Titel:
Härteausgleich wegen der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen: Antragsbefugnis setzt die Adressatenstellung bezüglich der Beiträge voraus, nicht die Beitragstragung
Normenkette:
BayKAG Art. 19a Abs. 7 S. 4
Leitsätze:
1. War der Antragsteller für einen Härteausgleichs wegen der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zwar bis zur Antragstellung und darüber hinaus Eigentümer des Grundstücks, waren die diesbezüglichen Straßenausbaubeiträge aber zulasten seiner Eltern als damalige Eigentümer des Grundstücks festgesetzt worden, fehlt es an der gem. Art. 19a Abs. 7 S. 4 Nr. 1 KAG erforderlichen Antragsbefugnis. Dass der Antragsteller die festgesetzte Beitragsschuld statt seiner Eltern beglichen hat, begründet keine Antragsbefugnis iSd Art. 19a Abs. 7 S. 4 KAG. Es kommt nach der gesetzlichen Konzeption nicht auf die Stellung als tatsächlich Beitragsbelasteter an, sondern auf die Adressatenstellung. (Rn. 15 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Gesetzesbegründung (LT-Drs. 18/1552) enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass Fälle, in denen zwischen Beitragsfestsetzung und Antragstellung das Eigentum an dem beitragsbelasteten Grundstück übertragen wurde, ebenfalls beim Härteausgleich berücksichtigt werden sollen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Straßenausbaubeitrag, Härteausgleich, Antragsbefugnis (verneint), Auseinanderfallen von Adressaten- und Eigentümerstellung, vorweggenommene Erbfolge, Antragsbefugnis, Adressat, Grundstück, Eigentum, Eigentumsübergang, Übereignung, Eigentümerstellung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 22.04.2024 – 6 ZB 24.257
Fundstelle:
BeckRS 2023, 38430
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Gewährung des ihm versagten Härteausgleichs wegen der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen.
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Der Kläger bezahlte am 10. Januar 2017 einen mit Bescheid vom 7. Dezember 2016 von der Gemeinde F. für das Grundstück mit der Flurnummer 924/2 der Gemarkung … gegenüber seinen Eltern festgesetzten Straßenausbaubeitrag i.H.v. 15.331,28 Euro, wofür er mit Antrag vom 17. Dezember 2019 einen Härteausgleich beantragte, nachdem er am 5. September 2018 als Eigentümer des vorgenannten Grundstücks in das Grundbuch eingetragen worden ist.
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Die Eltern hatten das Grundstück mit notariellem Vertrag vom 20. August 2018 überlassen. Im Formblattantrag vom 17. Dezember 2019 sind sie als weitere Antragsteller eingetragen. Die Frage nach einer aktuellen Nutzungsberechtigung wurde darin für den Kläger durch Ankreuzen mit „Ja“ beantwortet, für die Eltern mit „Nein.“
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Mit Bescheid vom 21. März 2022 lehnte der Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, dass der Kläger als Hauptantragsteller nicht antragsbefugt sei, da er nicht Adressat des Straßenausbaubeitragsbescheids gewesen sei. Seine Eltern als weitere Antragsteller seien nicht antragsbefugt, da sie im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr Eigentümer oder dinglich Nutzungsberechtigte des betreffenden Grundstücks gewesen seien.
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Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage vom 22. April 2022, erhoben mit Schriftsatz vom selben Tag und dem Antrag,
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1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids der HFK vom 21.03.2022, Az. … verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Gewährung eines Härteausgleichs nach § 19a KAG vom 17.12.2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
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2. Hilfsweise wird beantragt, den Bescheid der HFK vom 21.03.2022, Az. … aufzuheben.
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Den geforderten Straßenausbaubeitrag habe der Kläger aufgrund einer Vereinbarung mit seinen Eltern im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge bezahlt. Damit sei er auch bei ihm „erhoben“ worden. Gesetzeszweck sei nicht der Ausschluss der im Eigentümerwechsel befindlichen Antragsteller vom Härteausgleich gewesen; sonst wäre dies ausdrücklich geregelt worden. Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG solle lediglich sicherstellen, dass nicht jemand, der überhaupt keinen Beitrag bezahlt hat, den Härteausgleich erhält. Den Umstand, dass ein Eigentümerwechsel stattgefunden hat, habe man bei der Antragstellung deutlich gemacht, indem die Eltern des Klägers als weitere Antragsteller aufgeführt wurden. Die „richtigen“ Antragsteller hätten aufgrund des beschränkten Antragstellungszeitraums keinen Antrag stellen können.
