Titel:
Klage auf Erteilung eines Vorbescheids, Einfügen eines Wohnhauses in die nähere Umgebung nach der überbaubaren Grundstücksfläche (bejaht), Funktionslosigkeit eines übergeleiteten Bebauungsplans (bejaht), Fällung von Bäumen (Unbestimmtheit von Bauvorlagen)
Normenketten:
BayBO Art. 71
BauGB § 34
Schlagworte:
Klage auf Erteilung eines Vorbescheids, Einfügen eines Wohnhauses in die nähere Umgebung nach der überbaubaren Grundstücksfläche (bejaht), Funktionslosigkeit eines übergeleiteten Bebauungsplans (bejaht), Fällung von Bäumen (Unbestimmtheit von Bauvorlagen)
Fundstelle:
BeckRS 2023, 38439
Tenor
I. Soweit die Klage übereinstimmend für erledigt erklärt wurde (Frage 2 des Vorbescheidsantrags vom 20. Januar 2023, PlanNr. ...), wird das Verfahren eingestellt.
II. Der Vorbescheid vom 30. August 2023 wird hinsichtlich der Beantwortung der Frage 1 aufgehoben.
III. Die Beklagte wird verpflichtet, die Frage 1 des Vorbescheidsantrags vom 20. Januar 2023 nach PlanNr. ... positiv zu beantworten.
IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
V. Die Klägerin hat 1/3, die Beklagte hat 2/3 der Kosten des Verfahrens zu tragen.
V. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die positive Beantwortung eines von der Beklagten negativ beantworteten Vorbescheidsantrags vom 20. Januar 2023 für das Grundstück FlNr. …, Gem. …, Südliche … 30 (im Folgenden Vorhabengrundstück).
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Das Vorhabengrundstück liegt im Geviert Südliche …, …straße, …straße und …straße. Durch übergeleiteten Baulinienplan Nr. … vom 18. August 1941 sind zwischen der …straße und der …straße in erster und zweiter Reihe Bauräume durch vordere Baulinien sowie seitliche und rückwärtige Baugrenzen festgesetzt.
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Vergleiche zur baulichen Situation folgenden – aufgrund des Einscannens eventuell nicht mehr maßstabsgetreuen – Lageplan im Maßstab 1:1.000, der eine Darstellung des Vorhabens enthält:
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Am 20. Januar 2023 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Vorbescheids für den Neubau eines Wohngebäudes mit Tiefgarage nach PlanNr. … Die Planung sieht die Errichtung eines zweigeschossigen Wohngebäudes mit Flachdach mit einer Grundfläche im Erdgeschoss von 271 m² und eines 626 m² großen Untergeschosses vor. Im Vorbescheidsantrag stellte die Klägerin folgende Fragen:
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1. Ist das Bauvorhaben in Bezug auf die überbaubare Grundstücksfläche planungsrechtlich zulässig, wenn die nachfolgende Befreiung erteilt wird: Kann eine Befreiung von dem übergeleiteten Baulinienplan den dort festgesetzten Baulinien und Baugrenzen durch ein Abrücken im Norden und ein Überschreiten im Süden und Westen erteilt werden?
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2. Ist das Bauvorhaben in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung planungsrechtlich zulässig?
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3. Wird für die notwendige Fällung der Bäume Nrn. 5,16, 24 und 27 eine Fällgenehmigung erteilt werden?
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Am 15. Juni 2023 erhob die Klägerin Untätigkeitsklage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den beantragten Vorbescheid zu erteilen.
