Inhalt

VG München, Urteil v. 19.07.2023 – M 28 K 22.414
Titel:

Unterlassung von Nutzungen, Schulgelände, Öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch, Zurechnung anlagenfremder Nutzung, Häufung privilegierter Nutzungen, Ausnahmefall (verneint)

Normenketten:
BImSchG § 22 Abs. 1a
BGB § 1004
BGB § 906
Schlagworte:
Unterlassung von Nutzungen, Schulgelände, Öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch, Zurechnung anlagenfremder Nutzung, Häufung privilegierter Nutzungen, Ausnahmefall (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2023, 38431

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags.   

Tatbestand

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Der Kläger bewohnt ein Reihenmittelhaus in der …straße 123 im Gemeindegebiet der Beklagten und begehrt Maßnahmen zur Reduzierung von Geräuschimmissionen, die von einem durch verschiedene Nutzungen geprägten Gelände in seiner Nachbarschaft ausgehen.
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Das klägerische Grundstück befindet sich in einem mit Bebauungsplan vom 15. Januar 1980 festgesetzten reinen Wohngebiet. Südlich grenzt zunächst ein weiteres Reihenhausgrundstück und sodann das zwischen 200 und 250 m lange und knapp 50 m tiefe Grundstück FlNr. 502/1 an, das nicht überplant ist, im Wesentlichen aus Grünflächen besteht und durch Freizeitnutzung geprägt ist. Insbesondere befinden sich darauf in etwa 30 m Entfernung vom klägerischen Anwesen ein Rodelhügel und in ca. 60 m Entfernung eine Tischtennisplatte, welche seit den frühen 1980er Jahren existieren. Südlich dieses Grundstücks liegt das dreiecksförmige ebenfalls nicht überplante Grundstück FlNr. 503, auf dem sich eine Grundschule mit Ganztagsbetreuung, ein Kinderhort, ein Kinderhaus sowie ein mit Spielgeräten ausgestatteter Pausenhof befinden. Die Grundschule wurde im Jahr 1973 errichtet. Zwischen 2002 und 2013 kamen ein Erweiterungsbau und zusätzliche Gebäude und Nutzungen hinzu. In dem zwischen dem klägerischen Grundstück und dem Pausenhof befindlichen Erweiterungsbau der Grundschule findet Unterricht der Kreismusikschule Fürstenfeldbruck, einem eingetragenen Verein, statt.
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Im November des Jahres 2014 trat der Klägerbevollmächtigte erstmals mit einem Auskunftsersuchen an die Beklagte heran. Im Zuge der daraufhin stattfindenden Gespräche und Ortstermine wurden verschiedene vom Kläger beanstandete, im Entscheidungszeitpunkt aber nicht mehr stattfindende Nutzungen (Basketballkorb, Bolzplatz) eingestellt oder verlegt bzw. vom Kläger als „nicht störend“ deklariert (Sommerstockbahn, Bogenschießanlage). Im Juli 2016 veranlasste die Beklagte das Anbringen von Schildern und forderte die Leitung und Lehrkräfte der Musikschule per E-Mail auf, während des Unterrichts die Fenster geschlossen zu halten.
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Mit Schreiben vom 31. Juli 2017 forderte der Kläger die Beklagte zu weitergehenden Maßnahmen im Hinblick auf die Musikschule, den Rodelhügel und die Nutzung des Geländes durch „Großfamilien“ zu Freizeitaktivitäten auf. Mit Schreiben vom 27. April 2018 wandte er sich erneut an die Beklagte; es sei keine Verbesserung hinsichtlich des R.-bergs eingetreten.
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Am 17. August 2018 wurde Klage erhoben zum Landgericht München II. Die Klage wurde mit weiterem Schriftsatz vom 19. Dezember 2018 begründet und mit Schriftsatz vom 13. September 2021 erweitert. Zuletzt hat die Klagepartei beantragt,
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1. Die Beklagte hat die Überlassung der Gebäude der Schule-Süd am …weg sowie deren Außenanlagen und der die Schule umgebenden Grünanlage (FlNr. 502/1) zu außerschulischen Nutzungen wie Freizeitgestaltung, Spiel, Sport, Musikschule u.ä. zu unterlassen.
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2. Hilfsweise:
Der Beklagten wird geboten, dafür zu sorgen, dass
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a. während des von der Musikschule durchgeführten Musikunterrichts die Fenster geschlossen bleiben,
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b. das Schulgelände außerhalb der Unterrichtszeiten geschlossen bleibt,
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c. die Tischtennisplatte beseitigt wird.
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hilfsweise, die Nutzung der Tischtennisplatte durch Dritte während der Ruhezeiten an Werktagen von 6:00 bis 8:00 Uhr, 20:00 bis 22:00 Uhr, an Sonntagen von 7:00 bis 9:00 Uhr, 13:00 bis 15:00 Uhr, 20:00 bis 22:00 Uhr sowie nachts zu unterlassen.
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d. die Nutzung des R.-bergs durch Dritte zu unterlassen.
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3. Weiter hilfsweise:
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Die Beklagte hat durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass außerschulische Nutzungen des Schulgebäudes und der Außenanlagen sowie Grünanlagen in den Nachtstunden (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) sowie an Sonn- und Feiertagen unterbleiben, in der übrigen Zeit tagsüber so ausgeübt werden, dass die Lärmimmissionen auf dem klägerischen Grundstück …straße 123 50 dB(A) nicht überschritten werden.
