Titel:
Entfernung aus dem Dienst wegen unzulässiger Bestellung von Hardware, Arbeitszeitbetrug und Besitz kinder- und jugendpornographischer Dateien
Normenketten:
BayDG Art. 3, Art. 11, Art. 14 Abs. 2 S. 1, Art. 25 Abs. 2, Art. 53
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1
BayPersVG Art. 76 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
StGB § 266 Abs. 1
BeamtSt § 35 S. 2
Leitsätze:
1. Durch begangene Untreue (Bestellung des NAS-Systems und der 16 Festplatten, Aneignung eines Wlan-Hotspots), Arbeitszeitbetrug (Arbeitszeitverstöße über ein Jahr in 36 Fällen) und den Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften (mindestens 200 Bild- und Videodateien mit kinderpornographischen und von mindestens 100 Bild- und Videodateien mit jugendpornographischen Inhalten) verstößt ein Polizeibeamter gegen grundlegende beamtenrechtliche Dienstpflichten. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist danach die angemessene und erforderliche Disziplinarmaßnahme, auch unter Berücksichtigung der in der Entfernung aus dem Dienst liegenden Härte für den Beamten – insbesondere hinsichtlich des Verlustes seiner Dienstbezüge bzw. seines künftigen Ruhegehalts. (Rn. 95) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine besondere Schwere der Taten ergibt sich im Hinblick auf den Besitz kinder- und jugendpornographischer Dateien per se, aber auch infolge der Vertrauenserschütterung durch Arbeitszeitbetrug bei gleitender Arbeitszeit, einem weiten Freiraum und großer eingeräumter Flexibilität sowie bei hervorgehobener dienstlicher Stellung des Beamten als Sachgebietsleiter mit Vorgesetzten- und Vorbildfunktion und damit mit besonderer Verantwortung für die Dienstmoral. (Rn. 83 – 85) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Disziplinarklage, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Untreue durch Bestellung von Hardware ohne dienstliche Notwendigkeit, Arbeitszeitbetrug und Besitz kinder- und jugendpornographischer Dateien durch Polizeibeamten in Führungsposition, Polizeibeamter, Arbeitszeitbetrug, Besitz kinder- und jugendpornographischer Dateien, Führungsposition, Vorbildfunktion, Schwere der Tat, Orientierungsrahmen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 3843
Tenor
I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt mit seiner Disziplinarklage die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Diesem werden als Polizeibeamten in einer Führungsposition Untreue durch Bestellung von Hardware ohne dienstliche Notwendigkeit, Arbeitszeitbetrug und der Besitz kinder- und jugendpornographischer Dateien vorgeworfen.
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1. Der am ... 1965 geborene Beklagte ist seit 2. September 1985 Beamter bei der ... Bereitschaftspolizei, seit 2. Juni 1993 im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Vom 1. Juni 2008 bis zum Verbot der Führung der Dienstgeschäfte am 8. August 2017 war er Leiter des Sachgebiets Einsatztechnik (ET) im Polizeipräsidium ..., seit 1. September 2008 im Rang eines Ersten Polizeihauptkommissars (Besoldungsgruppe A 13). In den letzten periodischen Beurteilungen 2012 und 2015 erhielt er jeweils 13 Punkte.
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Der Beklagte ist straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet. Er ist geschieden und Vater von vier Söhnen (geb. 1996, 1997, 2000 und 2005). Mit Bescheid des Zentrums ..., Familie und Soziales, vom 25. September 2018 wurde bei ihm ein GdB von 50 v.H. festgestellt.
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2. Wegen der im Rahmen des disziplinarrechtlichen Verfahrens gegen den Beklagten aufgeworfenen Vorwürfe wurden folgende strafrechtliche Verfahren gegen ihn geführt:
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2.1. Das Amtsgericht Kempten verurteilte ihn mit Strafbefehl vom 30. Juli 2018 wegen Untreue in zwei Fällen (§§ 266 Abs. 1, 53 Strafgesetzbuch – StGB) zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 70 € (8.400 €) und ordnete die Einziehung von Wertersatz (§§ 73 Abs. 1, 73c StGB) in Höhe von 4.484,29 € an. Zugrunde lag der Vorwurf, dass er als Sachgebietsleiter ET am 27. November 2015 ohne dienstliche Notwendigkeit acht Festplatten der Marke Seagate zum Preis von 1.545,52 € netto sowie ein NAS (Networt Attached Storage)-System (Dateiserver) der Marke Synology zum Preis von 696,64 € netto (incl. Mehrwertsteuer und Versand 2.681,26 €) sowie am 16. Dezember 2015 erneut acht Festplatten zum Preis von 1.512,64 € netto (incl. Mehrwertsteuer und Versand 1.803,03 €) bestellt hatte. Dabei habe er den Bedarf für die Geräte selbst angemeldet, die Bestellung als Bestellberechtigter und Controller freigegeben, den Wareneingang bearbeitet und die zugehörige Veranlagung persönlich veranlasst, wobei das NAS-System zur Verschleierung auf die RBA (Regionale Beweissicherungs- und Auswertungsstelle) der Kriminalpolizeiinspektion (KPI) … veranlagt worden sei. Der Gesamtbetrag der Bestellungen habe sich auf 4.484,29 € brutto belaufen, der Dienststelle sei ein Schaden in entsprechender Höhe entstanden. Der Beklagte habe in der Absicht gehandelt, die bestellte Hardware für eigene private Zwecke zu verwenden. Der Strafbefehl ist seit 6. August 2018 rechtskräftig, hinsichtlich der Höhe der Einziehung des Wertersatzes seit 24. August 2018.
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2.2. Mit Verfügung vom 24. Juli 2018 sah die Staatsanwaltschaft Kempten nach § 154 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) von der Verfolgung folgender weiterer Taten ab: Arbeitszeitbetrug im Zeitraum Januar 2016 bis August 2017, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften betreffend die auf dem NAS-Laufwerk vorgefundenen Dateien, Kennzeichenmissbrauch und weitere Untreuehandlungen hinsichtlich vorgenommener Warenbestellungen bis einschließlich August 2017.
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3. Nach internen Anzeigen und einer am 8. August 2017 durchgeführten Durchsuchung von Wohnung und Dienststelle des Beklagten leitete das Polizeipräsidium ... mit Schreiben vom 24. August 2017 disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen ihn ein und setzte diese gleichzeitig bis zum Abschluss des Strafverfahrens aus. Das am 8. August 2017 mündlich verfügte Verbot der Führung der Dienstgeschäfte wurde mit Schreiben vom 24. August 2017 schriftlich bestätigt. Mit Schreiben vom 10. April 2018 übernahm das Polizeipräsidium München das Disziplinarverfahren und dehnte es unter Beibehaltung der Aussetzung mit Schreiben vom 23. April 2018 auf weitere Vorwürfe aus. Unter dem Datum des 7. Juni 2018 wurde ein Persönlichkeitsbild für den Beklagten übersandt. Mit Schreiben vom 27. Juli 2018 äußerte sich das Polizeipräsidium ... zum Vorbringen des Beklagten. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2018 sprach das Polizeipräsidium München eine vorläufige Dienstenthebung gegen ihn aus. Seinen hiergegen gerichteten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz lehnte das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 7. Februar 2019 (M 19L DA 18.5643) ab; der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hob den Beschluss des Verwaltungsgerichts mit Beschluss vom 21. August 2019 (16a DS 19.388) wegen nicht ordnungsgemäßer Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung auf und setzte die vorläufige Dienstenthebung aus. Mit Schreiben des Polizeipräsidiums München vom 7. Februar 2020 erfolgte eine erneute vorläufige Dienstenthebung. Mit Schreiben vom 10. Februar 2020 setzte das Polizeipräsidium München das Disziplinarverfahren fort und dehnte es erneut aus. Rechtsmittel des Beklagten gegen die vorläufige Dienstenthebung vom 7. Februar 2020 blieben mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 26. August 2020 (M 19L DA 20.1651) und Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Mai 2021 (16a DS 20.2040) erfolglos. Mit Schreiben vom 23. April 2021 gab das Polizeipräsidium München dem Beklagten Gelegenheit zur abschließenden Äußerung. Mit Schreiben vom 27. Mai 2021 beantragte er die Beteiligung der Personalvertretung. Die Vertrauensperson der Schwerbehinderten beim Polizeipräsidium ... erhob mit Schreiben vom 5. August 2021 keine Einwendungen gegen die beabsichtigte Disziplinarklageerhebung mit dem Ziel der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, ebenso wenig der Personalrat beim Polizeipräsidium ... mit Schreiben vom 18. August 2021.
