Inhalt

LG Passau, Endurteil v. 08.12.2023 – 4 O 173/23
Titel:

Unbegründeter Anspruch wegen vermeintlichen Impfschadens im Zusammenhang mit einer Impfung mit dem SARS-CoV-2-Impfstoff

Normenketten:
AMG § 84 Abs. 1, § 84a, § 95
BGB § 823 Abs. 1, Abs. 2, § 826
GenTG § 32, § 37 Abs. 1
Leitsätze:
1. In einem Arzneimittelhaftungsverfahren trifft den Anspruchsteller eine erweiterte Darlegungslast, die beinhaltet, jedwede Tatsachen vorzutragen, die im Einzelfall für und gegen eine Schadensverursachung sprechen. Das Gericht verkennt nicht, dass der gegenständliche Impfstoff Nebenwirkungen auslösen kann. (Rn. 28 – 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einem Geschädigten steht nach § 84a AMG gegen ein pharmazeutisches Unternehmer grundsätzlich ein Auskunftsanspruch zu. Ihm obliegt jedoch auch hier eine erweiterte Darlegungslast. Der Anspruchsteller muss den gesamten Lebenssachverhalt vortragen, der zu der Beurteilung der Verbindung zwischen Arzneimittelanwendung und dem behaupteten Schaden von Bedeutung ist. (Rn. 46 – 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, Schmerzensgeld, Auskunftsanspruch, Gesundheitssschaden, Impfung, Impfschäden, SARS-CoV-2, Corona-Virus, Herzinsuffizienz, erweiterte Darlegungslast
Fundstellen:
PharmR 2024, 233
LSK 2023, 38488
BeckRS 2023, 38488

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 135.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um ein Schmerzensgeld-, Schadensersatz- und Auskunftsbegehren des Klägers aufgrund behaupteter Impfschäden im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung des Klägers mit dem SARS-CoV-2-Impfstoff C. (BNT162b2) der Beklagten.
2
Die EU-Kommission erteilte dem Impfstoff der Beklagten am 21.12.2020 eine bedingte Zulassung, am 10.10.2022 eine Standardzulassung.
3
Dem verrenteten Kläger wurden folgende Sars-CoV-2-Impfungen verabreicht:
1.
Impfung: 18.06.2021, J.,
2.
Impfung: 14.12.2021, M.,
3.
Impfung: 21.01.2022, C.,
4
Am 24.10.2022 wurde der Kläger positiv auf das Corona-Virus „SARS-CoV-2“ getestet.
5
Der Kläger war in der Zeit vom 24.01.2022 bis 02.12.2022 bei den (Hausarzt), und in Behandlung (vgl. Auflistung der Krankenkasse, Bl. 225). Der Kläger bekam am 07.02.23 in München minimalinvasiv eine neue Hüfte links eingesetzt. Bereits zuvor hatte er sich am 21.11.2022 einer OP zur Entfernung und Verödung von Varizen unterzogen.
6
Der Kläger behauptet, er sei vor der o.g. dritten Impfung gesund gewesen und habe vorher keine Medikamente eingenommen (Ausnahme: Aspirin). Er habe problemlos Wald- und Gartenarbeiten ausführen können. Er habe keinerlei Probleme bei Arbeiten am PC gehabt. Er sei ohne Akku Rad gefahren. Erst unmittelbar seit nach der dritten Impfung leide er an folgenden Symptomen:
- stärkere bis teils extreme Kopfschmerzen,
- stärkerer bis teils extremer Druck im Kopf,
- Müdigkeit bzw. chronisches Erschöpfungssyndrom,
- Schwindel,
- Ohrensausen,
- Bluthochdruck,
- Herzrhythmusstörungen,
- Atemnot,
- plötzliches Zittern,
- Nervensystem-Funktionsstörung,
- Konzentrationsmangel bereits wegen Kleinigkeiten,
- grippeähnliche Symptome,
- Gliederschmerzen, „die man nicht auf Papier schreiben/erklären kann“ – Post-Vac-Syndrom
Bereits drei Tage nach der dritten Impfung seien die Schmerzen so groß gewesen, dass ärztliche Hilfe am 24.01.2022 in Anspruch genommen werden habe müssen. Es sei eine Herzinsuffizienz diagnostiziert worden. Er sei auch bei in München in ärztlicher Behandlung gewesen. Er habe allgemein keine ärztlichen Befundberichte erhalten. Die den Kläger bisher behandelnden Ärzte würden, auch völlig unabhängig von der Person und einer ärztlichen Untersuchung, einen Zusammenhang zu der Impfung grundsätzlich negieren bzw. sich grundsätzlich zu einem Nichtwissenwollen entschließen. Durch die erlittene „Corona“-Infektion habe sich die Situation des Klägers nicht dramatisch verändert; die Beschwerden seien alle gleich geblieben. Durch die gegenständliche Impfung habe der Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Myokarditis erlitten. Die o.g. OPs hätten wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen infolge der Impfung verschoben werden müssen.