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Die Nutzung des Geländes ohne Ruhepausen tagsüber auch an den Wochenenden und Feiertagen sowie bis in die Nachtstunden sei rücksichtslos und könne durch zumutbare Maßnahmen verhindert werden. Die seit 1973/74 allmählich hinzugekommenen Nutzungen hätten zu einer Veränderung zum Nachteil des Wohnumfeldes geführt. Die Häufung von Nutzungen zusätzlich zur Schulischen führten zur Überschreitung der Grenze des Zumutbaren. Als sozialadäquat hinzunehmen sei nur Lärm von Kindern im Grundschulalter bzw. bis 14 Jahre und aus dem unmittelbaren Wohnumfeld. Es liege ein Sonderfall i.S.d. § 22 Abs. 1a BImSchG wegen der Kumulation von Nutzungen vor. Die Beklagte als Betreiberin einer öffentlichen Einrichtung schaffe Anreiz zum Missbrauch. Insbesondere die Tischtennisplatte werde von Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch abends und nachts zweckentfremdet und für Partys genutzt. Der Vorplatz der Schule werde als Aufenthaltsfläche genutzt.
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Die Beklagte hat unter dem 4. Oktober 2018
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Klageabweisung
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beantragt und zur Begründung ausgeführt, „außerschulische Nutzung“ sei nicht allgemeinverbindlich zu definieren, sodass die Anträge zu 1 und zu 2 keinen vollstreckbaren Inhalt aufwiesen. Unklar sei zudem, welche Teile des Grundstücks in Bezug genommen werden sollen. Kinderlärm sei nach § 22 Abs. 1a BImSchG privilegiert. Die Randlage des klägerischen Grundstücks verpflichte zur Hinnahme auch übermäßiger Lärmimmissionen. Der Zugang zum Schulpausenhof sei mit Toren versehen. Der in der Nähe im Gebäude wohnende Hausmeister habe ein Auge auf die Nutzung.
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Mit Schriftsatz vom 6. Februar 2019 wurde weiter ausgeführt, es seien mit der Auflösung des Bolzplatzes, der Verlegung des Basketballkorbs, dem Erteilen von Hinweisen und dem Erlass einer Spielplatzsatzung bereits Maßnahmen umgesetzt worden, sodass nun keinesfalls mehr unzumutbare Beeinträchtigungen vorlägen.
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Die Beklagte hat am 5. März 2020 eine Spielplatzsatzung („SPS“) verabschiedet und am 10. März 2020 bekannt gemacht, welche die Nutzung der städtischen Spielplätze regelt und auch die Tischtennisplatte und den Rodelhügel in ihren Geltungsbereich einbezieht. Am höchsten Punkt des Rodelhügels sowie an den beiden Zugängen zum Pausenhof der Schule sind jeweils Schilder aufgestellt, die auf die Satzung hinweisen. Während für die Außenspielanlage eine Altersbeschränkung auf 14 Jahre ausgesprochen wird, ist dies für die Tischtennisplatte und den Rodelhügel nicht der Fall. Diese sollen laut § 6 Abs. 1 SPS a.E. ohne Altersbeschränkung benutzbar sein.
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Am 17. August 2021 hat eine mündliche Verhandlung vor dem Landgericht stattgefunden. Mit Beschluss vom 27. Dezember 2021 hat dieses den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht München verwiesen, wo die Klage am 26. Januar 2022 einging.
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In der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2023 haben die Parteien ihre Standpunkte ausgetauscht. Auf Nachfrage des Gerichts erläuterte der Vertreter der Beklagten, in den Räumlichkeiten der Schule sei nun eine Lüftungsanlage installiert worden, weswegen die Fenster grundsätzlich geschlossen gehalten werden müssten – auch während des Musikschulunterrichts.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
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Die Klage war als unbegründet abzuweisen.
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Bei Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen (1.) stehen dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung der außerschulischen Nutzung des Schulgeländes (2.), auf Ergreifen konkreter Maßnahmen (3.) und auf Ergreifen geeigneter Maßnahmen zur Einhaltung des Immissionsrichtwerts für reine Wohngebiete (4.) nicht zu. Soweit das Verhalten, dessen Unterlassung jeweils gefordert wird, der Beklagten überhaupt zuzurechnen ist, liegen die Anspruchsvoraussetzungen gemessen am Vortrag der Klägerseite und den sonst der Kammer bekannt gewordenen Umständen nicht vor.
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1. Bei von öffentlichen Einrichtungen ausgehendem Lärm, ist das Begehren nach den Kriterien des gesetzlich nicht geregelten aber allgemein anerkannten und zum Teil aus §§ 1004, 906 BGB hergeleiteten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs zu beurteilen, der grundsätzlich demjenigen zusteht, der eine Beeinträchtigung in subjektiv-öffentlichen Rechten durch einen Träger öffentlicher Gewalt, also im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Aufgabenerfüllung geltend macht und nicht zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist (VGH BW, B.v. 7.7.2016 – 10 S 579/16 – juris Rn. 13 ff; BayVGH, B.v. 24.1.2018 – 22 CE 17.2457 – juris Rn.15). Dem betroffenen Nachbarn steht ferner ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch unmittelbar gegen den hoheitlichen Anlagenbetreiber zu, der sich hinsichtlich der Beurteilung der Zumutbarkeit der Störung am Maßstab des § 22 Abs. 1 BImSchG ausrichtet (BVerwG, U.v. 29.4.1988 – 7 C 33/87 – NJW 1988, 2396; VGH BW, U.v. 23.5.2014 – 10 S 249/14 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 3.8.2015 – 22 CE 15.1140 – ZUR 2015, 691; VGH BW, B.v. 19.4.2017 – 10 S 2264/16 – juris; Jarass, BImSchG, 14. Auflage 2022, § 22 Rn. 76). Ein Abwehranspruch setzt stets voraus, dass das abzuwehrende Handeln des Hoheitsträgers materiell rechtswidrig ist (vgl. BayVGH, U.v. 30.11.1987 – 26 B 82 A.2088 – NVwZ 1989, 269/270).
