (BayPfleWoqG). Dort werde als Qualitätsanforderung an den Betrieb bestimmt, dafür Sorge zu tragen, dass den Bewohnerinnen und Bewohnern die freie Entfaltung der Persönlichkeit auch tatsächlich ermöglicht werde. Hierzu diene auch die Inanspruchnahme aktiver Sexualbegleitung bei Vorliegen entsprechender Behinderung. Diese sei von der Vorgabe umfasst, die Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung zu „fördern“.
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Für den Fall, dass aktive Sexualbegleitung doch als Prostitution im Sinne der gesetzlichen Vorschriften anzusehen sei, sei jedenfalls im Sinne des Hilfsantrags festzustellen, dass die Klägerin kein Prostitutionsgewerbe betreibe, wenn sie den Bewohnerinnen und Bewohnern Leistungen der aktiven Sexualbegleitung vermittle und deren Inanspruchnahme in den Räumlichkeiten der Wohngruppe zulasse. Auch hier gehe das aus der Gesetzesbegründung hervorgehende Verständnis des Gesetzgebers zum Vorliegen einer Prostitutionsstätte sehr bzw. zu weit und sei teleologisch zu reduzieren. Zwar liege in der Möglichkeit, den Bewohnerinnen und Bewohnern aktive Sexualbegleitung anbieten zu können, möglicherweise auch ein Vorteil für die Klägerin. Jedoch mache es möglicherweise einen Unterschied, dass vorliegend die Wohnung, in die Sexualbegleitung stattfinde, von der Klägerin nicht originär der Person der Sexualbegleitung, also dem Erbringer der Dienstleistung, sondern den Menschen mit Behinderung als Empfänger der Dienstleistung zur Verfügung gestellt werde. Auch das Vorliegen von Prostitutionsvermittlung sei abzulehnen, da die insoweit getätigte Vermittlungstätigkeit der Klägerin als mit dem Betrieb der Wohngruppe verknüpfter, entgeltlicher Teil der behindertenspezifischen Betreuungs- und Assistenzleistungen zu beurteilen sei. Letztlich scheide bei teleologischer Reduktion auch die Organisation einer Prostitutionsveranstaltung aus, wenn die Klägerin mittels Informationen über die Möglichkeit der Inanspruchnahme und Anbahnung aktive Sexualbegleitung in den Räumen der Wohngruppen vermittle und zulasse. Wie bereits ausgeführt, stünden weder das Selbstbestimmungsrecht der Dienstleistenden noch Jugendschutz und öffentlicher Anstand in Gefahr.
12
Der Beklagte legte die elektronische Behördenakte vor und beantragte mit Schreiben vom 9. August 2022,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klage sei im Hauptantrag bereits unzulässig. Es fehle an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis. Gegenstand einer Feststellungsklage könne nur ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, nicht jedoch bloße Elemente, unselbständige Teile oder Vorfragen eines solchen Rechtsverhältnisses. Gerade diese Art von Begehren verfolge die Klägerin jedoch. Sie wolle einen bestimmten Vorgang (die entgeltliche aktive Sexualbegleitung) rechtlich qualifizieren lassen. Deren Qualifikation als Prostitution stelle aber nur eine Voraussetzung für bestimmte Rechte und Pflichten dar, begründe diese aber nicht unmittelbar, wie es ein Rechtsverhältnis selbst tun würde. Zudem habe die Klägerin mit ihrem Antrag auf Ausnahme von der Verordnung über das Verbot der Prostitution zu erkennen gegeben, dass sie selbst bislang davon ausgegangen sei, dass aktive Sexualbegleitung als Prostitution anzusehen sei. Erstmals mit der Klage habe die Klägerin ihr Begehren geltend gemacht, dass die Auslegung des Begriffs strittig sei. Als Konsequenz des abgelehnten Antrags hätte sich aus Sicht des Beklagten eine Normerlassklage angeboten anstelle der (unzulässigen) Feststellungsklage. Auch habe die Regierung von ... bisher keinerlei belastende Maßnahmen in den Raum gestellt, so dass auch hiermit kein konkretes Feststellungsbedürfnis begründet werden könne. Weiterhin seien für den Vollzug des Prostituiertenschutzgesetzes nicht die Regierung, sondern die Kreisverwaltungsbehörden zuständig, so dass auch die damit verbundene Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten in deren Zuständigkeit und Ermessen liege. Die Regierung habe daher gar keine Möglichkeit, hier mittels Ordnungswidrigkeitenverfahren Druck auf die Klägerin auszuüben. Letztlich sei die Klägerin auch nicht klagebefugt. Weiterhin sei die Klage unbegründet. Die von der Klägerin vorgenommene teleologische Reduktion überzeuge nicht. Weder teleologische Gesichtspunkte noch die Gesetzeshistorie des Prostituiertenschutzgesetzes oder der Gesamtzusammenhang rechtfertigten es, aktive Sexualbegleitung