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Der Beklagte und seine Bevollmächtigten erhielten im Disziplinarverfahren mehrfach die Gelegenheit zur Äußerung, von der sie mit Schriftsätzen insbesondere vom 6. Juni 2018 (Disziplinarakte des Polizeipräsidiums München = DA PPM S. 104-109), 7. Oktober 2019 (DA PPM S. 501-502), 25. März 2020 (DA PPM S. 676-678) und 21. Juni 2021 (DA PPM S. 1337-1342) Gebrauch machten; außerdem äußerten sie sich in den Verfahren vor den Verwaltungsgerichten mit Schriftsätzen vom 15. November 2018 (DA PPM S. 322-330), 8. März 2019 (DA PPM S. 439-442 und 444), 15. April 2020 (DA PPM S. 856-876 sowie S. 904-917), 22. Juni 2020 (DA PPM S. 1168-1180) und 8. September 2020 (DA PPM S. 1237-1250).
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Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und im behördlichen Disziplinarverfahren wurden mehrere Kollegen des Beklagten als Zeugen gehört.
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4. Am 15. September 2021 erhob das Polizeipräsidium München Disziplinarklage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag,
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den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
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Als Vorwurf Nr. 1 wurde ihm der Sachverhalt aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Kempten vom 30. Juli 2018 zur Last gelegt. Anhaltspunkte zur Abweichung von dessen Indizwirkung lägen nicht vor. Die Behauptung des Beklagten, die Anschaffung des NAS-Systems sei zu dienstlichen Zwecken (Dokumentationssystem für Terrorereignisse) erfolgt, sei als Schutzbehauptung zu werten. Er sei entgegen seinen Angaben nicht mit den angegebenen Tests beauftragt gewesen, diese gehörten nicht zu seinem Aufgabengebiet. Zudem gebe es keine Aufzeichnungen über die Ergebnisse der Tests; diese seien auch sonst nicht erwähnt worden. Die Speicherung ausschließlich privater Daten in Form seiner Pornosammlung weise keinen dienstlichen Hintergrund auf. Sein zielgerichtetes Vorgehen zeige sich an der Veranlagung auf die RBA als einzige Stelle, bei der der Kauf nicht sofort auffalle, und der Bestellung zum Jahresende mit einer Vielzahl von Bestellungen.
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Als Vorwurf Nr. 2 wurde angeführt, der Beklagte habe am 2. November 2016 für das Polizeipräsidium ... ohne dienstliche Veranlassung einen Wlan-Hotspot zum Gesamtrechnungsbetrag von 127 € bestellt. Den Hotspot habe er nachträglich in die Bestellung eines Kollegen eingefügt und diese anschließend als Controller freigegeben. Auch den Hotspot habe er für eigene, private Zwecke verwendet bzw. verwenden wollen. Eine dienstliche Notwendigkeit für die Bestellung habe nicht bestanden. Entsprechende Tests hätten dem Bayerischen Landeskriminalamt oblegen. Bei offiziellen Besprechungen habe der Beklagte regelmäßig handschriftliche Notizen gefertigt; außerdem sei jedem Teilnehmer im Nachgang ein ausführliches Protokoll übersandt worden. Für sein dienstliches Notebook habe keine Notwendigkeit für den Einsatz des Routers bestanden, weil dieses bereits LTEfähig gewesen sei.
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Weiter (Vorwurf Nr. 3) habe der Beklagte es im Zeitraum vom 4. März 2016 bis 8. März 2017 mehrfach bewusst unterlassen, sich beim Verlassen seines Arbeitsplatzes beim Polizeipräsidium ... bei dem elektronischen Zeiterfassungssystem BayZeit abzumelden bzw. an unberechtigter Stelle ein- oder ausgechippt. An insgesamt 36 Tagen seien deshalb 46:47 Stunden als vermeintliche Arbeitszeit im System erfasst worden, obwohl er keine Dienstgeschäfte verrichtet habe. Der Schaden betrage mindestens 615,50 €. Die Zeiten sind im Einzelnen in der Disziplinarklage (S. 3 bis 7) dargestellt und aufgeteilt in a) 17 Tage im Zeitraum 22. November 2016 bis 7. März 2017 mit Zeiten ohne Erfassung des Verlassens des Arbeitsplatzes, b) 11 Tage im Zeitraum 4. März 2016 bis 8. März 2017 mit unerlaubtem Ein- bzw. Auschippen bei der Polizeistation … ohne dienstlichen Grund und c) 8 Tage im Zeitraum 6. Juni 2016 bis 7. Juli 2016 mit Einchippen über ein polizeiliches Notebook (FZI) vor Betreten der Dienststelle und in Abweichung zur angegebenen Heimarbeitszeit. Der Sachverhalt ergebe sich aus der Wahrnehmung von Kollegen. Der Beklagte habe im Verfahren selbst bestätigt, dass die Unterbrechungen stattgefunden hätten. Seine Behauptung, dass die Fehlzeiten durch Arbeit im Home Office ausgeglichen worden seien, sei nicht nachweisbar und würde an der Dienstpflichtverletzung nichts ändern. Die Polizeistation … liege auf dem Weg zwischen dem Wohnort der ehemaligen Partnerin in … und seiner Dienststelle in …
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Als Vorwurf Nr. 4 wird dem Beklagten der Besitz von 284 Bild- und Videodateien, die einen Hash-Wert für Kinderpornographie aufweisen, und von 126 Bild- und Videodateien, die einen Hash-Wert für Jugendpornographie aufweisen, zur Last gelegt. Hiervon seien 42 Bilddateien unberücksichtigt zu lassen, da sie kein wirklichkeitsnahes Geschehen darstellten oder die Akteure nicht ausschließbar bereits über 18 Jahre alt seien. In Teilen seien die automatisierten Zuordnungen wegen des nicht eindeutig feststellbaren Alters der Personen zu korrigieren. Der Beklagte räume selbst ein, eine Vielzahl von pornographischen Webseiten heruntergeladen zu haben, darunter die inkriminierten Dateien als „Beifang“.
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Mit seinem Verhalten habe der Beklagte ein äußerst schwerwiegendes Dienstvergehen begangen. Er habe schuldhaft gegen seine Pflichten zur Beachtung der Gesetze (Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. §§ 266 Abs. 1, 263 Abs. 1 und 184b, 184c StGB), zum vollen Einsatz im Beruf (§ 34 Satz 1 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG), zur uneigennützigen Amtsführung (§ 34 Satz 2 BeamtStG), zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 2 BeamtStG) und zur Ausführung dienstlicher Anordnungen und Befolgung allgemeiner Richtlinien (§ 35 Satz 2 BeamtStG i.V.m. den Dienstvereinbarungen zur Arbeitszeiterfassung) verstoßen. Bei den Vorwürfen Nr. 1 bis 3 handele es sich um innerdienstliche Dienstvergehen, der Besitz der kinder- und jugendpornographischen Dateien (Vorwurf Nr. 4) sei außerdienstlich erfolgt. Das mit dem Beklagten vereinbarte Arbeitszeitmodell stelle keine spezielle Regelung dar, die die allgemeinen Arbeitszeitvorschriften aushebeln könne. Entgegen seinem Vorbringen liege sehr wohl Täuschungsvorsatz vor. Der Besitz von kinderpornographischen Schriften weise gerade bei einem Polizeibeamten erhebliches disziplinarisches Gewicht auf.
