Inhalt

VG München, Beschluss v. 08.12.2023 – M 11 E 23.32018
Titel:

Asyl Somalia, Asylfolgeantrag, nachträgl. Erstellung und Vorlage einer Eheurkunde aus dem Herkunftsland, Erfordernis eines zeitlichen Zusammenhangs i.S.d. § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG auch in der Fallkonstellation der Einreise vor Anerkennung des Stammberechtigten, Anordnungsanspruch (verneint)

Normenketten:
VwGO § 123
AsylG § 26
AsylG § 71
VwVfG § 51
Schlagworte:
Asyl Somalia, Asylfolgeantrag, nachträgl. Erstellung und Vorlage einer Eheurkunde aus dem Herkunftsland, Erfordernis eines zeitlichen Zusammenhangs i.S.d. § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG auch in der Fallkonstellation der Einreise vor Anerkennung des Stammberechtigten, Anordnungsanspruch (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2023, 38406

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller, nach eigenen Angaben somalischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben im Dezember 2015 erstmals in das Bundesgebiet ein. Nach Aktenlage hatte er zuvor bereits Asylanträge in Italien und Schweden gestellt.
2
Ende Juni 2016 stellte der Antragsteller einen ersten Asylantrag in Deutschland, zu dem er im November 2016 angehört wurde. Der Antragsteller trug damals im Wesentlichen vor, als Angehöriger eines Minderheitenclans in seinem Heimatdorf diskriminiert worden zu sein. Als ihm untersagt worden sei, sein Kino zu betreiben, habe er das Land verlassen.
3
Nach Mitteilung der zuständigen Ausländerbehörde, dass der Antragsteller seit dem 6. Juni 2017 unbekannt verzogen sei, stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) das Asylerstverfahren (Az. …) mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. Juni 2017 ein, weil der Asylantrag als zurückgenommen gelte (Ziff.1). Zugleich wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziff. 2). Dem Antragsteller wurde die Abschiebung zuvorderst nach Somalia angedroht (Ziff. 3). Ausweislich der Eurodac-Daten stellte der Antragsteller in etwa zur gleichen Zeit einen weiteren Asylantrag in Frankreich.
4
Im September 2019 reiste Frau A., die vermeintliche Ehefrau des Antragstellers, mit zwei minderjährigen Kindern in das Bundesgebiet ein und beantragte für sich und ihre Kinder Asyl. Im Rahmen ihrer Anhörung im Juni 2021 gab Frau A. u.a. an, ihr Ehemann sei seit dem Jahr 2010 verschollen. Mit Bescheid des Bundesamts vom 18. Juni 2021 wurde Frau A. und ihren Kindern Flüchtlingsschutz gewährt.
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Am 9. November 2021 stellte der Antragsteller in Deutschland einen weiteren Asylantrag. Im Rahmen seiner Anhörungen am 13. Dezember 2021 gab er an, er sei im Dezember 2015 schon einmal in Deutschland gewesen, damals aber in einer ländlichen Gegend vereinsamt. Alle seine Freunde seien weggezogen, daher sei er nach Frankreich gegangen. Nachdem er in Frankreich nichts erhalten habe, sei er wieder nach Deutschland zurückgekommen. Zur Begründung seines Folgeantrags trug der Antragsteller vor, dass seine Frau und zwei seiner fünf Kinder in Deutschland leben würden. Sie hätten 12 Jahre nichts voneinander gehört und er habe erfahren, dass sie hier leben würden. Er habe vor ca. 2 bis 3 Monaten von den Behörden in Mogadischu eine Heiratsurkunde ausstellen lassen, die er vorher nicht gehabt habe. Dies sei über einen Bruder der Ehefrau organisiert worden. Zu seinen Verfolgungsgründen trug der Antragsteller nunmehr im Wesentlichen vor, in Somalia als Viehhirte gearbeitet zu haben. Irgendwann habe er einen kleinen Laden aufgemacht, aber als die Ältesten dann Geld von ihm verlangt hätten, habe er den Laden wieder geschlossen. Das Problem, weshalb er geflohen sei, bestehe noch immer. Zudem habe er nach der langen Zeit keinen Bezug mehr zu Somalia. Hierzu legte der Antragsteller eine in Mogadischu ausgestellte Heiratsurkunde datierend auf den 27. September 2021 vor.
