Inhalt

VG München, Urteil v. 22.11.2023 – M 5 K 21.5355
Titel:

Dienstliche Beurteilung, Vorgabe des Beurteilungsmaßstabs durch Beurteiler, Sicherstellung, dass Beurteilungsmaßstab einheitlich angewandt wird, Bayernweite Abstimmung der Gesamturteile durch Beurteiler, Beurteilungsbesprechungen, Beurteilungsbeitrag, Berücksichtigungsgebot für Beurteiler

Normenkette:
LIbG Art. 54
Schlagworte:
Dienstliche Beurteilung, Vorgabe des Beurteilungsmaßstabs durch Beurteiler, Sicherstellung, dass Beurteilungsmaßstab einheitlich angewandt wird, Bayernweite Abstimmung der Gesamturteile durch Beurteiler, Beurteilungsbesprechungen, Beurteilungsbeitrag, Berücksichtigungsgebot für Beurteiler
Fundstelle:
BeckRS 2023, 38438

Tenor

I. Die dienstliche Beurteilung des Klägers vom ... Mai 2021 für den Beurteilungszeitraum vom ... Oktober 2017 bis … September 2020 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, den Kläger für den Beurteilungszeitraum vom … Oktober 2017 bis … September 2020 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu beurteilen.
II.    Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der 1967 geborene Kläger steht als Medizinaldirektor (Besoldungsgruppe A 15) in Diensten des Beklagten. Er wurde in ein Amt A 15 mit Wirkung zum … Dezember 2017 befördert. Er wendet sich gegen seine periodische Beurteilung vom ... Mai 2021.
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Für den Beurteilungszeitraum vom … Oktober 2017 bis … September 2020 erhielt der Kläger eine periodische dienstliche Beurteilung vom ... Mai 2021 mit einem Gesamtprädikat von 12 Punkten. In den „Ergänzenden Bemerkungen“ der Beurteilung ist angegeben, dass bei der Bildung des Gesamturteils die bei den Einzelmerkmalen vergeben Wertungen unter Berücksichtigung des Amtes und der Funktion in einer Gesamtschau betrachtet und vorliegend gleichmäßig gewichtet worden seien. In die Beurteilung seien die Beurteilungsbeiträge des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und des Landratsamtes eingeflossen. Der Kläger erhielt in den Einzelmerkmalen „Zusammenarbeit mit Kollegen und Vorgesetzten“ 11 Punkte, „Führungserfolg“, „mündliche Ausdrucksfähigkeit“ und „schriftliche Ausdrucksfähigkeit“ je 12 Punkte und im Einzelmerkmal „Auffassungsgabe“ 13 Punkte. Die Beurteilung wurde dem Kläger am … August 2021 zugestellt, nachdem der Kläger die Beurteilung bei einem persönlichen Gespräch nicht entgegennahm. Der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers, Regierungsdirektor Y., hat – ohne Einwendungen geltend zu machen – Stellung zur dienstlichen Beurteilung des Klägers genommen und diese am … Juli 2021 mitgezeichnet.
3
In der vorangegangenen periodischen dienstlichen Beurteilung für den Beurteilungszeitraum vom ... Mai 2015 bis … September 2017 erhielt der Kläger in einem Amt der Besoldungsgruppe A 14 ein Gesamtprädikat von 12 Punkten. In den Einzelmerkmalen „Zusammenarbeit mit Kollegen und Vorgesetzten“, „Führungserfolg“, „mündliche Ausdrucksfähigkeit“, „schriftliche Ausdrucksfähigkeit“ und „Auffassungsgabe“ erhielt der Kläger je 12 Punkte.
4
In einer Anlassbeurteilung vom … Februar 2020 für den Beurteilungszeitraum vom ... Oktober 2017 bis … September 2019 erhielt der Kläger in einem Amt der Besoldungsgruppe A 15 ein Gesamtprädikat von 13 Punkten. In den Einzelmerkmalen „Zusammenarbeit mit Kollegen und Vorgesetzten“, „mündliche Ausdrucksfähigkeit“, und „schriftliche Ausdrucksfähigkeit“ erhielt der Kläger je 12 Punkte. In den Einzelmerkmalen „Führungserfolg“ und „Auffassungsgabe je 13 Punkte.
5
Der Kläger wurde zum ... Oktober 2021 von der Regierung von C. an die Regierung von Oberbayern versetzt.
6
Die Klagepartei hat am 7. Oktober 2021 Klage erhoben und zuletzt beantragt,
7
Die dienstliche Beurteilung des Klägers (Beurteilungszeitraum ...10.2017 bis …09.2020) wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue (fehlerfreie) Beurteilung zu erteilen.
