Titel:
Konkurrierendes Ratsbegehren
Normenketten:
VwGO § 123
BayGO Art. 18a Abs. 2, Abs. 5, Abs. 9
BV Art. 7 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Vertreter eines Bürgerbegehrens können sich nicht nur gem. Art. 18a Abs. 9 BayGO gegen beeinträchtigende Maßnahmen der Gemeinde im Vorfeld einer Abstimmung zur Wehr setzen, sondern haben zur Sicherung eines fairen Verfahrensablaufs auch das Recht, ein konkurrierendes Ratsbegehren abzuwehren, wenn dieses so formuliert ist, dass damit die Entscheidungsfreiheit der Bürger bei der Abstimmung beeinträchtigt wird und damit auch die Erfolgsaussichten des Bürgerbegehrens geschmälert werden. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Prüfung, ob eine unzulässige Irreführung der Abstimmenden vorliegt, ist bei Konkurrenzvorlagen auch die Konkurrenzsituation in den Blick zu nehmen, da sich eine solche (möglicherweise auch erst) vor dem Hintergrund des unmittelbaren Gegenüberstehens zweier gegenläufiger Fragestellungen ergeben kann. Der Gemeinde ist es dabei untersagt, durch eine irreführende Fragestellung möglicherweise das Abstimmungsergebnis zu verfälschen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wenn auf nur einem Stimmzettel über zwei konkurrierende Bürgerentscheide mit entsprechendem Stichentscheid abgestimmt wird, ergibt sich aus den miteinander verknüpften drei Einzelfragen eine komplexe Entscheidungssituation, die ein genaues Erfassen des jeweiligen Abstimmungsgegenstands erfordert. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erfolgreicher Eilantrag, Konkurrierendes Ratsbegehren, Abwehrrecht der Vertreter des Bürgerbegehrens, Unzulässige Formulierung des Ratsbegehrens, Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Bürger, Bürgerentscheid, Ratsbegehren, Paritätsgebot, faires Verfahren, irreführende Fragestellung, Stichfrage, Straßenplanung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 17.03.2023 – 4 CE 23.503
Fundstelle:
BeckRS 2023, 3849
Tenor
I. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, das Ratsbegehren „Wohlstand sichern, Klima schützen – Ja zum grünen Gewerbepark [Ku.] mit Südumgehung“ mit der Fragestellung „Sind Sie dafür, dass die Stadt P. den Bebauungsplan „Ku. II“ für ein nachhaltiges Gewerbegebiet mit P.er Südumgehung vorantreibt?“ weiter zu betreiben.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragsteller wenden sich als Vertreter der Unterzeichnenden des Bürgerbegehrens „Stoppt den Flächenfraß – kein Gewerbegebiet Ku. II“ gegen die Durchführung des Bürgerentscheids (Ratsbegehren der Antragsgegnerin) „Wohlstand sichern, Klima schützen – Ja zum grünen Gewerbepark [Ku.] mit Südumgehung“ gemeinsam mit dem von ihnen initiierten Bürgerentscheid.
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Die Antragsteller reichten bei der Antragsgegnerin Unterschriftslisten zu zwei Bürgerbegehren ein.
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Das Bürgerbegehren „Keine Straße durch den S. Forst“ enthielt folgende Fragestellung:
„Sind Sie dafür, dass der Stadtrat bezüglich der Trassenführung für die Südumgehung bei seinem Beschluss vom 23.10.2014 bleibt und dadurch verhindert, dass das Naherholungsgebiet S. Forst durchschnitten wird?“
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Die Begründung lautete:
„2014 beriet der Stadtrat 2014 über die Trassenführung für die geplante südliche Umgehungs straße. Dabei sprach er sich fast einstimmig für die Variante 1 aus, auch weil diese die geringsten Eingriffe in die Natur verursacht. Nun soll die Trasse verlegt werden, um ein ca. 38 Hektar großes Gewerbegebiet zu ermöglichen. Die neue Trassenführung durchschneidet jedoch den Wald und trennt ein Stück des beliebten Erholungsgebietes ab. Wald wird in Zeiten der Klimakrise immer wichtiger und ist besonders schutzbedürftig. Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger bei einer so wichtigen Frage die entscheidende Stimme bekommen.“
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Das Bürgerbegehren „Keine Straße durch den S. Forst“ wurde mit Bescheid der Antragsgegnerin vom … Januar 2023 als unzulässig zurückgewiesen. Das Bürgerbegehren sei materiell unzulässig. Die Fragestellung des Bürgerbegehrens beziehe sich auf die „Ortsumgehung P.“, die als Staatsstraße 2045 in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich des Freistaats Bayern falle. Gegenstand einer „eigenen Angelegenheit“ gemäß Art. 18a Abs. 1 GO könne in Bezug auf den Neubau von Staatsstraßen nur die Einnahme und Verfolgung einer Haltung zum staatlichen Straßenbauvorhaben sein. Auch bei wohlwollender Auslegung der Fragestellung ergebe sich jedenfalls die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens wegen einer fehlerhaften und irreführenden Begründung. Die Fragestellung enthalte die unzutreffende Behauptung, dass die Aufrechterhaltung des Stadtratsbeschlusses vom … Oktober 2014 zwingend dazu führe, dass die Durchschneidung des Naherholungsgebiets S. Forst verhindert werde. Auch der Schlusssatz der Begründung unterstreiche noch einmal die falsche Darstellung der Rechtswirkung der Fragestellung. Darüber hinaus ergebe sich die irreführende Wirkung der Begründung aus ihrer Unvollständigkeit bezüglich des Stadtratsbeschlusses vom … Oktober 2014.
