Inhalt

VG München, Beschluss v. 21.12.2023 – M 8 S 23.5180
Titel:

Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen eine erneute Androhung des Zwangsgeldes, Einstellung der Zwangsvollstreckung

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
VwZVG Art. 19
VwZVG Art. 29 ff.
VwZVG Art. 36
Schlagworte:
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen eine erneute Androhung des Zwangsgeldes, Einstellung der Zwangsvollstreckung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 38441

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 14.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Mitteilung, dass ein Zwangsgeld fällig geworden ist und gegen eine erneute Zwangsgeldandrohung betreffend das Grundstück … Str. 116, Fl.Nr. …, Gemarkung …
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Die Antragstellerin war Mieterin dieses Grundstücks. Der Mietvertrag endete am 31. August 2022. Die Antragstellerin wurde mit Urteil des Landgerichts München I vom 19. Januar 2021 verurteilt, das Grundstück FlNr. … und … zum 30. August 2022 zu räumen und an die Eigentümer herauszugeben (Az.: 31 O 17389/19). Zudem wurde sie mit diesem Urteil verurteilt, die Gebäude mit den Buchstaben E, F, G, H, I, J und K zum 30. August 2022 zu beseitigen und den Boden von Aufkiesungen zu befreien. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
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Mit Bescheid vom 30. August 2018 verpflichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin, die im beiliegenden Lageplan mit dem Buchstaben H, I, J bezeichneten baulichen Anlagen unverzüglich, spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Unanfechtbarkeit der Verfügung zu beseitigen (1.1). Die gewerbliche Nutzung als Kraftfahrzeughandel, -Vermietung, -Reparatur und -Pflege der im beiliegenden Lageplan als E, F, G und K bezeichneten Gebäude sowie die KfZ-Abstellplätze M und N seien unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Monaten nach Unanfechtbarkeit dieser Verfügung zu unterlassen (1.2.). Die in der Anlage beigefügte Anordnung an die Grundstückseigentümer (Beseitigung des Gebäudes E) sei zu dulden (1.3.). Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der in Ziffer 1 genannten Verpflichtungen wurden unter 2. jeweils Zwangsgelder angedroht. Hinsichtlich des Gebäudes H wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 EUR und hinsichtlich des Gebäudes J in Höhe von 18.000 EUR angedroht. Gegen diesen Bescheid wurde keine Klage erhoben.
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Die Eigentümer des Grundstücks wurden mit Bescheid vom 30. August 2018 verpflichtet, das Gebäude E zu beseitigen. Gegen diesen Bescheid wurde Klage erhoben und der Bescheid durch den Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung wegen dessen Unbestimmtheit aufgehoben (M 8 K 19.4689). In der mündlichen Verhandlung teilte die Bevollmächtigte der Eigentümer des Grundstücks zu Protokoll mit, dass diese die Beseitigungsanordnungen für Gebäude, die gegenüber der Antragstellerin ausgesprochen worden seien, dulden würden. Mit Bescheid vom 20. Juli 2021 verpflichtet die Antragsgegnerin die Eigentümer erneut zur Beseitigung des Gebäudes E (gegenständlich im Verfahren M 8 K 21.4359).
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Am 2. Oktober 2018 schlossen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin eine Vereinbarung über die ungenehmigten Gebäude und Nutzungen auf dem Grundstück … Str. 116. Unter 1. verzichtete die Antragstellerin auf Rechtsmittel gegen den Bescheid vom 30. August 2018 und verpflichtete sich, bis zum 30. November 2022 die im beiliegenden Lageplan mit dem Buchstaben F, G und K bezeichneten Gebäude zu beseitigen. Unter 2. bestätigte die Antragstellerin, die Kosten für den Bescheid vom 30. August 2018 fristgerecht auf das Konto der Antragsgegnerin einzuzahlen. Die Antragstellerin verpflichtet sich zudem unter 3., zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Einhaltung der in Ziffer 4 gewährten Auslauffrist eine Kaution in Form einer Bareinlage oder Bürgschaft in Höhe von 40.000 EUR bis zum 30. November 2018 zu erbringen. Die Parteien vereinbarten, dass die Sicherheitsleistung der Antragsgegnerin zur Begleichung der angedrohten Zwangsgelder oder für Ersatzvornahmen für den Fall eines Verstoßes gegen die Verfügung nach dem 31. August 2022 zufalle. Weitere Vollstreckungsmaßnahmen behielt sich die Antragsgegnerin bei Nichterfüllung vor. Die Antragsgegnerin sagte unter 4. zu, aus den oben genannten Verfügungen mit Ausnahme der Nutzungsuntersagung bezüglich des Kfz-Abstellplatz N unter der Voraussetzung, dass die in den Ziffern 1-3 dieser Verfügung getroffenen Regelungen erfüllt werden, bis zum 31. August 2022 nicht zu vollstrecken.