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Nachdem die französischen Behörden im Dezember 2021 einer Wiederaufnahme des Antragstellers zugestimmt hatten, erließ das Bundesamt im Februar 2022 zunächst einen Dublin-Bescheid, welcher mit Bescheid vom 8. September 2023 wegen Ablaufs der Überstellungsfrist wieder aufgehoben wurde.
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Mit weiterem Bescheid vom 8. September 2023 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab. Gleichzeitig wurde eine Abänderung des Bescheids vom 27. Juni 2017 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgelehnt. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 13. September 2023 zugestellt.
8
Der Antragsteller hat am 26. September 2023 Klage erhoben (M 11 K 23.32017) und zugleich beantragt,
9
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, von einer Mitteilung an die Ausländerbehörde gemäß § 71 Abs. 5 Asylgesetz abzusehen bzw., sollte eine derartige Mitteilung bereits erteilt worden sein, diese zu widerrufen.
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Zur Begründung wurde auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug genommen.
11
Der Bevollmächtigte des Antragstellers erhielt auf seinen Antrag Einsicht in Behördenakten und äußerte sich anschließend nicht weiter.
12
Das Bundesamt beantragte,
13
den Antrag abzulehnen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
15
Der Antrag hat keinen Erfolg.
16
1. Die Frage nach der statthaften Antragsart in Fällen, in denen das Bundesamt einen Asylfolgeantrag als unzulässig ablehnt, ohne die Abschiebung (erneut) anzudrohen, kann vorliegend offenbleiben (vgl. dazu etwa Bergmann in Bergmann/Dienelt, AsylG, 14. Aufl. 2022, § 71 Rn. 48 f.; VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris, sowie andererseits VG Berlin, B.v. 21.11.2017 – 32 L 670.17 A – juris), weil wesentliche Vor- oder Nachteile weder mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO noch mit einem Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO verbunden sind und in beiden Fällen ein identischer Prüfungsmaßstab anzulegen ist. Maßgeblich ist insoweit, ob im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. § 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG).
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2. Stellt ein Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag, so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 2 VwVfG erfüllt sind (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Die Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für asylrechtliche Folgeanträge indes nicht mehr anzuwenden (vgl. EuGH, U.v. 9.9.2021 – C-18/20 – juris Rn. 55). Gemäß § 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Abschiebung nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme ausgesetzt werden. Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99). Dabei bleiben Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG).
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Dies zugrunde gelegt bestehen bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 8. September 2023. Die Antragsgegnerin hat insoweit voraussichtlich zu Recht die erneute Durchführung eines Asylverfahrens sowie eine Abänderung des Bescheids vom 27. Juni 2017 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgelehnt.
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Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst die Ausführungen des angegriffenen Bescheids Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
21
2.1 Der Umstand, dass die mutmaßliche Ehefrau mit zwei Kindern, welche sich zum Zeitpunkt der Erstasylverfahrens noch im Heimatdorf des Antragstellers aufhielten (vgl. Anhörungsniederschrift vom 29.11.2016, S. 4), im Jahr 2019 ebenfalls nach Europa reisten und im Juni 2021 den Flüchtlingsstatus erhalten haben, ist für das Bestehen eines eigenen Schutzanspruchs des Antragsstellers irrelevant und kann insofern keine für den Antragsteller günstigere Entscheidung bewirken.