7
Eine längere Autofahrt sei ihm nicht mehr möglich. In seiner Familie sei die Stimmung auf dem Tiefpunkt (gewesen). Es habe keine Berg- und Talfahrten der Zustände gegeben, es seien lediglich Talfahrten (gewesen). Alles sei extrem beschwerlich. Das Immunsystem des Klägers sei durch die Impfung mit dem Impfstoff der Beklagten irreversibel geschädigt bzw. defekt. Die Lebenserwartung des Klägers sei durch die Impfung mit dem Impfstoff der Beklagten substantiell reduziert.
8
Dem Kläger seien zudem materielle Schäden entstanden, deren Bezifferung dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen bis dato nicht möglich gewesen sei.
9
Die Kausalität zwischen Impfung und Schaden sei u.a. indiziert durch:
- zeitlichen Zusammenhang zwischen Impfung und den gesundheitlichen Schäden
- bereits gemeldete Impfschadensfälle bei PEI und EMA
- wissenschaftliche Aufsätze
- Wirkungsweise des synthetischen Spike-Proteins „Wuhan 1“
- abnormes Blutbild
- konkrete ärztliche Diagnosen
10
In dem immunologischen Blutbild des Klägers vom 28.03.2023 zeigten sich anhand der Blutwerte Normabweichungen, die sich ausschließlich auf die gegenständliche Impfung zurückführen ließen. Bei dem Impfstoff der Beklagten handele es sich um ein Gentherapeutikum. Die Voraussetzungen für ein tatbestandsausschließendes Einverständnis bzw. eine wirksame Einwilligung des Klägers in die Impfbehandlung seien nicht erfüllt gewesen; der Kläger sei nicht korrekt aufgeklärt worden. Es sei zu Unregelmäßigkeiten im Verfahren für die bedingte und unbedingte Zulassung gekommen; die Zulassungsbeschlüsse seien gesetzeswidrig. Es hätten sich die Nebenwirkungen während der Zulassungsstudien gezeigt. Der Impfstoff habe ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis bzw. sei schädlich. Er sei mit DNA verunreinigt. Die Beklagte habe schließlich mit (bedingtem) Schädigungsvorsatz und aus Gewinnsucht gehandelt.
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Der Kläger meint, ihm stehe ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 100.000,00 EUR und weiterer Schadensersatz aus § 84 Abs. 1 AMG i.V.m. § 87 AMG, § 32 Abs. 1 GenTG, § 826 BGB, § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 95 AMG und § 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 223, 224, 226 StGB zu. Er habe gegen die Beklagte einen Auskunftsanspruch aus § 84a AMG. Der Ausschluss von Schadenersatz in § 84 Abs. 1 Nr. 1 AMG sei unionsrechtswidrig, weshalb eine Vorlage an den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens angezeigt sei.
12
Der Kläger beantragt daher:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch EUR 100.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2023 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei sämtliche sonstigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die der Klagepartei bereits entstanden bzw. künftig aus der Schädigungshandlung resultieren werden und derzeit noch nicht bezifferbar sind, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 2.905,09 nebst Zinsen in Höhe fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2023 zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klagepartei die nachfolgend beantragten Auskünfte im Wege der Erfüllung des Auskunftsanspruchs nach § 84a AMG schriftlich zu Händen ihrer hiesigen Prozessbevollmächtigten zu erteilen und die Vollständigkeit und Richtigkeit dieser Auskunftserteilung an Eides statt zu versichern. Die entsprechende Auskunft ist von dem vertretungsberechtigten Organ der Beklagten zu erteilen.