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Das zweite Bürgerbegehren „Stoppt den Flächenfraß – kein Gewerbegebiet Ku. II“ wurde von der Antragsgegnerin zugelassen und als Abstimmungstermin der 2. April 2023 bestimmt.
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Das Bürgerbegehren enthält folgende Fragestellung:
„Sind Sie dafür, dass die Stadt P. alle Planungen für ein weiteres Gewerbegebiet Ku. II“ an der Äußeren M. Straße beendet und diese Fläche in der landwirtschaftlichen Nutzung belässt?“
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Zudem hat der Stadtrat der Antragsgegnerin am 19. Januar 2023 ein befürwortendes Ratsbegehren (Bürgerentscheid) zur Thematik Bauleitplanung Ku. II beschlossen, das gleichzeitig mit dem Bürgerentscheid des Bürgerbegehrens abgehalten werden soll.
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Der Bürgerentscheid des Ratsbegehrens „Wohlstand sichern, Klima schützen – Ja zum grünen Gewerbepark [Ku.] mit Südumgehung“ enthält folgende Fragestellung:
„Sind Sie dafür, dass die Stadt P. den Bebauungsplan „Ku. II“ für ein nachhaltiges Gewerbegebiet mit P.er Südumgehung vorantreibt?“
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Der Antragsteller zu 3), welcher auch dem Stadtrat der Antragsgegnerin angehört, hatte bereits in der diesbezüglichen Stadtratssitzung die Verwendung der „Südumgehung“ in der Fragestellung des Ratsbegehrens kritisiert.
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Mit Schreiben vom 1. Februar 2023 wandten sich die Antragsteller als Vertreter des Bürgerbegehrens an die zuständige Kommunalaufsicht zur Überprüfung der Zulässigkeit des Ratsbegehrens, welches sie für materiell rechtswidrig halten.
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Am 13. Februar 2023 stellten die Bevollmächtigten der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, die Antragsteller seien analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Das streitgegenständliche Ratsbegehren sei materiell unzulässig. Es verstoße insbesondere gegen das Koppelungsverbot und gegen das Sachlichkeitsgebot. Zudem sei die Fragestellung zu unbestimmt und irreführend. Auch bei Ratsbegehren gelte das sogenannte Koppelungsverbot. Dafür sprächen sowohl der Wortlaut des Art. 18a Abs. 2 GO als auch die Systematik der gesetzlichen Bestimmungen. Die Frage des Ratsbegehrens vermenge zwei unterschiedliche Komplexe miteinander. Zum einen umfasse sie die Bauleitplanung, zum anderen jedoch die Südumgehung, die in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich des Freistaats Bayern falle und keine gemeindliche Aufgabe sei, wie die Antragsgegnerin selbst in dem ablehnenden Bescheid vom … Januar 2023 ausführe. Die Frage der Befürwortung des Gewerbegebiets und der P.er Südumgehung könnten von den Bürgern nur einheitlich befürwortet oder abgelehnt werden, obwohl je nach individueller Betroffenheit die Interessenlagen des einzeln abstimmenden Bürgers unterschiedlich sein könnten. Er sei hier dennoch gezwungen, die Fragestellung einheitlich zu beantworten, obwohl gerade keine einheitliche Regelungsmaterie vorliege. Es sei gerade nicht ersichtlich, in welchem engen Zusammenhang die beiden Materien stünden. Weiterhin sei bei der streitgegenständlichen Fragestellung nicht ersichtlich, welchen Inhalt die durch den Bürgerentscheid herbeiführende Entscheidung haben werde. Die Fragestellung suggeriere den Bürgern, dass die Bauleitplanung zu dem Gewerbegebiet „Ku. II“ zusammen mit der Südumgehung verwirklicht werde, was falsch sei. Denn die Straßenplanung befinde sich bereits nicht bei der Antragsgegnerin, sondern beim Freistaat Bayern. Die Bürger könnten somit nicht erkennen, was die Antragsgegnerin mit ihrer Fragestellung bezwecken bzw. welcher Beschluss erzielt werden solle. Darüber hinaus werde den Bürgern in der Fragestellung vermittelt, dass sie nur für ein Gewerbegebiet stimmten. Gemäß dem Aufstellungsbeschluss solle der größere Teil (2/3) der Gesamtfläche jedoch als Industriegebiet ausgewiesen werden. Zwischen einem reinen Gewerbegebiet und einem Industriegebiet gebe es jedoch wesentliche planungsrechtliche und immissionsschutzrechtliche Unterschiede. Die Fragestellung sei auch diesbezüglich zu unbestimmt, da für die Bürger nicht ersichtlich sei, ob sie sich hier für das gesamte vom Aufstellungsbeschluss umfasste Plangebiet aussprächen, oder nur für den als Gewerbefläche auszuweisenden Teil. Der Begriff „Gewerbepark“ in der Überschrift sei weder in der Baunutzungsverordnung noch im Baugesetzbuch definiert. Die streitgegenständliche Überschrift könne nicht als Kurzbezeichnung erachtet werden. Zudem werde den Bürgern damit suggeriert, dass sie durch eine positive Stimmabgabe das Klima schützen und die Planung der Südumgehung beeinflussen könnten. Dies sei jedoch nicht der Fall und führe die Bürger in die Irre. Das Ratsbegehren erwecke bei den Bürgern den Eindruck, dass die Antragsgegnerin hier ein „grünes“ und „nachhaltiges“ Gewerbegebiet vorantreiben könne. Dies sei jedoch falsch, was weiter ausgeführt würde. Die Entscheidungsfreiheit der Bürger werde bei der Abstimmung somit beeinträchtigt und damit würden auch die Erfolgsaussichten des Bürgerbegehrens geschmälert.