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Sämtliche Vorwürfe begründeten ein einheitliches Dienstvergehen. Die schwerste Verfehlung bestehe in den innerdienstlichen Untreuehandlungen. Hierfür sehe § 266 Abs. 1 StGB einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vor, sodass ein Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gegeben sei. Der Beklagte habe seine dienstliche Stellung systematisch für eigennützige Zwecke mit erheblichem Schaden für den Dienstherrn ausgenutzt. Deshalb sei die Höchstmaßnahme zu verhängen. Eine bloße Entbindung von der Sachgebietsleitung stelle keine ausreichende disziplinarische Reaktion dar. Als neutral zu sehen seien das eingeholte Persönlichkeitsbild und die fehlende Vorbelastung als normales Verhalten. Zu Lasten des Beklagten sprächen der lange Tatzeitraum, der erhebliche Vertrauensverlust infolge des Missbrauchs der flexiblen Arbeitszeiten, seine Stellung als Erster Polizeihauptkommissar und Sachgebietsleiter mit Vorbildfunktion, die Vielzahl an Einzeltaten, der erhebliche Schaden in Höhe von mindestens 5.244,34 € sowie sein Verhalten im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, in dem er die Herausgabe seines dienstlichen Handys wegen der dienstlich unzulässigen Speicherung persönlicher Daten darauf betrieben habe. Mildernd sei seine gesundheitliche Situation nach einem selbstverschuldeten Wegeunfall im Jahr 2010 zu berücksichtigen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen, hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
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Er nimmt Bezug auf sein bisheriges Vorbringen, vertieft dieses und regt die Einholung weiteren Zeugen- und Sachmittelbeweises an.
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In der mündlichen Verhandlung am 22. Februar 2023 wurde der Beklagte ausführlich informatorisch angehört. Im Übrigen wurden zwei Zeugen vernommen und wiederholten die Parteien ihre Anträge.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Disziplinarakten des Polizeipräsidiums München und des ... …, die in Kopie vorgelegten Strafakten, die Personalakte und die Gerichtsakten, auch in den Verfahren M 19L DA 18.5643 und M 19L DA 20.1651, verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 Bayerisches Disziplinargesetz – BayDG) erkannt.
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1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf.
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1.1. Auf Antrag des Beklagten vom 27. Mai 2021 hin wurde vor Erhebung der Disziplinarklage die Personalvertretung nach Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 3, Satz 4 Halbs. 1, Satz 5 Bayerisches Personalvertretungsgesetz (BayPersVG) beteiligt, die mit Schreiben vom 18. August 2021 keine Einwendungen gegen die geplante Disziplinarklage auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erhob. Auch die Schwerbehindertenvertretung wurde im Verfahren ordnungsgemäß nach § 178 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IX beteiligt und erhob mit Schreiben vom 5. August 2021 ebenfalls keine Einwendungen gegen die Disziplinarklageerhebung. Beide Gremien äußerten sich aufgrund umfassender Aktenkenntnis.
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1.2. Soweit der Beklagte rügt, dass Beweise im Hinblick auf Zeugen und Sachmittel nicht erhoben wurden, führt dies jedenfalls nicht zu einem wesentlichen Mangel nach Art. 53 BayDG. Ein Mangel ist nur dann wesentlich, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann (BVerwG, B.v. 7.7.2016 – 2 B 1.16 – juris Rn. 10). Eine solche Ergebnisrelevanz ist hier nicht ersichtlich. Es wurde bereits nicht dargetan, welches Ergebnis eine Beweisaufnahme hinsichtlich der angesprochenen Zeugen und Sachmittel hätte erbringen und wie sich dies auf das Ergebnis der behördlichen Ermittlungen konkret hätte auswirken sollen. Im Übrigen überprüft das Gericht die gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfe nochmals eigenständig und führt – falls erforderlich – aufgrund eigener Sachverhaltswürdigung eine Beweiserhebung durch. Entsprechend wurden in der mündlichen Verhandlung Zeugen gehört und der Beklagte ausführlich informatorisch befragt.
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1.3. Im Übrigen erhielt der Beklagte in allen Verfahrensschritten die Gelegenheit zur Äußerung, von der er mehrfach Gebrauch machte.
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2. Das Gericht legt dem Beklagten in tatsächlicher Hinsicht Untreue hinsichtlich der Bestellung des NAS-Systems und der 16 Festplatten (2.1.), Arbeitszeitverstöße (2.3.) und den Besitz kinder- und jugendpornographischer Dateien (2.4.) zur Last. Im Hinblick auf die weiter vorgeworfene Bestellung eines Wlan-Hotspots bestehen Ungewissheiten in tatsächlicher Hinsicht, weshalb dieser Vorwurf nach Art. 54 Satz 1 BayDG ausgeschieden wird (2.2.). Die nachfolgende Darstellung folgt dabei der Reihenfolge in der Disziplinarklage.
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Ob ein Dienstvergehen erwiesen ist, entscheidet das Gericht nach Art. 3 BayDG i.V.m. § 108 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Gericht muss sich im Rahmen der Beweiswürdigung selbst eine Überzeugung bilden. Es hat aufgrund der gesamten Beweislage zu prüfen, ob es von der Tat und der Schuld des Beamten überzeugt ist. Die Überzeugung des Gerichts muss sich dabei auf einen konkreten, bestimmten Geschehensablauf richten. Das Gericht darf weiter keine vernünftigen Zweifel an der Schuld des Beamten haben. Die hierfür erforderliche Gewissheit erfordert ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen, wobei die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Geschehensverlaufs die erforderliche Gewissheit nicht ausschließt (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09.3029 – juris Rn. 44).
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2.1. Untreue hinsichtlich der Bestellung des NAS-Systems und der 16 Festplatten
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2.1.1. Das Polizeipräsidium München wirft dem Beklagten insoweit vor, er habe ohne dienstliche Veranlassung am 27. November 2015 acht Festplatten und ein NAS-System zum Preis von insgesamt 2.681,26 € und am 16. Dezember 2015 weitere acht Festplatten zum Preis von insgesamt 1.803,03 € (zusammen 4.484,29 €) bestellt. Dabei habe er als Bedarfsmelder, Besteller und Controller gehandelt und die Speichermedien auf die RBA der KPI … veranlagt, die diese jedoch nie erhalten habe. Die Speichermedien habe er für eigene, private Zwecke verwendet bzw. verwenden wollen. Wegen dieser Taten, strafbar als Untreue in zwei Fällen (§§ 266 Abs. 1, 53 StGB), sprach das Amtsgericht Kempten mit Strafbefehl vom 30. Juli 2018 eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 70 € (8.400 €) gegen ihn aus.
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2.1.2. Der Beklagte entgegnet schriftsätzlich, es habe eine präsidiale Aufgabenzuweisung an das Sachgebiet ET gegeben für die Errichtung einer „Zentralen Sicherungsstelle Videodaten“, dies schon ab 2015. Dies beruhe darauf, dass sich die zentrale IT-Behörde im BLKA und auch die eigentlich zuständige regionale RBA-Stelle in diesem Themenbereich zunächst aufgrund Personalmangels weitgehend zurückgehalten hätten. Ein bayernweites Konzept, das die Zuständigkeit eindeutig geregelt habe, habe noch nicht vorgelegen. Die einzelnen Polizeiverbände seien demnach mit der Umsetzung direkt beauftragt gewesen.
