Inhalt

VG München, Urteil v. 07.07.2023 – M 28 K 21.2190
Titel:

Erschließungsbeitrag – Anforderungen an Anbaustraße

Normenketten:
KAG Art. 5a
BauGB § 34 Abs. 1, § 125, § 127 Abs. 2 Nr. 1, § 132, § 133 Abs. 2
Leitsätze:
1. Eine (sog. historische) Straße iSv Art. 5a Abs. 7 S. 1 KAG liegt vor‚ wenn sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des erschließungsbeitragsrechtlichen Teils des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 Erschließungsfunktion besessen hat und für diesen Zweck – nach den damaligen rechtlichen Anforderungen – endgültig hergestellt war. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Straße in unbeplanten Gebieten erhält die Funktion einer Erschließungsanlage nicht schon dadurch, dass vereinzelt Grundstücke an ihr bebaut werden, sondern sie ändert ihre rechtliche Qualität erst dann, wenn an ihr eine gehäufte Bebauung einsetzt, dh – zumindest für eine Straßenseite – bauplanungsrechtlich Innenbereichslage iSv § 34 Abs. 1 BauGB zu bejahen ist. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Planung kann jederzeit bis zur abschließenden mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren mit heilender Wirkung nachgeholt werden. Die Herstellungsarbeiten werden durch die Nachholung des internen Planungsvorgangs nachträglich legitimiert. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Erschließungserfordernis verlangt im Grundsatz, dass ein Grundstück über eine öffentliche Straße für Kraftfahrzeuge in der Form erreichbar ist, dass an ein Grundstück in tatsächlicher Hinsicht und rechtlich im Rahmen der Widmung für den öffentlichen Verkehr herangefahren werden kann und darf. Dem ist in der Regel genügt, wenn auf der Fahrbahn einer öffentlichen Straße bis zur Höhe des jeweiligen Anliegergrundstücks gefahren und dieses von da aus ohne weiteres betreten werden kann. (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erschließungsbeitragsrecht, Sog. historische Straße, Widmung, Funktionsfähigkeit der Erschließungsanlage, Notwendige Fahrbahnbreite, Beitragsfähigkeit Grunderwerb, Innenbereichslage, Nachholung des Planungsvorgangs, Nichtigkeit, Engstelle
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 14.03.2024 – 6 ZB 24.150
Fundstelle:
BeckRS 2023, 38429

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.  

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag.
2
Er ist Miteigentümer des Grundstückes FlNr. 1421/1 (nachfolgend stets: Gemarkung ….), welches in südlicher Richtung an den „…weg“ angrenzt.
3
Mit Eintragungsverfügung vom 6. Mai 1963 hat die Beklagte die Eintragung des …weges als Ortsstraße in das gemeindliche Bestandsverzeichnis verfügt. In der Eintragungsverfügung werden als Flurnummern des Weges „204, 1388, 1425/7, 1425/6, 1425/5, 1425/8“ genannt. Der Straßenverlauf wird wie folgt beschrieben: „Anfangspunkt bei: Staatsstraße (B. …str.) a. d. Südostecke Fl.Nr. 59 abzweigend – kreuzt die R. …str. – Endpunkt bei: bis zur Einmündung i. d. S. …weg a. d. Nordwestkurve Anwesen Fl.Nr. 1386“. Die Länge des Weges wird mit 235m angegeben. Der …weg verengt sich auf Höhe der Westgrenzen der Grundstücke FlNrn. 1421 und 1425/10 auf 2,90 m und erreicht in Richtung … Straße auf Höhe des Abzweiges zum S. … Weg eine Breite von ca. 3,50 m.
4
Auf Blatt 81 des gemeindlichen Bestandsverzeichnisses wurde die Eintragung entsprechend der Eintragungsverfügung vorgenommen, zwischenzeitlich aber die FlNrn. 204, 1425/6, 1425/5, 1425/8 gestrichen und die FlNr. 1388/1 ergänzt. Die Eintragung im Bestandsverzeichnis wurde am 4. Juni 1963 öffentlich bekanntgemacht.
5
In 2001 trat die Beklagte mit Blick auf Baumaßnahmen am …weg in Verhandlungen mit den Anliegern über mögliche Grundabtretungen, die letztlich aber nicht zustande kamen.
6
Die aktuell gültige Fassung der Erschließungsbeitragssatzung (EBS) wurde durch die Beklagte am 23. Juli 2019 beschlossen.
7
Für die Vorentwurfsplanung der Baumaßnahmen am …weg wurde das Ingenieurbüro … beauftragt. Der diesbezügliche Erläuterungsbericht wurde am 2. Oktober 2019 durch das Ingenieurbüro vorgelegt und durch den Haupt- und Bauausschuss der Beklagten mit Beschluss vom 14. Oktober 2019 zur Kenntnis genommen.