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Die natürlichen Lebensäußerungen von Kindern, die Ausdruck natürlichen Spielens oder anderer kindlicher Verhaltensweisen sind, sind nach § 22 Abs. 1a BImSchG im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen und daher als sozialadäquat hinzunehmen und grundsätzlich nicht unzumutbar. Gleiches bestimmt Art. 2 BayKJG. Die von § 22 Abs. 1a S. 1 BImSchG normierte Privilegierung erfasst Geräuscheinwirkungen, die durch kindliche Laute wie Sprechen, Singen, Lachen, Weinen, Rufen und Schreien hervorgerufen werden (BR-Drs. 128/11 S. 5 f.). Dazu zählen auch Geräuscheinwirkungen durch körperliche Aktivitäten wie Spielen, Laufen, Springen und Tanzen, selbst wenn vielfach die eigentliche Geräuschquelle in kindgerechten Spielzeugen, Spielbällen und Spielgeräten sowie Musikinstrumenten liegt. Ebenso erfasst sind Rufen und Sprechen von Betreuerinnen und Betreuern als unmittelbar durch Kinder und deren Betreuung bedingte Geräusche (BR-Drs. 128/11 S. 6; BVerwG, U.v. 5.6.2013 – 7 B 1/13, juris Rn. 6; Scheidler, NVwZ 2011, 838/840; Heilshorn/Sparwasser in Landmann/Rohmer, UmwR, § 22 BImSchG, Rn. 24b). Nach der amtlichen Begründung des Gesetzes erfasst die Privilegierung des § 22 Abs. 1a BImSchG im Regelfall Geräuscheinwirkungen durch Kinder bis zu einem Alter von 14 Jahren. Hiermit soll an die Definition des § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII angeknüpft werden (BT-Drucks. 17/4836, Seite 6; OVG RP, B.v. 8.3.2018 – 8 A 11829/17 – juris Rn. 19; OVG NRW, U.v. 22.2.2018 – 10 A 2559/16 – juris Rn. 14; Jarass, BImSchG, 14. Aufl. 2022, § 22 Rn. 52).
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Dem Anlagenbetreiber sind nur die Auswirkungen des Anlagenbetriebs zurechenbar, die entweder Folge der bestimmungsgemäßen Nutzung der Einrichtung sind oder die zwar von deren Widmung nicht umfasst sind, die sich der Einrichtungsträger jedoch deshalb zurechnen lassen muss, weil er durch die Ausgestaltung der Anlage einen relevanten Anreiz für ihre rechtswidrige Inanspruchnahme geschaffen hat und diesem Anreiz nicht in angemessener und zumutbarer Weise entgegengewirkt hat. Gegen eine dem Anlagenbetreiber nicht zurechenbare unerlaubte Nutzung öffentlicher Einrichtungen ist mit den Mitteln des Sicherheits- und Polizeirechts einzuschreiten. Als weitere Instrumente zur Störungsabwehr kommen auch die Befugnisse in Betracht, die sich aus dem Recht der öffentlichen Anstalten (insbesondere dem Hausrecht des Einrichtungsträgers) ergeben. Für die immissionsschutzrechtliche Zumutbarkeitsbewertung kommt es maßgeblich nicht auf eine besondere Lärmempfindlichkeit des Betroffenen, sondern auf die Reaktionen eines gesundheitlich durchschnittlich disponierten Nachbarn an (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 3.8.2015 – 22 CE 15.1140 – juris Rn. 18, 22, 27, 29 m.w.N.).
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2. Der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Überlassung der Gebäude der Schule-Süd am …weg sowie deren Außenanlagen und der die Schule umgebenden Grünanlage (FlNr. 502/1) zu außerschulischen Nutzungen wie Freizeitgestaltung, Spiel, Sport, Musikschule u.ä. besteht hiernach nicht.
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Die außerschulische Nutzung des Schulgeländes und der Schulgebäude, wie sie von der Beklagten in tatsächlicher Hinsicht ermöglicht und geregelt wird, bewegt sich – wie im Übrigen auch die schulische – im Anwendungsbereich der Privilegierung des § 22 Abs. 1a BImSchG. § 22 Abs. 1a BImSchG ist im vorliegenden Fall auch über die rein schulische Nutzung hinaus weitestgehend anwendbar, nämlich zunächst soweit eine Nutzung auch durch die anderen auf dem Gelände befindlichen Einrichtungen (auch diese ist „außerschulisch“) stattfindet und schließlich darüber hinaus, also für die einrichtungsfremde Nutzung, im vom Gesetzgeber gewollten Umfang, d.h. insbesondere soweit die vorgenannten Einrichtungen zweckgemäß und von Kindern unter 14 Jahren genutzt werden. Der Kläger hat nicht substantiiert geltend gemacht, dass die von Kindern beim hiernach regulären Spielplatzbetrieb ausgehenden Geräusche ihm unzumutbar wären und die Beklagte daher zu der begehrten Unterlassung verpflichtet wäre.
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Im Einzelnen:
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a.) Die nicht schulischen Einrichtungen Kinderhort und Kinderhaus fallen als Kindertageseinrichtungen i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dem Grunde nach unter die Privilegierung (vgl. Enders in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand 1.4.2023, § 22 BImSchG, Rn. 24b; VG Neustadt/Weinstraße, U.v. 24.8.2022 – 3 K 749/09.NW – juris Rn. 73). Sie werden von Kindern unter 14 Jahren genutzt. Dafür dass die Kinderanzahl der Einrichtungen (mit jeweils ca. 100 Plätzen) jeweils über dem mittleren Größenbereich von üblichen Kindestagesstätten läge, ergeben sich aus dem Vortrag der Klagepartei keine Anhaltspunkte, sodass insoweit kein Sonderfall anzunehmen ist (vgl. VG München, U.v. 20.6.2016 – M 8 K 15.4999 – juris Rn. 42; U.v. 11.3.2013 – M 8 K 12.794 – juris Rn. 52). Die schulische Nutzung, laut unwidersprochenem Klägervortrag als Ganztagsschule mit 19 Klassen und über 400 Grundschülern, wird ausdrücklich nicht beanstandet. (Zum Zusammentreffen mehrerer derartiger Einrichtungen im engeren räumlichen Zusammenhang vgl. unten d.) cc.).)