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Die Veranlagung des NAS-Systems zur RBA … sei daher insofern ordnungsgemäß erfolgt, als die Sachbearbeitung dort mit Unterstützung durch das Sachgebiet ET habe erfolgen sollen. Die Bestellung zum Jahresende sei nicht zur Verschleierung der Taten geschehen; vielmehr sei nicht verbrauchtes Geld möglichst vollständig auszugeben gewesen, damit keine Restmittel im Haushaltsjahr verblieben.
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Weil sich die Zuständigkeit in einer IuKtechnischen Grauzone bewegt habe, habe er bei der Veröffentlichung der NAS-Beschaffung und der Tests Zurückhaltung walten lassen. Zudem sei er ohne detaillierte Kenntnisse an diese neue und sehr spezifische Materie herangegangen, weshalb eine Vorabinformation im dienstlichen Umfeld kontraindiziert gewesen sei, um nicht falsche Erwartungen zu wecken. Da sich die nötige Leistungsfähigkeit der Testgestellung nicht bestätigt habe, sei eine Präsentation des Ergebnisses nicht mehr angezeigt gewesen, um nicht wertvolle Arbeitszeit der Führungsebene des Polizeipräsidiums unnötig zu binden.
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Aus sicherheitstechnischen Gründen seien die NAS-Tests ausschließlich im privaten Umfeld und mit privaten Massendaten durchgeführt worden. Die Speicherung der Daten sei jedoch ausschließlich zu dienstlichen Zwecken erfolgt. Die Aufgabenstellung der SOKO-TE habe sich auf die Auswertung von Massendaten in Form von Bild- und Videodateien bezogen; gerade bei Pornodateien gelinge mit geringstem Aufwand der automatisierte, unbeaufsichtigte Massen-Download einer großen Anzahl dieser Dateien.
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Der gesetzliche Untreuetatbestand nach § 266 Abs. 1 Alt. 1 oder Alt. 2 StGB sei nicht erfüllt, insbesondere fehle die Zueignungs- oder Vermögensschädigungsabsicht.
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2.1.3. In der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2023 erklärte der Beklagte im Rahmen seiner informatorischen Befragung, ab ca. Mitte 2015 sei im Gespräch gewesen, dass das Sachgebiet ET subsidiär für die Auswertung von Terrordaten zuständig werden könnte. Er habe die Hardware schon vor einer endgültigen Aufgabenübertragung auf das Sachgebiet ET beschafft, um Tests im Hinblick auf die Auswertung von Massendaten durchzuführen. Mittels automatisiertem Download von Pornos ließen sich sehr einfach solche Massendaten kreieren. Da die NAS als Standalone-PC genutzt worden sei, habe es im Hinblick auf die Datensicherheit keine Probleme gegeben. Letztendlich habe er aus Scham weder den im Nachhinein unnötigen Kauf der Hardware noch das Scheitern des Experiments zur Datenauswertung gegenüber dem Dienstherrn offenbart.
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2.1.4. Der Zeuge R. … gab in der mündlichen Verhandlung an, die Aufgabenübertragung an das Sachgebiet ET für die Auswertung großer Datenmengen im Terrorfall (Bilder und Videos) sei im November 2016 erfolgt. Etwa ein Jahr vorher hätten die Diskussionen über die Zuständigkeit begonnen. Da es maßgeblich darauf ankomme, wie sich das Speichermedium im Netzbetrieb verhalte, mache ein Test als Standalone-Einheit kaum Sinn. Mit der Speicherung von Pornofilmen ließen sich durchaus die für einen Test erforderlichen Daten erhalten.
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Der Zeuge F. … erklärte in der mündlichen Verhandlung, eine Auswertung von Massendaten könne in begrenztem Umfang auch mit privaten Daten erfolgen. Mit einem so durchgeführten Test könne man eine Aussage erhalten zur Performance des NAS-Filers, nicht aber zu dessen Interaktion mit dienstlichen Geräten.
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2.1.5. Aufgrund des Vortrags der Parteien und der Aussagen der im behördlichen und gerichtlichen Verfahren gehörten Zeugen legt das Gericht dem Beklagten im Hinblick auf das NAS-System und die 16 Festplatten folgenden Sachverhalt zur Last:
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Er hat am 27. November 2015 als Sachgebietsleiter ET acht Festplatten und ein NAS-System und am 16. Dezember 2015 acht weitere Festplatten zum Preis von insgesamt 4.484,29 € brutto bestellt. Diese Bestellung hat er ohne Einschaltung weiterer dienstlicher Stellen vorgenommen. Das NAS-System hat er auf die RBA der KPI … veranlagt. Die Bestellung erfolgte dabei ohne dienstliche Notwendigkeit.
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Mit der vorstehenden Sachverhaltswürdigung folgt das Gericht den Aussagen des Strafbefehls des Amtsgerichts Kempten vom 30. Juli 2018 zu Ablauf, Daten und Inhalt der Bestellung dienstlicher Hardware. Nach Art. 55 Halbs. 1, Art. 25 Abs. 2 BayDG können tatsächliche Feststellungen, die in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren – wie einem Strafbefehlsverfahren – getroffen wurden, der gerichtlichen Entscheidung ohne erneute Prüfung zugrunde gelegt werden. Der Sinn dieser Regelung besteht darin, divergierende Entscheidungen von Straf- und Disziplinargerichten über dieselbe Tatsachengrundlage nach Möglichkeit zu vermeiden (BayVGH, U.v. 5.11.2014 – 16a D 13.1568 – juris Rn. 32).
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Die Möglichkeit, Feststellungen aus einem Strafbefehl zugrunde zu legen, endet jedoch, wenn die Indizwirkung des Strafbefehls entkräftet wird und der Vortrag des Beamten dem Disziplinargericht Anlass zu einer eigenständigen Beweisaufnahme gibt. Erforderlich hierfür ist, dass die Tatsachenfeststellung vom Beamten substantiiert in Zweifel gezogen wurde (BayVGH, U.v. 5.11.2014 – 16a D 13.1568 – a.a.O.). Im Hinblick auf die weitere Feststellung aus dem Strafbefehl, dass der Beklagte die Bestellung in der Absicht vorgenommen hat, die bestellte Hardware für eigene private Zwecke zu verwenden, hält das Gericht die Indizwirkung des Strafbefehls für entkräftet. Nach dem widerspruchsfreien und in sich schlüssigen Vortrag des Beklagten im Disziplinarklageverfahren war die Bestellung von der Absicht motiviert, die Hardware für Tests zur Auswertung von Massendaten einzusetzen, für die das Sachgebiet ET möglicherweise in der Folgezeit die Zuständigkeit erhalten würde. Der Beklagte hat hierzu schriftlich und mündlich ausgeführt, dass er die Bestellung der Hardware bereits vor einer tatsächlichen Aufgabenzuweisung an das Sachgebiet ET im November 2016 zum Zweck der Auswertung von Massendaten vorgenommen und die Hardware dann entsprechend eingesetzt hat. Er hat auf jedenfalls zehn Festplatten (die restlichen 6 Festplatten wurden originalverpackt im Präsidium aufgefunden) eine Vielzahl pornographischer Dateien gespeichert, um diese als „Massendaten“ zu nutzen. Insoweit haben die beiden Zeugen in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass eine Auswertung der Funktionsfähigkeit der Hardware auch mittels privater Daten – auch Pornodateien – möglich ist.