8
Die Klage sei begründet, da die Beurteilung nicht ausreichend plausibilisiert sei. Es sei unklar, weshalb der Kläger gerade mit einem Gesamturteil von 12 Punkten beurteilt wurde. Es handele sich vorliegend um eine Punktebewertung, die per se schon nicht geeignet sei, diesen Plausibilisierungsanspruch zu erfüllen. Auch sei das Beurteilungsverfahren intransparent. Weiter seien sachfremde Erwägungen in die dienstliche Beurteilung eingeflossen.
9
Die Regierung von C. hat für den Beklagten beantragt,
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die Klage abzuweisen.
11
Der Kläger sei im Beurteilungszeitraum befördert worden. Im Beurteilungszeitraum habe es mehrere Vorkommnisse gegeben. Die Bewertung der Fachlichen Leistung und Eignung in den Unterpunkten „Zusammenarbeit mit Kollegen und Vorgesetzten“, „Führungserfolg“, „Führungspotential“ und „Einsatzbereitschaft und Motivation“ sei den Vorkommnissen geschuldet. Vor allem in der Zusammenarbeit mit Kollegen und Vorgesetzten würde sich der Kläger negativ von anderen Leitern eines Gesundheitsamtes in einem Landratsamt im Regierungsbezirk C. abheben.
12
In der mündlichen Verhandlung am 22. November 2023 wurde Beweis erhoben über Inhalt und Zustandekommen der dienstlichen Beurteilung des Klägers vom … Mai 2021 für den Beurteilungszeitraum ... Oktober 2017 bis … September 2020 durch Einvernahme des Beurteilers Dr. A und des unmittelbaren Vorgesetzten als Zeugen.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahmen auf die Niederschrift vom 22. November 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.
15
Der Kläger hat Anspruch auf Aufhebung seiner periodischen Beurteilung vom ... Mai 2021 für den Beurteilungszeitraum vom … Oktober 2017 bis … September 2020 und Erstellung einer neuen periodischen Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die streitgegenständliche Beurteilung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO analog, da eine dienstliche Beurteilung keinen Verwaltungsakt darstellt).
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1. Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind (BVerwG, U.v. 13.5.1965 – 2 C 146.62 – BVerwGE 21, 127/129, juris Ls; U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78 – BVerwGE 60, 245, juris Rn. 18 – ständige Rechtsprechung).
17
Nach dem erkennbaren Sinn der Regelung über die dienstliche Beurteilung soll nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde Beurteiler ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwiefern der Beamte den vom Dienstherrn zu bestimmenden, zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu.
18
Demgegenüber hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.
19
Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen über die dienstliche Beurteilung und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (BVerwG, U.v. 11.1.1999 – 2 A 6/98 – ZBR 2000, 269, juris Rn. 11).
20
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (BVerwG, U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78 – BVerwGE 60, 245, juris Rn. 18).
21
Innerhalb des durch die Art. 54 ff. des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaubahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz – LlbG) gezogenen Rahmens unterliegt es grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, wie er die ihm aufgegebene, für zukünftige Personalentscheidungen verwertbare Aussage zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen gestalten und begründen und worauf er im einzelnen sein Gesamturteil stützen will (BVerwG, U.v. 17.12.1981 – 2 C 69/81 – BayVBl 1982, 348, juris). Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen (BVerwG, U.v. 16.10.1967 – VI C 44.64 – Buchholz 232, § 15 BBG Nr. 1, juris; U.v. 26.6.1980, a.a.O.). Der Dienstherr kann einerseits einzelne Tatsachen oder Vorkommnisse im Beurteilungszeitraum aufgreifen und aus ihnen wertende Schlussfolgerungen ziehen, wenn er sie etwa zur Charakterisierung des Beamten für besonders typisch hält oder für eine überzeugende Aussage zu einzelnen Beurteilungsmerkmalen für wesentlich erachtet. Er kann sich andererseits aber auch auf die Angabe zusammenfassender Werturteile aufgrund einer unbestimmten Vielzahl nicht benannter Einzeleindrücke beschränken. Schließlich kann er die aufgezeigten verschiedenen Möglichkeiten, über die Eignung und Leistung des Beamten ein aussagekräftiges, auch für Dritte verständliches Urteil abzugeben, in abgestufter Form miteinander verwenden bzw. miteinander verbinden. Alle diese Gestaltungsformen einer dienstlichen Beurteilung halten sich in dem von den Laufbahnvorschriften vorgezeichneten rechtlichen Rahmen (vgl. zum Ganzen auch: VG München, U.v. 11.1.2017 – M 5 K 16.2729 – juris Rn. 15).