8
Am 15. Dezember 2020 erließ die Beklagte zudem eine Abweichungssatzung für die Erschließungsanlage „…weg“, nach der der Grunderwerb abweichend von § 9 Abs. 4 EBS nicht zu den Merkmalen der endgültigen Herstellung gehöre.
9
In 2020 fanden Straßenbaumaßnahmen am …weg statt.
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Am 12. Januar 2021 fasste der Gemeinderat der Beklagten folgenden Beschluss:
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„5. Rechtmäßigkeit der Herstellung …weg
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Die Gemeinde beabsichtigt, den …weg herzustellen. Nach § 125 Abs. 1 BauGB setzt die Herstellung von Erschließungsanlagen i.S.d. § 127 Abs. 2 BauGB einen Bebauungsplan voraus. Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, so dürfen nach § 125 Absatz BauGB diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen entsprechen. Hiernach sind insbesondere die Belange der Wohnbevölkerung, die Belange des Umweltschutzes und die Belange des Verkehrs zu berücksichtigen. Die öffentlichen und privaten Belange sind gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (§ 1 Abs. 7 BauGB). Vorliegend handelt es sich bei dem …weg um eine bereits seit längerem bestehende Straße. Die Straße ist beidseitig bebaut. Der Straßenverlauf ist durch die Bebauung im Wesentlichen vorgegeben. Der Ausbau erfolgt auf der vorhandenen Trasse. Grunderwerbungen sind nur in geringem Umfang erforderlich. Der Ausbau soll mit einer Fahrbahnbreite von rund 4 bis 6 m erfolgen. Dieser beinhaltet einen barrierefreien Multifunktionsstreifen. Unter Berücksichtigung des zu erwartenden Ziel- und Quellverkehrs und des Durchgangsverkehrs ist ein Ausbau in dieser Breite erforderlich, aber auch ausreichend. Mithin ist festzustellen, dass die Straßenbaumaßnahme mit den öffentlichen und den privaten Belangen in Einklang steht. Die Voraussetzungen des § 125 Abs. 2 BauGB sind daher erfüllt.“
13
Mit Bescheid vom 24. März 2021 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger entsprechend seines Miteigentumsanteils an dem Grundstück FlNr. 1421/1 für die erstmalige und endgültige Herstellung der Erschließungsanlage „…weg“ einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 8.044,87 Euro fest und forderte den Kläger zur Zahlung auf.
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Am 23. April 2021 hat der Kläger gegen diesen Bescheid Klage erhoben.
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Der …weg sei eine historische Straße im Sinne des Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG, da am …weg bereits seit den 1920er Jahren eine gehäufte Bebauung vorgelegen habe und die Straße nach den damaligen Standards endgültig hergestellt war. Erschließungsbeiträge könnten daher nicht mehr erhoben werden. Weiter fehle es an einer ordnungsgemäßen Widmung der Erschließungsanlage. Zudem sei die Erschließungsanlage mangels fehlerfreier Abwägung und der zu geringen Fahrbahnbreite nicht rechtmäßig bzw. funktionsfähig hergestellt worden. Insbesondere seien die baurechtlich vorgeschriebenen Zufahrten zu den Grundstücken FlNrn. 1425/10 und 1425/2 nicht nutzbar, ohne das gegenüberliegende Grundstück FlNr. 1421 in Anspruch zu nehmen, da die Straße an dieser Engstelle zu eng sei. Auch könne die Zufahrt zum Grundstück FlNr. 1425 jedenfalls mit größeren Fahrzeugen nicht mehr genutzt werden. Die Engstelle sei von Rettungsfahrzeugen, der Feuerwehr und Müllfahrzeugen nicht ohne aufwendige Rangiermanöver passierbar. Es sei bereits zu Schäden am Gartenzaun des Grundstücks FlNr. 1425/6 durch ein Müllfahrzeug gekommen. Letztlich sei auch der Kurvenradius des Abzweigs zum S. … Weg zu gering dimensioniert.
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Der Kläger beantragt,
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den Erschließungsbeitragsbescheid für die Maßnahme „…weg“ vom 24. März 2021 für das Grundstück FlNr. 1421/1, Gemarkung … über 8.044,87 Euro aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der …weg sei keine historische Straße, weil es zum einen noch in den 1950ern an der Erschließungsfunktion gefehlt und zum anderen die erforderliche Fahrbahnbefestigung und Straßenentwässerung gefehlt habe, sodass die Straße nicht den damaligen Anforderungen an die Verkehrsbedürfnisse entsprochen habe. Widmung und Abwägungsbeschluss seien ordnungsgemäß erfolgt. Trotz der Fahrbahnverengung auf 2,90m sei die Erschließungsanlage voll funktionsfähig.