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Auch bei dieser Sachverhaltsversion trifft die Feststellung aus dem Strafbefehl zu, dass der Beklagte die Bestellung der Hardware „ohne dienstliche Notwendigkeit“ vorgenommen hat. Die Bestellung erfolgte bereits Ende 2015, als dem Sachgebiet ET noch keine Zuständigkeit übertragen und eine Zuständigkeitsübertragung noch völlig ungewiss war. Damals bestand demnach keine Notwendigkeit für die Bestellung und einen Testbetrieb. Zudem konnte aufgrund der Testgestellung im privaten Umfeld und mit nicht-dienstlichen Daten die Funktionsfähigkeit allenfalls im Hinblick auf die Performance des Geräts selbst geklärt werden, nicht aber im Hinblick auf die bedeutendere Frage der Interaktion des NAS-Filers mit dienstlichen Geräten. Der Beklagte hat damit bei noch ungeklärter dienstlicher Zuständigkeit den hohen Betrag von knapp 4.500 € für die Beschaffung von Hardware ausgegeben, deren Einsatz damals nicht notwendig war und sich letztlich für den angestrebten Zweck als nicht geeignet erwiesen hat. Er hat für Tests zu dienstlichen Zwecken eine Vielzahl von Pornofilmen, deren Geeignetheit vielleicht nicht aus technischen Gründen, aber wegen des Inhalts der Filme in Frage steht, auf die dienstliche Hardware heruntergeladen. Aus den Tests hat er keine Erkenntnisse in den Dienstbetrieb eingebracht. Auch über die Bestellung selbst hat er seine Vorgesetzten nicht informiert. Eine Rückgabe der teuren Hardware an eine Dienststelle der Polizei erfolgte auch nach den erfolglosen Tests nicht.
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Auch der Sachverhalt, wie er sich dem Gericht jetzt darstellt, erfüllt den objektiven Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB. Der Beklagte hat durch zwei selbstständige Handlungen die ihm durch behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht. Da er dienstliche Hardware angeschafft hat, für die kein Bedarf bestand, und diese zu Zwecken eingesetzt hat, die für den Dienstherrn keinen Nutzen gebracht haben, hat er gegen dessen Vermögensinteressen verstoßen. Dem Dienstherrn ist durch Anschaffung der nicht benötigten Hardware, die der Beklagte auch nach Fehlschlagen des Testbetriebs einem anschließenden dienstlichen Gebrauch nicht zur Verfügung gestellt hat, ein Vermögensnachteil in Höhe von 4.484,29 € entstanden.
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2.2. Aneignung eines Wlan-Hotspots
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2.2.1. Das Polizeipräsidium München lastet dem Beklagten weiter an, er habe ebenfalls ohne dienstliche Veranlassung am 2. November 2016 einen Wlan-Hotspot zum Preis von insgesamt 127 € bestellt. Diese Bestellung habe er nachträglich in eine Bestellung eines Kollegen eingefügt und anschließend die gesamte Bestellung als Controller freigegeben. Auch den Hotspot habe er für eigene, private Zwecke verwendet bzw. verwenden wollen.
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2.2.2. Der Beklagte meint, der Kauf des Wlan-Hotspots sei rein zu dienstlichen Zwecken erfolgt, um bereits ältere FZI-Notebooks mit langsamerer UMTS-Anbindung nutzbar zu machen. Er habe den Hotspot insbesondere für die Anfertigung von elektronischen Gesprächsprotokollen im dienstlichen Outlook-Terminkalender des Sachgebiets ET bei den landesweiten IuK-Sitzungen mit dem Staatsministerium des Innern eingesetzt, an denen er regelmäßig teilgenommen habe, was sich aus Fahrtenbüchern und Einträgen im Terminkalender ergebe. Auch wenn entsprechende Wlan-Hotspots erst ab Januar 2017 allgemein zugelassen gewesen seien, habe er als Sachgebietsleiter ET Ausnahmen von der aktuellen Regelungslage zulassen können. Anders als vom Kläger behauptet sei sein Notebook nicht LTEfähig gewesen, vielmehr habe er sein altes UMTS-Notebook noch länger verwendet.
49
2.2.3. Der Beklagte hat seinen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vertieft. Auch die beiden Zeugen haben sich hierzu geäußert.
50
2.2.4. Wegen der auch nach Ausschöpfung der vorhandenen Beweismittel verbleibenden tatsächlichen Ungewissheiten beschränkt das Gericht das Disziplinarverfahren im Hinblick auf diesen Vorwurf nach Art. 54 Satz 1 BayDG.
51
Zum Wlan-Hotspot steht lediglich fest, dass der Beklagte diesen am 2. November 2016 zum Gesamtpreis von 127 € bestellt und selbst genutzt hat. Das Strafverfahren insoweit wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Kempten vom 24. Juli 2018 nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Als Leiter des Sachgebiets ET durfte der Beklagte die Bestellung so vornehmen und konnte die Freigabe des Routers auch selbst genehmigen, auch wenn dieser erst ab 16. Januar 2017 offiziell eingesetzt werden durfte.
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Nicht abschließend geklärt werden konnte, ob der Vorwurf des Polizeipräsidiums München zutrifft, er habe den Hotspot für eigene, private Zwecke verwendet bzw. verwenden wollen. Insoweit verbleiben auch nach Auswertung der in den Disziplinarakten und den polizeilichen Ermittlungsakten befindlichen Unterlagen, der hierzu eingeholten Zeugenaussagen (insbes. Zeuge R. … mit E-Mail v. 14.3.2018 an BLKA, DA SSW unnummeriert, und dessen Stellungnahme v. 13.7.2018 im Disziplinarverfahren, DA PPM S. 147 ff., sowie Zeuge F. … mit E-Mail v. 29.6.2018 an BLKA, Gerichtsakte, Anlage zur Klageerwiderung) und den Aussagen des Beklagten und der Zeugen R. … und F. … in der mündlichen Verhandlung Zweifel. Insbesondere lässt sich nicht näher aufklären, ob der Beklagte den Hotspot tatsächlich dafür benötigt hat, ein von ihm möglicherweise weitergenutztes FZI-Notebook, das lediglich über ein UMTS-Modul verfügte, mit schnellerer LTE-Anbindung zu versorgen, um dieses so besser mobil nutzen zu können, insbesondere für die Erstellung von elektronischen Gesprächsprotokollen bei den landesweiten IuK-Sitzungen mit dem Staatsministerium. Selbst wenn er eine bei der Bestellung geplante regelmäßige Erstellung solcher Protokolle für sein Sachgebiet nicht in die Tat umgesetzt haben sollte, begründet dies noch keinen Vorsatz für den Missbrauchstatbestand des § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB.
53
Da dieser Vorwurf für Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme jedoch nicht maßgeblich ins Gewicht fällt, scheidet das Gericht ihn nach Art. 54 Satz 1 BayDG aus dem Disziplinarverfahren aus.
54
2.3. Verstöße gegen Arbeitszeitregelungen
55
2.3.1. Das Polizeipräsidium München wirft dem Beklagten weiter vor, er habe es im Zeitraum vom 4. März 2016 bis 8. März 2017 bewusst unterlassen, sich beim Verlassen seines Arbeitsplatzes beim Polizeipräsidium ... bei dem elektronischen Zeiterfassungssystem BayZeit abzumelden und sich an unberechtigter Stelle bei der Polizeistation … oder mittels FZI-Notebook ein- oder ausgechippt. Im Einzelnen wird ihm Arbeitszeiterfassung ohne entsprechende Dienstleistung an 36 Tagen im vorgenannten Zeitraum für mindestens 46:47 Stunden mit einem Schaden von mindestens 615,50 € vorgeworfen.