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b.) Die Nutzung als Pausenhof ist privilegiert nach § 22 Abs. 1a BImSchG: Ein Pausenhof ist auch eine ähnliche Einrichtung wie ein Kinderspielplatz, denn er dient wie dieser dem Ausleben der Spielbedürfnisse und des Bewegungsdrangs von Kindern. Geräusche spielender Kinder sind Ausdruck der kindlichen Entwicklung und Entfaltung und daher grundsätzlich zumutbar; es gilt gewissermaßen ein absolutes Toleranzgebot für die Anwohner (BayVGH, B.v. 30.3.2021 – 1 CS 20.2637 – juris Rn. 18). Dasselbe gilt für die über den Schul- und Einrichtungsbetrieb hinausgehende Nutzung als Kinderspielplatz, jedenfalls soweit sie von der Spielplatzsatzung der Beigeladenen gedeckt ist. Die Beklagte ermöglicht durch ein Offenlassen der Tore nach Schulschluss eine außerschulische Nutzung des Pausenhofs; ausweislich der Spielplatzsatzung und der Hinweise an den Eingängen soll sich diese auf die Zeit bis 20 Uhr und auf Kinder bis zu 14 Jahren beschränken, was mit dem Zweck des § 22 Abs. 1a BImSchG konform geht und damit von der Privilegierung gedeckt ist.
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c.) Der Rodelhügel stellt nach Auffassung der Kammer ebenfalls eine privilegierte Einrichtung i.S.v. § 22 Abs. 1a BImSchG dar. Von der Privilegierung erfasst werden auch ähnlichen Einrichtungen. Dabei handelt es sich häufig um kleinräumige Anlagen, die nach ihrer Ausgestaltung auf die überwiegende Nutzung durch Kinder angelegt sind und wegen ihrer sozialen Funktion regelmäßig wohnortsnah gelegen sein müssen (Jarass, BImschG, 14. Aufl. 2022, § 22 Rn. 53 m.w.N.). Außerdem darf die Anlage kein gänzlich anderes Lärmprofil aufweisen als ein Kinderspielplatz (Scheidler, NVwZ 2011, 838/840). Der Rodelhügel setzt sich durch seine nutzungsbedingte topographische Ausgestaltung hinreichend von einer Wiese ab, welche nicht als Anlage i.S.v. § 3 Abs. 5 BImSchG einzustufen ist und daher nicht von der Privilegierung des § 22 Abs. 1a BImSchG erfasst sein soll (Jarass a.a.O.). Die vom Kläger behauptete exzessive Nutzung zum Rodeln gebietet keine abweichende Betrachtung. Das Lärmprofil der Nutzung als Rodelhügel ist hinsichtlich des „Materialeinsatzes“ und des Aufkommens mit dem eines Spielplatzes vergleichbar. Das Rufen von Aufsichtspersonen hat – soweit es sich auf Kinder unter 14 Jahren bezieht – an der Privilegierung i.S.d. § 22 Abs. 1a BImSchG teil (BR-Drs. 128/11 S. 6; BVerwG, U.v. 5.6.2013 – 7 B 1/13 – juris Rn. 6; Scheidler, NVwZ 2011, 838/840; Heilshorn/Sparwasser in Landmann/Rohmer, UmweltR, Stand Januar 2023, § 22 BImSchG Rn. 68). Die Nutzung des Rodelhügels als solcher auch durch die Schulen beschränkt sich zudem auf die (wenigen) Tage im Jahr mit ausreichend Schnee und ist dem Kläger überdies schon wegen der Seltenheit dieser Nutzung auch bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung der Wertentscheidung des § 22 Abs. 1a BImschG zumutbar (vgl. BayVGH, U.v. 3.12.2014 – 1 N 12.1228 – juris Rn. 43).
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d.) Es ist im hier zu entscheidenden Einzelfall auch ansonsten kein Sonderfall i.S.v. § 22 Abs. 1a BImSchG gegeben, in dem die oben dargestellte Rechtsfolge der Privilegierung entfallen würde.
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Ein Ausnahmefall, wie er von der Klägerseite proklamiert wird, ist im Hinblick auf die Belange des Schutzes vor Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen und Kinderspielplätzen hervorgerufen werden, ausweislich der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 128/11, S. 7) nur anzunehmen, wenn besondere Umstände gegeben sind, zum Beispiel die Einrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft zu sensiblen Nutzungen wie Krankenhäusern und Pflegeanstalten gelegen sind, oder sich die Einrichtungen nach Art und Größe sowie Ausstattung in Wohngebiete und die vorhandene Bebauung nicht einfügen.
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Wird das Vorliegen eines Sonderfalls behauptet, kommt es ausschließlich auf die Würdigung des Einzelfalls an, wobei ggf. Sachverständige hinzuzuziehen sind. In einem Sonderfall können zur Beurteilung der Geräuscheinwirkungen die Erkenntnisse aus problematischen Nachbarschaftsverhältnissen und die lärmschutzfachlichen Methoden und Erfahrungen mit der Erfassung und Bewältigung von vergleichbaren Sonderfällen herangezogen werden, wo nur Anforderungen an Errichtung, Beschaffenheit und Betrieb der Einrichtungen zu akzeptablen Ergebnissen für die Beteiligten geführt haben (BR-Drs. 128/11, S. 7 f.). Ein Ausnahmefall kann nur auf Grundlage einer abwägenden, die Umstände des konkreten Falles berücksichtigenden Beurteilung angenommen werden (BVerwG, B.v. 5.6.2013 – 7 B 1.13 – juris Rn. 9), wonach ein Ausnahmefall hier aber nicht vorliegt.