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Am 26. Juli 2022 fasste der Gemeinderat der Beklagten einen „Klarstellungsbeschluss“, wonach dem Gemeinderat bei Fassung des Abwägungsbeschlusses vom 12. Januar 2021 bekannt gewesen sei, dass der Ausbau des …weges auf der vorhandenen Trasse erfolge und in Höhe des westlichen Grenzpunktes des Grundstücks FlNr. 1421 eine Breite von 2,90 m habe und somit ausreichend sei, um den Anforderungen nach § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB zu entsprechen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
24
Der auf Art. 5a KAG i.V.m. der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vom 23. Juli 2019 (EBS) beruhende Bescheid der Beklagten vom 24. März 2021 ist rechtmäßig, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I.
25
Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG steht der Beitragserhebung nicht entgegen.
26
Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine vorhandene (sog. historische) Straße im Sinn von Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG vor‚ wenn sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des erschließungsbeitragsrechtlichen Teils des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 Erschließungsfunktion besessen hat und für diesen Zweck – nach den damaligen rechtlichen Anforderungen – endgültig hergestellt war (BayVGH, B.v. 20.10.2022 – 6 CS 22.1804 – juris Rn. 17 m.w.N.)
27
1. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2016 – 6 CS 16.1032 – juris Rn. 9) hat mit Blick auf die Erschließungsfunktion folgenden Maßstab entwickelt:
28
„Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs erhält eine Straße in – wie hier – unbeplanten Gebieten die Funktion einer Erschließungsanlage nicht schon dadurch, dass vereinzelt Grundstücke an ihr bebaut werden, sondern sie ändert ihre rechtliche Qualität vielmehr erst dann, wenn an ihr eine gehäufte Bebauung einsetzt, das heißt – zumindest für eine Straßenseite – bauplanungsrechtlich Innenbereichslage im Sinne von § 34 Abs. 1 BBauG/ BauGB zu bejahen ist. Das verlangt, dass die maßgeblichen Grundstücke in einem Bebauungszusammenhang liegen, der einem Ortsteil angehört. Ausschlaggebend für das Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist, ob und inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Auch Gebäude, die nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Außenbereich privilegiert sind, können zur Entwicklung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils beitragen. Unter den Begriff der Bebauung fallen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (BVerwG, B.v. 2.4.2007 – 4 B 7.07 – juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 22.7.2010 – 6 B 09.584 – juris Rn. 38). Ortsteil im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, B.v. 17.3.2015 – 4 B 45.14 – juris Rn. 6).“
29
Gemessen hieran ist aufgrund der in den Akten befindlichen Pläne, Luftbilder, der im „Bayern Atlas“ (https://geoportal.bayern.de/bayernatlas) abrufbaren historischen Flurkarten sowie der von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen davon auszugehen, dass der …weg vor dem 30. Juni 1961 keine Erschließungsfunktion besaß.
30
Entgegen der Ansicht des Klägers, fehlte es bis dahin an einer gehäuften Bebauung, die den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt.
31
a) Mit Blick auf das Teilstück zwischen dem S. … Weg und der R. …straße am westlichen Ende des …weges, ergibt sich aus dem historischen Kartenmaterial (historische Karte 1937 (Anlage B 1)), dass die beiden nördlich und südlich gelegenen Grundstücke zwar in den 1920/30er Jahren bebaut waren. Allerdings sind lediglich zwei Gebäude, von denen eines aufgrund des Zuschnitts vermutlich landwirtschaftlichen Zwecken diente, ersichtlich, die zudem vom restlichen Ortskern der Gemeinde deutlich abgesetzt sind, sodass es sich lediglich um eine unbeachtliche Splittersiedlung handelte, die weder ausreichendes Gewicht besaß noch Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur war. An dieser Bewertung ändert sich auch nichts, wenn zusätzlich das auf dem heutigen Grundstück FlNr. 1425/3 im Jahre 1934 genehmigte Wohnhaus (Anlagen K 12, 13a) mit einbezogen würde, da selbst dann nicht von einem eigenständigen Ortsteil ausgegangen werden kann.
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b) Gleiches gilt auch für den östlichen Teil des …weges von der Abzweigung des S. … Weges bis zur … Straße. Auch hier befanden sich nach dem verfügbaren Kartenmaterial nördlich und südlich des …weges lediglich vereinzelte, mutmaßlich landwirtschaftlich genutzte Gebäude.