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Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 19. September 2022
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Es liege keine Antragsbefugnis vor. Die Beitragsfestsetzung sei gegenüber den Eltern erfolgt, welche im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr Eigentümer waren. Privatrechtlich vereinbarte Zahlungsverpflichtungen seien insoweit irrelevant. Der Überlassungsvertrag habe nicht zum Übergang der Antragsbefugnis geführt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Härteausgleichs. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO, weshalb die Klage im Haupt- und Hilfsantrag erfolglos bleibt.
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Anteiligen Ausgleich besonderer Härten aus dem vom Beklagten errichteten Härtefallfonds wegen zwischen 1. Januar 2014 und 31. Dezember 2017 erhobener Straßenausbaubeiträge konnte nur beanspruchen, gegen wen in diesem Zeitraum durch Bescheid Straßenausbaubeiträge festgesetzt wurden und bei wer bei Antragstellung Eigentümer oder beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigter des Grundstücks war, auf das die Belastung zurückgeht, Art. 19a Abs. 1 und Abs. 7 Satz 4 Nrn. 1 und 2 KAG.
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Es fehlte dem Kläger an der gem. Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG erforderlichen Antragsbefugnis. Der Kläger war zwar nach der am 5. September 2018 erfolgten Eintragung im Grundbuch Eigentümer des betreffenden Grundstücks geworden, § 873, § 892 BGB, – und bis zur Antragstellung und darüber hinaus geblieben. Jedoch waren die diesbezüglichen Straßenausbaubeiträge zu Lasten seiner Eltern festgesetzt worden; diese waren Adressaten des Bescheids vom 7. Dezember 2016.
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Dass der Kläger die festgesetzte Beitragsschuld statt ihrer beglichen hat, begründet keine Antragsbefugnis i.S.d. Art. 19a Abs. 7 Satz 4 KAG. Es kommt nach der gesetzlichen Konzeption nicht auf die Stellung als tatsächlich Beitragsbelasteter an, sondern auf die Adressatenstellung.
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Der Überlassungsvertrag vom 20. August 2018 vermag keinen Übergang der – damals mangels gesetzlicher Grundlage noch überhaupt nicht existenten – Antragsbefugnis zu begründen, da es sich um eine rein privatrechtliche Vereinbarung handelt (vgl. VG Augsburg, U.v. 4.5.2023 – Au 2 K 22.983 – juris Rn. 24; U.v. 9.2.2023 – Au 2 K 22.892 – juris, Rn. 27 und 19).
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Die Kammer sieht insbesondere im hier gegebenen Einzelfall keinen Anlass, die Antragsbefugnis darüber hinaus auszuweiten.
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Die Gesetzesbegründung (LT-Drs. 18/1552) enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass Fälle, in denen zwischen Beitragsfestsetzung und Antragstellung das Eigentum an dem beitragsbelasteten Grundstück übertragen wurde, ebenfalls beim Härteausgleich berücksichtigt werden sollen. Eine Ausnahme müsste angesichts des eindeutigen Wortlauts des Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG ausdrücklich geregelt sein. Das gesetzgeberische Ziel der einfachen Handhabbarkeit der erwarteten erheblichen Zahl an Anträgen (vgl. LT-Drs. 18/1552 S. 4) spricht vielmehr dafür, solche – naturgemäß vielgestaltigen – Fälle von Vornherein aus dem Anwendungsbereich auszunehmen.
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Die in dem vorgeschriebenen Antragsformular vorgesehene und vom Kläger zweckwidrig genutzte Möglichkeit, weitere Antragsteller anzugeben, stellt lediglich die verfahrensmäßige Umsetzung der Regelung des Art. 19a Abs. 5 Satz 2 KAG dar und dient – anders als die Klägerseite vorträgt – nicht der Überleitung der Antragsbefugnis auf Rechtsnachfolger des oder der Bescheidsadressaten.
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Die Voraussetzungen der klägerseits für veranlasst gehaltenen Analogie zu Art. 5 Abs. 5 Satz 2 KAG liegen nach Auffassung der Kammer nicht vor. Weder existiert eine planwidrige Regelungslücke, denn der Gesetzgeber wollte ersichtlich keine Antragsbefugnis für Rechtsnachfolger regeln (vgl. oben), noch ist die Interessenlage vergleichbar, denn während die laut Art. 5 Abs. 5 Satz 3 KAG verrechenbare Beitragsschuld grundstücksbezogen ist, knüpft der Gesetzeszweck persönliche Härten auszugleichen, an ein personenbezogenes Merkmal an.
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Nach alledem entsprach es den gesetzlichen Vorgaben, den Antrag des Klägers ohne weitere Prüfung unter Verweis auf die fehlende Antragsbefugnis abzulehnen.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.