22
Soweit das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zugunsten des Antragstellers die Möglichkeit eines abgeleiteten Schutzanspruchs aus § 26 AsylG geprüft hat, hat es zunächst zutreffend darauf hingewiesen, dass unklar bleibe, wann und unter welchen Umständen sich das Paar wiedergefunden habe. Frau A. hat bei ihrer Anhörung im Juni 2021 angegeben, dass ihr Ehemann seit 2010 verschollen sei. Auch bei den Angaben des Antragstellers zum Verbleib von Frau A. handelt es sich ausweislich des Anhörungsprotokolls vom 13. Dezember 2021 offenbar nur um Informationen „vom Hörensagen“. Derzeit ist mithin nicht einmal dargetan, dass zwischenzeitlich eine unmittelbare Kontaktaufnahme des Antragstellers mit Frau A. erfolgte, geschweige denn, dass aktuell ein Familienverband im Bundesgebiet besteht. Auch die vom Antragsteller veranlasste Urkundenerstellung erfolgte wohl ohne Zutun (und möglicherweise auch ohne Einverständnis) von Frau A..
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Die Frage, ob die Familie vor der Ausreise des Antragstellers im Heimatland bestand und angesichts einer jahrzehntelangen und möglicherweise auch aktuell noch bestehenden Trennung als faktisch noch bestehend angenommen werden kann (vgl. zum Ausschluss von Familienasyl bei faktischer Aufhebung der Ehe: VG Hannover, U.v. 6.11.2023 – 13 A 1092/21 – juris) kann vorliegend offenbleiben. Denn die Voraussetzungen einer von Frau A. oder den Kindern abgeleiteten Zuerkennung von Flüchtlingsschutz oder subsidiärem Schutz gem. § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. mit § 26 Abs. 1 Satz 1 AsylG bzw. § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG liegen jedenfalls deshalb nicht vor, weil die Beantragung von Familienasyl ohne erkennbaren Zusammenhang zum Asylverfahren der Stammberechtigten erfolgte.
24
Die Beantragung von Familienasyl ist aufgrund des Zwecks der Regelung über das Familienasyl generell nur in einem zeitlich begrenzten Rahmen zulässig. Für die Fallkonstellation der Einreise eines Antragstellers nach Anerkennung des Stammberechtigten wird dies in § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bzw. § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AsylG durch das Erfordernis der „unverzüglichen“ Antragstellung klargestellt. Aber auch in der ersten Variante der Einreise vor Anerkennung des Stammberechtigten erfordert der Zweck der Regelungen über das Familienasyl einen gewissen zeitlichen Zusammenhang mit der Einreise bzw. Schutzbeanspruchung des Stammberechtigten (so auch: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Juni 2022, § 26 AsylG, Rn. 78 ff.; Günther/Nuckelt in BeckOK, Ausländerrecht, Stand 1.7.2023, § 26 AsylG, Rn. 11 jew. m.w.N.). Dabei kommt den Regelungen zum Familienasyl neben Zwecken der schnelleren Integration und Verfahrensvereinfachung insbesondere auch eine Ordnungsfunktion zu (vgl. zu § 26 Abs. 2 AsylVfG: BVerwG, U.v. 13.5.1997 – 9 C 35/96 – juris). Die Zulassung eines zeitlich unbeschränkten Anspruchs auf Geltendmachung von Familienasyl im Falle der Einreise vor Anerkennung des Stammberechtigten widerspräche ersichtlich dem Zweck des § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bzw. § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AsylG einen Zusammenhang mit dem Asylverfahren des Stammberechtigten klar- und sicherzustellen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 29.9.2022 – OVG 4 B 18/21 – juris Rn. 41). Dies gilt gerade auch in Fällen von Sekundärmigration, wo Familienangehörige in verschiedenen Mitgliedstaaten unabhängig voneinander verschiedene und – wie im Fall des Antragstellers – ggf. auch mehrere Asylverfahren betreiben.