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Die Antragsteller beantragen,
Der Antragsgegnerin wird untersagt, das Ratsbegehren „Wohlstand sichern, Klima schützen – Ja zum grünen Gewerbepark [Ku.] mit Südumgehung“ weiter zu betreiben.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
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Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 1. März 2023 wurde zum Sachverhalt ergänzt, dass für den am 8. September 2022 gefassten Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan ein Planentwurf existiere, der Grundlage der Fragestellung des Ratsbegehrens sei. Im geltenden und genehmigten Flächennutzungsplan der Stadt seien die Flächen des geplanten Bebauungsplans als Gewerbeflächen dargestellt. Sämtliche Flächen des Gewerbegebiets seien eigentumsrechtlich zur Umsetzung des Vorhabens gesichert. Der Geltungsbereich umfasse auch die Flächen der geplanten Umgehungsstraße, die insoweit Bestandteil des Bebauungsplans sei. Der Geltungsbereich des Bebauungsplans einschließlich der Anbindung des Gewerbegebiets an die geplante Umgehungsstraße sei intensiv mit dem Staatlichen Bauamt abgestimmt. Die Stimmzettel seien bereits gedruckt und würden bis Ende der Woche versandt. Die Antragsteller hätten keinen Anspruch auf Nichtdurchführung des Ratsbegehrens glaubhaft gemacht. Es handele sich nicht um eine Koppelung sachlich nicht zusammenhängender Fragestellungen. Die Fragestellung des Ratsbegehrens beschreibe zutreffend die Inhalte des Bebauungsplans (Zulassung gewerblicher Nutzung sowie Trasse der Umgehungsstraße), die sich aus dem Planentwurf ergäben. Insofern liege für die Fragestellung ein einheitlicher Sachverhalt vor. Gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG könnte ohnehin durch den insoweit planfeststellungsersetzenden Bebauungsplan die vorliegende Umgehungstraße festgesetzt werden. Im Gegensatz zu der Fragestellung des unzulässigen Bürgerbegehrens, welche sich ausschließlich auf die Trassenführung bezogen habe, handele es sich bei dem Aufstellungsbeschluss und Planentwurf für einen Bebauungsplan um eine Planung der Stadt, die im eigenen Wirkungskreis stattfinde. Das sog. Koppelungsverbot gelte bei Ratsbegehren nicht. Insbesondere die hierfür maßgebliche Regelung des Art. 18a Abs. 4 GO gelte ausdrücklich nur für das Bürgerbegehren. Die in Art. 18a Abs. 2 GO enthaltene Begrifflichkeit „einer Angelegenheit“ sei deutlich weiter gefasst, als die spezielle Regelung in Art. 18a Abs. 4 GO („einer mit Ja oder Nein zu entscheidende Fragestellung“). Die Sichtweise der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, dass bei einem Volksentscheid das Koppelungsverbot nicht angewandt werden könne, sei auch auf vorliegende Konstellation zu übertragen, bei der die Stadt im Rahmen ihrer Planungshoheit und ihrem insoweit alleinigen Planungsrecht eine inhaltliche Entscheidung getroffen habe und die Fortführung des Verfahrens zur Aufstellung dieses Bebauungsplans im Rahmen eines Ratsbegehrens zur Abstimmung stelle. Die Argumente der in der Literatur vertretenen anderen Auffassung verfingen auch im Weiteren nicht. Es fehle bei der Fragestellung des Ratsbegehrens auch nicht an der Bestimmtheit. Sie sei eindeutig darauf gerichtet, darüber zu entscheiden, ob die Bauleitplanung fortgeführt werde. Insofern stelle sie den spiegelbildlichen Gegenpart der Fragestellung des Bürgerbegehrens dar, das eingeleitete Bebauungsplanverfahren zu beenden. Auch dort sei ausschließlich von einem Gewerbegebiet die Rede. Der Hinweis der Antragsteller darauf, dass mit der Fragestellung suggeriert werde, dass mit der Bauleitplanung auch die Südumgehung verwirklicht werde, betreffe nicht den Gesichtspunkt der ausreichenden Bestimmtheit. Gleiches gelte hinsichtlich des Vortrags, dass nach dem derzeitigen Planentwurf auch eine Teilfläche als Industriegebiet vorgeschlagen werde. Gerade weil das Ratsbegehren das Spiegelbild des zugelassenen Bürgerbegehrens darstelle, dessen Fragestellung ebenfalls ausschließlich auf das Gewerbegebiet „Ku. II“ abstelle, könnten