durch eine(n) entsprechend fortgebildete(n) Sexualbegleiter/in per se vom Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Satz 1 ProstSchG auszunehmen. Unzweifelhaft handele es sich bei der aktiven Sexualbegleitung um eine sexuelle Handlung, wie sie in der Rechtsprechung definiert werde. Zuzugeben sei zwar, dass einzelne, vom Gesetz verfolgte Schutzzwecke vorliegend unzutreffend seien, dies gelte aber nicht für sämtliche Schutzzwecke wie bspw. das Ziel, im Sinne des Gesundheitsschutzes ein Mindestmaß an Beratungskontakt im Gesundheitsbereich sicherzustellen, das auch für die Sexualbegleitung gelte. Die Ausbildung zur Sexualbegleitung stelle kein geeignetes Unterscheidungsmerkmal dar, da sie kein anerkannter Ausbildungsberuf sei und zudem im entsprechenden „Institut“ (Institut zur Selbst-Bestimmung Behinderter (ISBB) Trebel; ab 1. Juli 2022: Beratungsstelle S. in T. (www...de); Angebot seit 1996: Sexualberatungsstelle für behinderte Menschen und deren soziales Umfeld) bereits mittels eines Seminars an sieben Wochenenden absolviert werden könne. Es sei zudem weder Aufgabe der Verwaltung noch der Rechtsprechung, die aktive Sexualbegleitung dem Regime des Prostituiertenschutzgesetzes zu entziehen. Dazu sei allein der Gesetzgeber berufen. Darüber hinaus verweise bereits der Gesetzentwurf zum Prostituiertenschutzgesetz (BT-Drs. 18/8556) in seiner Begründung zum Begriff der „sexuellen Handlung“ ausdrücklich auf die „beispielsweise durch das Strafgesetzbuch (…) eingeführte Begriffsbildung“. In Anlehnung an die zu Art. 297 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB), § 184f Strafgesetzbuch (StGB) und § 120 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) entwickelten Definitionen von Prostitution stelle aktive Sexualbegleitung mithin eine solche dar. Letztlich rechtfertigten auch die Vorgaben für den Betrieb von Wohngruppen nach dem BayPfleWoqG keine teleologische Reduzierung. Die dort benannte Förderung der Selbständigkeit, der Selbstbestimmung und der Selbstverantwortung der Bewohnerinnen und Bewohner könne nur im Rahmen der geltenden Gesetze erfolgen. Abschließend sei im Übrigen eine Unterscheidung zwischen einer Sexualbegleitung von Menschen mit Behinderungen und Prostitution nicht möglich. Insbesondere sei entgegen der klägerischen Ansicht keine eindeutige Unterscheidung anhand des durch die Leistungsvereinbarung der Klägerin einbezogenen Personenkreises möglich. Dieser könne wechseln und erfasse bei der Festlegung der Köperbehinderung nicht zwingend, welche Person damit in einem solchen Umfang behindert sei, dass immer zwingend von der Notwendigkeit einer aktiven Sexualbegleitung ausgegangen werden könne.
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Die Klage sei auch im Hilfsantrag unzulässig. In Ergänzung der Ausführungen zur Unzulässigkeit des Hauptantrags ergebe sich dies vorliegend wiederum daraus, dass es um kein konkretes Rechtsverhältnis, sondern ebenfalls nur um unselbständige Vorfragen bzw. um das Nichtvorliegen von Tatbestandsmerkmalen gehe. Auch sei der Betrieb eines Prostitutionsgewerbes nicht Gegenstand des Antrags auf Ausnahme von der Verordnung über das Verbot der Prostitution. Dieses Feststellungsbegehren mache die Klägerin erstmals mit der Klage geltend. Die Klage sei im Hilfsantrag ebenfalls unbegründet. Durch die Bereitstellung der Räumlichkeiten, der Organisation von Prostitutionsveranstaltungen bzw. der Vermittlung von sexuellen Dienstleistungen betreibe die Klägerin ein Prostitutionsgewerbe. Zwar müsse die Klägerin dazu gewerblich handeln, also hierdurch einen Nutzen erlangen. Nach dem auch klägerseits weit zu fassenden Begriffsverständnis dieses Nutzens liege dieser in dem von der Klägerin selbst angeführten, mittelbaren, wirtschaftlichen Vorteil, wenn man durch das Angebot von Sexualbegleitung den Interessierten am Wohnangebot ein umfassendes Angebot machen könne. Soweit die Klägerin ihre Tätigkeit selbst unter die Vorschriften des § 2 Abs. 3 Nr. 1, 3 und 4 ProstSchG subsumiere, werde dem nicht widersprochen. Die Annahme des Betriebs eines Prostitutionsgewerbes führe im Fall der Klägerin auch nicht zu einer Verletzung von Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG, da der Betrieb des Kompetenzzentrums bzw. der Wohngruppen im Rahmen der geltenden Gesetze uneingeschränkt möglich sei. Bei den streitgegenständlichen Regelungen handele es sich allenfalls um Berufsausübungsregelungen, die offensichtlich verhältnismäßig seien.