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Mit Schreiben vom 14. Dezember 2022, vom 22. Februar 2023 und vom 5. April 2023 bat die Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Verweis auf die Beseitigung der Gebäude F, G und K um Rückgabe der Bürgschaft/Originalurkunde.
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Bei einer Ortskontrolle der Antragsgegnerin am 16. Mai 2023 wurde festgestellt, dass die Gebäude H und J sowie E noch bestehen. Die Gebäude F und G sowie I und K seien abgebrochen. Die Abstellfläche M sei geräumt.
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Mit Schreiben vom 19. Juni 2023 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass der Verpflichtung unter Ziffer 1 des Bescheids vom 30. August 2018 nicht vollständig Folge geleistet worden sei. Die hinsichtlich des Gebäudes H in Höhe von 10.000 EUR und des Gebäudes J in Höhe von 18.000 EUR angedrohten Zwangsgelder seien daher fällig geworden. Die hinterlegte Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000 EUR diene gemäß der Vereinbarung vom 2. Oktober 2018 der Begleichung der angedrohten Zwangsgelder. Die Antragsgegnerin behalte daher die genannten Zwangsgelder von der hinterlegten Sicherheitsleistung ein (II.). Unter III. drohte die Antragsgegnerin für den Fall, dass den in dem Bescheid vom 30. August 2018 unter Ziffer 1 enthaltenen Verpflichtungen nicht unverzüglich, spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Zustellung dieses Bescheids Folge geleistet werde, Zwangsgelder hinsichtlich des Gebäudes H in Höhe von 20.000 EUR und hinsichtlich des Gebäudes J in Höhe von 36.000 EUR an. Die erneute Zwangsgeldandrohung sei erforderlich, um sie zur Erfüllung der aufgegebenen Verpflichtungen anzuhalten. Die Höhe der Zwangsgelder entspreche der wirtschaftlichen Bedeutung der geforderten Maßnahme und berücksichtige außerdem ihr Interesse am Fortbestand des derzeitigen Zustands. Unter Berücksichtigung des erforderlichen Aufwands könne die Erfüllung der Auflagen innerhalb der festgesetzten Frist billigerweise zugemutet werden. Auf dem bei Gericht eingereichten streitgegenständlichen Schreiben der Antragsgegnerin vom 19. Juni 2023 befindet sich ein Eingangsstempel der Bevollmächtigten vom 22. Juni 2023.
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Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2023 legte die Bevollmächtigte der Antragstellerin „alle möglichen außergerichtlichen Rechtsmittel“ ein und bat um Überprüfung der Fälligkeitsmitteilung und der erneuten Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 19. Juni 2023. Mit Schriftsätzen vom 7. August 2023 und vom 20. September 2023 ersuchte die Bevollmächtigte der Antragstellerin die Antragsgegnerin um Aussetzung der weiteren Zwangsvollstreckung bis zu einer gerichtlichen Entscheidung. Dem Antrag gab die Antragsgegnerin nicht statt.
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Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2023 erhob die Antragstellerin, vertreten durch ihre Bevollmächtigte, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragt den Bescheid vom 19. Juni 2023, insbesondere die Fälligkeitsmitteilung und die erneute Androhung eines Zwangsgelds aufzuheben. Zudem beantragt sie festzustellen, dass der Bescheid vom 30. August 2018 in Ziffer 1 und 2 unwirksam sei, hilfsweise die gestellten Verpflichtungen erfüllt und durch die Auslaufvereinbarung vom 2. Oktober 2018 erledigt wurden, höchst hilfsweise den Bescheid vom 30. August 2018 aufzuheben. Über die Klage ist bislang nicht entschieden (M 8 K 23.3644).