a. Auskunft über Art und Schwere der Toxizität der verwendeten Lipidnanopartikel ALC-0159 und ALC-0315 für den Menschen sowie über deren immunologische Auswirkungen auf den menschlichen Organismus.
b. Auskunft über den pharmazeutischen Reinheitsgrad von ALC-0159 und ALC-0315 und darüber, wie diese bestimmt werden.
c. Auskunft darüber, welcher Lieferant für die Lieferung der hier streitgegenständlichen Impf-Charge zuständig war und welche Technologie dieser für die Herstellung nutzte.
d. Erläuterung, weshalb im Spike-Protein „Wuhan 1“ der Verbau einer Furin-Schnittstelle zur Trennung des S1-Proteins vom S2-Protein erforderlich war.
e. Erläuterung, weshalb ein P2-Lock verwendet wurde, damit das Spike-Protein S2 nicht auf geht indes aber das S1 ungesichert blieb.
f. Erläuterung, ob es Biarcore-Messungen (Oberflächenplasmonenresonanzspektroskopie) gibt die belegen, dass das Spike-Protein wirklich nicht bindet.
g. Erläuterung, warum ein ganzes Cluster von HIV-Sequenzen und GP-120 im Spike-Protein verbaut sind und welche Auswirkungen dies auf das Immunsystem der Klagepartei hat. Die Klagepartei nimmt Bezug auf folgenden Aufsatz (peer-reviewed): „COVID-19, SARS AND BATS CORONAVIRUSES GENOMES PECULIAR HOMOLOGOUS RNA SEQUENCES“, https://www.granthaalayahpublication.org/journals/index.php/granthaalayah/article/view/IJRG20_B07_3568
h. Erläuterung, weshalb eine Neuropilin-Schnittstelle im Spike-Protein verbaut wurde.
i. Erläuterung, welche konkreten gesundheitlichen Schäden am Menschen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung vor dem 30.04.2021 durch die Beklagte oder in deren Auftrag festgestellt wurden.
j. Erläuterung wie sichergestellt wurde, dass auf der menschlichen Zelle exponierende Spike-Proteine von der Zellwand gehalten (Membrananker) und nicht etwa frei im Körper verfügbar wurden.
k. Erläuterung, ob und gegebenenfalls seit wann der Beklagten bekannt ist, dass das Spike-Protein („Wuhan 1“) an den ACE-Rezeptor menschlicher Zellen andocken und es dadurch Schäden in der Form der Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron-System am menschlichen Organismus verursachen kann.
l. Erläuterung, welche Untersuchungen zur Genotoxizität beim Menschen durch BNT162b2 von Seiten der Beklagten unternommen worden sind.
m. Erläuterung, welche Unterschiede zwischen der Faltung des Proteins zwischen BNT162b2.8 und BNT162b2.9 bestehen und welche der Varianten die Klagepartei verimpft bekommen hat.
n. Erläuterung, welche Bewandtnis die Feststellung von Prof. M2. von der Tokio University of Science zur Verwendung von Plasmid-DNA in dem Impfstoff BNT162b2 hat (SV40-Sequenz). Ergänzend: Seit wann wird die Sequenz von der Beklagten genutzt? Welche Funktion übt die Plasmid-DNA nach der Vorstellung der Beklagten in dem Vakzin aus?
o. Erläuterung, welche Maßnahmen gegen negative Auswirkungen des Vakzins auf die Fruchtbarkeit von geimpften Personen im Hinblick auf die Feststellungen im Abschlussgutachten zur Prä-Klinik vom 21.01.2021 (Anlage K19) ergriffen wurden.
p. Erläuterung über den Inhalt des Zwischenberichts C4591022 zu Fehl- und Totgeburten (Pflichtbestandteil des EPAR-Riskmanagement der EMA).