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Zusammenfassend sei im Ergebnis de lege lata die aktive Sexualbegleitung nach allen gängigen Definitionen als Prostitution anzusehen. Eine teleologische Reduktion komme schon deshalb nicht in Betracht, weil sich der zu beurteilende Sachverhalt vom „eigentlich“ geregelten Sachverhalt nicht wesentlich unterscheide. Sie lasse sich auch nicht auf den Willen des Gesetzgebers stützen. Stattdessen sei für das von der Klägerin verfolgte Ansinnen wohl eine Änderung des ProstSchG und des EGStGB sinnvoller, zumal die Problematik auch andere, vergleichbare Einrichtungen für Menschen mit Behinderung sowie darüber hinaus auch Alten- und Pflegeheime betreffe.
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Die Klägerin führte mit Schriftsatz vom 20. September 2023 ergänzend aus, das Sozialgericht Hannover habe inzwischen eine Sexualbegleitung bzw. Sexualassistenz als Leistung im Sinne des § 76 SGB IX qualifiziert und in der Folge einen Leistungsanspruch auf soziale Teilhabe qualifiziert (SG Hannover, U.v. 11.7.2022 – S 58 U 134/18 – juris Rn. 18ff.). Das OVG Münster habe im Rahmen seiner Entscheidung zur Rechtmäßigkeit pandemiebedingter Einschränkungen eine Unterscheidung zwischen verschiedenen sexuellen Dienstleistungen offenbar für sachgerecht und notwendig gehalten (OVG Münster, B.v. 8.9.2020 13 B 902/20 – juris). Soweit mit dem SG Hannover also eine aktive Sexualbegleitung bei entsprechenden behinderungsspezifischen Einschränkungen sozialrechtlich als Leistung zur sozialen Teilhabe verlangt werden könne, könne sie mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung ordnungsrechtlich weder verboten sein, noch dürfe sie Einschränkungen unterliegen, die eine tatsächliche Inanspruchnahme unmöglich machten bzw. unzumutbar erschwerten. Dies sei aber der Fall, wenn man aktive Sexualbegleitung der Prostitution gleichsetze. Der Beklagte belege die Qualifikation eines grundsätzlich straf- bzw. ordnungswidrigen Verhaltens mittels Zitat zahlreicher Quellen aus dem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht selbst. Dies überzeuge jedoch beim Personenkreis der Menschen mit Behinderung nicht. Vielmehr müsse bei der Gesetzesanwendung bzw. -auslegung darauf abgestellt werden, ob die verfolgten Schutzzwecke (Jugendschutz und öffentlicher Anstand) überhaupt gefährdet sein könnten; dies sei bei der aktiven Sexualbegleitung aufgrund fehlender öffentlicher Sichtbarkeit gerade nicht der Fall. Anders als bei der auch von der Beklagtenseite angeführten Entscheidung des VG Düsseldorf (U.v. 17.11.2021 – 29 K 8461/18 – juris Rn. 10ff), der ein viel weitreichenderer Kundenkreis des Dienstleisters zugrunde gelegen habe, sei hier aufgrund des klar definierten Personenkreises (Personengruppe mit öffentlich-rechtlichem Vertrag/Leistungsvereinbarung mit dem Bezirk ...) der Begriff der Prostitution einschränkend zu definieren und eine Feststellung im Sinne der Klage zu treffen. Zur Veranschaulichung werde ein Artikel aus der Augsburger Allgemeine (vom 4. September 2023, Seite 3: „Ein Akt der Selbstbestimmung“) beigefügt.
18
In der Sache wurde am 26. Oktober 2023 mündlich verhandelt. Für den Hergang der mündlichen Verhandlung wird auf das hierzu gefertigte Protokoll, im Übrigen ergänzend auf die Gerichtsakte sowie die elektronisch vorgelegte Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19
Die Klage ist im Hauptantrag wie im Hilfsantrag bereits unzulässig.
20
Das Feststellungsbegehren erfüllt weder im Hauptantrag (1.), noch im Hilfsantrag (2.) die speziellen Zulässigkeitsvoraussetzungen der erhobenen Feststellungsklage nach § 43 VwGO.
21
1. Das Feststellungsbegehren erfüllt im Hauptantrag nicht die speziellen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Feststellungsklage.
22
a) Nach § 43 VwGO kann durch eine Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat und sie ihre Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.
23
Eine Feststellungsklage ist statthaft, wenn sie die Feststellung eines gegenwärtigen oder vergangenen Rechtsverhältnisses zum Gegenstand hat (BayVGH, B.v. 16.9.2019 – 8 ZB 18.672 – juris Rn.10 ff.). Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis bezeichnet die rechtlichen Beziehungen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Es muss sich um ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis handeln, d.h. das Rechtsverhältnis muss in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, bereits überschaubaren Sachverhalt streitig sein. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis liegt dabei nur vor, wenn zwischen den Parteien des Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können; Rechtsverhältnisse werden durch subjektive Rechte und Pflichten gekennzeichnet (Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 43 Rn. 12 f.). Kein Rechtsverhältnis im o.g. Sinn sind bloße Vorfragen oder einzelne Elemente von Rechtsverhältnissen, soweit sie nicht selbst den Charakter von Rechten oder Pflichten haben. Zu diesen Vorfragen oder Elementen gehört insbesondere die Frage, ob einzelne Tatbestandsmerkmale einer Norm erfüllt sind oder nicht. Kein Rechtsverhältnis zum Gegenstand hat auch die Frage nach der Auslegung einer Rechtsnorm (Eyermann, VwGO, a.a.O., § 43 Rn. 15).