22
Maßgebend ist, welches Beurteilungssystem und welche Regelungen zum Beurteilungsstichtag (hier: 30.9.2020) gegolten haben (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2000 – 2 C 7/99 – NVwZ-RR 2000, 621, juris Rn. 15 m.w.N.)
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Zugrunde zu legen sind hier daher Art. 54 ff. LlbG, die Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 18.11.2010 – VV-BeamtR, Abschnitt 3: Dienstliche Beurteilung – allgemeine Beurteilungsrichtlinien), die Beurteilungsrichtlinie (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege für die dienstliche Beurteilung und die Leistungsfeststellung der Beamtinnen und Beamten im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 13.10.2014, Az.: Z1-A0370-2014/11-17) sowie das für die im Jahr 2020 zu Erstellende periodische Beurteilungen ergangene ministerielle Schreiben vom 7. Oktober 2020 (Az.: Z5c-A0370-2020/3-1) des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege.
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2. Die streitgegenständliche dienstliche Beurteilung entspricht nicht diesen Maßstäben. Die entscheidenden Prozesse des Leistungsvergleiches – das vergleichende Bewerten der dienstlichen Leistungen der zu beurteilenden Beamten – sind ohne Beteiligung des Beurteilers erfolgt. Es war dem Beurteiler so nicht möglich, den Beurteilungsmaßstab vorzugeben bzw. sicherzustellen, dass dieser einheitlich angewandt wird. Auch erfolgte die Einwertung von Beurteilungsbeiträgen des Klägers ohne Beteiligung des Beurteilers.
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Der Zeuge Dr. A. sowie die Vertreter des Beklagten haben das Beurteilungsverfahren betreffend den Kläger dahingehend beschrieben, dass es zunächst Abstimmungen der Regierung mit dem Landratsamt gegeben habe sowie eine Besprechung bei der Regierung, an welcher der Leiter des Sachgebiets Gesundheit der Regierung, der Leiter des Sachgebiets Personal der Regierung sowie der Regierungsvizepräsident teilgenommen haben. Der eigentliche Leistungsvergleich und die Einwertung der Beurteilungsbeiträge habe bei der Besprechung Leiter Gesundheitswesen der Regierung, Leiter Personalwesen der Regierung und Regierungsvizepräsident stattgefunden. Im Anschluss daran habe es eine bayernweite Besprechung gegeben, an welcher der Regierungsvizepräsident der Regierung von C. – nicht aber der Regierungspräsident der Regierung von C. – eingebunden gewesen sei. Nach der Konferenz aller Regierungsvizepräsidenten zur bayernweiten Abstimmung der Beurteilungsendergebnisse sei das Landratsamt gebeten worden, der Regierung einen mit in den Einzelmerkmalen ausgepunkteten Beurteilungsvorschlag vorzulegen. Die sei erfolgt und die Regierung habe diesen Beurteilungsvorschlag geprüft und nach Erklärung ihres Einverständnisses die Beurteilung dem Beurteiler vorgelegt.
26
Es ist in der Rechtsprechung zwar anerkannt, dass Gremienbesprechungen im Rahmen der Erstellung von dienstlichen Beurteilungen zulässig sind. Gremiumsbesprechungen, die sich in der Wahrnehmung der Beratungsaufgabe erschöpfen (müssen), gehören zu den indirekten Erkenntnisquellen auf die sich der Beurteiler stützen kann, wenn er nicht über – zulängliche – eigene Wahrnehmungen und Eindrücke aus einer Zusammenarbeit mit dem Beamten oder aus sonstigem Kontakt zu ihm verfügt oder wenn es ihm darum geht, sich pflichtgemäß eine breite Anschauungs- und Vergleichsgrundlage zu verschaffen (Bodanowitz in: Schnellenbach/Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, Stand 12/2023, Rn. 280). Der Beurteiler, der in einer solchen Abstimmung beraten werden soll, hat an einer solchen Besprechung teilzunehmen (Bodanowitz in: Schnellenbach/Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, Stand 12/2023, Rn. 313). Es ist nicht erforderlich, dass der Beurteiler an allen (Vor)-Besprechungen die im Rahmen der Erstellung einer dienstlichen Beurteilung abgehalten werden teilnimmt, sofern keine Delegierung des Beurteilungsermessens vorliegt (BayVGH, B.v. 25.6.2018 – 3 ZB 16.1699 – juris Rn. 6; VG München, U.v. 4.8.2020 – M 5 K 18.2063 – juris Rn. 27 ff.). Durch Bildung von Beurteilungskommissionen kann nicht die eigenverantwortliche Zuständigkeit des Beurteilers beseitigt werden, d.h. den Beurteilungskommissionen kann auch nicht die Zuständigkeit der Beurteilung übertragen werden. Vielmehr kann ihnen nur beratende Funktion zugebilligt werden, durch die der Beurteiler Erkenntnisse für die Beurteilung gewinnt (BayVGH, B.v. 4.11.2010 – 3 ZB 08.1626 – juris Rn. 4 m.w.N.).