q. Erläuterung, welche Maßnahmen die Beklagte unternahm, nachdem sie gemäß folgender Gutachten (peer-reviewed) feststellte, dass ihr Vakzin BNT162b2 die Blockade/Zerstörung des P53-Protein an menschlichen Körperzellen die Krebszellenerkennung verhindert:
- Zeitliche metabolische Reaktion auf mRNA-Impfungen bei Onkologiepatienten, Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34463888/
- Koordinierung und Optimierung von FDG-PET/CT und Impfung; Erfahrungen aus der Anfangsphase der Massenimpfung, Quelle:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34029956/
- Lymphadenopathie nach Impfung: Bericht über zytologische Befunde aus einer Feinnadelaspirationsbiopsie, Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34432391/
- Axilläre Lymphadenopathie nach Impfung bei einer Frau mit Brustkrebs, Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34940788/
- Feinnadelaspiration bei einer impfassoziierten Lymphadenopathie,
Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34286849/
- Hypermetabolische Lymphadenopathie nach Pfizer-Impfung, Inzidenz bewertet durch FDG PET-CT und Bedeutung für die Interpretation der Studie, eine Überprüfung von 728 geimpften Patienten, Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33774684/ Ergänzung: In welchem Zusammenhang steht diesbezüglich die Zulassung im Jahr 2022 von 23 neuen Krebsmedikamenten des Pfizer-Konzerns?
r. Erläuterung, ob Oncomire – d.h. mit Krebs assoziierte miRNA – in dem streitgegenständlichen Impfstoff C. enthalten sein können.
s. Trifft es zu, dass Herr U. S. als ehemaliger Geschäftsführer und sämtliche Mitarbeiter der Beklagten sich nicht haben impfen lassen?
t. Trifft es zu, dass U. S. bereits in seinem Patent US 2015/0086612 A1 auf Seite feststellt: „Bei der Immuntherapie auf RNA-Basis kann die Teerbildung in Lunge oder Leber nachteilig sein, da das Risiko einer Immunreaktion bei diesen Organen besteht.“ (engl.: For RNA based immunotherapy, lung or liver tar geting can be detrimental, because of the risk of an immune response against these organs.). Ergänzend: Welche Änderungen nach Einreichung des Patents liegend der Beklagten vor, die diese Einschätzung im streitgegenständlichen Vakzin widerlegen?
u. Trifft es zu, dass U. S. in seinem Patent US 10,485,884 B2 beschrieb, dass die Kombination von Salzen mit Nanolipiden keine gute Idee sei, weil diese dann ausflocken? Welcher Schaden entsteht bei Verdünnung mit ionischem Kochsalz in Verbindung mit der Tatsache, dass in einen Ca2+-haltigen Muskel injiziert wird?
v. Erläuterung, ob die Beklagte über das Spike-Protein „Wuhan 1“ die proteinbiochemischen Grundlagen erhoben hatte, wie:
- Thermostabilität
- PH-Sensitivität
Verhält sich bspw. ein im Fuß der Klagepartei auf 7 Grad heruntergekühltes Spike-Protein anders als bei 36,6 Grad (Kältedenaturierung)?
w. Erläuterung, was mit fehlgefalteten Proteinen geschieht. Wurde auf Einschlusskörperchen in den Zellen getestet?
13
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
14
Die Beklagte trägt vor, es gebe (keine tatsächlichen Anhaltspunkte für einen bzw.) keinen Ursachenzusammenhang zwischen der Impfung und den behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffs C. sei uneingeschränkt positiv. Die Fach- und Gebrauchsinformationen des Impfstoffs hätten zu jeder Zeit dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft entsprochen.
15
Die Beklagte meint, auf Basis der nicht bewiesenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien keine belastbaren Indizien für eine Schadenseignung im konkreten Fall gegeben. Es fehle u.a. bereits der Nachweis, dass der Kläger vor der Impfung gesund gewesen sei. Aus demselben Grund bestehe kein Auskunftsanspruch nach § 84a Abs. 1 AMG. Außerdem seien die Fragen des Klägers nicht von dem Auskunftsanspruch gedeckt. Für eine Vorlage an den EuGH fehle es an entscheidungserheblichen Vorlagefragen.
16
Das Gericht hat am 13.09.2023 mündlich verhandelt und den Kläger dabei informatorisch angehört (s. Protokoll der Sitzung vom 13.09.2023).
17
Zur Ergänzung, Vertiefung und Vervollständigung wird verwiesen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der Sitzung vom 13.09.2023.

Entscheidungsgründe

A.
18
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
19
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Passau nach § 94a Abs. 1 AMG örtlich zuständig.