33
c) Entgegen der Auffassung des Klägers befand sich in dem Teilstück zwischen der Abzweigung zum S. … Weg und der R. …straße keine gehäufte Bebauung am …weg. Zwar ist auf der von der Beklagten vorgelegten Luftbildaufnahme aus dem Jahr 1944 in der Tat eine aus ungefähr vier Gebäuden bestehende Bebauung auf den Grundstücken mit den heutigen Flurnummern 1426/8, 1426/7, 1426/16, 1426/2 erkennbar. Dieser Gebäudezug war allerdings – wie bereits auf den vom Kläger vorgelegten Luftbildaufnahmen ersichtlich ist – nach Norden versetzt und wurde nicht durch den …weg, sondern über einen auf der heutigen FlNr. 1426/13 errichteten Stichweg erschlossen, was sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Lageplan aus dem Jahr 1950 (Anlage B 8) sowie aus dem Luftbild aus dem Jahr 1945 (Anlage B12) ergibt. Weder das als Anlage K 14 vorgelegte Lichtbild noch die Postkarte aus dem Jahr 1938 (Anlage K 18) lassen aufgrund der jeweiligen Perspektiven den eindeutigen Schluss zu, dass die Gebäude über den …weg erschlossen worden seien und sind daher nicht geeignet, den substantiiert belegten Vortrag der Beklagten zu erschüttern.
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2. Selbst wenn unterstellt würde, dass der Gebäudezug an der Nordseite des …weges über diesen erschlossen worden wäre und insoweit von einer Innenbereichslage auszugehen wäre, war der …weg ausweislich der in den Behördenakten befindlichen Lichtbildern, nach den damaligen rechtlichen Anforderungen noch nicht endgültig hergestellt. Denn bereits in den 1930er Jahren war auch im ländlichen Bereich eine ordnungsgemäße Straßenentwässerung Voraussetzung dafür, dass eine Straße als endgültig fertiggestellt angesehen werden konnte (stRspr BayVGH, B.v. 15.11.2018 – 6 ZB 18.1516 – juris Rn. 7). Eine solche war bis zu den baulichen Maßnahmen in 2020 nicht vorhanden.
II.
35
Der …weg wurde auch ordnungsgemäß gewidmet.
36
Nach Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB können Erschließungsbeiträge für die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen erhoben werden. Hierunter fallen nur dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straßen. Die wirksame Widmung ist damit Voraussetzung für das Entstehen sachlicher Beitragspflichten (Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand April 2023, Rn. 418, 1104).
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Bei dem …weg handelt es sich um eine im Rahmen der Rechtsbereinigung (erstmalige Anlegung der Bestandsverzeichnisse) nach Art. 67 Abs. 3, 4 BayStrWG eingetragene Orts straße, die der Widmungsfiktion des Art. 67 Abs. 4 BayStrWG unterliegt. Damit liegt ein gewidmeter öffentlicher Weg vor.
38
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Eintragung nicht nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nichtig.
39
Die Beklagte hat die Eintragung durch Eintragungsverfügung vom 6. Mai 1963, vgl. § 3 Verordnung über die Straßen- und Bestandsverzeichnisse, verfügt und die Eintragung in das gemeindliche Bestandsverzeichnis (Blatt 81) am 4. Juni 1963 ordnungsgemäß öffentlich bekanntgemacht. Art. 67 Abs. 4 BayStrWG bezeichnet als den für die Erlangung der Eigenschaft einer öffentlichen Straße maßgeblichen Verwaltungsakt (Art. 35 Satz 2 BayVwVfG) die Eintragung in das Bestandsverzeichnis, nicht die Eintragungsverfügung (BayVGH, U.v. 28.2.2012 – 8 B 11.2934 – juris Rn. 35). Daher kommt es auf den klägerischen Vortrag zu den Mängeln der Eintragungsverfügung und insbesondere dem dort angefügten Lageplan nicht an.
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Die bestandskräftige Eintragung des …weges ist trotz der Tatsache, dass ein Teilstück der R. …straße (FlNr. 1389) nicht in der Widmung aufgenommen wurde, auch hinreichend bestimmt und daher nicht nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nichtig.
41
Der Nichtigkeitsvorwurf im Sinn des Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa BayVGH, U.v. 28.2.2012 – 8 B 11.2934 – juris Rn. 41 ff.) nur begründet, wenn nicht nur ein besonders schwerwiegender Fehler vorliegt, sondern zusätzlich dieser Fehler bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände auch offensichtlich ist. Zwar verlangt die Rechtsprechung grundsätzlich die Angabe aller von der Straße betroffenen Flurnummern, um bei unklarem Verlauf des Wegegrundstücks ein Hinausgreifen der Widmung auf nicht gewidmetes, also unbelastetes Privateigentum zu verhindern und eine Aushöhlung des Privateigentums zu unterbinden (BayVGH, U.v. 28.2.2012 a.a.O. Rn. 48). Hiervon kann jedoch abgesehen werden, wenn Verlauf und Umfang des Weges eindeutig festliegen (BayVGH, U.v. 28.2.2012 a.a.O. Rn. 49; BayVGH, U.v. 15.5.1990 – 8 B 86.558 – juris). Am der Widmung zu Grunde liegenden Verlauf des …weges bestehen aufgrund seiner seitlichen Begrenzung durch den S. … Weg im Westen und die … Straße im Osten sowie der diese Ausdehnung bestätigenden Längenangabe im Bestandsverzeichnis keinerlei Zweifel. Vor allem aber ist der von der Rechtsprechung intendierte Schutzzweck hier nicht berührt, denn bei dem fehlenden Flurstück FlNr. 1389 handelt es sich um öffentlichen Straßengrund, nämlich ein Teilstück (zugleich) des R. …wegs, sodass eine enteignende Wirkung von vornherein ausgeschlossen ist.
