Inhalt

VG München, Beschluss v. 18.12.2023 – M 1 S 23.5264
Titel:

Aufschiebende Wirkung, Denkmalschutzrechtliches Betretungsrecht, Vorläufiger Rechtschutz

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4
VwGO § 80 Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
BayDSchG Art. 16 Abs. 1
Schlagworte:
Aufschiebende Wirkung, Denkmalschutzrechtliches Betretungsrecht, Vorläufiger Rechtschutz
Fundstelle:
BeckRS 2023, 38390

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des Eilrechtschutzes gegen eine sofort vollziehbare Anordnung der Duldung des Betretens eines Gebäudes aus denkmalrechtlichen Gründen.
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Er ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. ... Gem. … … Auf dem Grundstück befinden sich zwei Hallen und ein weiteres, kleines Gebäude. Das kleine Gebäude ist als Einzeldenkmal gelistet. In der Denkmalliste wird es als „Ehem. Fischerhaus, zweigeschossiger Pyramidendachbau mit verschaltem Obergeschoss in Blockbauweise unter Wiederverwendung älterer Hölzer, um Mitte 19. Jh.“ beschrieben.
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Unter dem 2. August 2019 fertigte der vom Antragsteller beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. T … ein Gutachten zur Beurteilung der Bausubstanz des Denkmals im Hinblick auf die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit an. Der Gutachter kommt aufgrund einer Ortsbesichtigung mit dem Antragsteller zu dem Ergebnis (S. 3, S. 5 des Gutachtens), dass das Betreten des Gebäudes grundsätzlich nicht zulässig sei, weil eine Gefährdung für Leben und Gesundheit bestehe. Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit seien nicht mehr gegeben. Die vollständige Erneuerung der gesamten Holzkonstruktion sei erforderlich, eine Instandsetzung in Teilbereichen des Holztragewerks nicht mehr möglich. Voraussetzung für die Erneuerung sei die Überprüfung des Baugrunds mit eventueller Ertüchtigung der Gebäudegründung und die Instandsetzung der ggf. verbleibenden massiven Außenwände im Erdgeschoss.
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Im Jahr 2020 nahm der Antragsgegner mit einer Vertreterin des Bayerischen Landesamts für ... (im Folgenden: BLfD) eine Gebäudebesichtigung vor und fertigte Lichtbilder.
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Unter dem 29. Oktober 2020 fertigte das BLfD einen Aktenvermerk zu dem Denkmal. Dabei wurden diverse Schäden des Gebäudes aufgezählt (S. 3). Das Gebäude sei restaurierungsfähig. Die Schäden seien umfangreich, beträfen aber weniger als die Hälfte der Gebäudesubstanz. Unabhängig von einer möglichen Erhaltung sei es wichtig, das Denkmal zu dokumentieren. Eine Bauaufnahme des Grundrisses des Obergeschosses sowie ein Schnitt durch das Gebäude im Maßstab 1:25 seien sinnvoll; die nicht betretbaren Bereiche könnten geschätzt werden.
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Im August 2022 beantragte der Antragsteller eine Abrissgenehmigung beim Landratsamt; über den Antrag ist noch nicht entschieden.
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Nach weiterem Schriftverkehr mit der Antragspartei verpflichtete der Antragsgegner den Antragsteller mit streitgegenständlichem Bescheid vom 23. Oktober 2023, folgende Maßnahme zu dulden (I.):
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„Das BLfD beauftragt auf Kosten des BLfD einen denkmalerfahrenen Statiker, der ein Gutachten zur Standsicherheit und möglicherweise zur Wiederherstellung des Denkmals erstellt. Hierzu muss von den beauftragten Personen sowie von Mitarbeitern der Denkmalschutzbehörden das Denkmal möglicherweise betreten werden. Das Risiko der Versicherungspflicht trägt der Auftraggeber bzw. die von ihm beauftragten Personen.“
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Die sofortige Vollziehbarkeit der Ziffer I. wurde angeordnet (II.). Für den Fall der Verhinderung der Durchführung der Ziffer I. drohte der Antragsgegner ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR an (III.). Zur Begründung ist ausgeführt, dass sich das Denkmal aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung und eines nicht reparierten Schadens der Dacheindeckung in einem deutlich beschädigten Zustand befinde. Der Antragsteller habe den Abbruch des Denkmals beantragt. Im Rahmen einer Ortsbesichtigung am 23. Juli 2020 sei festgestellt worden, dass es Schäden am Gebäude gebe und dadurch Gefahren entstehen könnten. Mit Schreiben vom 3. September 2020 sei der Antragsteller darauf hingewiesen und um Behebung der Schäden gebeten worden. Eine Rückmeldung sei nicht erfolgt. Das BLfD sei zu der Einschätzung gelangt, dass das vom Antragsteller vorgelegte Gutachten aus dem Jahr 2019 nicht