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Ausweislich einer Auslieferungsanordnung vom 5. Oktober 2023 wurde die Stadtkasse angewiesen, die Zahlung des Betrags i.H.v. 28.000 EUR vom Bürgen zu fordern. Der Restbetrag der Bürgschaft sei nicht freizugeben, da ein neues Zwangsgeld angedroht wurde.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 26. Oktober 2023 beantragt die Bevollmächtigte der Antragstellerin zudem:
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„I. Die aufschiebende Wirkung der Klage (M 8 K 23.3644) gegen die unter Nr. III. des Bescheids der … … Referat für Stadtplanung und Bauordnung vom 19.06.2023 [verfügte] erneute Zwangsgeldandrohung wird angeordnet.
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II. Es wird festgestellt, dass das in Nr. 2 des Bescheids vom 30.08.2018 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 28.000 EUR nicht fällig geworden ist.“
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Zur Begründung des Antrags führte die Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schriftsätzen vom 26. Oktober 2023 und 5. Dezember 2023 insbesondere aus, dass sich der Bescheid vom 30. August 2018 durch die anschließende Auslaufvereinbarung vom 2. Oktober 2018 teilweise erledigt hätte, da diese an Stelle des Bescheids getreten sei. Die Antragstellerin sei nur noch verpflichtet, die Gebäude F, G und K zu entfernen. Es sei nicht zudem unangemessen, während laufender gerichtlicher Verfahren weitere Zwangsgelder zu verhängen. Der Antragstellerin sei es derzeit verwehrt, die Gebäude abzureißen. Es entspreche nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, ein Zwangsgeld zu verhängen, wenn sich das Gebäude auf einem fremden Grundstück befände und ein verwaltungsgerichtliches sowie zivilrechtliches Klageverfahren der Eigentümerin andauere. Das von der Antragsgegnerin angedrohte Zwangsgeld i.H.v. 56.000 EUR führe zu der Insolvenz der Antragstellerin. Die Anordnung des Zwangsgelds diene nicht dazu, die Antragstellerin zur angeblich geschuldeten Tätigkeit anzuhalten. Vorherrschend sei ein Pönalisierungsgedanke. Es werde die Aufgabe des Vollzugs der Vollstreckung der angeordneten oder drohenden Zwangsgelder beantragt. Die Antragstellerin legte ein Dokument vor, das als ´Eidesstattliche Versicherung´ bezeichnet ist und in dem der Geschäftsführer der Antragstellerin versichert, dass die Antragstellerin bei erneutem Einziehen eines Zwangsgelds einen Insolvenzantrag stellen müsse.
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Die Antragsgegnerin beantragt
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den Eilantrag abzulehnen.
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Weder in der Auslaufvereinbarung noch in den Behördenakten werde die von der Antragstellerin unsubstantiiert behauptete Aufhebung der Beseitigungsverpflichtung auch nur angedeutet. Bei der, von der Antragstellerin als unangemessen bezeichneten Konstellation, während laufender gerichtlicher Verfahren weitere Zwangsgelder zu verhängen, handele es sich um einen vom Gesetzgeber antizipierten Regelfall (§§ 80 Abs. 5 Satz 1, 80 Abs. 2 Nr. 3, Art. 21a VwZVG). Der Einwand der Antragstellerin, die Grundstückseigentümer würden der Beseitigung der Gebäude H und J entgegentreten sei unrichtig, wie sich aus dem Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2021 (M 8 K 18.4689) ergebe. Zudem habe die Antragstellerin in der Auslaufvereinbarung erklärt, dass keine Vollstreckungshindernisse bekannt seien. Sie könne nun nicht unsubstantiiert das Gegenteil behaupten. Ein etwaiges zivilrechtliches Verfahren ändere nichts am Vorliegen einer bestandskräftigen und vollstreckbaren Grundverfügung sowie dem Vorliegen der rechtlichen Anforderungen der Art. 31 und Art. 36 VwZVG. Der Antrag in Ziffer 2 des Eilantrag sei auslegungsbedürftig. Das Antragsziel sei wohl der Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Aussetzung der Beitreibung des Zwangsgelds. Ein solcher Antrag sei mangels Anordnungsgrund unbegründet, da die Antragstellerin nicht dargelegt habe, dass die Anordnung notwendig sei, um wesentliche Nachteile für die Antragstellerin abzuwenden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten (auch im Verfahren M 8 K 23.3644) sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten verwiesen.