42
Das Gericht konnte seine Entscheidung auch auf die in der mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2023 von der Beklagten vorgelegte Kopie der Eintragung im Bestandsverzeichnis stützen. Die diesbezügliche Rüge des Klägerbevollmächtigten, dass keine Möglichkeit bestanden habe, das Original einzusehen, verfängt nicht. Denn weder wurde vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, warum die Kopie vom Original abweichen sollte. Insbesondere sind die Eintragungen auf der Kopie leserlich und Anhaltspunkte für etwaige Manipulationen nicht ersichtlich.
III.
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Der …weg wurde rechtmäßig hergestellt.
44
Die Herstellung von Erschließungsanlagen und deren Abrechnung im Wege des Erschließungsbeitragsrechts setzt – sofern wie vorliegend ein entsprechender Bebauungsplan nicht gegeben ist – das Vorliegen eines sogenannten planersetzenden Beschlusses nach § 125 Abs. 2 BauGB voraus.
45
Hierzu hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (B.v. 27.11.2014 – 6 ZB 12.2446 – juris Rn. 7) folgende Grundsätze aufgestellt:
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„Im Rahmen der ihr von § 125 Abs. 2 BauGB auferlegten Planungsentscheidung hat sich die Gemeinde an den planungsrechtlichen Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB zu orientieren, wobei ihr eine planerische Gestaltungsfreiheit zur Seite steht. Die wichtigste materiell-rechtliche Bindung, in deren Rahmen sich jede planende Gemeinde bei Ausübung jener Gestaltungsfreiheit und damit auch bei der bebauungsplanersetzenden Planung einer Erschließungsanlage nach § 125 Abs. 2 BauGB halten muss, ist das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte Gebot, alle von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dieses Gebot bezieht sich sowohl auf das Abwägen als Vorgang, insbesondere also darauf, dass überhaupt eine Abwägung stattfindet und dass bei dieser Abwägung bestimmte Interessen in Rechnung gestellt werden, als auch auf das Abwägungsergebnis, also auf das, was bei dem Abwägungsvorgang herauskommt (vgl. BVerwG, U.v. 26.11.2003 – 9 C 2.03 – BayVBl 2004, 276). Die verwaltungsgerichtliche Prüfung, ob sich die planerische Entscheidung innerhalb der durch das Abwägungsgebot gesetzten Grenzen hält, muss davon ausgehen, dass ein Mangel im Abwägungsvorgang nur dann erheblich ist und deshalb – wie zur Nichtigkeit eines entsprechenden Bebauungsplans – zur Rechtswidrigkeit der Herstellung der Erschließungsanlage führen kann, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planungsentscheidung ohne den Mangel im Ergebnis anders ausgefallen wäre (BayVGH, B.v. 30.1.2014 – 6 ZB 12.501 – juris Rn. 7; B.v. 30.10.2013 – 6 ZB 11.245 – juris Rn. 7).“
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In Fällen, in denen aufgrund der umgebenden Bebauung und den sonst bestehenden Umständen das Ausmaß und der Verlauf der Straße derart festgelegt sind, dass auch ein Bebauungsplan nichts mehr ändern könnte, dürfen an den Abwägungsvorgang keine überzogenen Anforderungen gestellt werden (OVG LSA, B.v. 25.11.2011 – 4 L 245/10 – juris sieht die Abwägung in diesen Fällen sogar als gänzlich entbehrlich an).
48
Diesen Anforderungen wird der von der Beklagten gefasste Abwägungsbeschluss vom 12. Januar 2021 gerecht.
49
1. Dass der Beschluss erst – wie vom Kläger vorgetragen – nach Durchführung der Baumaßnahmen erfolgte, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 27.11.2014 – 6 ZB 12.2446 – juris Rn. 6) unschädlich.