20
II. Die Klage ist unbegründet.
21
Das geltend gemachte Schmerzensgeld- und Schadensersatzbegehren (1.) und der Auskunftsanspruch (2.) bestehen dem Grunde nach nicht, so dass die Nebenforderungen ebenfalls unbegründet sind (3.).
22
1. Dem Kläger steht im Hinblick auf das geltend gemachte Schmerzensgeld- und Schadensersatzbegehren weder ein Anspruch aus § 84 Abs. 1 AMG (a.) noch ein sonstiger Anspruch (b.) gegen die Beklagte zu.
23
a. Ein Anspruch aus § 84 Abs. 1 AMG ist nicht gegeben. Zwar ist das AMG anwendbar (aa.). Eine kausale Rechtsgutverletzung i.S.d. § 84 Abs. 1 AMG ist jedoch nicht substantiiert vorgetragen (bb.). Auf die weiteren Voraussetzungen kommt es daher nicht an (cc., dd.).
24
aa. Das Arzneimittelgesetz ist anwendbar. Zudem brachte die Beklagte den gegenständlichen zulassungspflichtigen Impfstoff im Geltungsbereich des AMG in Verkehr.
25
(1) Bei dem gegenständlichen Impfstoff der Beklagten handelt es sich um ein Arzneimittel i. S. d. AMG und nicht um ein Gentherapeutikum.
26
Impfstoffe sind gem. § 4 Abs. 4 AMG Arzneimittel i.S.d. § 2 Abs. 1 AMG, die Antigene oder rekombinante Nukleinsäuren enthalten und die dazu bestimmt sind, beim Menschen zur Erzeugung von spezifischen Abwehr- und Schutzstoffen angewendet zu werden und, soweit sie rekombinante Nukleinsäuren enthalten, ausschließlich zur Vorbeugung oder Behandlung von Infektionskrankheiten bestimmt sind. Dies ist bei dem gegenständlichen Impfstoff in Abgrenzung zu einem Gentherapeutikum (vgl. § 4 Abs. 9 AMG) aufgrund der Regelung in der RL 2009/120/EG der EU-Kommission vom 14.09.2009 der Fall (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.07.2022 – 1 WB 2/22).
27
(2) Im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 84 Abs. 1 AMG bestehen auch unter Berücksichtigung der Produkthaftungs-RL 85/374/EWG keine durchgreifenden unionsrechtlichen Bedenken (dazu ausführlich LG Düsseldorf, Urt. v. 16.11.2023 – 3 O 151/22).
28
bb. Der Kläger legte einen auf die gegenständliche Impfung vom 21.01.2022 zurückzuführenden nicht unerheblichen Gesundheitsschaden jedoch nicht hinreichend dar.
29
Dabei trifft den Kläger im Arzneimittelhaftungsverfahren eine erweiterte Darlegungslast, die beinhaltet, jedwede Tatsachen vorzutragen, die im Einzelfall für und gegen eine Schadensverursachung sprechen. Dies schließt gerade auch solche Informationen ein, über die nur der Kläger verfügt, wie zum Beispiel Grund- und Parallelerkrankungen, Risikofaktoren sowie die Einnahme anderer Arzneimittel. Dem ist der Kläger nicht ausreichend und widerspruchsfrei nachgekommen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Anforderungen an den klägerischen Vortrag nicht überspannt werden dürfen (vgl. BGH NJW 2008, 2994) und der gegenständliche Impfstoff Nebenwirkungen auslösen kann.
30
(1) Es erfolgten, unabhängig von der Frage der Verspätung des Vortrags, keine hinreichenden und auf alle Beeinträchtigungen bezogenen Darlegungen zu dem Beginn, der Dauer, der Häufigkeit und der Schwere der behaupteten Beeinträchtigungen. Auch aus der vorgelegten Übersicht über die Arztbesuche des Klägers seit der gegenständlichen Impfung, aus der informatorischen Anhörung des Klägers in der Sitzung vom 13.09.2023 und aus den Angaben des Klägers im nachgelassenen Schriftsatz vom 02.11.2023 ergibt sich insoweit kein stimmiges und widerspruchsfreies Bild.