56
2.3.2. Der Beklagte äußert insoweit, aufgrund eines anerkannten Dienstunfalls sei ihm ein besonderes Arbeitszeitmodell mit arbeitstäglich fünf bis sechs Stunden auf der Dienststelle und der Möglichkeit, die restliche Zeit zu Hause zu arbeiten, zugestanden worden. Er habe seine Arbeit im Home Office sehr wohl geleistet. Seine effektive Arbeitszeit habe deutlich über 40 Stunden gelegen, selbst unter Einbeziehung der vorgeworfenen Fehlzeiten. Seine Mehrarbeit habe er auch abends, am Wochenende und in seiner Freizeit erbracht, dies insbesondere durch ständige Erreichbarkeit für First-Level-Support EDV. Um einen beginnenden Konflikt mit der neuen Behördenleitung zu minimieren, sei er immer wieder gezwungen gewesen, seine Arbeitszeit eigenverantwortlich seinem Gesundheitszustand nach dem Dienstunfall anzupassen, auch entgegen den geltenden Arbeitszeitvorschriften. Die vorgeworfenen Arbeitszeitunterbrechungen seien insbesondere durch notwendige osteopathtische Behandlungen und Schmerzpausen bedingt gewesen. Wegen des besonderen Arbeitszeitmodells würden die generellen Arbeitszeitregelungen für ihn ohnehin keine Anwendung finden; vielmehr stelle das individuelle Arbeitszeitmodell eine spezielle und damit vorrangige Regelung dar, die die allgemeinen Regelungen ausheble. Ein Betrug nach § 263 Abs. 1 StGB liege mangels objektiver Täuschungshandlungen und subjektiven Tatvorsatzes nicht vor.
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2.3.3. Das Gericht hält die dem Beklagten vorgeworfenen Arbeitszeitverstöße für erwiesen. Danach hat er sich im Zeitraum vom 4. März 2016 bis 8. März 2017, also über etwa ein Jahr, mit Arbeitszeitverstößen an 36 einzelnen Tagen ein Zeitguthaben von 46:47 Stunden erschlichen, darunter 17 Zeiten ohne Erfassung des Verlassens des Arbeitsplatzes, elfmaliges unerlaubtes Ein- bzw. Auschippen bei der Polizeistation … ohne dienstlichen Grund und achtmaliges Einchippen über ein polizeiliches Notebook (FZI) vor Betreten der Dienststelle und in Abweichung zur angegebenen Heimarbeitszeit. Dieses Verhalten widersprach den Vorschriften der „Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit im Bereich des Polizeipräsidiums ...“ (DA PPM S.137 ff.). Danach erfolgt die Arbeitszeiterfassung grundsätzlich über die vorhandenen elektronischen Zeiterfassungsgeräte (Nr. 8 der Dienstvereinbarung) und sind Abwesenheitszeiten grundsätzlich nicht als Arbeitszeit anrechenbar (Nr. 6 letzter Absatz der Dienstvereinbarung). Ungeachtet der Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens kommt dem vorgenannten Sachverhalt disziplinarrechtliche Relevanz zu.
58
Anders als der Beklagte vorträgt, führt das ihm zugestandene Modell mit täglich fünf bis sechs Stunden Präsenzzeit im Polizeipräsidium und der Ableistung der restlichen Arbeitszeit zu Hause nicht dazu, dass die Arbeitszeitvorschriften für ihn nicht mehr gelten. Soweit seine Bevollmächtigten insoweit auf die Regelung zu „2. Geltungsbereich“ in der Dienstvereinbarung verweisen, nach der diese nicht für die Bediensteten gilt, deren Arbeitszeit durch gesonderte Dienstvereinbarung geregelt ist, führt dies zu keiner anderen Wertung. Anders als für die dort genannte Ausnahme erforderlich, ist die Arbeitszeit des Beklagten nicht durch gesonderte Dienstvereinbarung geregelt. Weder existiert insoweit eine „Dienstvereinbarung“, das heißt ein zwischen Dienststelle und Personalrat geschlossener personalvertretungsrechtlicher Vertrag, noch wurde die Arbeitszeit des Beklagten besonders geregelt. Vielmehr betrifft das Zugeständnis an ihn die Ermöglichung von Home Office und damit den Arbeitsort und entbindet ihn dieses Zugeständnis nicht von der Beachtung der übrigen Arbeitszeitvorschriften. Vielmehr erfordert die Möglichkeit zu gleitender Arbeitszeit und zu deren teilweiser Ableistung im Home Office erst recht, die Arbeitszeitvorschriften akribisch zu beachten und das vom Dienstherrn entgegengebrachte Vertrauen besonders zu respektieren.
59
Auch die Intention des Beklagten, seine Arbeitszeit entgegen den Arbeitszeitvorschriften eigenverantwortlich seinem Gesundheitszustand anzupassen, um seine Stellung als Sachgebietsleiter zu erhalten und einen beginnenden Konflikt mit der neuen Amtsleitung zu minimieren (vgl. den Vortrag im Schriftsatz seines ehemaligen Bevollmächtigten v. 6.6.2018, DA PPM S. 106), rechtfertigt die Verstöße gegen die Arbeitszeitvorschriften nicht. Der Beklagte hätte die Situation vielmehr durch Offenlegung seiner gesundheitlichen Einschränkungen unter Inanspruchnahme der Wege des Beamtenrechts klären müssen. Auch sein Vortrag, dass er die wöchentlich zu erbringende Arbeitszeit von 40 Stunden regelmäßig mindestens abgeleistet, wenn nicht übererfüllt hat, ändert am Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs nichts und ist allenfalls als Milderungsgrund zu berücksichtigen. Anders als der Beklagte meint, ist der strafrechtliche Betrugstatbestand (§ 263 Abs. 1 StGB) auch erfüllt, weil er sich durch Täuschung einen vermögenswerten Vorteil erschlichen hat (ebenso BayVGH, B.v. 20.5.2021 – 16a DS 20.2040 – BA Rn. 4).
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2.4. Besitz kinder- und jugendpornographischer Dateien
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2.4.1. Ferner wirft die Disziplinarklage dem Beklagten den Besitz von 284 Bild- und Videodateien mit kinderpornographischem und von 126 Bild- und Videodateien mit jugendpornographischem Material vor, von denen 42 Bilddateien abzuziehen und die automatisierten Zuordnungen zu Kinder- oder Jugendpornographie in Teilen zu korrigieren seien.
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2.4.2. Der Beklagte wendet ein, die vorgeworfenen kinder- und jugendpornographischen Dateien seien ihm nicht bekannt. Er habe diese nicht absichtlich auf seinen PC geladen, insbesondere nicht nach solchen Inhalten gesucht oder die Dateien jemals geöffnet und angesehen. Sie stellten vielmehr bloßen „Beifang“ dar. Er distanziere sich von Kinderpornographie als verabscheuenswürdig.
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2.4.3. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte auf Frage des Gerichts zugestanden, dass er sich aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Ermittlungsbeamter durchaus der Gefahr bewusst gewesen sei, dass unter den heruntergeladenen Dateien solche mit kinder- und jugendpornographischen Inhalten sein konnten.
64
2.4.4. Das Gericht geht daher insgesamt davon aus, dass auf den Festplatten des NAS-Filers das vom Kläger genannte Bild- und Videomaterial mit – teilweise in schwerwiegender Weise vorwerfbaren – kinder- und jugendpornographischen Inhalten gespeichert war. Zu den Inhalten wird auf die Darstellung in der Disziplinarklage (S. 7-9) verwiesen. Quantitativ ist – trotz der Unsicherheiten im Hinblick auf die Suche mittels Hashwerten und im Hinblick auf die automatisierten Zuordnungen – von mindestens 200 Bild- und Videodateien mit kinderpornographischen Inhalten und von mindestens 100 Bild- und Videodateien mit jugendpornographischen Inhalten auszugehen. Allerdings hält das Gericht die Ausführungen des Beklagten, nach denen diese Dateien lediglich „Beifang“ beim Download des sonstigen Porno-Materials waren, ebenso für glaubhaft wie seine Aussage, dass er die Dateien nicht inhaltlich kannte.