Zweifel daran, dass die Bürger nicht in wesentlichen Grundzügen erkennen könnten, wofür sie ihre Stimme abgäben, nicht entstehen. Zudem unterlägen Bürgerbegehren strengeren Bestimmtheitsanforderungen als Beschlussanträge im Gemeinderat, da dieser an seine früheren Entscheidungen in keiner Weise gebunden sei und nicht vollzugsfähige Beschlüsse jederzeit präzisieren könne. Nichts anderes gelte auch vorliegend, da mit der Fragestellung des Ratsbegehrens lediglich darüber entschieden werden solle, ob der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan fortgeführt werde oder nicht. Es handele sich um eine städteplanerische Zielsetzung, die nach Durchführung der Beteiligungsverfahren in der Regel Änderungen erfahre. So sei dies auch hinsichtlich der Gebietsart möglich. Der graduelle Unterschied in Bezug auf den Störcharakter sei für den Bürger kaum nachvollziehbar und insoweit nicht abstimmungsrelevant. Die Fragestellung des Ratsbegehrens enthalte auch keine unzutreffenden Tatsachenbehauptungen und die geltende Rechtslage sei nicht unzutreffend und unvollständig dargestellt. Insbesondere liege kein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot (Art. 18a Abs. 15 GO) vor. Es sei bereits fraglich, ob dieses auf die Bewertung der Fragestellung übertragen werden könne. Zudem wäre es im Rahmen des Sachlichkeitsgebots ohnehin zulässig, auch in einem Ratsbegehren pauschale, plakative oder auch überspitzte Formulierungen und Wertungen zu verwenden. Die Kurzbezeichnung fasse prägnant die politischen und städtebaulichen Zielsetzungen, die der Stadtrat mit seinem Aufstellungsbeschluss und insoweit mit dem Ratsbegehren verfolge. Weder verfälsche sie den Inhalt des Begehrens noch werde dieser unzureichend wiedergegeben. Mit den Begriffen „grünes“ und „nachhaltiges“ Gewerbegebiet würden die zentralen städtebaulichen Zielsetzungen des Bebauungsplans umschrieben. Für das Gewerbegebiet seien umfangreiche Nachhaltigkeitskriterien entwickelt worden, die Grundlage des Aufstellungsbeschlusses seien. Der Gewerbepark „Ku. II“ solle insoweit Vorbildwirkung für ein nachhaltiges und grünes Gewerbegebiet entfalten. Dies sei beschlussmäßig durch den städtischen Planungs-, Bau- und Umweltausschuss festgehalten. Die Begriffe in der Kurzbezeichnung seien weder verfälschend noch irreführend. Soweit in der Kurzbezeichnung der Begriff „Gewerbepark“ verwendet werde, sei dies keine technische und bauplanungsrechtliche Bezeichnung. Es gehe um die Grundsatzentscheidung, ob die eingeleitete Bauleitplanung für einen Gewerbepark in diesem Bereich fortgeführt werde oder nicht. Die allgemeinen energie- und klimapolitischen Ausführungen der Antragsteller hätten mit dem konkreten Gewerbegebiet nichts zu tun. Es fehle auch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrunds, da ein solcher nicht dargelegt werde. Es werde nicht geltend gemacht, inwieweit das zugelassene Bürgerbegehren durch das spiegelbildlich formulierte Ratsbegehren in seinen Erfolgsaussichten geschmälert werde.
17
Im Weiteren äußerten sich die Bevollmächtigten der Antragsteller hierzu mit Schriftsatz vom 3. März 2023, auf welchen die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 7. März 2023 erwiderten.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze, die Gerichtsakte im Übrigen sowie die vorgelegte Verfahrensakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
19
Der zulässige Antrag nach § 123 VwGO hat in der Sache Erfolg.
20
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Grund, für den der Antragsteller vorläufig Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit der Regelung begründet wird, bzw. die für diese maßgeblichen Tatsachen glaubhaft zu machen. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2007 – 21 CE 07.1224 – juris Rn. 3).
21
Ist der Antrag – wie hier zumindest teilweise – auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dann nur in Betracht, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 – juris Rn. 5 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 123 Rn. 14 mw.N.).
