Titel:
Wohnungseigentümergemeinschaft: Schadensersatz des Sondereigentümers wegen verzögerter Beauftragung der Trocknung bei einem Wasserschaden
Normenketten:
WEG § 18 Abs. 1
BGB § 280
Leitsatz:
Für die Frage der Passivlegitmation bei einem von einem Wohnungseigentümer geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen einer Pflichtverletzung der Hausverwaltung durch verzögerte Beauftragung der Trocknung bei einem Wasserschaden kommt es nach Inkrafttreten des WEG in seiner seit dem 1.12.2020 geltenden Fassung darauf an, ob ein vor diesem Zeitpunkt abgeschlossener Sachverhalt vorliegt, mithin die Pflichtverletzung vor diesem Zeitpunkt begangen wurde; ist dies der Fall, haftet die Hausverwaltung direkt und nicht gem. § 18 Abs. 1 WEG die Gemeinschaft der Eigentümer. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohnungseigentum, Schadensersatz, Hausverwaltung, anwendbares Recht, Wasserschaden, Pflichtverletzung, Passivlegitimation
Fundstellen:
BeckRS 2023, 38941
LSK 2023, 38941
ZMR 2024, 75
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird bis 28.07.2022 auf 7.800,00 € und für die Zeit danach auf 2.600,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger macht gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Beschlussersetzung hinsichtlich eines zu TOP 8 gefassten Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 10.05.2022 geltend.
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Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die aktuell von der verwaltet wird.
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Der Kläger ist Sondereigentümer der Wohnung 44 (Dachgeschoss rechts), die vermietet ist.
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Im Wohnzimmer der Wohnung des Klägers ereignete sich am 24.06.2019 ein Wasserschaden durch Undichtigkeit des Fensterelements. Der Kläger wandte sich darauf an die damals bestellte und meldete den Schaden bei Herrn.
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Dieser besichtigte die Wohnung erst am 05.08.2019 und stellte fest, dass keine Handlung seitens der Hausverwaltung geboten sei. Erst am 07.10.2019 beauftragte die vormalige Hausverwaltung nach weiteren Hinweisen, dass weiterhin Wasser in die streitgegenständliche Wohnung eindringen würde, eine Leckortung. Ein Auftrag für die Trocknung erteilte die Hausverwaltung erst am 10.08.2020.
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Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, dass sich der Wasserschaden durch die Verzögerung von Seiten der Hausverwaltung erheblich vergrößert habe. So habe sich unter dem verlegten Laminatboden Schimmelpilz und an den unter dem Bodenbelag verlegten Heizungsrohren und Heizkörperbefestigungen Rost gebildet. Zur Behebung des Schadens habe eine gänzliche Erneuerung des Bodens erfolgen müssen. Die Wohnung sei für die Mieterin des Klägers 5 Monate unbewohnbar gewesen. In dieser Zeit habe der Kläger aufgrund einer 100%igen Mietminderung keine Mieteinnahmen erhalten.
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Der Kläger beantragte daher,
in der nächsten Eigentümerversammlung darüber abzustimmen, dass ihm die entgangenen Mietzahlungen als adäquater Folgeschaden zu ersetzen seien. In der Ladung zur Eigentümerversammlung vom 10.05.2022 sei jedoch nur ein entsprechender TOP mit der Formulierung aufgenommen worden: „Beschluss über die Erstattung von Mietminderungsansprüchen wegen Nichtbewohnbarkeit der Wohnung während Renovierungsarbeiten in Höhe von (3.120,00 € für 3 Monate) sowie Finanzierung der Maßnahmen“ (Ladung zur Eigentümerversammlung, Anlage K 1).
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Der Kläger habe gegenüber der Hausverwaltung klargestellt, dass es um 5 Monatsmieten gehe, insgesamt ein Schaden von 5.200,00 €. In der Eigentümerversammlung vom 10.05.2022 sei zu TOP 5 jedoch nur ein Ersatz in Höhe von 2.600,00 €, d. h. 50% der geforderten 5.200,00 € beschlossen worden (Protokoll der Eigentümerversammlung vom 10.05.2022, Anlage K 8).
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Der Kläger hat die ursprünglich erhobene Beschlussanfechtung des Beschlusses zu TOP 8 der Eigentümerversammlung vom 10.05.2022 mit Schriftsatz vom 29.07.2022 in Bezug auf den Klageantrag 1 (Beschlussanfechtung) zurückgenommen.