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3. Durch die zur Last gelegten Taten hat der Beklagte ein Dienstvergehen begangen, weil er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat.
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3.1. Durch die unter 2.1., 2.3. und 2.4. dargestellten Taten der Untreue, des Arbeitszeitbetrugs und des Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften hat er gegen die Pflicht, die Gesetze zu beachten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. §§ 266 Abs. 1, 263 Abs. 1 und 184b Abs. 3, 184c Abs. 3 StGB – teilweise a.F.) verstoßen. Der Arbeitszeitbetrug führt weiter zu einem Verstoß gegen die Pflicht, sich mit vollem persönlichem Einsatz dem Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 BeamtStG), und die Pflicht, allgemeine Richtlinien zu befolgen (§ 35 Satz 2 BeamtStG i.V.m. innerdienstlichen Vorschriften zur Arbeitszeiterfassung). Alle Taten verstoßen gegen die Pflicht, sich dem Beruf entsprechend achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG in der bis zum 6.7.2021 geltenden Fassung).
67
Bei diesen Verstößen handelt es sich um solche gegen leicht einsehbare Kernpflichten eines Polizeibeamten.
68
3.2. Im Hinblick auf die Taten unter 2.1. (Beschaffung von Hardware) und 2.3. (Arbeitszeitbetrug) liegt innerdienstliches Fehlverhalten vor, weil das pflichtwidrige Verhalten in das Amt und die dienstlichen Pflichten des Beklagten eingebunden war (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 14).
69
Auch der Besitz der kinder- und jugendpornographischen Dateien (vgl. 2.4.) ist innerdienstlich erfolgt. Insoweit legt das Gericht die Bekundung des Beklagten zu Grunde, der das NAS-System als dienstliche Hardware anschaffte und bis zur Durchsuchung am 8. August 2017 nicht seinem Vermögen einverleibte. Nach diesem Vortrag handelte es sich um dienstliche Hardware, auf der die pornographischen Dateien gespeichert waren, und ist es damit konsequent, den Besitz der Dateien als innerdienstlich anzusehen.
70
3.3. Der Beklagte handelte im Hinblick auf alle vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen vorsätzlich.
71
Hinsichtlich der Untreue liegt dolus eventualis vor. Der Beklagte war sich bewusst, mit der Bestellung gegen die im Innenverhältnis gesetzten Grenzen der Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis bzw. die sich sonst aus dem Innenverhältnis ergebenden Pflichten zu verstoßen; insoweit genügt eine entsprechende Parallelwertung in der Laiensphäre (Schönke/Schröder/Perron, StGB, 30. Aufl. 2019, § 266 Rn. 49). Ihm war klar, dass für die Beschaffung des NAS-Systems keine dienstliche Notwendigkeit bestand. Dem entspricht seine „Zurückhaltung“ hinsichtlich der Veröffentlichung der Beschaffung und der Testdurchführung. Eine Bereicherungsabsicht oder eine Zueignungsabsicht ist nicht erforderlich (Schönke/Schröder/Perron, StGB, 30. Aufl. 2019, § 266 Rn. 49).
72
Im Hinblick auf den Arbeitszeitbetrug ist direkter Vorsatz gegeben. Der Beklagte war er sich bewusst, dass Abwesenheitszeiten vom Dienst ordnungsgemäß zu dokumentieren waren und dass kein dienstlicher Anlass für das Einchippen bei der Polizeistation in … oder über das polizeiliche Notebook vor Betreten der Dienststelle bestand.
73
Auch im Hinblick auf den Besitz der kinder- und jugendpornographischer Dateien ist dolus eventualis zu bejahen. Der Beklagte war sich aufgrund seiner Erfahrungen aus vorangegangener Ermittlungstätigkeit im Klaren darüber, dass bei dem wahllosen Download einschlägiger Dateien auch solche mit kinder- und jugendpornographischen Inhalten heruntergeladen werden konnten. Da er mit einem solchen „Beifang“ rechnete und diesen billigend in Kauf nahm, ist dolus eventualis zu bejahen. Damit liegt ein ausreichender Besitzwille für die strafrechtlichen Tatbestände der §§ 184b Abs. 3, 184c Abs. 3 StGB in der im Tatzeitraum geltenden Fassung vor.
74
4. Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat zur Folge, dass er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb ist nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme zu erkennen.
75
4.1. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild des Beamten und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 5.10.2016 – 16a D 14.2285 – juris Rn. 55). Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BayVGH, U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 36).
76
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder aufgrund seines Fehlverhaltens sei eine erhebliche, nicht wieder gutzumachende Ansehensbeeinträchtigung eingetreten (BayVGH, U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 67).
77
Fallen einem Beamten – wie hier – mehrere Dienstpflichtverletzungen zur Last, die in ihrer Gesamtheit das einheitliche Dienstvergehen ergeben, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BayVGH, U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 66). Diese liegt hier in der innerdienstlichen Untreue.
78
4.2. Zur konkreten Bestimmung der Disziplinarmaßnahmebemessung ist in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert des Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Ls. und Rn. 15). Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 1.7.2020 – 16a D 19.681 – juris Rn. 52). Damit ist infolge des Strafrahmens von Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren für die Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) der Orientierungsrahmen bis zu Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eröffnet.
79
Bei dem vorliegenden innerdienstlichen Dienstvergehen kommt dem abgeurteilten Strafmaß bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme keine indizielle Bedeutung zu (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 15). Es ist daher unerheblich, dass der Beklagte mit Strafbefehl des Amtsgerichts Kempten vom 30. Juli 2018 wegen Untreue lediglich zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen verurteilt wurde.
80
Das Dienstvergehen wiegt auch bei einer konkreten Betrachtung der Tat schwer. Der Beklagte hat ohne dienstliche Notwendigkeit technisches Equipment von hohem Wert (knapp 4.500 €) bestellt, dieses unter Verwendung anstößigen Materials für unnötige Tests eingesetzt, deren Ergebnisse nicht in den Dienstbetrieb eingeflossen sind und die Hardware nach Abschluss der Tests nicht an den Dienstherrn zurückgegeben.
81
4.3. Die Ausschöpfung des Orientierungsrahmens gebietet sich hier auch deshalb, weil erschwerende Umstände vorliegen.
82
4.3.1. Zu Lasten des Beklagten sprechen die weiteren Taten des Arbeitszeitbetrugs und des Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften.