II.
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Die Anträge bleiben in der Sache ohne Erfolg.
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1. Soweit die Antragstellerin beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Nummer III. des Bescheids vom 19. Juni 2023 anzuordnen, ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO statthaft. Die Klage der Antragstellerin hat hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung gem. Art. 21a Satz 1 VwZVG keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Auf Antrag kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in diesen Fällen ganz oder teilweise anordnen. Dabei trifft das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 VwGO eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob das öffentliche Interesse am Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin höher zu bewerten ist. Die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache sind dabei als wesentliches, jedoch nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen. Ergibt sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache keinen Erfolg haben wird, weil sich der angegriffene Verwaltungsakt als rechtmäßig erweist, so überwiegt regelmäßig das Vollzugsinteresse. Stellt sich der Rechtsbehelf bei summarischer Überprüfung dagegen als erfolgreich dar, überwiegt regelmäßig das Suspensivinteresse der Antragstellerin.
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Dies berücksichtigend, überwiegt vorliegend das Vollzugsinteresse, da die erneute Zwangsgeldandrohung nach summarischer Prüfung rechtmäßig ist und die Antragstellerin damit nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), sodass die in der Hauptsache statthafte Anfechtungsklage (vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 VwZVG) voraussichtlich erfolglos bleibt.
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Die Anfechtungsklage ist nach Aktenlage zulässig, sodass es dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht am Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Es ist davon auszugehen, dass die Klagefrist mit Eingang des Schriftsatzes der Bevollmächtigten am 24. Juli 2023 bei Gericht eingehalten wurde (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 ZPO, §§ 187f. BGB). Das an die Bevollmächtigte der Antragstellerin versandte Empfangsbekenntnis befindet sich unausgefüllt in den Behördenakten. Nach dem Eingangsstempel auf dem streitgegenständlichen Bescheid ist dieser am 22. Juni 2023 bei der Bevollmächtigten eingegangen. Die Klagefrist begann daher am 23. Juni 2023 und endet wegen Sonnabend und Sonntag (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO) mit Ablauf des 24. Juli 2023 (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 ZPO, §§ 187 f. BGB).
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Die Anfechtungsklage gegen die erneute Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 19. Juni 2023 ist jedoch voraussichtlich unbegründet, da diese nach summarischer Prüfung rechtmäßig ist und die Antragstellerin daher nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1.1. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.
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Der Grundverwaltungsakt vom 30. August 2018, mit dem der Antragstellerin aufgegeben wurde, die Gebäude H und J zu beseitigen, ist bestandskräftig, vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG. Der Einwand der Antragstellerin, der Bescheid sei durch die Vereinbarung zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin vom 2. Oktober 2018 ersetzt wurden, verfängt nicht. Wie sich aus der klaren Formulierung der Vereinbarung ergibt, sollte diese neben den Bescheid vom 30. August 2018 treten. So war Gegenstand der Vereinbarung, dass die Antragstellerin auf Rechtsmittel gegen den Bescheid vom 30. August 2018 verzichtet (I. der Vereinbarung). Hieraus ergibt sich eindeutig, dass die Vereinbarung auf Seiten der Antragsgegnerin auch den Zweck verfolgte, eine bestandskräftige Grundverfügung zu erlangen. Zudem hat sich die Antragstellerin unter II. verpflichtet, die festgesetzten Kosten des Bescheids vom 30. August 2018 fristgerecht einzuzahlen und unter IV. eine Sicherheit in Höhe von 40.000 EUR zur Begleichung der angedrohten Zwangsgelder zu leisten. Diese Vereinbarungen wären sinnlos, wenn die Antragsgegnerin an dem Bescheid nicht hätte festhalten wollen.