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Er führt hierzu im Wesentlichen aus, dass der Beschluss bereits formell unwirksam gewesen wäre, da die Ladung auf 5 Monatsmieten den Eigentümern erst in der Eigentümerversammlung kommuniziert worden sei. Eine umfassende Vorbefassung habe daher nicht stattfinden können.
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Es sei auch nicht ersichtlich, warum ein Schadensersatzanspruch lediglich in Höhe von 50% anerkannt werden solle. Der Schaden des Klägers sei ausschließlich aufgrund des Verschuldens der vormaligen Hausverwaltung entstanden. Das Verschulden der Haushaltsverwaltung als Vertreter sei der Beklagten unmittelbar zuzurechnen. Der Schadensersatzanspruch sei daher in vollem Umfang dem Kläger zuzusprechen. Es entspreche einer ordnungsgemäßen Verwaltung, ihm diesen Schaden vollständig zu ersetzen.
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Daher entspreche lediglich die beantragte Beschlussersetzung einer ordnungsgemäßen Verwaltung gemäß § 18 Abs. 2 WEG.
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Der Kläger beantragt daher zuletzt:
Die Wohnungseigentümer beschließen die Erstattung von Mietausfällen wegen Nichtbewohnbarkeit der Wohneinheit 44 während der Renovierungsarbeiten in Höhe von weiteren 2.600,00 € gegenüber dem Miteigentümer.
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Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung und soweit der Kläger mit Schriftsatz 29.07.2022 den Klageantrag zu Ziffer I aus der Klageschrift vom 10.06.2022 zurückgenommen hat, ihm insoweit die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, ebenso hinsichtlich der teilweisen Klagerücknahme in Bezug auf den Klageantrag zu Ziffer II aus der Klageschrift vom 10.06.2022 Die Beklagte führt im Wesentlichen aus, dass es sich hier um einen Sachverhalt handele, der sich vor dem 01.12.2020 abgespielt und somit bereits vor dem 01.12.2020 abgeschlossen gewesen sei. Für Pflichtverletzungen des Verwalters, die vor dem 01.12.2020 begangen worden seien, hafte der Verwalter direkt gegenüber dem geschädigten Sondereigentümer, die Wohnungseigentümergemeinschaft müsse sich das pflichtwidrige Handeln des Verwalters nicht zurechnen lassen. Die Beklagte hafte daher nicht für den vom Kläger geltend gemachten Schaden. Es sei ein großes Entgegenkommen gewesen, dem Kläger aus Kulanz 2.600,00 € zu zahlen.
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Weiter führt die Beklagte aus, dass allerdings auch kein Verschulden der Vorverwaltung ersichtlich sei. Gemäß § 8 Ziffer 2 der Gemeinschaftsordnung seien Außenfenster, soweit sie zum Bereich von Sondereigentumsräumen gehören, von dem betreffenden Wohnungseigentümer instand zu halten. Der Kläger hätte somit die Pflicht gehabt, den Schaden sofort zu beseitigen. Die von ihm angeführten erheblichen Folgeschäden hätten so vermieden werden können.
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Auch führe die Bestandskraft des Negativbeschlusses zu TOP 8 der Eigentümerversammlung vom 10.05.2022 dazu, dass der Kläger mit weiteren Ansprüchen ausgeschlossen sei. Hier sei ausnahmsweise im Negativbeschluss eine endgültige Regelung getroffen worden, da nicht nur eine Zahlung von 2.600,00 € beschlossen, sondern auch eine Zahlung weiterer 2.600,00 € bestandskräftig abgelehnt worden seien. Im Beschluss sei nach dessen Text eine Einzelfallentscheidung zur einmaligen Erstattung (vergleiche Protokoll Anlage K 9) enthalten. Somit regele der streitgegenständliche Beschluss die Erstattung etwaiger Ansprüche des Klägers abschließend und endgültig.
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Der Kläger hat hierzu repliziert, dass es sich nicht um eine Klagerücknahme, sondern um eine sachdienliche Klageänderung gemäß § 263 ZPO gehandelt habe. Eine Klageänderung bewirke den Austausch des Rechtsschutzbegehrens, § 269 ZPO hingegen den Wegfall. Dieser liege gerade hier nicht vor.