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Im Einzelnen:
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aa.) Die besondere Empfindlichkeit nur einzelner Personen vermag keinen atypischen Sonderfall i.S.v. § 22 Abs. 1a BImSchG zu begründen (VG Ansbach, B.v. 2.6.2022 – AN 9 S 22.582 – BeckRS 2022, 14097 Rn. 57 u.V.a. OVG RhPf, U.v. 24.10.2012 – 8 A 10301/12.OVG – LKRZ 2013, 36).
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bb.) Eine besondere Schutzwürdigkeit ergibt sich auch nicht aufgrund der angrenzenden und späteren (dazu sogleich) Ausweisung eines reinen Wohngebiets (vgl. VG München, B.v. 17.2.2012 – M 8 SN 11.6183 – juris Rn. 48). Kinderspielplätze sind auch dort grundsätzlich zulässig (BVerwG, B.v. 29.5.1989 – 4 B 26/89 – juris). Die Gesetzesmaterialien zu § 22 Abs. 1a BImSchG zählen als Sonderfälle konkret benachbarte Einrichtungen mit gesteigerter Sensibilität auf, wie etwa Krankenhäuser oder Pflegeheime, nicht jedoch Gebietsarten nach der Baunutzungsverordnung. Letztere sind Ausdruck einer typisierenden Betrachtungsweise und einer Einzelfallbetrachtung gerade nicht zugänglich. Für ein rücksichtsloses Verhalten i.S.d. § 15 BauNVO, welches ein Abweichen von der typisierenden Betrachtungsweise erlaubte, sieht die Kammer bei Betrachtung der Gesamtumstände des Einzelfalls keine Anhaltspunkte: Die Nutzung der Anlagen findet nicht unreglementiert statt und die jeweilige Ausstattung bedingt kein atypisches Geräuschprofil. Auch sind die Anlagen nicht allein oder besonders zum klägerischen Grundstück hin ausgerichtet.
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cc.) Aufgrund der Häufung der oben aufgezählten privilegierten Nutzungen ergibt sich hier kein vom Regelfall abweichender Sonderfall i.S.v. § 22 Abs. 1a BImSchG wegen Nichteinfügens.
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Wesentliche Kriterien bei der gebotenen Einzelfallbetrachtung sind die Prägung des Einwirkungsgebiets, die Ortsüblichkeit eines Geräusches und die Frage, welche der unverträglichen Nutzungen zuerst verwirklicht wurde. Liegt ein Gebiet mit erhöhter Schutzwürdigkeit nur in einer Richtung zur Anlage, so ist dem durch die Anordnung der Anlage auf dem Betriebsgrundstück und die Nutzung von Abschirmungsmöglichkeiten Rechnung zu tragen.
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Bei Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls ist wegen der Randlage und der früher bestehenden privilegierten Nutzung des Geländes trotz der in Summe überdurchschnittlichen Fläche und Nutzungsdauer noch von der Zumutbarkeit für den Kläger auszugehen (vgl. NdsOVG, B.v. 29.6.2006 – 9 LA 113/04 – NVwZ 2006, 1199). Die beanstandeten Geräusche weisen eine hohe Ortsüblichkeit auf: Auch in reinen Wohngebieten sind gem. § 3 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen, allgemein zulässig (vgl. oben). Somit ist ein Einfügen nach Art der baulichen Nutzung im Grunde gegeben. Abgesehen von der Behauptung einer unzumutbaren Häufung solcher Nutzungen wurde seitens der Klagepartei nichts vorgetragen, was eine Verletzung des allgemeinen Rücksichtnahmegebots des § 15 BauNVO nahelegen würde; insbesondere ist nicht vorgetragen, welche Richtwerte unter welchen Nutzungsbedingungen erreicht oder überschritten werden, es wird schlicht die Einhaltung des für reine Wohngebiete geltenden Richtwerts verlangt, ohne darzutun, weshalb dieser – gebietsüberschreitend – maßgeblich sein soll. Hierfür sieht die Kammer jedoch keine Anhaltspunkte; insbesondere bei Berücksichtigung des Umstands, dass jedenfalls das Schulgelände und der Rodelhügel bereits bestanden, als angrenzend das reine Wohngebiet ausgewiesen wurde und sich das klägerische Grundstück im Randbereich des Gebiets befindet, wo bereits aus diesem Grund mit erhöhten Lärmeinträgen zu rechnen war. Das klägerische Grundstück liegt zudem nicht in unmittelbarer Nachbarschaft aller Nutzungsbereiche.
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Für die im unmittelbaren Verantwortungsbereich der Beklagten liegenden, nach § 22 Abs. 1a BImSchG privilegierten Nutzungen bleibt es demnach bei der Regelannahme, dass davon ausgehende Geräuscheinwirkungen keine schädlichen Umwelteinwirkungen sind.
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Im Übrigen bleibt anzumerken, dass dem Kläger hinsichtlich der Thematik der allmählich hinzukommenden Nutzungen ein baurechtliches Vorgehen möglich gewesen wäre, nachdem für alle Teileinrichtungen, welche nicht der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterliegende Anlagen darstellen, baurechtliche Genehmigungen bestehen, welche üblicherweise die zur Sicherstellung des Schutzes der Nachbarschaft erforderlichen Nebenbestimmungen enthalten.
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e.) Soweit die tatsächliche Nutzung, wie vom Kläger beanstandet, nicht nur über die schulische sondern auch über die sonst unter § 22 Abs. 1a BImSchG fallende hinausgeht, ist sie der Beklagten nicht zurechenbar. Der Unterlassungsanspruch geht daher insoweit ins Leere.