22
Gemessen an diesen Anforderungen haben die Antragsteller sowohl den Anordnungsgrund als auch den Anordnungsanspruch auf vorläufige Nichtdurchführung des auf dem Ratsbegehren beruhenden Bürgerentscheids glaubhaft gemacht. Dabei ist auch die jedenfalls teilweise Vorwegnahme der Hauptsachenentscheidung gerechtfertigt, da ein Obsiegen der Antragsteller in der Hauptsache nach summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und die im Falle einer Durchführung des Bürgerentscheids des Ratsbegehrens in der beschlossenen Form zu erwartende Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Bürger und damit verbundene Schmälerung der Erfolgsaussichten des Bürgerbegehrens nachträglich nicht mehr effektiv beseitigt werden könnten.
23
Die Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG erfordert eine Anordnung im einstweiligen Rechtsschutz. Die Antragsteller können nicht darauf verwiesen werden, die Durchführung der Bürgerentscheide abzuwarten, und sich erst im Wege nachträglichen Rechtsschutzes im Falle eines für sie ungünstigen Abstimmungsergebnisses an das Gericht zu wenden (vgl. zum Streitstand der Überprüfung/Anfechtung/Ungültigerklärung von Bürgerentscheiden im Einzelnen Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Stand: 2022, Art. 18a Abs. 13 GO, 5).
24
In der Rechtsprechung ist mittlerweile geklärt, dass die Vertreter eines Bürgerbegehrens sich nicht nur gemäß Art. 18a Abs. 9 GO gegen beeinträchtigende Maßnahmen der Gemeinde im Vorfeld einer Abstimmung zur Wehr setzen können, sondern zur Sicherung eines fairen Verfahrensablaufs auch das Recht haben müssen, ein konkurrierendes Ratsbegehren abzuwehren, wenn dieses so formuliert ist, dass damit die Entscheidungsfreiheit der Bürger bei der Abstimmung beeinträchtigt wird und damit auch die Erfolgsaussichten des Bürgerbegehrens geschmälert werden (vgl. BayVGH, B.v. 1.3.2018 – 4 CE 18.495 – juris Rn. 7; VG München, B.v. 13.7.2022 – M 7 E 22.3076 – juris Rn. 19; VG Ansbach, B.v. 14.5.2020 – AN 4 E 20.00882 – juris Rn. 41, 45; VG Bayreuth, B.v. 19.1.2023 – B 9 E 23.10 – juris Rn. 15; vgl. auch bereits VG Augsburg, B.v. 26.10.2010 – Au 7 E 10.1680 – juris Rn. 5 ff.; VG München, B.v. 15.5.2007 – M 7 K 07.1852; vgl. auch VG Würzburg, B.v. 22.11.2018 – W 2 E 18.1430 – juris Rn. 25 ff.; B.v. 22.7.2019 – W 2 E 19.849 – juris Rn. 7; Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Stand: 2022, Art. 18a Abs. 2 GO, 4 b) bb).
25
Mit der konkreten Formulierung des Ratsbegehrens dürfte hier in einer dem Gebot der Sachlichkeit und Ausgewogenheit (vgl. zum Paritätsgebot auch Art. 18a Abs. 15 GO) bzw. den Anforderungen an einen fairen Verfahrensablauf widersprechenden Weise auf die Abstimmungsfreiheit der Bürger eingewirkt werden.
26
Es kann dabei dahinstehen, ob in Bezug auf Ratsbegehren das sog. Koppelungsverbot nach den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Kriterien gleichermaßen wie bei Bürgerbegehren gilt und ein diesbezüglicher Verstoß festzustellen wäre. Denn hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich nicht um ein isoliertes Ratsbegehren handelt, sondern vielmehr um eine sogenannte Konkurrenzvorlage, bei der dem mit dem Bürgerbegehren beantragten Bürgerentscheid ein weiterer ratsinitiierter Bürgerentscheid gegenübergestellt wird (vgl. Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Stand: 2022, Art. 18a Abs. 2 GO, 4 b). Dabei verfolgen beide Bürgerentscheide sich widersprechende Ziele, sodass zusätzlich eine Stichfrage zur Abstimmung zu stellen ist (Stichentscheid, vgl. Art. 18a Abs. 12 Satz 3 GO). In dieser Konstellation ist primär zu prüfen, ob die konkrete Formulierung des Ratsbegehrens (in Überschrift und Fragestellung) geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit der Abstimmenden zu Lasten des Bürgerbegehrens zu beeinträchtigen. Dies kann zur Folge haben, dass ein – bei rein isolierter Betrachtung – rechtlich nicht zu beanstandendes Ratsbegehren möglicherweise – bei Betrachtung im Rahmen der Konkurrenzsituation mit dem Bürgerbegehren – gleichwohl in diesem konkreten Zusammenhang eine unfaire Verfahrensbeeinflussung darstellen und somit zu einem Abwehranspruch der Vertreter des Bürgerbegehrens führen kann. Insoweit können auch die in der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Anforderungen an die Zulässigkeit von Bürgerbegehren herangezogen werden.