24
Weiter setzt die Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses voraus, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat, sog. Feststellungsinteresse (§ 43 Abs. 1 VwGO). Nach allgemeiner Meinung ist ein Interesse berechtigt, wenn es rechtlicher oder schutzwürdiger tatsächlicher, insbesondere wirtschaftlicher oder ideeller Art ist. Die gerichtliche Entscheidung muss geeignet sein, die Rechtsposition der Klägerin zu verbessern (Eyermann, VwGO, a.a.O., § 43 Rn. 30). Hinreichend ist auch die Drohung mit einer Strafanzeige oder mit einem Ordnungswidrigkeiten-Verfahren, soweit es eine Akzessorietät des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts zum Verwaltungsrecht gibt (sog. „Damoklesschwert“-Rechtsprechung) (Eyermann, VwGO, a.a.O., § 43 Rn.33). Ein berechtigtes Interesse ist insbesondere gegeben, wenn die Rechtslage unklar ist, z.B. wenn eine Klagepartei der Auffassung ist, dass sie für eine bestimmte Tätigkeit keine behördliche Erlaubnis benötigt, die Behörde insoweit jedoch anderer Auffassung ist (Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 43 Rn. 24 m.w.N.).
25
Dabei knüpft die Feststellungsklage an subjektive Rechte der Klägerin an, so dass § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend gilt. Denn das berechtigte Interesse legitimiert die Feststellungsklage, ersetzt aber nicht die notwendige subjektiv-rechtliche Anbindung. Diese Anbindung ist dann anzunehmen, wenn von dem festzustellenden Rechtsverhältnis auch eigene Rechte der Klägerin im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO abhängen (BayVGH, B.v. 27.8.2008 – 15 ZB 08.758 – juris Rn. 15; Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rn. 16 m.w.N.).
26
Letztlich steht die Statthaftigkeit des Feststellungsbegehrens auch unter dem Vorbehalt der Subsidiarität. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit die Klägerin ihre Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Trotz der allgemeinen Fassung des § 43 Abs. 2 VwGO wird die Feststellungsklage wegen Subsidiarität durch die genannten Klagen nur in den Fällen ausgeschlossen, in denen das mit der Feststellungsklage verfolgte Ziel sich gleichermaßen oder gar besser mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage erreichen lässt, wenn durch diese also Rechtsschutz in zumindest gleichem Umfang und gleicher Effektivität erreicht würde (Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rn. 29 m.w.N.).
27
b) Der von der Klägerin formulierte Hauptantrag, festzustellen, dass eine entgeltliche aktive Sexualbegleitung der von der Klägerin betreuten Personen in der Mietwohnanlage „... – ...“ in ... keine Prostitution im Sinne der gesetzlichen Vorschriften des Prostituiertenschutzgesetzes, des Prostitutionsgesetzes und der Verordnung über das Verbot der Prostitution in der Stadt ... vom 10.11.1975 (Sperrbezirke) darstellt, wird den Anforderungen an eine nach § 43 VwGO statthafte Feststellungsklage nicht gerecht.
28
Zwischen der Klägerin und dem Beklagten fehlt es im Hauptantrag bereits an einem konkreten, feststellungsfähigen Rechtsverhältnis. Es liegt hier kein bestimmter Sachverhalt vor, aus dem sich aufgrund öffentlich-rechtlicher Normen bestimmte rechtliche Beziehungen zwischen der Klägerin als Normadressaten und dem Beklagten als Normanwender ergäben. Denn inhaltlich wird mit dem Hauptantrag die rechtliche Einordnung und Qualifizierung der aktiven Sexualbegleitung begehrt. Die aktive Sexualbegleitung findet jedoch nicht zwischen der Klägerin und den von ihr betreuten Personen, sondern zwischen diesen und den jeweils die Dienstleistung erbringenden Personen statt; zwischen diesen besteht ein tatsächliches wie rechtliches Verhältnis. In Bezug auf die Klägerin ist dieses Verhältnis vorliegend jedoch gerade nicht gegeben; für sie ist die zur Feststellung begehrte Frage zur Prostitution eine abstrakte Rechtsfrage. Dabei liegt auf der Hand und ist der Klägerin – nicht zuletzt aufgrund der von ihr unterschiedlich formulierten Klageanträge – bewusst, dass zur Anwendung der von ihr herangezogenen gesetzlichen Vorschriften die Begrifflichkeiten bzw. Rechtsverhältnisse „Prostitution“ und „Prostitutionsgewerbe“ voneinander abzugrenzen sind. Diese begriffliche Differenzierung ergibt sich schon nach dem Anwendungsbereich des Prostituiertenschutzgesetzes (dort § 1), der zwischen der „Ausübung der Prostitution“ und dem „Betreiben eines Prostitutionsgewerbes“ unterscheidet. Nach der Verordnung über das Verbot der Prostitution in der Stadt ... vom 26. Mai 1975 ist (in bestimmten Sperrbezirken) die „Ausübung der Prostitution verboten“ (§ 1); sie trifft aber keine Regelungen zum Prostitutionsgewerbe. Das Prostitutionsgesetz greift den Begriff der Prostitution nicht gesondert auf, sondern erwähnt lediglich die Prostituierten (und ebenfalls nicht das Prostitutionsgewerbe). Damit ist die rechtliche Frage nach der Prostitution gedankenlogisch verknüpft mit der (natürlichen) Person, die die Tätigkeit der Erbringung einer sexuellen Dienstleistung vornimmt, also Prostitution ausübt bzw. ihr nachgeht; mithin mit der/dem Prostituierten. Entsprechend bestimmt auch § 2 Abs. 2 ProstSchG Prostituierte als die Personen, die sexuelle Dienstleistungen erbringen.