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Die Bildung von Gremienbesprechungen bzw. Beurteilungskommissionen dient zudem dazu, die Durchsetzung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabes sicherzustellen (OVG RP, U.v. 13.5.2014 – 2 A 10637/13 – ZBR 2015, 102, juris Rn. 27).
28
Eine einheitliche Handhabung allgemeiner Beurteilungsvorgaben ist zudem Voraussetzung für eine am Leistungsgrundsatz (Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – Grundgesetz/GG, § 9 Beamtenstatusgesetz) orientierte Bewerberauswahl. Sie lässt sich in der Regel durch einen entsprechenden Informationsaustausch zwischen den Beurteilern sicherstellen (OVG RP U.v. 13.5.2014 – 2 A 10637/13 – ZBR 2015, 102, juris Rn. 35). Es ist Aufgabe des Beurteilers, die Einheitlichkeit der Beurteilungsmaßstäbe zu wahren (BVerwG, U.v. 19.12.2002 – 2 C 31.01 – ZBR 2003, 359, juris Rn. 20).
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Konkretisiert wird dies für die streitgegenständliche Beurteilung durch das Schreiben vom 7. Oktober 2020 des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (Z5c-A0370-2020/3-1, „Periodische Beurteilung 2020 im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege“). Dort ist unter Nr. 4 „Beurteilungsniveau“ geregelt, dass für eine möglichst einheitliche Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe „eine einvernehmliche Abstimmung der Gesamturteile zwischen den Beurteilern notwendig ist“. An diesem entscheidenden Prozess im Rahmen der Erstellung der dienstlichen Beurteilung hat laut Aussage des Zeugen Dr. A. sowie den Ausführungen der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorliegend jedoch nicht der Beurteiler, sondern der Regierungsvizepräsident der Regierung von C. teilgenommen. Der Beurteiler konnte somit weder den Beurteilungsmaßstab vorgeben noch sicherstellen, dass dieser einheitlich angewandt wird.
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Auch die Berücksichtigung und Einwertung des Beurteilungsbeitrags des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in die streitgegenständliche Beurteilung des Klägers erfolgte nicht durch den Beurteiler.
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Beurteilungsbeiträge müssen bei der Ausübung des Beurteilungsspielraumes berücksichtigt, d.h. zur Kenntnis genommen und bedacht werden. Sie sind ebenso wie eigene Beobachtungen des Beurteilers unverzichtbare Grundlage der Beurteilung. Der Beurteiler ist zwar an die Feststellungen und Bewertungen Dritter nicht in der Weise gebunden, dass er sie in seine Beurteilung „fortschreibend“ übernehmen müsste, sondern er kann zu abweichenden Erkenntnissen gelangen. Er übt seinen Beurteilungsspielraum jedoch nur dann rechtmäßig aus, wenn er die Beurteilungsbeiträge in seine Überlegungen einbezieht und Abweichungen nachvollziehbar begründet. Erst auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung, die auch die durch den Beurteilungsbeitrag vermittelten Erkenntnisse einzubeziehen hat, trifft der Beurteiler seine Bewertungen in eigener Verantwortung. Diese Anforderungen stellen sicher, dass Werturteile auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruhen und sich an den von Art. 33 Abs. 2 GG vorgegebenen Kriterien orientieren (BVerwG, U.v. 27.11.2014 – 2A 10/13 – BVerwGE 150, 359, juris Rn. 24 mit weiteren Nachweisen).
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Die Berücksichtigung des Beurteilungsbeitrages des Klägers sowie die Vorgabe des Beurteilungsmaßstabs und Sicherstellung, dass dieser einheitlich angewandt wird, ist – wie oben dargestellt – Aufgabe des Beurteilers, die dieser nicht delegieren kann. Eine Plausibilitätskontrolle der dienstlichen Beurteilung – unter anderem auch durch ein Gespräch mit dem Regierungsvizepräsidenten – ist nicht ausreichend, um diesen Anforderungen Genüge zu tun.
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3. Der Beklagte hat als unterlegener Beteiligter § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 i.V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).