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Selbst bei Annahme, dass die Familie bereits im Herkunftsland bestand und – unter Zugrundelegung der Angaben des Antragstellers im Rahmen des Erstverfahrens, welche mit den Angaben der Frau A. nicht in Einklang stehen – zumindest im November 2016 noch Telefonkontakt zwischen den Eheleuten bestand, hat der Antragsteller diesen Kontakt während seines jahrelangen Aufenthalts in verschiedenen Mitgliedstaaten offenbar vollständig abreißen lassen. Obwohl die Ehefrau mit den Kindern bereits Ende September 2019 ins Bundesgebiet einreiste, suchte der Antragsteller offenbar keinerlei Kontakt oder war sonst um eine Wiedervereinigung der Familie bemüht – obwohl eine Kontaktaufnahme über den Bruder der Ehefrau, welcher auf Veranlassung des Antragstellers im Heimatland eine neue Eheurkunde ausstellen ließ, wohl durchaus möglich gewesen wäre. Der Antragsteller hielt sich vielmehr offenbar weiterhin über Jahre hinweg im europäischen Ausland auf, bevor er sich im Jahr 2021 zu einer Nachholung der Beurkundung seiner Ehe und zu einer erneuten Rückkehr ins Bundesgebiet entschloss. Ein irgendwie gearteter zeitlicher oder funktionaler Zusammenhang seines Folgeantrags zur Einreise oder Schutzbeantragung der Stammberechtigten ist damit vorliegend weder erkennbar noch vorgetragen, sodass ein Anspruch des Antragstellers auf abgeleiteten Flüchtlingsschutz nach summarischer Prüfung ausscheidet.
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Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass sich auch dann nichts anderes ergäbe, wenn die Eheleute – entgegen ihrer Angaben gegenüber dem Bundesamt – über all die Jahre tatsächlich in Kontakt gestanden hätten und der Antragsteller mit der Veranlassung der Beurkundung der Ehe und Stellung seines Folgeantrags solange abgewartet haben sollte, bis Frau A. und den Kindern in Deutschland Schutz zugesprochen wurde. Ungeachtet der Frage, ob zwischen der Anerkennung der Stammberechtigten im Juni 2021 und der (Folge-)Antragstellung des Antragstellers im September 2021 noch ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang angenommen werden könnte, ist Anknüpfungspunkt nicht der Zeitpunkt der Anerkennung des Stammberechtigten, sondern dessen Einreise und/ oder Antragstellung. Ein anderes Verständnis stünde im Widerspruch zu den o.g. Zwecken des Familienasyls und würde mißbräuchlichem Verhalten wie insbesondere einem asyltaktisches Abwarten der Anerkennung des Stammberechtigten durch einen (Folge-)Antragsteller) Tür und Tor öffnen.
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2.2 Eine geänderte Sachlage ergibt sich schließlich auch nicht aus der Situation des Antragstellers als Rückkehrer nach einem längeren Auslandsaufenthalt im Westen. Es gibt insbesondere weiterhin keine verifizierten Berichte, wonach Al Shabaab Rückkehrer aus dem Westen systematisch angreifen würde (vgl. etwa: BayVGH, 10.7.2018 – 20 B 17.31595 – juris Rn. 29; VGH Hessen, U.v. 1.8.2019 – 4 A 2334/18.A – juris Rn. 49; OVG Niedersachsen, U.v. 5.12.2017 – 4 LB 50/16 – juris Rn. 51; VG Minden, U.v. 4.11.2020 – 1 K 2163/18.A – juris Rn. 142 ff.).
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Sonstige Gründe dafür, dass sich die der Erstentscheidung zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nachträglich zugunsten des Antragstellers geändert hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Gegenteil lassen die sich aus den Anhörungen vom 13. Dezember 2021 zu Tage tretenden Unstimmigkeiten der Angaben des Antragstellers gegenüber seinen Angaben im Rahmen des Erstverfahrens (s. nachfolgend Ziff. 2.4) bereits nach Aktenlage erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit der vorgetragenen Fluchtgeschichte aufkommen.
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2.3 Auch die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens wegen der Vorlage neuer Beweismittel gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG sind vorliegend nicht gegeben. Insoweit wurde bereits nicht substantiiert vorgetragen, weshalb die Urkundenerstellung offenbar erst im September 2021 veranlasst wurde, sodass bereits die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 VwVfG nicht erfüllt sein dürften. Ungeachtet dessen ist die vorgelegte Eheurkunde von vornherein nicht geeignet, eine für den Antragsteller günstigere Entscheidung herbeizuführen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen unter Ziff. 2.1 Bezug genommen.
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2.4 Der Antragsteller hat zudem nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen für eine Abänderung der Entscheidung zur Nichtfeststellung eines Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.