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Mit Bescheid vom 30. August 2023 verbeschied die Beklagte den Vorbescheidsantrag. Frage 1 wurde negativ beantwortet. Die Beklagte führte im Wesentlichen aus, eine Befreiung vom Baulinienplan könne nicht in Aussicht gestellt werden, da sie mit öffentlichen Belangen nicht vereinbar sei. Der Festsetzung der Bauräume liege das Konzept zugrunde, zusammenhängende durchgrünte Bereiche, insbesondere im Geviertinneren, zu erhalten. Das Bauliniengefüge sei vorliegend insbesondere auch zur Südlichen … als Erschließungsstraße hin weitgehend intakt. Die bislang erteilten Befreiungen seien mit dem beantragten Umfang nicht vergleichbar und würden keinen Bezugsfall für eine solch umfangreiche Abweichung von den städtebaulichen Festsetzungen bieten. Insbesondere seien die seitlichen Bauraumüberschreitungen der Nachbargrundstücke dem Umstand geschuldet, dass der Grundstückszuschnitt der FlNrn. … und … mit dem festgesetzten Bauliniengefüge nicht in Einklang stehe. Das auf den betreffenden Grundstücken dem Grunde nach innerhalb der Bauräume zulässige Bauvolumen könne aufgrund der Grundstückszuschnitte und damit verbundener Abstandsflächenprobleme nicht innerhalb der Bauräume realisiert werden, weshalb – um eine unbillige Härte zu vermeiden – eine seitliche Verschiebung aus dem Bauraum heraus aufgrund des vorliegenden Ausnahmefalls möglich gewesen sei. Eine vergleichbare Situation liege auf dem antragsgegenständlichen Grundstück jedoch nicht vor. Die im Antrag dargestellte oberirdische Anordnung des Gebäudes mit Bauraumüberschreitung nach Süden führe dazu, dass sowohl im Norden als auch im Süden des Grundstücks wertvoller Baumbestand gefällt werden müsse. Vergleichbar große Bauraumüberschreitungen für oberirdische Gebäude lägen in der prägenden näheren Umgebung nicht vor. Die geplante unterirdische Bauraumüberschreitung nach Süden, Westen und Norden werde ausgelöst durch eine Tiefgarage mit sechs Stellplätzen, etwa 70 m² Hobbyraum, einen Wellnessbereich sowie einen Lichthof. Aus den vorgelegten Unterlagen sei nicht ersichtlich, wie viele Stellplätze für das Vorhaben erforderlich seien. Sowohl die oberirdische als auch die unterirdische Bauraumüberschreitung blieben hinsichtlich der geplanten Größenordnung ohne Bezugsfall. Es sei der Klägerin zuzumuten, das oberirdische Gebäude ohne Verlust von Baurecht und unter Einhaltung der Abstandsflächen soweit in den Bauraum hineinzuverlagern und gegebenenfalls mit anderer Kubatur zu planen, dass zwar der Baumbestand im Norden gefällt werden müsse, dafür aber der schützenswerte Baumbestand im Süden erhalten werden könne.
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Frage 2 des Vorbescheidsantrags wurde positiv beantwortet. Die Frage 3 beantwortete die Beklagte negativ. Der geplanten Fällung der Bäume im Süden des Grundstücks, insbesondere der Bäume Nrn. 16 und 24 werde nicht zugestimmt. Der Klägerin sei es zumutbar, die Stellplätze auf das unbedingt baurechtlich erforderliche Maß zu verringern (gegebenenfalls unter Nutzung von Duplexgaragen) (§ 12 Abs. 2 BauNVO) und [die Tiefgarage] so weit unter das Gebäude zu verlagern, dass der schützenswerte Baumbestand im Süden erhalten werden könne. Auch dies erscheine unter Umplanung und gegebenenfalls Entfall der ohnehin nicht als Aufenthaltsraum nutzbaren Hobbyräume möglich und zumutbar.
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Mit Schriftsatz vom 27. September 2023 erklärte die Klägerin die Klage hinsichtlich der Frage 2 des Vorbescheidsantrags vom 20. Januar 2023 für erledigt. Sie beantragt im Übrigen:
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Der Vorbescheid vom 30.08.2023, Az.: …, wird aufgehoben, soweit darin die Fragen 1 und 3 mit „nein“ beantwortet wurden und die Beklagte wird verpflichtet, zu den betreffenden Fragen einen positiven Vorbescheid zu erlassen.