50
Eine Planung kann nach der Rechtsprechung des Senats jederzeit bis zur abschließenden mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren mit heilender Wirkung nachgeholt werden (BayVGH, B.v. 16.6.2009 – 6 CS 08.3257 – juris Rn. 8). Ist das geschehen, rechtfertigt das nachträglich den Arbeitsbeginn; die Herstellungsarbeiten werden durch die Nachholung des internen Planungsvorgangs nachträglich legitimiert (VGH BW, U.v. 21.3.2002 – 2 S 2585/01 – juris Rn. 29).
51
2. Auch inhaltlich ist der Abwägungsbeschluss nicht zu beanstanden.
52
Entgegen der Auffassung des Klägers hat sich die Beklagte im Rahmen der Abwägung hinreichend mit den örtlichen Verhältnissen auseinandergesetzt. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Verengung der Fahrbahn des …weges auf Höhe des nordwestlichen Ecks des Grundstücks FlNr. 1421. Zwar erscheint – wie der Kläger richtig anmerkt – die Formulierung im Abwägungsbeschluss vom 12. Januar 2021, dass der Ausbau „mit einer Fahrbahnbreite von rund 4 bis 6 m erfolgen“ soll, zunächst missverständlich. Unter Heranziehung aller übrigen Unterlagen und Umstände ist die Kammer jedoch davon überzeugt, dass dem Gemeinderat der Beklagten die „Engstellenproblematik“ bewusst war und er die bisherige Trassenführung des …weges dennoch als nachbarverträglich ansah. Dies ergibt sich bereits daraus, dass – wie der Kläger selbst vorträgt – die Beklagte schon seit 2001 mehrfach erfolglos versuchte, den Grund für eine breitere Trassenführung von den jeweiligen Privateigentümern zu erwerben. Dass dieser Umstand dann bei der erfolgten Abwägung unberücksichtigt geblieben sein soll, erscheint vor diesem Hintergrund fernliegend. Darüber hinaus enthielt auch die Vorplanung für die Baumaßnahmen am …weg, welche durch den Haupt- und Bauausschuss der Beklagten mit Beschluss vom 14. Oktober 2019 zur Kenntnis genommen wurde, auf Seite 7 folgende Feststellung:
53
„Bedingt durch eigentumsrechtliche Randbedingungen ist es im Bereich des …weges über weite Strecken nicht möglich, die in den RASt 06 empfohlenen Regelfahrbahnbreiten einzuhalten. In Abstimmung mit der Gemeinde … wurden [sic!] festgelegt, die Fahrbahnbreiten bestandsorientiert ohne zusätzlichen Grunderwerb festzulegen.“
54
Damit enthielt die dem Abwägungsbeschluss zugrundeliegende Vorplanung nicht nur einen Hinweis auf die Problematik, sondern dokumentiert auch die Intention der Beklagten, mit Blick auf die Eigentumsverhältnisse von den Regelfahrbahnbreiten abzusehen.
55
Auf die Frage, ob die Beklagte etwaige Abwägungsfehler mittels des „Klarstellungsbeschlusses“ vom 26. Juli 2022 heilen konnte, kam es daher nicht mehr entscheidungserheblich an.
56
Somit liegt auch die vom Kläger behauptete Abweichung von den planerischen Vorgaben tatsächlich nicht vor. Überdies würde eine solche allein die Rechtmäßigkeit der Herstellung nicht berühren, solange – wie hier – die in § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB bezeichneten Anforderungen eingehalten wurden.
IV.
57
Der …weg genügt auch den Anforderungen an eine Anbaustraße i.S.d. Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB.