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Auch die begehrte Feststellung zum Vorliegen der Voraussetzungen der Abschiebungsverbote nach § 31 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG kann im Rahmen eines Folgeantrags nur nach den Maßgabe des § 51 VwVfG zum Wiederaufgreifen des Verfahrens erfolgen. Denn es existiert auch insoweit ein ablehnender und bestandskräftiger Bescheid des Bundesamts aus dem Jahr 2017, welcher (zunächst) einer erneuten inhaltlichen Befassung entgegensteht. Erst wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 und 2 VwVfG erfüllt sind, hat die Behörde das Verfahren wiederaufzugreifen und eine neue Entscheidung in der Sache zu treffen. Liegen dagegen die Voraussetzungen nicht vor, hat das Bundesamt nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zurückgenommen oder widerrufen wird. Insoweit besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (BVerwG, B.v. 21.3.2000 – 9 C 41.99 – juris Rn. 9; B.v. 15.1.2001 – 9 B 475/00 – juris Rn. 5).
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Die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslagelage in Somalia stellt sich zunächst weiterhin nicht so dar, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG anzunehmen wäre. Entscheidend bleibt vielmehr eine Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls einschließlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen (vgl. ausführlich VG München, U.v. 24.8.2023 – M 11 K 19.32943 – n.v.; VG Würzburg, U.v. 23.3. 2023 – W 4 K 22.30192; SächsOVG, U.v. 12.10.2022 – 5 A 78/19.A; VGH BaWü, U.v. 17.7.2019 – A 9 S 1566/18; U.v. 16.12.2021 – A 13 S 3196/19; BayVGH, U.v. 12.7.2018 – 20 B 17.31292 – jew. juris).
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Angesichts der bereits bei summarischer Prüfung der Aktenlage zu Tage tretenden Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Antragstellers ist im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt bereits keine Gefahrenprognose möglich, was zu Lasten des Antragsstellers geht. Die Angaben des Antragstellers im Rahmen des Erstverfahrens, wonach er sein Dorf vorrangig deshalb verlassen habe, weil ihm der Betrieb seines Kinos untersagt worden sei, lassen sich nicht in Einklang bringen, mit seinen Angaben im Rahmen des Folgeantragsverfahrens, wonach er als Viehhirte gearbeitet und das Land deshalb verlassen habe, weil er für die Eröffnung eines Ladens von den Ältesten zu Geldzahlungen aufgefordert worden sei. Die erst auf Vorhalt erfolgten weiteren Einlassungen des Antragstellers im Rahmen der Anhörung vom 13. Dezember 2021, wonach der Laden auch ein Kino umfasst habe, sind erkennbar vorgeschoben und daher nicht geeignet, um die Zweifel an der Glaubhaftigkeit auszuräumen.
34
Auch unter dem Gesichtspunkt einer gemeinsamen Rückkehrprognose mit weiteren Mitgliedern einer gelebten Kernfamilie (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – juris Rn. 16 ff.) ergibt sich nichts anderes. Insoweit wurde bereits nicht dargetan, dass aktuell überhaupt ein im Bundesgebiet gelebter Familienverband besteht. Dessen ungeachtet ist auch bei unterstellt gemeinsamer Rückkehr nach summarischer Prüfung der Aktenlage nicht ersichtlich, dass die Familie nicht imstande wäre, im Heimatland ein Leben zumindest am Rande des Existenzminimums zu führen. Nach Aktenlage verfügen sowohl der Antragsteller als auch Frau A. über Angehörige im Heimatland, zu denen – wie die Organisation der Heiratsurkunde über den Bruder von Frau A. belegt – weiterhin Kontakt besteht. Nachdem Frau A. mit den Kindern selbst in Abwesenheit des Antragstellers offenbar über viele Jahre hinweg im Heimatdorf bei den Angehörigen leben und im Jahr 2019 sogar eine Flugreise für sich und die Kinder nach Europa finanzieren konnte, ist im Falle einer gemeinsamen Rückkehr erst Recht davon auszugehen, dass die Familie im Heimatland ein Auskommen finden könnte.
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3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).
36
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).