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Die Bevollmächtigten der Klägerin verweisen auf die Klagebegründungen im Verfahren M 8 K 22.6288 und führten mit Schriftsätzen vom 15. Juni 2023, 27. September und 27. November 2023 im Wesentlichen aus, das Bauvorhaben füge sich nach der überbaubaren Grundstücksfläche in die nähere Umgebung ein. Der übergeleitete Baulinienplan sei nicht wirksam übergeleitet worden. Zumindest sei er jedenfalls im Blockinnern des Straßengevierts wegen Funktionslosigkeit unwirksam geworden, weil im Blockinnern sämtliche Gebäude der näheren Umgebung außerhalb der Baufenster lägen. Keine einzige Baulinie innerhalb des Gevierts werde eingehalten. Auch die Baugrenzen würden sämtlich überschritten. Der übergeleitete Baulinienplan entfalte im Blockinnern keinerlei Prägung mehr. Selbst wenn man eine Funktionslosigkeit des übergeleiteten Baulinienplans verneine, bestehe ein Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von den festgesetzten Baulinien und Baugrenzen. Dieser Anspruch ergebe sich aus dem Gleichheitsgrundsatz verbunden mit dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung aufgrund der bisherigen Verwaltungspraxis. Das festgesetzte Bauliniengefüge beziehe sich aufgrund der seinerzeitigen Rechtswirkungen von Bauliniengefügen allein auf die oberirdische Bebauung und entfalte für die unterirdische Bebauung keinerlei Regelungswirkung. Auch die von der Beklagten angeführte Regelung in § 12 Abs. 2 BauNVO grenze die unterirdische Bebauungsmöglichkeit hier nicht ein. § 12 Abs. 2 BauNVO enthalte eine gebietsbezogene, nicht aber baugrundstücksbezogene Einschränkung, die eine Regulierung des gebiets- und nachbarverträglichen Verkehrs vor Augen habe, nicht jedoch eine flächenmäßige Beschränkung. Eine Tiefgarage mit sechs Stellplätzen sei im Wohngebiet keineswegs unüblich oder gebietsunverträglich. Sie entspreche der Größe des Wohnhauses und der in der näheren Umgebung vorhandenen Nutzungen. Auf die Anzahl der geplanten Wohneinheiten, die bewusst offengehalten worden seien, komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Es bestehe zudem ein Anspruch auf Erteilung einer Fällgenehmigung für die Bäume Nrn. 5, 16, 24 und 27. Es seien verschiedene Varianten zur Lage des Untergeschosses ausgearbeitet worden. Hierbei seien auch mögliche Verschiebungen als auch Modifikationen des Untergeschosses geprüft worden. Diese Variantenprüfung sei zu dem Ergebnis gekommen, dass durch eine anderweitige Verschiebung des Untergeschosses der Eingriff in dem Baumbestand nicht minimiert werden könne. Auch zumutbare Modifikationen des Bauvorhabens führten zu keinem anderen Ergebnis. Würde man den Forderungen nachkommen, wonach zur Krone mit der Baugrube 1,5 m Abstand einzuhalten seien, so stünde nur etwa die Hälfte des Grundstücks zur Verfügung. Lediglich die Erhaltung des Baums Nr. 16 wäre bei einer Aufteilung des Untergeschosses möglich, was aber eine deutlich ungünstigere Anordnung der Räumlichkeiten bedinge und im Bau mit komplexeren und aufwändigeren Verbaumaßnahmen einhergehe. Eine der Alternativen sehe ein signifikant reduziertes Untergeschoss vor. Beide Varianten würden zu einer Reduzierung des Baurechts führen.
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Die Beklagte beantragt
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Das Vorhaben sei hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche nicht zulässig. Entgegen der Ansicht der Klägerin könne nicht von einer Funktionslosigkeit des Baulinienplans ausgegangen werden. Die Bauliniengefüge sei im überwiegenden Geltungsbereich des Baulinienplans noch weitgehend intakt und eingehalten. Einzelne Befreiungen, wie insbesondere auf einzelnen westlich gelegenen Nachbargrundstücken, seien aufgrund des hier speziellen Grundstückszuschnitts sowie vor dem Hintergrund des durch die Verschiebung der Baukörper ermöglichten Baumerhalts erteilt worden. Im Geviert sowie im restlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans entstehe jedoch durch die Erteilung dieser Befreiungen nicht allgemein ein Zustand, der eine Verwirklichung der Festsetzungen des Baulinienplans grundsätzlich auf allen Grundstücken auf unabsehbare Zeit ausschließe. Die Festsetzung diene weiterhin der Freihaltung von begrünten Freiflächen außerhalb der festgesetzten Baulinien. Das Ziel der Festsetzung sei damit weiterhin erreichbar, da die Verwirklichung der städtebaulich vorgesehenen Struktur und Zielsetzungen weiterhin verwirklichbar seien. Die erforderliche Befreiung könne nicht in Aussicht gestellt werden. Das Vorhaben finde in der prägenden Umgebung kein Vorbild hinsichtlich des Nutzungsmaßes. Entlang der Südlichen … sei vom Maß der Nutzung eine deutlich dichtere Bebauung entlang des Kanals vorhanden, die sich vom hinteren inneren Bereich des Gevierts städtebaulich abgrenze. Zwischen der vorderen Reihe und dem übrigen Geviert sei eine dichte Begrünung vorhanden, welche die Zäsurwirkung verstärke. Die inneren Grundstücke seien hier zudem dadurch gekennzeichnet, dass diese durch schmale Zufahrten von der Südlichen … in zweiter Reihe erschlossen würden. Ein den Vordergebäuden entlang der Straße vergleichbares Nutzungsmaß sei insofern im hinteren Bereich einheitlich nicht vorhanden. Die Frage bezüglich der Erteilung der Fällgenehmigung sei im Vorbescheidsverfahren nicht zulässig, da eine Erteilung der Fällgenehmigung von einem insgesamt genehmigungsfähigen Vorhaben abhängig sei.