31
(a) Der Kläger trägt bereits nicht zu etwaigen Arztbesuchen vor der gegenständlichen Impfung vor. Dass der Kläger vor der gegenständlichen Impfung gesund gewesen wäre und keine Ärzte aufgesucht hätte, ist vor dem Hintergrund der sich aus der Auflistung der Krankenkasse ergebenden Diagnosen, die auf längerfristige Erkrankungen jedenfalls hindeuten und daher erklärungsbedürftig sind (etwa Diagnose einer essenziellen Hypertonie und hypertensiven Herzkrankheit und Hypercholesterinämie bereits wenige Tage nach der gegenständlichen Impfung durch Arthrose im April 2022 durch und Osteochondropathie im August 2022 durch die unplausibel. Zudem stellten die den Kläger behandelnden Ärzte fest, dass die vom ihm geschilderten, am 24.05.2022 nicht mehr bestehenden Thoraxschmerzen durch Druck von außen ausgelöst wurden und daher wahrscheinlich muskuloskelettaler Natur waren (vgl. Anl. K29: nicht-kardialer Thoraxschmerz). Des Weiteren gab der Kläger in der informatorischen Anhörung selbst an, seit ca. zwei Jahren an Schulterproblemen zu leiden.
32
(b) Die behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigungen werden durch die vorgelegten Unterlagen nicht belastbar – überwiegend kommen sie gar nicht vor – gestützt, im Gegenteil sogar teilweise widerlegt.
33
(aa) Zunächst bot der Kläger zum Beweis für die Richtigkeit der von ihm behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen ärztliche Diagnosen und das Zeugnis der ihn behandelnden Ärzte an (vgl. Seite 5 der Klageschrift vom 28.02.2023). Später teilte der Kläger mit, keine ärztlichen Berichte erhalten zu haben. Im Termin gab der Kläger an, einen Ordner mit ärztlichen Dokumenten zu Hause, jedoch nicht dabei zu haben. Auch binnen der nachgelassenen, mehrwöchigen Schriftsatzfrist erfolgte insoweit keine weitere Vorlage belastbarer Dokumente (z.B. aus dem angesprochenen Ordner). Die Behauptung, bedingt durch die Beschwerden zu einer Rekonstruktion der Arztbesuche und Vorlage sämtlicher Unterlagen nicht ausreichend in der Lage zu sein, ist für die Kammer angesichts der Tatsache, dass der Kläger anwaltlich vertreten ist, nicht nachvollziehbar.
34
(bb) Die Behauptung des Klägers im Rahmen seiner informatorischen Anhörung im Termin vom 13.09.2023, bereits am 24.01.2022 bei gewesen zu sein, und erstmalig über gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Druck im Kopf, Konzentrationsschwäche, Schwindel und Atemnot geklagt zu haben, ist durch die Vorlage der Liste der Krankenkasse widerlegt. Dass bei dem Kläger am 24.01.2022 eine Herzinsuffizienz diagnostiziert worden sein soll, ist unter Heranziehung der Krankenkassenliste ebenfalls nicht belegt (Auszug: „ohne Herzinsuffizienz“).
35
(cc) Die erst mit Schriftsatz vom 02.11.2023 vorgetragene Behauptung des Klägers, er habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kausal eine Myokarditis erlitten, lässt sich den unvollständigen Unterlagen ebenfalls nicht nachvollziehbar entnehmen.
36
(c) Dass der Kläger mithin nicht an Vorerkrankungen litt, die die behaupteten zahlreichen Beeinträchtigungen erklären können, entkräftete der Kläger durch die Vorlage vollständiger Unterlagen i.S.d. erweiterten Darlegungslast nicht. Warum nicht auch eine Liste der Krankenkasse für die Zeit vor der gegenständlichen Impfung angefordert wurde und warum anlässlich der Zur-Verfügung-Stellung der Liste der Krankenkasse nicht Unterlagen bei den darin genannten Ärzten angefordert wurden, erschließt sich nicht. Auf den Umstand, dass die Dokumentationslage unzureichend ist, wies die Kammer hin. Auch die Beklagtenseite machte wiederholt darauf aufmerksam.
37
(2) Darüber hinaus wird von dem Kläger kein hinreichender Bezug zwischen den behaupteten Beschwerden und der gegenständlichen Impfung dargestellt.