27
Der aus dem Grundrecht auf Teilhabe an der Staatsgewalt gemäß Art. 7 Abs. 2 BV abzuleitende Grundsatz der Abstimmungsfreiheit gilt für alle Abstimmungen im Rahmen von Volks- und Bürgerentscheiden. Aus Art. 7 Abs. 2 BV ergeben sich Anforderungen an den korrekten Inhalt der Fragestellung. Da das Abstimmungsergebnis verfälscht würde, wenn die Bürger Inhalt und Tragweite der zu treffenden Entscheidung nicht erkennen könnten, dürfen in der zur Abstimmung gestellten Frage auch keine unzutreffenden oder irreführenden Aussagen enthalten sein (vgl. BayVerfGH, E.v. 10.6.2013 – Vf. 19-VII-11 – juris Rn. 28 m.w.N.). Die Stimmberechtigten können bei der Abstimmung über den Bürgerentscheid nur dann sachgerecht entscheiden, wenn sie den Inhalt des Begehrens verstehen, seine Auswirkungen überblicken und die wesentlichen Vor- und Nachteile abschätzen können (vgl. BayVGH, B.v. 9.12.2010 – 4 CE 10.2943 – juris Rn. 2; B.v. 20.1.2012 – 4 CE 11.2771 – juris Rn. 31 m.w.N.). Bei der Prüfung, ob eine unzulässige Irreführung vorliegt, ist bei Konkurrenzvorlagen auch die Konkurrenzsituation in den Blick zu nehmen, da sich eine solche (möglicherweise auch erst) vor dem Hintergrund des unmittelbaren Gegenüberstehens zweier gegenläufiger Fragestellungen ergeben kann. Der Gemeinde ist es dabei versagt, durch eine irreführende Fragestellung möglicherweise das Abstimmungsergebnis zu verfälschen (vgl. VG Augsburg, B.v. 26.10.2010 – Au 7 E 10.1680 – juris Rn. 7).
28
Die sowohl in der Überschrift als auch in der Fragestellung des Bürgerentscheids 1 (Ratsbegehren) enthaltene Bezugnahme auf die „Südumgehung“ („Gewerbepark [Ku.] mit Südumgehung“ bzw. „Gewerbegebiet mit P.er Südumgehung“) stellt nach Auffassung der Kammer eine Formulierung dar, durch welche die Entscheidungsfreiheit der Bürger bei der Abstimmung beeinträchtigt werden und damit auch die Erfolgsaussichten des Bürgerbegehrens geschmälert werden dürften.
29
Wenn auf nur einem Stimmzettel über zwei konkurrierende Bürgerentscheide mit entsprechendem Stichentscheid abgestimmt wird, ergibt sich aus den miteinander verknüpften drei Einzelfragen eine komplexe Entscheidungssituation, die ein genaues Erfassen des jeweiligen Abstimmungsgegenstands erfordert (vgl. BayVerfGH, E.v. 10.6.2013 – Vf. 19-VII-11 – juris Rn. 25). Da in dem Stimmzettel lediglich die Überschriften und die Fragestellungen der Bürgerentscheide, jedoch keine Begründungen enthalten sind, kommt der konkreten Formulierung dabei weitreichende Bedeutung zu. Diese wird unmittelbar zur Grundlage für die Entscheidungsfindung, da nicht allgemein vorausgesetzt werden kann, dass sich jeder Abstimmende zuvor weitergehend über die zugrundeliegenden Sachverhalte informiert hat. Zudem rücken gerade durch die Gegenüberstellung zweier gegenläufiger Fragen unterschiedliche Formulierungen besonders in den Fokus, da der Bürger dazu aufgerufen ist, jedenfalls im Kern über denselben Gegenstand zweimal abzustimmen und zudem eine Stichfrage zu beantworten. Dabei könnte sich auch die Frage der Sinnhaftigkeit zweier gegenläufiger Abstimmungen aufdrängen, wenn diese einen identischen Inhalt hätten. Auch deshalb könnten von den Abstimmenden Unterschiede in besonderer Weise wahrgenommen werden.
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Mit der Aufnahme der Begriffe „Südumgehung“ bzw. „P.er Südumgehung“ sowohl in die Überschrift als auch in die Fragestellung sowie der engen sprachlichen Verknüpfung („mit“) dieser Begriffe mit dem geplanten „Gewerbepark“ bzw. dem „Gewerbegebiet“ dürfte der geplanten Umgehungsstraße eine Bedeutung und ein Zusammenhang mit dem geplanten Gewerbegebiet zugemessen werden, der ihr tatsächlich nicht zukommt. Es wird der Eindruck erweckt, dass die „Südumgehung“ – neben dem Gewerbegebiet – einen eigenständigen wesentlichen Bestandteil des Bebauungsplans darstellt und damit ebenfalls zum Abstimmungsgegenstand gehört. Ein rein örtlicher Bezug zu dem Gewerbegebiet, um den es sich hier im Wesentlichen handelt, wird hingegen nicht deutlich.