29
Die Klägerin ist jedoch weder als juristische Person noch mittels ihrer Mitarbeitenden, und dies auch nach ihrem eigenen Verständnis, Erbringerin sexueller Dienstleistungen und damit nicht im Rechtsverhältnis der „Prostitution“ befasst. Wie in der Klageschrift ausgeführt, schließt die Klägerin den Einsatz angestellter Mitarbeitender aus der (pflegerischen) Betreuung im Bereich sexueller Assistenz konzeptionell und pädagogisch grundsätzlich aus. Weder ihre Mitarbeitenden und erst recht nicht die Klägerin üben (selbst) eine Dienstleistung aus, die nach ihrer Zielrichtung die Sexualität der die Wohngruppe bewohnenden Personen betrifft. Genau deswegen beabsichtigt die Klägerin letztlich, diesen Personen die Nutzung einer externen, weil von ihr nicht vertraglich zur Erbringung vereinbarte Dienstleistung „aktive Sexualbegleitung/Sexualassistenz“, angeboten durch Dritte, ermöglichen zu lassen. Ob die Handlungen dieser Dritten an/mit den die Bewohnerinnen und Bewohnern der Mietwohnanlage Prostitution ist oder nicht, ist keine die Klägerin konkret betreffende Rechtsfrage. Als nicht selbst die Dienstleistung Erbringende ist sie nicht Normadressat der von ihr angeführten Vorschriften, soweit dort an (das Ausüben von) „Prostitution“ angeknüpft wird. Sie wird damit im Übrigen auch nicht etwaigen Straf- oder Bußgeldvorschriften unterworfen, soweit diese begrifflich auf Prostitution abstellen (und nicht auf das Betreiben eines Prostitutionsgewerbes). So folgt beispielsweise aus § 3 der Verordnung über das Verbot der Prostitution in der Stadt, dass bei Verstoß gegen das Verbot in § 1 eine (mögliche) Anwendung der Bußgeldvorschrift des § 120 OWiG in Betracht kommt, nachdem ordnungswidrig handelt, wer einem durch Rechtsverordnung erlassenen Verbot, der Prostitution an bestimmten Orten überhaupt oder zu bestimmten Tageszeiten nachzugehen, zuwiderhandelt. In Bezug auf die Klägerin, die – auch nach eigenem Vortrag und Verständnis – nicht der Prostitution nachgeht, ist damit die begehrte Feststellung ohne konkreten Bezug, sondern dient allenfalls der Klärung einer Vorfrage. Gleiches gilt für das Prostituiertenschutzgesetz, das lediglich das Prostitutionsgewerbe, nicht aber die Ausübung der Prostitution unter Erlaubnispflichten (§ 12 ProstSchG) und etwaige Bußgeldvorschriften (§ 33 Abs. 2 ProstSchG) stellt und sich ergänzend an die Freier richtet (bspw. Kondompflicht in § 32 ProstSchG). Das Prostitutionsgesetz betrifft nach seinem – im vollständigen Namen des „Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten“ erkennbaren – Zweck ebenfalls keinerlei Rechtsverhältnis der Klägerin.
30
Hinzukommt, dass – mit Blick auf das erforderliche berechtigte Feststellungsinteresse und § 42 Abs. 2 VwGO – in Bezug auf den Hauptantrag keine eigenen Rechte der Klägerin aus ihrer gewerblichen Tätigkeit (Art. 14 Abs. 1 GG: Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) als ambulanter Pflege- und Assistenzdienst in Form einer gGmbH tangiert sein können. Denn auch hier wirkt sich aus, dass die Klägerin die zur (negativen) Feststellung begehrte Prostitution nicht selbst ausübt bzw. im Rahmen ihres Pflege- und Assistenzdienstes selbst (durch eigenes Personal) anbietet. Damit bleibt eine (abstrakte) Klärung der Handlung der aktiven Sexualbegleitung/Sexualassistenz als Prostitution (oder nicht) ohne jede Auswirkung auf eigene Rechte der Klägerin in Bezug auf den Beklagten.
31
Mangels konkreten Rechtsverhältnisses zwischen Klägerin und Beklagtem und Betroffenheit der Klägerin in eigenen Rechten ist die Feststellungsklage im Hauptantrag bereits unzulässig, ohne dass es auf weitere Fragen des berechtigten Feststellungsinteresses und der Subsidiarität noch ankommt.