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Die Beseitigungsverpflichtung hinsichtlich der Gebäude H und J wurde bislang nicht erfüllt, sodass die am 30. August 2018 diesbezüglich angedrohten Zwangsgelder fällig geworden sind und die erneute Zwangsgeldandrohung zulässig ist (vgl. Art. 36 Abs. 2 Satz 2 VwZVG). Ein Zwangsgeld wird nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG fällig, wenn die Handlung, Duldung oder Unterhaltung bis zum Ablauf der Frist des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG nicht erfüllt. Die Antragsgegnerin hat bei ihrer Ortsbesichtigung am 16. Mai 2023 festgestellt, dass die streitgegenständlichen Gebäude nicht beseitigt wurden. Die im Rahmen dieser Ortsbesichtigung angefertigten Fotoaufnahmen zeigen die bestehenden Gebäude H und J. Die Frist von sechs Monaten nach Unanfechtbarkeit des Bescheids vom 30. August 2018, gegen den kein Rechtsmittel eingelegt wurde, ist erfolglos verstrichen. Auch die Frist bis 31. August 2022, bis zu deren Ablauf die Antragsgegnerin zugesagt hat, aus dem bestandskräftigen Bescheid nicht zu vollstrecken, ist abgelaufen.
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Die Verpflichtung zur Beseitigung ist auch weiterhin erfüllbar. Die Antragstellerin ist rechtskräftig zur Herausgabe und Räumung des Grundstücks … Str. 116 verurteilt worden. Die Bevollmächtigten der Eigentümer erklärten gegenüber dem Gericht in den mündlichen Verhandlungen in den Verfahren M 8 K 18.4689 und M 8 K 21.4359, zuletzt am 3. Juli 2023, dass sie die Beseitigung der Gebäude durch die Antragstellerin dulden werden. Ihr Interesse liegt, wie auch die zivilgerichtlichen Verfahren zeigen, darin, dass die Beseitigung der Gebäude durch die Antragstellerin und nicht durch die Eigentümer selbst stattfindet. Der Einwand der Antragstellerin, sie sei rechtlich nicht in der Lage, die Beseitigung durchzuführen, entbehrt angesichts der Bestrebungen der Eigentümer, eine Beseitigung durch die Antragstellerin zu veranlassen, jeder Grundlage.
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1.2 Zudem liegen auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen vor.
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Der Antragsgegnerin hat für die Erfüllung der Verpflichtungen jeweils eine angemessene Frist bestimmt, Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Sie hat für jede Verpflichtung ein Zwangsgeld in bestimmter Höhe angedroht, vgl. Art. 36 Abs. 5 VwZVG. Die Zwangsgelder sind in ihrer Höhe nicht zu beanstanden, Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG beträgt das Zwangsgeld mindestens 15 Euro und höchstens 50.000 Euro. Das Zwangsgeld soll das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen, vgl. Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG. Eine Begründung für die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses ist regelmäßig nicht erforderlich (BayVGH, B.v. 16.9.2010 – 1 CS 10.1803 – juris). Gemessen an diesen Vorgaben sind die Zwangsgeldandrohungen in Höhe von 20.000 EUR und 36.000 Euro nicht zu beanstanden. Die Zwangsgelder sind, insbesondere im Hinblick auf die vorangegangene ergebnislose Androhung, nicht unangemessen. Eine Verdoppelung des Betrags ist in der Verwaltungspraxis nicht unüblich (VG München, U.v. 13.5.2013 – M 8 K 12.2500 – juris).