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Weiter könne die Pflichtverletzung des Unterlassens nicht auf einen konkreten Zeitpunkt abgestellt werden und es sei die Pflichtverletzung in Gesamtschau bis zur Schadensbehebung im August 2021 zu betrachten. Da das pflichtwidrige Handeln der Hausverwaltung weit über die Änderungsreform des WEG-Gesetzes hinausgehe, seien die Vorschriften entsprechend hier anwendbar. Auch sei der Kläger nicht für die Schadensbehebung zuständig gewesen, da es sich um Undichtigkeiten in der Verbindung zwischen dem Fassaden- und dem Fensterelement der Küche gehandelt habe. Aufgrund eines fehlerhaften Einbaus laufe das Wasser nicht nach außen auf die Terrasse ab, sondern werde fehlerhaft nach innen in Küche und Wohnung geleitet. Im Übrigen sei ein Ausschluss von weiteren Schadensersatzansprüchen aus dem streitgegenständlichen Beschluss dem Wortlaut nach nicht ersichtlich. Eine Abgeltung sei in dem Beschluss gerade nicht enthalten.
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Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die eingereichten Schriftsätze und Unterlagen sowie die Niederschrift der öffentlichen Sitzung vom 19.04.2023 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig.
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Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig nach § 23 Nr. 2c GVG und § 43 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 44 Abs. 1 WEG.
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Die Klage ist jedoch, soweit sie aufrechterhalten wurde, nicht begründet.
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Abzustellen ist hier auf den Zeitpunkt der Pflichtverletzung, nicht auf den Zeitpunkt der Schadensbeseitigung auch hinsichtlich der Folgeschäden. Da die Trocknung am 10.08.2020 beauftragt worden war, liegt ein abgeschlossener Sachverhalt vor dem 01.12.2020 vor, mit der Folge, dass die Hausverwaltung direkt haftet, nicht die WEG gemäß § 18 Abs. 1 WEG.
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Dass die damalige Hausverwaltung nicht mehr existiert, hat nicht zur Folge, dass die Gemeinschaft der Eigentümer hinsichtlich etwaiger Pflichtverletzungen dieser Hausverwaltung an deren Stelle tritt.
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Nichtsdestotrotz haben die Eigentümer bestandskräftig zu TOP 8 der Eigentümerversammlung vom 10.05.2022 beschlossen, dem Kläger im Hinblick auf den von ihm geltend gemachten Mietminderungsschaden 50%, d. h. 2.600,00 € zu erstatten. Die Eigentümer haben in diesem Beschluss klar gemacht, dass sich um eine reine Einzelfallentscheidung aus Kulanz handelt. Somit liegt im Beschluss zu TOP 8 der Eigentümerversammlung vom 10.05.2022 kein reiner Negativbeschluss vor, der sich in der Ablehnung erübrigt und deswegen keine Sperrwirkung für die Geltendmachung weiterer Ansprüche entfaltet (BGH NJW 2015, 3713; LG München I ZMR 2016, 802). Nach dem Wortlaut des Beschlusses ist der Kläger mit weiteren Ansprüchen ausgeschlossen, da es sich um eine endgültige Regelung handelt. Aus den Worten „einmalige Erstattung“, Einzelfallentscheidung und „Kulanz“ ist auch für einen außenstehenden objektiven Dritten ersichtlich, dass weitergehende Ansprüche über 2.600,00 € hinaus abgelehnt wurden.
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Dieser Beschluss ist bestandskräftig geworden mit der Folge, dass der Kläger auch im Wege der Beschlussersetzungsklage keine weiteren 2.600,00 € einklagen kann.
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Bei dem geänderten Antrag im Schriftsatz vom 29.07.2022 liegt auch keine sachdienliche Klageänderung, sondern konkludent eine teilweise Klagerücknahme, da der Kläger ursprünglich eindeutig 5.200,00 € im Beschlussersetzungsantrag vom 10.06.2022 gefordert hatte und dies nun auf 2.600,00 € reduzierte.
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Als Unterlegener trägt der Kläger daher die Kosten gemäß § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet auf den § 709 ZPO.
30
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 49 ZPO. Danach war bis zur Teilklagerücknahme ein Betrag von 7.800,00 € anzusetzen, für die Zeit danach die noch geforderten 2.600,00 € heranzuziehen.