32
2. Die Klage ist auch im Hilfsantrag unzulässig.
33
Mit dem Hilfsantrag begehrt die Klägerin festzustellen, dass sie kein Prostitutionsgewerbe im Sinne des Prostituiertenschutzgesetzes, des Prostitutionsgesetzes und der Verordnung über das Verbot über die Prostitution in der Stadt ... betreibt, wenn sie den von ihr betreuten Personen Leistungen einer entgeltlichen aktiven Sexualbegleitung vermittelt und/oder deren Erbringung in den Appartements der von ihr betreuten Personen unterstützt.
34
a) Es fehlt im Hilfsantrag an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis zwischen Klägerin und Beklagtem.
35
In Frage stünde eine konkrete Rechtsfrage zwischen dem gewerblichen Agieren der Klägerin im Rahmen ihrer betrieblichen Tätigkeit und der für den Vollzug des Prostituiertenschutzgesetzes zuständigen Körperschaft. Denn der Betrieb eines Prostitutionsgewerbes bedarf nach § 12 Abs. 1 Satz 1 ProstSchG der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Dies ist hier aber nicht der beklagte Freistaat Bayern. Denn zuständig zum Vollzug des Prostituiertenschutzgesetzes sind nach § 64a der bayerischen Zuständigkeitsverordnung (ZustV) die Kreisverwaltungsbehörden. Mithin ist für das örtliche Gebiet, in dem die Klägerin in den Appartements der Mietwohnanlage „...“ Personen ambulant betreut, der Vollzug der Stadt ... nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Gemeindeordnung (GO) übertragen. Diese erfüllt als kreisfreie Stadt im übertragenen Wirkungskreis alle Aufgaben, die sonst vom Landratsamt als der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde wahrzunehmen ist; sie ist insoweit Kreisverwaltungsbehörde. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis käme mithin nach dem eindeutigen Klageantrag der Klägerin nur in Bezug auf die Stadt, nicht aber auf den Freistaat Bayern als gewähltem Klagegegner in Betracht.
36
b) Zur Statthaftigkeit des Hilfsantrags fehlt es auch am berechtigten Feststellungsinteresse der Klägerin.
37
aa) Zwar könnte der Umstand, dass der Betrieb eines Prostitutionsgewerbes durch die Klägerin ohne die erforderliche Erlaubnis eine Ordnungswidrigkeit nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 ProstSchG darstellt und somit eine Akzessorietät des Ordnungswidrigkeitenrechts zum Verwaltungsrecht besteht, das Feststellungsinteresse der Klägerin legitimieren. Die Klägerin sähe sich der nicht ganz entfernt liegenden Möglichkeit der Ahndung mittels Bußgeld ausgesetzt, wenn die von ihr beabsichtigten, im Hilfsantrag beschriebenen Handlungen – in Kenntnis der zuständigen Behörden – ein Prostitutionsgewerbe darstellten, das sie ohne Erlaubnis betreiben würde. Die Gefahr eines solchen Ordnungswidrigkeitenverfahrens „schwebte wie ein Damoklesschwert“ über dem klägerischen Betrieb, was nach Auffassung der Kammer in der vorliegenden Konstellation für ein berechtigtes Feststellungsinteresse genügen könnte. Denn die Klägerin geht ja – nach ihrer eigenen Auslegung – gerade davon aus, dass sie aufgrund teleologisch zu reduzierendem Anwendungsbereich der Prostitution kein Prostitutionsgewerbe betreibt und mithin keiner behördlichen Erlaubnis bedürfte, wohingegen der Beklagte sowohl das Vorliegen von Prostitution wie auch eines Prostitutionsgewerbes bejaht.
38
bb) Inhaltlich hat jedoch die Klägerin schon gar kein Ordnungswidrigkeitenverfahren zu befürchten und kann mithin aus dem vermeintlichen „Damoklesschwert“ auch kein Feststellungsinteresse ableiten. Denn bei der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin handelt es sich gerade nicht um ein Prostitutionsgewerbe, wenn sie den von ihr betreuten Personen Leistungen der entgeltlichen aktiven Sexualbegleitung vermittelt und/oder deren Erbringung in den Appartements der von ihr betreuten Personen unterstützt. Anders als vom Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angesprochen, sind die von den Mitarbeitenden der Klägerin getätigten Assistenzleistungen pflegerischer oder betreuerischer Art eindeutig von den auf die Sexualität der Menschen mit Behinderung hin ausgerichteten Tätigkeiten der aktiven Sexualbegleitung abgrenzbar.
39
- Das Vermitteln von Leistungen einer entgeltlichen aktiven Sexualbegleitung durch die Klägerin in den Appartements der von den Menschen mit Behinderung bewohnten Mietwohnanlage stellt für die Klägerin keinen Betrieb eines Prostitutionsgewerbes dar.