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Für die sog. „anlagenfremde Nutzung“ gilt der Grundsatz, dass der Beklagten nur solche Geräuscheinwirkungen zuzurechnen sind, die durch die eigentliche Funktion der Einrichtungen bedingt sind (HessVGH, U.v. 25.7.2011 – 9 A 125/11 – NVwZ-RR 2012, 21/23; vgl. dazu Heilshorn/Sparwasser in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: Januar 2023, Vorb. zu § 22 Rn. 41). Es genügt nicht, dass die Anlage geeignet ist, missbräuchlich genutzt zu werden. Die bloße Möglichkeit einer missbräuchlichen Nutzung ist einer Anlage wie einem Spielplatz vielmehr immanent und führt nicht automatisch zur Verantwortlichkeit des Betreibers (HessVGH a.a.O.; VGH BW, B.v. 6.3.2012 – 10 S 2428/11 – NVwZ 2012, 837/840). Eine Zurechnung müsste nur dann erfolgen, wenn der Anlagenbetreiber den Missbrauch in irgendeiner Weise fördert, indem er z.B. durch die Einrichtung einen besonderen Anreiz für eine anlagenfremde Nutzung geschaffen hat und der daraus resultierende Missbrauch Folge der konkreten Standortwahl ist (VGH BW, a.a.O.; HessVGH, a.a.O.). Bei fehlender Zurechnung zur Anlagennutzung ist dem Missbrauch grundsätzlich mit polizei- und ordnungsrechtlichen Maßnahmen zu begegnen (BVerwG, U.v. 29.6.1989 – 4 B 26/89 – juris Rn. 6; NdsOVG, B.v. 29.6.2006 – 9 LA 113/04 – NVwZ 2006, 1199/1200; BVerwG, B.v. 6.12.2011 – 4 BN 20.11 – ZfBR 2012, 258/259).
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Im Einzelnen:
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aa.) Hinsichtlich einer Nutzung des Pausenhofs, die im Widerspruch zur Spielplatzsatzung steht – etwa durch ältere Kinder oder über 20 Uhr hinaus – hat die Beklagte durch im Grundsatz wirksame Maßnahmen deutlich gemacht, dass diese nicht gebilligt wird. Für eine Billigung etwaigen Missbrauchs seitens der Beklagten liegen keine Anhaltspunkte vor. Der Pausenhof ist als Spielplatz ausgestaltet. Zusätzlich bewirken Zugangstore und Hinweisschilder eine zumindest psychologisch abschirmende Wirkung. Im Offenlassen der Tore nach 20 Uhr und einem nicht völlig lückenlosen Vollzug erblickt die Kammer keinen bewusst gesetzten Anreiz zu einer exzessiven Nutzung.
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bb.) Die sonstigen Außenanlagen der Schule, insbesondere den Parkplatz vor dem Schulgebäude, hat die Beklagte bereits nicht zu einer Nutzung als Verweil- oder Bewegungsflächen zur Verfügung gestellt, sodass sich weitere Fragen mangels Zurechenbarkeit der möglicherweise dennoch erfolgenden Nutzung nicht stellen.
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cc.) Die auf Flurnummer 502/1 befindlichen Einrichtungen, die von der Beklagten in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe zur Verfügung gestellt werden, sind der Rodelhügel und die Tischtennisplatte. Das Grundstück ist nicht Teil des Schulgeländes und ein funktionaler Bezug zum Schulbetrieb besteht nicht, sodass die außerschulische Nutzung dort vorherrschend ist. Die begehrte Beschränkung des Betriebs hierauf käme einer Stilllegung gleich. Die Beklagte hat den Rodelhügel und die Tischtennisplatte den Regelungen der Spielplatzsatzung unterworfen, jedoch mit einer Nutzungsfreigabe für alle Altersgruppen, sodass die Privilegierung nach § 22 Abs. 1a BImSchG von Vornherein keine Anwendung finden kann. Die hierdurch ermöglichte Nutzung überschreitet gleichwohl nicht die Zumutbarkeitsschwelle.
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Die seitens der Klagepartei vor allem beanstandete exzessive Nutzung der Tischtennisplatte ist der Beklagten bereits nicht zurechenbar. Die Klagepartei hat in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegeben, dass ihr die durch das Tischtennisspielen verursachten Geräusche nicht lästig seien. Eine völlige Zweckentfremdung ist nicht dargetan. Die beanstandete zweckwidrige Nutzung in den Abend- und Nachtstunden wird von der Beklagten ausweislich ihrer Satzung nicht gebilligt. Es findet insoweit keine übergebührliche Überlassung statt, die sie mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange des Klägers zu unterlassen hätte. Soweit dieser sich durch die auch von der Beklagten nicht gebilligte Nutzung gestört fühlt, ist er auf ein unmittelbares Vorgehen gegen die Störer bzw. auf Grundlage des allgemeinen Sicherheits- und Polizeirechts verwiesen (zur Bedeutung von Vollzugsproblemen bei der Beurteilung der baurechtlichen Zulässigkeit vgl.: VG Saarlouis, B.v. 20.2.2009 – 5 L 51/09 – BeckRS 2009, 32129; VG Regensburg, U.v. 29.11.2012 – 2 K 11.1460 – BeckRS 2012, 60613).
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Soweit der Rodelhügel der Allgemeinheit unter Geltung der Spielplatzsatzung zum Rodeln bzw. als Grün- und Aufenthaltsfläche zur Verfügung gestellt wird, wären – im Übrigen nicht näher substantiiert vorgetragene – exzessive Nutzungen der Beklagten nicht zurechenbar. Es gilt insoweit das in Bezug auf die Tischtennisplatte Ausgeführte.