38
(a) Soweit der Kläger behauptet, vor der gegenständlichen Impfung gesund gewesen zu sein und lediglich gelegentlich Aspirin eingenommen zu haben, lässt sich dies bereits mit den unzureichend vorgelegten Unterlagen nicht widerspruchsfrei in Einklang bringen (s.o.).
39
(b) Der klägerische Vortrag, die ihn bisher behandelnden Ärzte würden, auch völlig unabhängig von der Person und einer ärztlichen Untersuchung, einen Zusammenhang zu der Impfung grundsätzlich negieren bzw. sich grundsätzlich zu einem Nichtwissenwollen entschließen, ist nicht belegt und eine Behauptung ins Blaue hinein. Selbst wenn – unterstellt – ärztliches Personal dazu neigen sollte, einen Ursachenzusammenhang zwischen Beschwerden und Impfung nicht herstellen zu wollen, ist nicht nachvollziehbar, warum dieses nicht zumindest die behaupteten Beeinträchtigungen dokumentieren sollte, was vorliegend überwiegend nicht der Fall ist. M.a.W.: Hätte der Kläger die Beschwerden geschildert, hätten sie naheliegenderweise allesamt Eingang in die vorzulegende ärztliche Dokumentation gefunden.
40
(c) Einer amtswegigen Beiziehung von weiteren Krankheitsunterlagen bedurfte es aus Sicht der Kammer nicht.
41
cc. Dementsprechend braucht nicht entschieden zu werden, ob der gegenständliche Impfstoff ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweist. Die Frage, ob eine Vorlage an den EuGH zu der Frage der Ordnungsgemäßheit des Zulassungsverfahrens und der inhaltlichen Richtigkeit der (bedingten) Zulassungsentscheidung angezeigt ist, braucht nicht beantwortet zu werden.
42
dd. Folglich kann ebenso dahinstehen, ob ein Informationsfehler i.S.d. § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG vorliegt.
43
b. Auch ein sonstiger Anspruch ist nicht ersichtlich.
44
aa. Ein Anspruch aus § 32 GenTG kommt wegen § 37 Abs. 1 GenTG (Vorrang des AMG) nicht in Betracht. Bei dem Impfstoff handelt es sich, wie dargelegt, um kein Gentherapeutikum.
45
bb. Weitere deliktische Ansprüche aus § 826 BGB, § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 95 AMG und § 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 223, 224, 226 StGB greifen ebenfalls nicht durch. Insoweit fehlt es jeweils bereits an der substantiierten Darlegung eines kausalen Schadens (s.o.).
46
2. Der begehrte Auskunftsanspruch gem. § 84a AMG steht dem Kläger insgesamt nicht zu.
47
Nach § 84a Abs. 1 Satz 1 AMG kann der Geschädigte von dem pharmazeutischen Unternehmer Auskunft verlangen, sofern Tatsachen vorliegen, die die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel den Schaden verursacht hat, es sei denn, dies ist zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84 AMG besteht, nicht erforderlich. Gerichtet ist der Anspruch auf dem pharmazeutischen Unternehmer bekannte Wirkungen, Neben- und Wechselwirkungen sowie im bekannt gewordene Verdachtsfälle von Neben- und Wechselwirkungen und sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen von Bedeutung sein können. Voraussetzung ist mithin die Darlegung von Tatsachen, die die Annahme begründen, dass ein konkretes Arzneimittel den Schaden i.S.d. § 84 Abs. 1 AMG verursacht hat. Auch insoweit trifft den Anspruchsteller eine erweiterte Darlegungslast. Er muss den gesamten Lebenssachverhalt vortragen, der zu der Beurteilung der Verbindung zwischen Arzneimittelanwendung und dem behaupteten Schaden von Bedeutung ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Ob die Fragen von dem Auskunftsanspruch gedeckt sind, kann daher im Einzelnen dahinstehen
48
3. Die geltend gemachten Nebenforderungen (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Zinsen) teilen das Schicksal der unbegründeten Hauptforderungen.
49
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
50
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 709 Satz 1, 2 ZPO.
B.
51
Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes ergeht gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. §§ 3, 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO:
Ziff. 1.: 100.000,00 EUR, wobei die Kammer die Mindestangabe in dem Klageantrag zu Grunde legt
Ziff. 2.: 25.000,00 EUR
Ziff. 3.: nicht streitwerterhöhend
Ziff. 4.: 10.000,00 EUR.