40
Betreiber einer Prostitutionsstätte nach § 2 Abs. 3 ProstSchG ist, wer zur Erbringung sexueller Dienstleistungen durch andere Personen mittels für ihn bestehender privatrechtlicher Möglichkeiten oder Pflichten bestimmenden Einfluss auf das Anbieten von Prostitutionsleistungen und die Bereitstellung von Räumlichkeiten für die Prostitutionsausübung ausübt. Der Betrieb des Prostitutionsgewerbes ist dabei der Ausübung der Prostitution, bestehend aus den Elementen „Anbahnung“ und „Erbringung“ sexueller Dienstleistungen, vorgeschaltet. Betreiber eines Prostitutionsgewerbes ist derjenige, der aktiv den Rahmen schafft, in dem die Prostitution ausgeübt werden kann (Büttner, Kurzkommentar zum ProstSchG, 2017, Rn. 61 f.). Eine Wohnung gilt mithin dann als Prostitutionsstätte und der Verfügungsberechtigte als ihr Betreiber, wenn die Wohnung gezielt an eine oder mehrere Personen zum Zweck der Ausübung der Prostitution zur Verfügung stellt wird. Dabei spielt es nach der Gesetzesbegründung (Seite 61) keine Rolle, ob die Person, die die Wohnung gezielt an Prostituierte überlässt, nach außen als Vermieter oder z.B. als Hauptmieter der Wohnung auftritt. Es kommt lediglich darauf an, dass er die Nutzung der Wohnung maßgeblich steuert und damit einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Prostitution anderer zieht (BayVGH, B.v. 29.03.2019 – 22 CS 19.297 – juris Rn. 18).
41
Der Betrieb einer Prostitutionsstätte ist nach Auffassung der Kammer in Bezug auf die Klägerin nicht zu bejahen. Deren Gewerbe ist ein ambulanter Pflege- und Assistenzdienst. Sie betreut und pflegt Personen mit Körperbehinderung, die in der Mietwohnanlage „... – ...“ in ... in Appartements leben. Zwischen den betreuten Personen und der Klägerin bestehen Pflege- und Betreuungsverträge, die Klägerin ist aber nicht Vermieterin der Appartements. Sie stellt mithin gerade nicht die Räumlichkeiten zur Verfügung, in denen die die Prostitution stattfindet, und hat auch keinerlei privatrechtliche Einflussmöglichkeiten darauf. Anders als bei den im Parallelverfahren Au 5 K 22.1430 vom dortigen Kläger betriebenen Wohngruppen handelt es sich bei den von den Menschen mit Behinderung genutzten Appartements um rein privaten Wohnraum, zu dem die hiesige Klägerin keinerlei tatsächlichen oder rechtlichen Bezug aufweist. Die Steuerung der Nutzung des Wohnraums erfolgt durch deren Bewohner als Mieter (und ggf. noch Bedingungen des Vermieters mittels Mietvertrag), entzieht sich aber völlig dem Einflussbereich der Klägerin als ambulantem Pflege- und Assistenzdienst, zumal auch keine Prostitutionsvermittlung vorliegt (dazu sogleich). Die Klägerin hat weder rechtliche noch tatsächliche Befähigung oder Einflussmöglichkeit, wie und zu welchen Zwecken die Bewohner der Appartements diese nutzen und ob dort Prostitution stattfindet oder nicht.
42
- Auch eine Prostitutionsvermittlung durch die Klägerin ist zu verneinen.
43
Prostitutionsvermittlung ist nach § 2 Abs. 7 ProstSchG die Vermittlung mindestens einer anderen Person zur Erbringung sexueller Dienstleistungen außerhalb von Prostitutionsstätten des Betreibers. Es geht also um die in gewerblicher Form betriebene, gezielte Vermittlung von Personen mit dem Ziel der Erbringung sexueller Dienstleistungen (BT-Drs. 18/8556, S. 62). Anders als im Kontext der Prostitutionsstätte, in dem das Zurverfügungstellen von Räumlichkeiten im Rahmen des Wohngruppenbetriebs (samt Steuerung deren Nutzung) zum originären Gewerbebetrieb gehört, zielt vorliegend dieses Gewerbe gerade nicht auf die Vermittlung von Prostituierten ab. Denn das Gewerbe der Klägerin besteht in einem ambulanten Pflegedienst für grundpflegerische Dienstleistungen und weiteren Assistenzleistungen. Eine etwaige Vermittlung würde von der Klägerin nicht gewerblich betrieben. Hinzu kommt, dass unter Vermittlung im Sinne des § 2 Abs. 7 ProstSchG die von den §§ 652 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) umfassten Handlungen zu verstehen sind. Danach liegt Vermittlung vor, wenn der Vermittler auf die Vertragsparteien in irgendeiner Form in Bezug auf den Vertragsschluss mit dem Ziel, einen Vertragsabschluss herbeizuführen, einwirkt. Eine solche „Maklertätigkeit“ kann nach Auffassung der Kammer nicht darin gesehen werden, dass Mitarbeitende der Klägerin auf Bitten von Appartementbewohnenden beispielsweise Telefonanrufe bei Anbietenden von aktiver Sexualbegleitung tätigen, um einen Termin zu vereinbaren. Die Klägerin hat selbst und erkennbar auch nach eigenem Vortrag keinerlei Interesse daran, einen Vertragsabschluss, also eine Beauftragung von aktiver Sexualbegleitung, herbeizuführen. Ihre „Vermittlungstätigkeit“ besteht allein darin, Personen zu unterstützen und für diese mittelbar Handlungen auszuführen (z. Bsp. Telefonate), zu denen diese selbst motorisch nicht in der Lage sind. Sie fungiert als „Bote“, „Sprachrohr“, „verlängerter Arm“ im Rahmen der von ihr angebotenen Assistenzleistungen. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin bei Ausführen dieser Handlungen – und schon gar nicht erfolgsabhängig – einen gesonderten „Makler-Lohn“ o.ä. erhalten würde, der über die normale Leistungsabrechnung hinausginge.