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Zwar kann ein Zwangsmittel gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG so lange und so oft angewendet werden, bis die aufgegebene Verpflichtung erfüllt ist. Das gewählte Zwangsmittel und damit auch die seiner Anwendung vorausgehende Androhung des Zwangsmittels müssen jedoch verhältnismäßig sein (vgl. BayVGH, B.v. 13.2.1985 – 15 CS 85 A.50 – BayVBl. 1985, 501). Zwangsgelder sind nach ihrer Zweckbestimmung kein Mittel der Einnahmenerzielung der Verwaltung, sondern Beugemittel. Die Behörde muss bei erneuter Zwangsgeldandrohung dessen Effektivität im Hinblick auf die durchzusetzende Pflicht und deren Erfüllung prüfen. Woraus die Antragstellerin schlussfolgert, dass die Antragsgegnerin mit der Fortführung der Zwangsvollstreckung eine Pönalisierung intendiert, bleibt offen. Die Regelung des Art. 21a VwZVG bezweckt gerade, dass die Zwangsvollstreckung auch bei Klageerhebung gegen die Zwangsgeldandrohung fortgeführt werden kann. Allein hieraus kann nicht folgen, dass die Antragsgegnerin sachfremde Gründe verfolgt. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich weder aus dem streitgegenständlichen Bescheid noch aus den Behördenakten, insbesondere handelt es sich um die erste weitere Zwangsgeldandrohung, die die Antragsgegnerin seit dem Erlass der Grundverpflichtung im Jahr 2018 nach Ablauf einer verlängerten Frist zur Erfüllung der Verpflichtung erlässt. Die Behörde muss bei der erneuten Zwangsgeldandrohung auch nicht den Ausgang eines zivilrechtlichen Gerichtsverfahrens zu der Frage der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit für die Beseitigung der Gebäude abwarten. Unabhängig von dem Umstand, dass die Rechtmäßigkeit der bestandskräftigen Grundverpflichtung hier nicht mehr geprüft wird, stehen die zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit nebeneinander.
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2. Selbst, wenn man den eindeutigen Antrag der Antragstellerin unter II. unter Heranziehung und Berücksichtigung der Ausführungen im Schriftsatz vom 5. Dezember 2023, in der sie „die Aufgabe des Vollzugs der Vollstreckung der drohenden Zwangsgelder beantragt“ dahingehend auslegen wollte, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO mit dem Ziel der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung begehrt, wäre ein solcher Antrag zwar zulässig, jedoch unbegründet.
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Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist, dass einerseits ein materieller Anspruch (sog. Anordnungsanspruch) glaubhaft gemacht wird (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V. mit § 920 Abs. 2 ZPO), auf den sich die vorläufige Regelung beziehen soll – hier die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Andererseits sind die Gründe glaubhaft zu machen, die eine vorläufige Regelung im Wege einer gerichtlichen Eilentscheidung nötig machen (sog. Anordnungsgrund). Der Anordnungsgrund erfordert hierbei gerade die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung bis zum rechtskräftigen Abschluss der Entscheidung über die Hauptsache (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2023 – 15 CS 23.606 – juris m.w.N.).
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Vorliegend fehlt es an einem Anordnungsanspruch. Das am 30. August 2018 angedrohte Zwangsgeld ist fällig geworden, da die Frist erfolglos verstrichen ist. Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG wird die Zwangsgeldforderung fällig, wenn die Vornahme-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht nicht bis zum Ablauf der Frist des Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG erfüllt wird. Die Antragstellerin hat die Verpflichtung, die Gebäude H und J zu beseitigen, nicht innerhalb der Frist erfüllt (vgl. oben).
35
Ein Anspruch auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aufgrund der Erfüllung der zu vollstreckenden Pflicht scheidet ebenfalls aus (Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG). Nach Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG die Anwendung von Zwangsmitteln einzustellen, sobald der Pflichtige seiner Verpflichtung nachkommt, nach dem Vortrag der Antragstellerin ist jedoch davon auszugehen, dass die Verpflichtungen bis heute nicht erfüllt worden sind.
36
Da es bereits an einem Anordnungsanspruch fehlt, kommt es nicht darauf an, ob ein Anordnungsgrund besteht. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die Antragstellerin hinreichend glaubhaft gemacht hat, durch die Beitreibung der Zwangsgelder in eine existenzgefährdende Situation zu geraten. Für die vorliegend gegenständliche Frage, ob das Zwangsgeld i.H.v. 28.000 EUR (Androhung vom 30. August 2018) fällig geworden ist, hat die Erklärung des Geschäftsführers auch keine Relevanz, da sich diese Erklärung auf die Zwangsgeldandrohung vom 19. Juni 2023 i.H.v. 56.000 EUR bezieht.
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Es bleibt der Antragstellerin unbenommen, die Einziehung des fälligen Zwangsgelds durch die Antragsgegnerin nach Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG zu verhindern, indem sie die baulichen Anlagen H und J auf den streitgegenständlichen Grundstücken entfernt.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 1.7.1 Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (½ des angedrohten Zwangsgelds i.H.v. 56.000 EUR x ½ (vorläufiger Rechtsschutz)).