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dd.) Die Beklagte überlässt die Räumlichkeiten der Schule dem „… … e.V.“ zur Nutzung, verbunden mit dem Hinweis, dass die Fenster – insbesondere nach Installation einer Lüftungsanlage – geschlossen zu halten seien. Damit ist dem Bedürfnis des Klägers nach Schutz vor Immissionen in hinreichender Weise Rechnung getragen. Etwaige Vollzugsschwierigkeiten führen nicht zu einer Zurechnung. Die Beklagte ist nicht Betreiberin der Musikschule, sondern Überlasserin von Räumlichkeiten; auf den konkreten Betrieb kann sie somit nur als solche Einfluss nehmen. Ein globaler Unterlassungsanspruch betreffend die Überlassung der Räumlichkeiten wird nicht geltend gemacht. Der unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten allenfalls denkbare Anspruch auf Überlassung mit der Maßgabe, dass die Fenster während des Unterrichts geschlossen zu halten sind, wurde bereits erfüllt. Auf die Fragen, ob eine Musikschule eine ähnliche Einrichtung i.S.v. § 22 Abs. 1a BImSchG darstellt und ob die für das Spielen von Musikinstrumenten teilweise anerkannte Einschlägigkeit der Privilegierung nach § 22 Abs. 1a BImSchG (vgl. dazu Scheidler, NVwZ 2011, 838/840; Heilshorn/Sparwasser in Landmann/Rohmer, UmweltR, Stand Januar 2023, § 22 BImSchG Rn. 68) auch den Betrieb einer Musikschule erfasst, kommt es daher nicht an.
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Der Hauptantrag hat nach alledem keinen Erfolg.
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3. Ein bislang nicht erfüllter Anspruch gegen die Beklagte auf Ergreifen bestimmter Maßnahmen besteht ebenfalls nicht.
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Auch dem hinter dem Hauptantrag zurückbleibenden ersten Hilfsantrag bleibt der Erfolg versagt. Dieser ist auf konkrete Maßnahmen (Unterlassen oder Anordnungen) gerichtet, auf welche kein Anspruch besteht.
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Da der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch auf Störungsabwehr bzw. -beseitigung gerichtet ist, bleiben Art und Weise bzw. die Mittel der Erfüllung grundsätzlich dem Hoheitsträger überlassen (OVG RhPf, U.v. 22.12.2017 – 1 A 11826/16.OVG – juris Rn. 36 u.V.a. BVerfG, B.v. 6.10.2009 – 2 BvR 693/09 – ZWE 2009, 438/441; Enders in BeckOK UmweltR, Stand April 2023, § 22 BImSchG Rn. 33a); anderes kann aber dann gelten, wenn lediglich eine konkrete Unterlassung zur lärmmindernden Störungsbeseitigung geeignet ist (OVG RhPf, a.a.O. u.V.a. BGH, U.v. 12.12.2003 – V ZR 98/03 – juris). Ein Anspruch auf konkrete Maßnahmen besteht auch dann nicht, wenn der Hoheitsträger als Verursacher der Störung in Anspruch genommen wird (BVerwG, U.v. 29. April 1988 – 7 C 33/87 – juris Rn. 19; BVerwG, B.v. 28. August 1997 – 7 B 214/97 – juris Rn. 6; VG Schleswig, U.v. 11. August 2004 – juris – Rn. 14).
59
Hinsichtlich der Anträge b., c., und d. – Schulgelände, Tischtennisplatte und R.-berg – wurde seitens der Klagepartei schon nicht substantiiert dargelegt, ob und inwieweit die geforderten Maßnahmen zur Beseitigung der Störungen, deren objektive (Wohn-)Unverträglichkeit im Übrigen ebenfalls durch nichts belegt ist, geeignet sind. Erst recht sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass alle anderen Maßnahmen – insbesondere die bereits Ergriffenen – es nicht sind. Entsprechendes gilt für den hinsichtlich der Musikschule geltend gemachten Anspruch auf Einschreiten gegen Dritte.
60
Selbst dann, wenn – wie hier nicht – ein Anspruch auf Einschreiten substantiiert geltend gemacht, das Entschließungsermessen also auf Null reduziert wäre, läge die Auswahl der konkreten Maßnahmen, die zum Schutz des Klägers zu treffen wären, im Ermessen der Behörde. Für keine der begehrten Maßnahmen wurde substantiiert dargelegt, dass das Auswahlermessen der Beklagten – eine Verpflichtung zum Einschreiten unterstellt – auf Null reduziert wäre. Hierfür sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich.
61
Im Einzelnen:
62
a.) Es besteht kein Anspruch auf striktes Geschlossenhalten des Schulgeländes nach Schulschluss. Die Entscheidung der Beklagten, den Schulpausenhof im oben genannten Umfang für die allgemeine Nutzung zur Verfügung zu stellen ist unter Beachtung des § 22 Abs. 1a BImSchG nicht zu beanstanden, da sich daraus keine schädlichen Umwelteinwirkungen für den Kläger aus § 22 Abs. 1 BImSchG ergeben (können). Soweit eine darüberhinausgehende Nutzung tatsächlich stattfindet, ist diese und sind deren Auswirkungen der Beklagten nicht zuzurechnen (vgl. oben). Ohne konkrete Darlegungen zur Schädlichkeit der beanstandeten Vorfälle und zur Wirksamkeit des Begehrten sind Maßnahmen „aufs Geratewohl“ ohnehin nicht zu treffen.
63
b.) Es besteht kein Anspruch auf Beseitigung der Tischtennisplatte, da nur die zweckentsprechende Nutzung von der Beklagten gebilligt wird und dergestalt geregelt ist, dass ihr exzessive Nutzungen nicht zurechenbar sind. Sie schafft keine Anreize für Zweckentfremdungen. Vielmehr wirkt sie diesen durch geeignete und zumutbare Maßnahmen entgegen.
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c.) Ein Anspruch auf Regelung der Nutzungszeiten der Tischtennisplatte im beantragten Umfang besteht ebenfalls nicht.