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Die in Planung befindliche „Südumgehung“ bezeichnet ein Teilstück der Staatsstraße 2045 (Ortsumgehung P.), deren Bau und Unterhaltung dem Freistaat Bayern obliegen. Wie die Antragsgegnerin in dem Bescheid vom … Januar 2023 in Bezug auf die Unzulässigkeit des weiteren Bürgerbegehrens zutreffend ausführt, stellt dies keine gemeindliche, sondern eine staatliche Aufgabe dar. Gegenstand einer „eigenen Angelegenheit“ der Gemeinde können in Bezug auf den Neubau von Staatsstraßen nur die Einnahme und Verfolgung einer Haltung zum staatlichen Straßenbauvorhaben sein, nicht hingegen verbindliche Vorgaben für Planinhalte, aber auch für die Planumsetzung. Möglicherweise ergeben sich im Zusammenhang mit der Bebauungsplanung günstige Folgen für die Sicherung von Flächen für die Südumgehung auf P.er Flur, wie in den Veröffentlichungen der Antragsgegnerin zu den Bürgerentscheiden angeführt wird. Der von der Antragsgegnerin favorisierte und mit dem Staatlichen Bauamt abgestimmte, gegenüber der vorherigen Planung verschobene Trassenverlauf der Umgehungsstraße wurde zeichnerisch in den Planentwurf für den Aufstellungsbeschluss nachrichtlich übernommen und es besteht ein unmittelbarer örtlicher Bezug, da sich das zu bebauende Gebiet an den neuen Trassenverlauf anschließen soll. Gleichwohl erfolgen Planung und Bau der Ortsumgehung durch den Freistaat Bayern und dies grundsätzlich unabhängig von dem Umstand, ob die Antragsgegnerin den Bebauungsplan weiterverfolgt oder nicht, auch wenn sich insoweit dann ggf. erforderliche Plananpassungen ergeben mögen. Lediglich die Frage des Trassenverlaufs würde mit dem Bebauungsplan insoweit abschließend entschieden, als jedenfalls die vorherige Planung nicht mehr weiterverfolgt werden könnte, weil deren Trasse durch das Plangebiet führt. Aber selbst der geänderte Trassenverlauf könnte auch ohne Weiterverfolgung des Bebauungsplans sinnvoll bleiben, da zum einen landwirtschaftliche Fläche erhalten bliebe bzw. ein freies Gebiet verbliebe, welches dann jedenfalls für mögliche künftige anderweitige Planungen zur Verfügung stünde.
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Sowohl mit der Überschrift als auch der Fragestellung wird allerdings der Eindruck vermittelt, dass es sich bei der Südumgehung um einen wesentlichen Projektteil des „Gewerbeparks“ handelt und der Abstimmende, wenn er sich für die „Südumgehung“ aussprechen möchte, auch zugleich für den „Gewerbepark“ stimmen muss. Dies kann sich jedoch – wie dargestellt – lediglich auf den Trassenverlauf und ferner ggf. auf mittelbare günstige Folgewirkungen für den Flächenerwerb auswirken, was aber weder aus der Überschrift noch aus der Fragestellung ersichtlich wird. Dort wird lediglich sehr allgemein von „Südumgehung“ gesprochen. Ein rein örtlicher Bezug wird ebenfalls nicht deutlich. Aus der Formulierung geht auch nicht klar hervor, dass es sich hierbei (nur) um eine Darstellung des Plangebiets oder des Geltungsbereichs des Bebauungsplans handeln soll, wie von Seiten der Antragsgegnerin zuletzt nochmals vorgetragen wurde. Insbesondere ist die Begrifflichkeit „mit Südumgehung“ auch in der Überschrift enthalten, dort jedoch ohne jeden Bezug zu dem Bebauungsplan. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass gerade bereits in der Überschrift der Entscheidungsgegenstand bzw. das Entscheidungsziel plakativ dargestellt wird.
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Bei der „Südumgehung“ in dieser Gesamtheit handelt es sich um ein langjähriges Straßenbauprojekt, welches grundsätzlich von vielen Abstimmenden befürwortet werden dürfte. Dies dürfte auch für die Unterstützer der Bürgerbegehren gelten, da von dieser Seite Einwendungen nur hinsichtlich des Trassenverlaufs erhoben werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass demgegenüber die „Südumgehung“ eindeutig nicht Gegenstand des Bürgerentscheids 2 des Bürgerbegehrens ist. Dies folgt zum einen daraus, dass diesbezüglich ein eigenständiges Bürgerbegehren eingereicht worden war, zum anderen auch unzweifelhaft aus der Formulierung der Fragestellung, da deren zweiter Teil ausdrücklich darauf gerichtet ist, die Fläche in der landwirtschaftlichen – und damit auch keiner anderweitigen, also auch keiner straßenverkehrlichen – Nutzung zu belassen. Ein Abstimmender, der sich im Rahmen der konkreten Abstimmung für die (mehrfach benannte) „Südumgehung“ aussprechen möchte, könnte sich daher gezwungen sehen, damit auch zwangsläufig für den „Gewerbepark“ zu stimmen, weil er gleichzeitig davon ausgehen müsste, dass ein „Ja“ bei dem Bürgerentscheid 2 des Bürgerbegehrens (Belassung der Fläche in der landwirtschaftlichen Nutzung) nachteilige Folgen für den Bau der Ortsumgehung hätte. Zudem werden in der Stichfrage die Überschriften der Bürgerentscheide nochmals direkt gegenübergestellt, sodass auch hier der Gegensatz sehr deutlich wird, da die Überschrift des Ratsbegehrens ebenfalls als ausdrücklichen Bestandteil die „Südumgehung“ enthält. Demzufolge dürfte davon auszugehen sein, dass auch hier der Abstimmende die „Südumgehung“ mit in seine Überlegungen zur Entscheidungsfindung einbeziehen wird und diese den Ausschlag geben kann, sich bei der Stichfrage zugunsten des Ratsbegehrens zu entscheiden.