44
Ebenfalls führen nach Auffassung der Kammer die von Mitarbeitenden der Klägerin zu erbringenden grundpflegerischen Dienstleistungen oder sonstige Assistenztätigkeiten im unmittelbaren Kontext der aktiven Sexualbegleitung nicht zur Vermittlung von Prostitution durch die Klägerin oder anderweitigem Vorliegen eines Prostitutionsgewerbes. So legte der Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung dar, den Betreuten müsste zum Teil zur Inanspruchnahme der aktiven Sexualbegleitung zuvor pflegerisch assistiert werden, beispielsweise durch vorheriges Auskleiden und Lagern. Ebenso seien auch danach pflegerische Handlungen der Reinigung, Umlagerung, Ankleiden erforderlich. Diese Tätigkeiten würden von Mitarbeitenden der Klägerin erbracht und seien notwendige Voraussetzung zur aktiven Sexualbegleitung. Gegebenenfalls seien diese auch im zeitlichen Umgriff der aktiven Sexualbegleitung anwesend, da die behinderungsspezifischen Einschränkungen der betreuten Personen dazu führen, dass jederzeit ein Eingreifen von entsprechend angeleiteten Mitarbeitenden der Klägerin möglich sein müsse. Ein Erbringen von Dienstleistungen der aktiven Sexualbegleitung durch Mitarbeitende der Klägerin wurde in der Klageschrift jedoch ausdrücklich unter Hinweis auf konzeptionelle und pädagogische Belange grundsätzlich ausgeschlossen. Damit stellt sich für die Kammer nicht die vom Klägerinbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung aufgeworfene Frage, ob die von den Mitarbeitenden der Klägerin getätigten Assistenzleistungen pflegerischer oder betreuerischer Art aufgrund des unmittelbaren Zusammenhangs mit der Erbringung sexueller Dienstleistungen und wegen deren enger Verknüpfung von diesen nicht eindeutig abgrenzbar und somit womöglich ebenfalls als Prostitution zu beurteilen seien. Denn es liegt – schon nach dem eigenen konzeptionell-pädagogischen Verständnis der Klägerin – auf der Hand, dass einerseits alle Handlungen, die sexuellen Bezug haben, nicht durch Mitarbeitende der Klägerin, sondern durch die Sexualbegleiterinnen und Sexualbegleiter ausgeübt werden, und andererseits die Vor- und Nachbereitungsleistungen wie auch sonstige Assistenz gerade dem Grundgewerbe der Klägerin und nicht einer etwaigen Prostitutionszielrichtung entsprechen. Vergleichbar mag hier sein, dass Mitarbeitende der Klägerin beispielsweise einen im Appartement stattfindenden Haarschnitt durch einen Friseur unterstützen, indem dem Menschen mit Behinderung zuvor Haare gewaschen, Schutzkleidung angelegt und er entsprechend in einem Stuhl positioniert wird. In diesem Zusammenhang läge der Betrieb eines Friseurgewerbes durch die Klägerin offensichtlich fern.
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cc) Eine gerichtliche Entscheidung im Sinne des Hilfsantrags wäre zudem auch nicht geeignet, die Rechtsposition der Klägerin zu verbessern, so dass auch deshalb kein ausreichendes Feststellungsinteresse vorliegt. Denn wie oben ausgeführt, ist nach dem räumlichen Regelungsbereich der Verordnung der Stadt ... zum Verbot der Prostitution diese am Standort der Mietwohnanlage „...“ (... in ...) verboten. Es ist wenig wahrscheinlich, dass sich Prostituierte über dieses Verbot hinwegsetzten und damit sexuelle Handlungen gegen Entgelt sowie deren Ausübung, ob in Form der „klassischen Prostitution“ oder der aktiven Sexualbegleitung, in den Appartements der Mietwohnanlage vorgenommen werden. Ist schon die Erbringung sexueller Dienstleistungen durch mindestens eine andere Personen – nämlich die/den Prostituierte(n) – normativ verboten, kommt für die Klägerin das Betreiben eines Prostitutionsgewerbes in Form der Prostitutionsvermittlung – ergänzend zu den Ausführungen unter 2.b) bb) – damit auch deshalb nicht in Betracht, weil es keine (legal) die sexuelle Handlung ausführenden Personen am Standort der Mietwohnanlage „...“ geben kann. Umgekehrt bliebe Prostitution an diesem Ort des Stadtgebiets auch dann verboten, wenn die mit dem Hilfsantrag begehrte Feststellung getroffen würde. Die Klägerin hat daher für die begehrte Feststellung kein ausreichendes Feststellungsinteresse in Bezug auf den von ihr ambulant betreuten Standort der Appartementanlage und deren Bewohnerinnen und Bewohner.
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3. Damit war die in Haupt- und Hilfsantrag unzulässige Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung (ZPO), § 711 ZPO.