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Über die baulichen Verhältnisse auf dem streitgegenständlichen Grundstück sowie in dessen Umgebung hat das Gericht am 4. Dezember 2023 Beweis durch Einnahme eines Augenscheins erhoben. Hinsichtlich der Feststellungen dieses Augenscheins sowie der anschließenden mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und dem weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über die Sache konnte die Berichterstatterin als Einzelrichterin entscheiden, da die Beteiligten hiermit einverstanden waren, § 87a Abs. 2, 3 VwGO.
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Soweit das Verfahren hinsichtlich Frage 2 des streitgegenständlichen Vorbescheidsantrags übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und über die Kosten nach billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 VwGO) zu entscheiden. Da sich die Hauptsache nur teilweise erledigt hat, war kein gesonderter Beschluss zu erlassen, sondern die – auch in diesem Fall nicht der Anfechtung unterliegende – Entscheidung über die Verfahrenseinstellung und die Kostentragung zusammen mit der Sachentscheidung über den nicht erledigten Teil im Urteil zu treffen (vgl. BVerwG, B.v. 7.8.1998 – 4 B 75.98 – juris Rn. 2).
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Die zulässige Klage hat teilweise Erfolg. Die negative Beantwortung der Frage 1 des Vorbescheides vom 20. Januar 2023 nach PlanNr. … ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil ihr ein Anspruch auf eine positive Beantwortung zusteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) (hierzu 1.). Hinsichtlich der Frage 3 ist die Klage abzuweisen, da die Klägerin weder ein Anspruch auf Erteilung der Fällgenehmigung noch auf erneute Entscheidung hierüber hat (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO) (hierzu 2.).
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Der Bauherr kann schon vor Einreichung des Bauantrags zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid beantragen (Art. 71 Satz 1 BayBO). Gem. Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist ein positiver Vorbescheid zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben, soweit seine Zulässigkeit abgefragt wurde, keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Insoweit stellt der Vorbescheid als feststellender Verwaltungsakt die Vereinbarkeit des Vorhabens mit öffentlichen-rechtlichen Vorschriften, die Gegenstand der Vorbescheidsfragen sind, fest und entfaltet während seiner Geltungsdauer (vgl. Art. 71 Satz 2, 3 BayBO) Bindungswirkung für nachfolgende Baugenehmigungsverfahren.
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1. Das Bauvorhaben fügt sich nach der überbaubaren Grundstücksfläche in die maßgebliche Umgebung ein. Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage zur wirksamen Überleitung des Baulinienplans kommt es nicht an, da der Baulinienplan Nr. … zwischen der …straße und der …straße funktionslos geworden und daher unwirksam ist und das Bauvorhaben sich nach § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung einfügt. Hinsichtlich der Gründe wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO analog (vgl. Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage, § 117 Rn. 20) vollumfänglich auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 4. Dezember 2023 im Verfahren M 8 K 22.6288 verwiesen.
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2. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch die Erteilung der Fällungsgenehmigungen oder erneute Entscheidung über Frage 3 des streitgegenständlichen Vorbescheidsantrags.
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Da gem. Art. 18 Abs. 1 BayNatSchG eine nach der Baumschutzverordnung der Beklagten erforderliche Gestattung durch eine Baugenehmigung ersetzt wird, ist die Baumschutzverordnung der Beklagten gem. Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO auch im Prüfungsumfang der Baugenehmigung enthalten und damit auch zulässiger Gegenstand einer Vorbescheidsfrage nach Art. 71 Satz 1 BayBO.
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Nach § 3 Abs. 1 BaumschutzV ist es verboten, geschützte lebende Gehölze ohne Genehmigung der Beklagten zu entfernen, zu zerstören oder zu verändern. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BaumschutzV kann das Entfernen, Zerstören oder Verändern geschützter Gehölze auf Antrag genehmigt werden, wenn aufgrund anderer Rechtsvorschriften ein Anspruch auf die Genehmigung eines Vorhabens besteht, dessen Verwirklichung ohne eine Entfernung, Zerstörung oder Veränderung von Gehölzen nicht möglich ist.