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Nach alledem dürften nach Auffassung der Kammer die Paritätsanforderungen nicht mehr gewahrt und die Grenzen der von Seiten der Unterzeichner des Bürgerbegehrens hinzunehmenden Formulierung des konkurrierenden Ratsbegehrens überschritten sein. Die Antragsteller haben folglich einen Anordnungsanspruch auf Unterlassung der von der Antragsgegnerin vorgesehenen Fragestellung in dem konkurrierenden Ratsbegehren glaubhaft gemacht und damit auch einen Anspruch auf die Nichtdurchführung der für den 2. April 2023 vorgesehenen Abstimmung auf der Grundlage der – trotz des anhängigen Eilverfahrens – gedruckten und versandten Stimmzettel.
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Es kommt daher im Übrigen nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob die von den Antragstellern weiterhin beanstandeten Formulierungen des Ratsbegehrens ebenfalls zu einem solchen Unterlassungsanspruch führen würden. Ohne dies abschließend zu prüfen, scheint dies jedoch wohl eher nicht der Fall zu sein. Soweit der Begriff des „Gewerbegebiets“ bemängelt wird, weil nicht nur ein Gewerbegebiet, sondern ein Gewerbe- und Industriegebiet entwickelt werden solle, verwendet das Bürgerbegehren – ohne dass es auf die einzelnen Ursachen hierfür ankäme – dieselbe Begrifflichkeit, sodass diese auch aus Paritätsgründen nicht zu beanstanden sein dürfte. Auch dürfte es nicht an hinreichender Bestimmtheit fehlen, da eindeutig auf den Bebauungsplan „Ku. II“ Bezug genommen wird, für den derzeit ein Aufstellungsbeschluss mit Planentwurf existiert. Mit der Verwendung der Begriffe „grüner Gewerbepark“ bzw. „nachhaltiges“ Gewerbegebiet“ und der Formulierung „Wohlstand sichern, Klima schützen“ mit Werbungscharakter dürfte ebenfalls noch kein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot oder eine unzulässige Irreführung vorliegen. Insoweit dürften die Abstimmungsberechtigten grundsätzlich in der Lage sein, die Auswirkungen und Folgen, seien sie positiver oder negativer Art, eines „grünen und nachhaltigen“ Gewerbegebiets oder „Gewerbeparks“ denen einer landwirtschaftlichen Nutzfläche gegenüberzustellen. Zudem hat die Antragsgegnerin zahlreiche sachliche Gesichtspunkte angeführt, um ihre dahingehende Einschätzung einer besonderen diesbezüglichen Qualität des konkret beabsichtigten „Gewerbeparks“ zu begründen. Daher dürfte auch die Verwendung der werbenden Schlagworte „Wohlstand sichern, Klima schützen“ nicht zu beanstanden sein (vgl. zur Zulässigkeit werbender Elemente auch VG Bayreuth, B.v. 19.1.2023 – B 9 E 23.10 – juris Rn. 29). Den Antragstellern bliebe es auch unbenommen, entsprechenden Darstellungen der Antragsgegnerin im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit entgegenzutreten.
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Die Antragsteller haben zudem einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da die Antragsgegnerin das Ratsbegehren weiter betreibt und bereits die Unterlagen für die auf den 2. April 2023 terminierte Abstimmung verschickt hat (vgl. auch VG Würzburg, B.v. 22.11.2018 – W 2 E 18.1430 – juris Rn. 23; VG Augsburg, B.v. 26.10.2010 – Au 7 E 10.1680 – juris Rn. 11). Eine Entscheidung im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens und damit anderweitige Gewährung effektiven Rechtsschutzes könnte daher nicht mehr rechtzeitig erlangt werden.
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Zur Erreichung des Sicherungszwecks war der Erlass einer vorläufigen Anordnung erforderlich, aber auch ausreichend, da eine endgültige Entscheidung der Hauptsacheentscheidung der noch zu erhebenden Klage vorbehalten bleiben muss.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m Nrn. 1.5 und 22.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.