58
Eine selbstständige Verkehrsanlage ist dann zum Anbau bestimmt, wenn sie geeignet ist, die an sie angrenzenden Grundstücke nach Maßgabe der §§ 30 ff. BauGB oder sonstwie in nach § 133 Abs. 1 BauGB beachtlicher Weise nutzbar zu machen (Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand April 2023, Rn. 12). Um ihre gesetzliche Funktion („zum Anbau bestimmt“) zu erfüllen, muss die Verkehrsanlage objektiv in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht geeignet sein, den angrenzenden Grundstücken das an verkehrsmäßiger Erschließung zu geben, was für deren Bebaubarkeit oder vergleichbare Nutzbarkeit bebauungsrechtlich erforderlich ist. Das Erschließungserfordernis verlangt im Grundsatz, dass ein Grundstück über eine öffentliche Straße für Kraftfahrzeuge in der Form erreichbar ist, dass an ein Grundstück in tatsächlicher Hinsicht und rechtlich im Rahmen der Widmung für den öffentlichen Verkehr herangefahren werden kann und darf. Dem ist in der Regel genügt, wenn auf der Fahrbahn einer öffentlichen Straße bis zur Höhe des jeweiligen Anliegergrundstücks gefahren und dieses von da aus ohne weiteres betreten werden kann. Da das Heranfahrenkönnen mit Personen- und kleineren Versorgungsfahrzeugen ausreicht, kann in tatsächlicher Hinsicht schon ein Wohnweg mit einer befestigten Breite von nur 2,75 m befahrbar und damit zum Anbau bestimmt sein (BayVGH, B.v. 28.4.22 – 6 ZB 21.2951 – juris Rn. 10 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 4.6.1993 – 8 C 33.91 – BVerwGE 92, 304). Maßgeblich ist im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung, ob die Anlage eine für die Benutzung mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen ausreichende Breite und Festigkeit aufweist (BayVGH, U.v. 5.4.2007 – 6 B 04.2268 – juris Rn. 25). Dabei sind einzelne Engstellen grundsätzlich auszublenden. Wenn aufgrund beengter innerörtlicher Verhältnisse nicht alle Kriterien der als Orientierungshilfe dienenden Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen (vgl. RASt 2006 bzw. EAE 85/95) eingehalten werden können, führt dies – wie auch im vorliegenden Fall – noch nicht zur Funktionsunfähigkeit einer Erschließungsanlage und zur Beitragsschädlichkeit (BayVGH, B.v. 23.11.2020 – 6 ZB 20.2263 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 23.2.2015 – 6 ZB 13.978 – juris Rn. 16; B.v. 23.8.2010 – 6 ZB 09.1394 – juris Rn. 5). Die Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) hat ebenso wie die frühere Empfehlung für die Anlage von Erschließungsstraßen (EAE 85/95) nur empfehlenden Charakter. Ihr kommt keine verbindliche Wirkung im Sinn einer Norm zu. Die Gemeinden können bei der Planung anhand der konkreten örtlichen Situation im notwendigen Umfang hiervon abweichen (BayVGH, B.v. 23.2.2015 – 6 ZB 13. 978 – juris Rn. 15; BayVGH, U.v. 11.06.2002 – 6 B 97.2355 – juris Rn. 23).
59
Diesen Anforderungen wird der …weg gerecht. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die betreffende Engstelle den Verkehrsteilnehmenden, insbesondere mit Blick auf Versorgungsfahrzeuge, aber auch im ruhenden Verkehr, ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit abverlangt. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Beklagte zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt bislang keinerlei verkehrsrechtliche Anordnungen, wie etwa die Anordnung von Parkverboten oder Geschwindigkeitsbegrenzungen, im streitgegenständlichen Verkehrsbereich erlassen hat. In der Gesamtschau wiegen die damit verbundenen Unannehmlichkeiten jedoch nicht so schwer, dass hierdurch die Erschließungsfunktion des …weges aufgehoben würde. Hierfür spricht nach den Feststellungen der Kammer vor allem, dass die Fahrbahn sich lediglich punktuell auf 2,90 m verengt und die Fahrbahnverengung sich im weiteren Verlauf nach Osten auf lediglich ca. 60 m bis zum Abzweig des S. … Wegs weiter aufweitet. Die Erschließungsanlage ist daher – auch aufgrund ihres geraden Verlaufs – im Bereich der Engstelle voll einsehbar. Darüber hinaus lassen Ausdehnung und Lage der Erschließungsanlage im örtlichen Verkehrsnetz keine übermäßig intensive Verkehrsnutzung erwarten, sondern sie dient im Wesentlichen den Anliegern des …weges. In Anbetracht der von den Prozessbeteiligten vorgelegten Lichtbildaufnahmen sowie der Luftbilder ist die Kammer auch davon überzeugt, dass sämtliche Anliegergrundstücke mit Rettungs-, Versorgungs- und Müllfahrzeugen angefahren werden können. Gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 StVZO dürfen Kraftfahrzeuge eine Breite von 2,55 m nicht überschreiten. Ausnahmen für Müllfahrzeuge bestehen nicht. Demnach genügt die Fahrbahnbreite des …weges auch an ihrer engsten Stelle, um unter Berücksichtigung erforderlicher Bewegungsspielräume von entsprechenden Fahrzeugen passiert zu werden. Nach dem Eindruck der Kammer besteht das Problem nicht in der Erschließungsanlage selbst, sondern darin, dass Kraftfahrzeuge straßenverkehrswidrig in bzw. in unmittelbarer Nähe der Engstelle geparkt werden. Hierbei handelt es sich jedoch um Ordnungswidrigkeiten (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 12 i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StVO), welchen mit den Mitteln des Straßenverkehrsrechts zu begegnen ist. Die Erschließungsfunktion der Anlage bleibt hiervon indes unberührt. Auch der Vortrag des Klägers, dass durch die Dimensionierung des …weges die Nutzbarkeit der Grundstückszufahrten der an der Engstelle anliegenden Grundstücke beeinträchtigt würde, verfängt nach den Feststellungen der Kammer nicht. Denn sowohl auf dem über Google Maps abrufbaren Luftbild (Kartendaten © 2023 GeoBasis-DE/BKG © 2009) als auch im „Bayern Atlas“ (Stand 2022) ist erkennbar, dass auf dem Stellplatz des Grundstücks FlNr. 1425/10 sogar ein Wohnmobil bzw. kleiner Lastkraftwagen geparkt wurde. Dass die entsprechenden Zufahrten nicht genutzt werden könnten, ist vor diesem Hintergrund wenig überzeugend.