83
Mit dem Arbeitszeitbetrug ist eine weitere gravierende Pflichtverletzung erfolgt. Der Beklagte hat in insgesamt 36 Fällen die Arbeitszeiterfassung nicht korrekt durchgeführt und seine Dienstzeit nicht korrekt verbucht. Er hat in 17 Fällen Arbeitspausen nicht verbucht, elf Mal unberechtigterweise bei der Polizeistation in … ein- bzw. ausgechippt und acht Mal vor Betreten der Dienststelle über das polizeiliche Notebook eingechippt. Auf diese Weise hat er über die Dauer eines Jahres die Arbeitszeiterfassung manipuliert und sich ein Arbeitszeitguthaben von mindestens 46:47 Stunden (rund 6 Arbeitstage) erschlichen. Infolgedessen liegt planmäßiges und täuschendes Handeln des Beklagten vor. Auch dieses Fehlverhalten wiegt schwer und wäre per se mindestens mit einer Kürzung der Dienstbezüge zu ahnden. Mit dem Arbeitszeitbetrug hat der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn in schwerem Maße erschüttert, das gerade darin liegt, dass dieser seinen Beschäftigten mit der Einrichtung der gleitenden Arbeitszeit einen weiten Freiraum und große Flexibilität einräumt (BayVGH, U.v. 25.3.2009 – 16a D 07.1479 – juris Rn. 95). Dies gilt in besonderem Maße für den Beklagten, dem mit der Möglichkeit zur Arbeitsleistung im Home Office weitere Flexibilisierung zugestanden worden war. Gerade weil Verstöße gegen die Arbeitszeit oft nur durch Beobachtungen und Meldungen von Kollegen zutage treten und damit die Entstehung und Förderung eines Klimas gegenseitiger Überwachung gefördert wird, ist es erforderlich, Gleitzeitverstößen mit den Mitteln des Disziplinarrechts effektiv zu begegnen (VG Düsseldorf, U.v. 22.10.2009 – 35 K 2513.08 – juris Rn. 75).
84
Weiter zulasten des Beklagten ist der strafbare Besitz kinder- und jugendpornographischer Dateien zu berücksichtigen, der bereits per se ein schwerwiegendes Dienstvergehen begründet. Zwar folgt das Gericht dem Vortrag des Beklagten, dass er diese Dateien nicht aus Interesse an ihrem Inhalt heruntergeladen hat. Dennoch tragen bereits der Download und der nachfolgende Besitz mit der damit verbundenen Nachfrage nach derartigem Bild- und Videomaterial zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen und damit zum Verstoß gegen ihre körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde bei (BayVGH, U.v. 6.4.2022 – 16a D 20.975 – juris Rn. 26) und kommt dieser Begründung für das erhebliche disziplinarrechtliche Gewicht dieser Straftat auch ohne das Interesse des Beklagten an den dargestellten Inhalten unveränderte Bedeutung zu.
85
4.3.2. Generell zu Lasten des Beklagten sprechen im vorliegenden Verfahren seine hervorgehobene Stellung als EPHK (Besoldungsgruppe A 13) und als Sachgebietsleiter mit Vorgesetzten- und Vorbildfunktion. Seine (inner-)dienstliche Stellung wirkt sich erschwerend aus, weil die Verletzung insbesondere innerdienstlicher Pflichten durch Vorgesetzte mit besonderer Verantwortung größere Auswirkungen auf die Dienstmoral und das Ansehen der öffentlichen Verwaltung auslöst als bei Beamten in untergeordneter Dienststellung (vgl. BayVGH, U.v. 30.9.2020 – 16a D 18.1764 – juris Rn. 59).
86
4.3.3. Weiter zu Lasten des Beklagten zu berücksichtigen ist der Umstand, dass er im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren die Herausgabe des dienstlichen Handys betrieben hat, weil auch dort private Daten gespeichert waren.
87
4.4. Von der danach auszusprechenden Höchstmaßnahme ist hier auch nicht ausnahmsweise zugunsten einer milderen Disziplinarmaßnahme abzusehen, weil Milderungsgründe vorliegen, die geeignet sind, das schwere Dienstvergehen des Beklagten als weniger gravierend erscheinen zu lassen, und die nicht durch Erschwerungsgründe aufgewogen werden.
88
4.4.1. Zu Gunsten des Beklagten spricht zwar mit bedeutendem Gewicht seine angeschlagene Gesundheit und der ihm zuerkannte GdB von 50 v.H.. Nach einem zuletzt vorgelegten Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei vom 27. Juni 2017 hat er seit einem Verkehrsunfall im September 2010 Dauerschmerzen im oberen Wirbelsäulenbereich mit einem hohen Schmerzintensitätsgrad und Bewegungseinschränkungen. Er trägt auch selbst vor, dass die kontinuierlichen Schmerzen ihn in seiner Lebensführung stark beeinträchtigen.
89
4.4.2. Nicht zu Gunsten des Beklagten kann berücksichtigt werden, dass er die zu erbringende Wochenarbeitszeit von 40 Stunden tatsächlich abgeleistet hat. Insoweit widersprechen sich die Aussagen des Dienstherrn und des Beklagten. Zwar liegt im Hinblick auf die guten Beurteilungen, die beanstandungsfreie Führung des Sachgebiets und die ständige Erreichbarkeit für First-Level-Support nahe, dass er mindestens die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit erbracht hat. Im Hinblick auf den dies dementierenden Vortrag des Klägers kann dieser Umstand jedoch nicht zu Gunsten des Beklagten gewertet werden.
90
4.4.3. Angesichts der Schwere des Dienstvergehens kann die Tatsache, dass der Beklagte straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist und stets sehr gute dienstliche Leistungen zeigte, wie sich in seinen Beurteilungen von 2012 und 2015 mit jeweils 13 Punkten zeigt, nicht zum Ausspruch einer milderen Disziplinarmaßnahme führen. Ein solches Verhalten stellt lediglich den Regelfall dar, führt bei einem derart gravierenden Fehlverhalten aber nicht zum Absehen von der angemessenen Maßnahme (BayVGH, U.v. 16.4.2022 – 16a D 20.975 – juris Rn. 51).
91
4.4.4. Auch die lange Verfahrensdauer seit der Einleitung des Disziplinarverfahrens am 24. August 2017 und damit vor mehr als fünf Jahren kann nicht zum Absehen von der Höchstmaßnahme führen. Dies ließe sich nicht mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis, nämlich dem Schutz der Integrität des Berufsbeamtentums und der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, vereinbaren. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen es aus, dass ein Beamter, der durch gravierendes Fehlverhalten im öffentlichen Dienst untragbar geworden ist, weiterhin Dienst leisten und als Repräsentant des Dienstherrn hoheitliche Befugnisse ausüben kann, weil das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. Das von dem Beamten zerstörte Vertrauen kann nicht durch Zeitablauf und damit auch nicht durch eine verzögerte disziplinarrechtliche Sanktionierung schwerwiegender Pflichtenverstöße wiederhergestellt werden (BVerwG, B.v. 22.10.2018 – 2 B 30/18 – juris Rn. 8).
92
5. Sämtliche Taten sind trotz des langen Zeitablaufs auch zum jetzigen Zeitpunkt noch verwertbar. Für die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gibt es kein Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs (vgl. Art. 16 BayDG).
93
6. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist unter Abwägung des Gewichts des Dienstvergehens sowie des dadurch eingetretenen Vertrauensschadens und der mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehenden Belastung auch nicht unverhältnismäßig.
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Der Beklagte wendet insoweit zwar ein, als minderschwere und ausreichende Disziplinarmaßnahme komme eine Zurückstufung oder die Abgabe seiner leitenden Funktionen in Betracht. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf seine Schwerbehinderung. Zudem liege nach der abgeurteilten Untreue vier Jahre straffreie Lebensführung vor.
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Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erscheint jedoch als angemessene und erforderliche Disziplinarmaßnahme. Sie verfolgt als disziplinarische Höchstmaßnahme neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung die Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen zerstört, ist die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Entfernung aus dem Dienst beruht dann auf einer schuldhaften schwerwiegenden Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen. Die in der Entfernung vom Dienst liegende Härte für den Beamten – insbesondere hinsichtlich des Verlustes seiner Dienstbezüge bzw. künftigen Ruhegehalts – ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten (BayVGH, U.v. 20.9.2021 – 16b D 19.1302 – juris Rn. 67).
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7. Die Kostenentscheidung ergeht nach Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG. Der Beklagte, gegen den im Disziplinarverfahren auf eine Disziplinarmaßnahme erkannt wurde, trägt die Kosten des Verfahrens.