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Gesichtspunkte des Baumschutzes treten dabei grundsätzlich hinter einem gegebenen Baurecht zurück. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Können zum Beispiel durch eine vertretbare Verschiebung oder Modifikation des Baukörpers Bäume erhalten werden, die unter dem Schutz einer Baumschutzverordnung stehen, kann es geboten sein, hiervon im Interesse der Erhaltung der Bäume Gebrauch zu machen (BayVGH, U.v. 10.7.1998 – 2 B 96.2819 – juris Rn. 31; VG München, U.v. 18.3.2013 – M 8 K 12.3075 – juris Rn. 39). Ein Ausnahmefall in diesem Sinn ist damit an zwei Voraussetzungen geknüpft. Auf einer ersten Stufe ist zu beurteilen, ob die Verschiebung oder Modifikation des Baukörpers vertretbar, mithin dem Bauherrn zumutbar ist. Diese Beurteilung ist anhand einer wertenden Betrachtung der Umstände des konkreten Einzelfalles vorzunehmen. Nur wenn die erste Frage zu bejahen ist, ist auf einer zweiten Stufe zu überprüfen, ob eine solche Verschiebung oder Modifikation des Baukörpers dazu führt, dass geschützte Bäume auch tatsächlich erhalten werden können (VG München, U.v. 18.3.2013 – M 8 K 12.3075 – juris Rn. 40).
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Da gemäß Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO ein Vorbescheid nur zu erteilen ist, aber gleichzeitig als gebundene Entscheidung auch nur dann erteilt werden darf, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, setzt die Erteilung eines Vorbescheids voraus, dass das Bauvorhaben auf der Grundlage des Vorbescheidsantrags und der Bauvorlagen (Art. 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayBO) am Maßstab der heranzuziehenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften geprüft werden kann. Denn Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO bestimmt, dass mit dem Bauantrag alle für die Beurteilung des Vorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen sind. Der Bauantrag muss bestimmt und eindeutig sein. Wenn sich herausstellt, dass die Bauvorlagen als Entscheidungsgrundlage für den Vorbescheid ungeeignet sind, darf die Behörde auf Klage des Bauherrn hin nicht zur Erteilung des Vorbescheis verpflichtet werden (vgl. Gaßner/Reuber, in: Busse/Kraus, BayBO, Stand: August 2023, Art. 64 Rn. 80; VG München, B.v. 28.11.2017 – M 8 SN 17.4766 – juris Rn. 57; BayVGH, B.v. 26.9.2002 – 26 ZB 99.1925 – juris Rn. 9).
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Anhand der streitgegenständlichen Bauvorlagen kann nicht beurteilt werden, ob der Klägerin eine Verschiebung und Modifikation des Baukörpers mit Erhalt einer oder mehrerer der geschützten Bäume zugemutet werden kann. Ohne Angabe der geplanten Wohneinheiten kann nicht beurteilt werden, welcher Stellplatzbedarf für die geplante Nutzung angemessen ist.
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Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist der Vorbescheidsantrag vom 20. Januar 2023 nach PlanNr. … In dem 626 m² großen Untergeschoss sind neben einem Pool, einem Wellnessbereich sowie Keller-, Techniksowie Hobby- und Lagerräume auch sechs Stellplätze geplant. Dies führt dazu, dass das Untergeschoss einen Großteil des Vorhabengrundstücks unterbaut und daher die Fällung der Bäume im Nordwesten, Nordosten und Süd (-westen) bedingt. Das Untergeschoss geht in seiner Größe erheblich über die geplante Grundfläche des Erdgeschosses hinaus. Sollte es sich bei dem geplanten Bauvorhaben um ein Einfamilienhaus handeln, ist es der Klägerin zumutbar, die Anzahl der Stellplätze zu reduzieren und hierdurch einen Baum oder Bäume, die zur Fällung beantragt wurden, zu erhalten. Zudem wäre es selbst bei Beibehaltung der Größe der Tiefgarage zumutbar, die Tiefgarage nach Osten hin so zu verschieben und ggf. den viereckigen Grundstückszuschnitt so anzupassen, dass der Baum Nr. 24 erhalten werden kann.
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3. Soweit das Rechtsstreit streitig entschieden wurde, folgt die Kostenentscheidung aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Soweit der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes über die Kosten (vgl. § 161 Abs. 2 VwGO). Die Klage hätte bezüglich der Frage 2 des Vorbescheidsantrags Erfolg gehabt, sodass es billigem Ermessen entspricht, dass die Beklagte die Kosten des Verfahrens hinsichtlich des erledigten Teils trägt.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.