65
Eine Begrenzung der Nutzungszeit auf die Zeit zwischen 9.00 Uhr und 22.00 Uhr ergibt sich bereits aus der hier einschlägigen Spielplatzsatzung. Da außerhalb von Schulbereichen gelegene Spiel- und Bewegungsflächen gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 3 SPS unter den Oberbegriff der Spielplätze fallen, sind sie auch von der grundsätzlichen Nutzungszeitenregelung des § 4 Abs. 1 SPS erfasst, die generell eine Nutzung zwischen 9.00 Uhr und 22.00 Uhr vorsieht. § 4 Abs. 3 SPS eröffnet für Spiel- und Bewegungsflächen – zu diesen zählen Tischtennisplatte und Rodelhügel gemäß der Anlage (Nr. 21) – die Möglichkeit, Nutzungszeiten individuell festzulegen; jedoch gilt dies nur in Schulbereichen. Die Tischtennisplatte liegt deutlich außerhalb des Schulbereichs. Eine Einschränkung der Nutzung im Einzelfall gemäß § 4 Abs. 2 SPS ist nicht erfolgt, indem an der Tischtennisplatte ein entsprechendes Schild aufgestellt worden wäre.
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Somit ist der Anspruch des Klägers nur insoweit noch nicht erfüllt, als er darüber hinaus noch eine Unterbindung der Nutzung während der Ruhezeiten zwischen 20.00 Uhr und 22.00 Uhr sowie an Sonntagen zwischen 13.00 Uhr und 15.00 Uhr begehrt. Hierfür hätte zunächst es einer Darlegung bedurft, dass die Immissionsrichtwerte des oder der einschlägigen technischen Regelwerke – in Betracht kommen die Freizeitlärmrichtlinie als auch die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) – in diesen Zeiträumen regelmäßig nicht eingehalten werden. Eine solche Darlegung ist jedoch nicht erfolgt.
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d.) Zur vollständigen Untersagung der Nutzung des R.-bergs durch Dritte wurde oben bereits ausgeführt.
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e.) Es besteht schließlich auch kein Anspruch gegen die Beklagte auf Geschlossenhalten der Fenster während des Musikschulbetriebs, da sie schon nicht Betreiberin der Musikschule ist. Zudem ist sie dem Begehren durch Erteilung entsprechender Hinweise schon hinreichend nachgekommen, sodass ein etwaiger Anspruch auf Einschreiten gegenüber Dritten nicht weiter besteht.
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Demnach hat auch der erste Hilfsantrag keinen Erfolg.
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4. Schließlich besteht auch der mit dem zweiten Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte, durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass außerschulische Nutzungen des Schulgebäudes und der Außenanlagen sowie Grünanlagen in den Nachtstunden (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) sowie an Sonn- und Feiertagen unterbleiben, in der übrigen Zeit tagsüber so ausgeübt werden, dass die Lärmimmissionen auf dem klägerischen Grundstück …straße 123, 50 dB(A) nicht überschreiten, nicht.
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Nach Auffassung der Kammer kann im konkreten Fall kein Anspruch auf Einhaltung des für reine Wohngebiete geltenden Richtwerts von 50 dB(A) angenommen werden. Die Darlegungen der Klagepartei stützen diesen Anspruch nicht. Insoweit ist die Randlage des Grundstücks des Klägers im Übergang zum Außenbereich zu beachten. Das aus dem Baurecht stammende Einfügenskriterium kommt unmittelbar nur innerhalb desselben Gebiets zum Tragen. Im hier vorliegenden Fall des Aufeinandertreffens verschiedener Gebietskategorien bzw. Planbereiche – das Schulgelände ist nicht überplant – ist vornehmlich der Trennungsgrundsatz zu beachten und es könnte allenfalls eine Gemengelage anzunehmen sein. Für Gemengelagen sähe Nr. 6.7 TA Lärm die Möglichkeit vor, die für die zum Wohnen dienenden Gebiete geltenden Immissionsrichtwerte auf einen geeigneten Zwischenwert der für die aneinandergrenzenden Gebietskategorien geltenden Werte zu erhöhen, soweit dies nach der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich ist. Die Immissionsrichtwerte für Kern-, Dorf- und Mischgebiete dürften dabei nicht überschritten werden. § 22 Abs. 1a BImSchG verwehrt jedoch bereits die Heranziehung von Richtwerten, sodass die Identifizierung eines im konkreten Einzelfall anzuwendenden Richtwerts entbehrlich ist, solange keine Anhaltspunkte für eine besondere Schutzwürdigkeit vorliegen (siehe dazu weiter oben).
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Ungeachtet dessen hat die Klagepartei auch nicht substantiiert dargelegt, dass dieser (oder ein anderer maßgeblicher) Richtwert regelmäßig überschritten würde. Grundvoraussetzung für einen Anspruch auf aufsichtsrechtliches Einschreiten ist aber, dass der Dritte durch die Anlage in seinen Rechten verletzt wird, was einen Verstoß der Anlage gegen nachbarschützende Vorschriften erfordert und infolgedessen die Behörde zum Einschreiten gegen die Anlage berechtigt, weil der Tatbestand der Befugnisnorm erfüllt ist und die Eingriffsschranken erfüllt sind (BayVGH, B.v. 28.8.2015 – 9 ZB 13.1876 – juris Rn. 13). Gehen die Lärmimmissionen von einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung aus, gilt kein anderer Maßstab. Anhaltspunkte für eine objektive Überschreitung der Unverträglichkeits- oder Schädlichkeitsgrenze sind dem klägerseitigen Vorbringen aber nicht zu entnehmen. Eine Überschreitung wird schlicht behauptet. Auf die Frage, welcher der zutreffend anzusetzende Richtwert wäre, kommt es somit bereits nicht an.
II.
73
Nach alledem war die Klage kostenpflichtig abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.