V.
60
Weiter bestehen seitens der Kammer keine Zweifel, dass der …weg auch ohne die nachträglich erfolgte und nicht abgerechnete Auspflasterung der Grüninsel am Abzweig zum S. … Weg endgültig hergestellt und zum Anbau bestimmt war.
61
Nach den vom Kläger nicht substantiiert bestrittenen Berechnungen des von der Beklagten beauftragten Ingenieurbüros (Anlage B 7, B 11) genügten die Grüninsel und der Straßenradius, um Abbiegevorgänge auf dem Straßengrund zu ermöglichen. Hieran ändern auch die vom Kläger vorgelegten Lichtbildaufnahmen, welche Spuren im Erdreich von nachlaufenden Hinterrädern abbiegender Lastkraftwagen dokumentieren sollen, nichts. Denn auch insoweit ist darauf hinzuweisen, dass verkehrswidriges oder zumindest rücksichtloses Verhalten einzelner Verkehrsteilnehmer nicht dazu führt, dass die Anlage ihre Erschließungsfunktion nicht erfüllen könnte. Die nachträgliche Auspflasterung durch die Beklagte mag eine Verbesserung der Anlage darstellen, wurde dementsprechend aber auch nicht in den beitragsfähigen Aufwand eingestellt.
VI.
62
Auch Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG steht der Beitragsforderung nicht entgegen.
63
Nach dieser Vorschrift kann kein Erschließungsbeitrag (mehr) erhoben werden, wenn seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung einer Erschließungsanlage mindestens 25 Jahre vergangen sind. Unabhängig von der Frage, ob – wie vom Kläger vorgetragen – bereits 1993 eine vollständige Straßenbeleuchtung bestand, welche dann im Zuge der Bauarbeiten in 2020 erneuert wurde, und dies als „Beginn der erstmaligen technischen Herstellung“ angesehen werden kann, ist diese Vorschrift auf den hier in Streit stehenden Erschließungsbeitragsbescheid nicht anwendbar. Denn sie wurde erst zum 1. April 2021 in das KAG eingeführt. Bezüglich der maßgeblichen Rechtslage ist aber auf das Entstehen der Beitragspflicht (hier jedenfalls vor dem 1. April 2021) abzustellen.
VII.
64
Zu Recht hat die Beklagte auch die in den Jahren 1988 und 1996 für die Flurnummern 1388 und 1425/6 angefallenen Grunderwerbskosten als beitragsfähigen Aufwand in Ansatz gebracht.
65
Zwar hat die Beklagte den Grunderwerb mit Satzung vom 15. Dezember 2020 für den …weg als Herstellungsmerkmal ausgenommen, der bis dahin angefallene Erschließungsaufwand ist jedoch beitragsfähig, da er vor Entstehen der sachlichen Beitragspflicht in 2021 angefallen ist. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass (Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m.) § 128 Abs. 1 BauGB zwischen der „erstmaligen Herstellung“ und der „endgültigen Herstellung“ unterscheidet. Bis zum Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht ist die Höhe des Erschließungsaufwands noch veränderbar: Was nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 BauG an Kosten zum Erschließungsaufwand gehört, kann bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass die nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zum Erschließungsaufwand gehörenden Kosten des Grunderwerbs ohne Rücksicht darauf, ob sie gemäß § 132 Nr. 4 BauGB in der Satzung als Herstellungsmerkmal bezeichnet sind oder nicht bzw. ob von dieser Festsetzung durch Abweichungssatzung abgewichen wird, berücksichtigungsfähig sind, soweit sie bis zum Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht angefallen sind. Erst das Entstehen der Beitragspflicht im Sinne des § 133 Abs. 2 BauGB bewirkt, dass später anfallende Grunderwerbskosten nicht mehr dem Erschließungsaufwand zugerechnet werden dürfen (stRspr BVerwG, U.v. 13.5.1977 – IV C 82.74 – juris Rn. 20; BVerwG, U.v. 29.11.1985 – 8 C 59/84 – juris Rn. 16).
VIII.
66
Sonstige Einwände gegen die Beitragsfestsetzung wurden weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich. Demnach erweisen sich die Beitragsfestsetzung und die darauf beruhende Zahlungsaufforderung als rechtmäßig. Die Klage war daher abzuweisen.
67
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1, 2 ZPO.
68
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).