den denkmalfachlichen Anforderungen entspreche und nicht zur Beurteilung herangezogen werden könne. Dem Abbruchantrag könne nach dem derzeitigen Kenntnisstand des BLfD deshalb nicht stattgegeben werden. Für eine abschließende Prüfung werde ein Gutachten zur Standsicherheit und möglicherweise Wiederherstellung des Denkmals benötigt, das u.a. das Bauwerk dokumentiere, eine Schadenskartierung und -bewertung vornehme und eine qualifizierte Einschätzung der Sanierungsfähigkeit und des Umfangs der notwendigen Eingriffe in die denkmalgeschützte Substanz abgebe. Der Antragsteller habe zu verstehen gegeben, dass er keinerlei Maßnahmen durchführe oder beauftrage, sodass sich das BLfD bereit erklärt habe, den aus denkmalfachlicher Sicht benötigten Umfang selbständig zu beauftragen. Rechtsgrundlage für die Anordnung sei Art. 4 Abs. 1 BayDSchG. Die Maßnahme sei geeignet, notwendig und verhältnismäßig. Sie sei geeignet, um zeitnah Entscheidungsgrundlagen für den Umfang mit dem denkmalgeschützten Gebäude zu sammeln. Sie sei notwendig, weil ohne die Durchführung bzw. bei einer Verlagerung auf den Eigentümer mit einer weiteren Verzögerung und dadurch einer Beschleunigung des Schadensverlaufs zu rechnen sei. Mittelfristig sei eine Gefährdung des gesamten Baubestandes zu befürchten. Die Anordnung sei auch verhältnismäßig, weil zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks keine weniger eingreifenden Mittel zur Verfügung stünden. Ferner werde der Antragsteller durch die Maßnahme finanziell nicht belastet. Das Landratsamt habe Ermessen ausgeübt. Angesichts des Zustands des Denkmals und der drohenden Verschlechterung habe eingegriffen werden müssen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei notwendig, weil der Eintritt von weiteren Schäden und die Verschlechterung des Zustands des Denkmals durch Witterungseinflüsse zu befürchten sei und damit Gefahr im Verzug für wichtige und unverzichtbare Bestandteile des Baudenkmals vorliege. Eine Entscheidung über mögliche Rechtsbehelfe könne nicht abgewartet werden.
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Mit am 3. November 2023 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller Klage erhoben (M 1 K 23.5263) und beantragt zudem,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 23.10.2023 wiederherzustellen.
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Das Gebäude habe als Unterstand für Tiere gedient. Es sei nicht bewohnbar, der bauliche Zustand sei derart schlecht, dass akute Einsturzgefahr bestehe. Eine Sanierung sei in der Vergangenheit mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand nicht möglich gewesen. Seit Jahren sei das Dach eingebrochen, Standsicherheit sei nicht mehr gegeben. Dies sei in dem Gutachten vom 2. August 2019 festgestellt worden. Seit dem Gutachten seien mehr als vier Jahre vergangen, sodass sich aufgrund der Witterung die Einsturzgefahr sowie die Gefährdung von Leben und Gesundheit weiter erhöht habe. Der Antragsteller stehe deshalb seit 2019 in Kontakt mit der Denkmalbehörde. Angesichts der Zerstörung, der mangelnden Standsicherheit sowie der Einsturzgefahr sei die Frage der noch bestehenden Denkmaleigenschaft und die Möglichkeit des Abrisses diskutiert worden. Der Antragsteller habe sodann im August 2022 einen Abbruchantrag gestellt, über den noch nicht entschieden worden sei. Die aufschiebende Wirkung der Klage sei wiederherzustellen, weil die Anordnung des Sofortvollzugs in Ziffer II. des Bescheids rechtswidrig sei. Es bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse am Sofortvollzug, weil durch die Anordnung des Sofortvollzugs eine Gefahr für Leben und Gesundheit von Personen, die in das Gebäude zum Zwecke der Untersuchung entsendet werden sollten, begründet werde. Es sei dem Antragsteller nicht zumutbar, eine derartige Gefährdung Dritter hinzunehmen. Die Tatsache, dass das Risiko der Versicherungspflicht den Auftraggeber bzw. die beauftragten Personen treffen solle, ändere daran nichts, weil sich der Antragsteller als Eigentümer in einer Mitverantwortung sehe. Der Bescheid sei zudem offensichtlich rechtswidrig, weil er gegen allgemeingültige Sicherheitsregeln, wie sie etwa in Art. 3 Abs. 1 BayBO geregelt seien, verstoße. Der Bescheid sei ferner unverhältnismäßig, weil er aufgrund der bestehenden Lebensgefahr beim Betreten nicht geeignet sei, denkmalschutzrelevante Erkenntnisse zu gewinnen. Jedenfalls sei das Betreten nicht notwendig, weil bereits eine umfangreiche denkmalrechtliche Dokumentation des Gebäudes (Bericht vom 29. Oktober 2020) bestehe und die Forderung nach einer solchen Dokumentation selbst vom BLfD nicht infrage gestellt werde. Jedenfalls habe das BLfD festgestellt, dass an einer Erhaltenspflicht des Gebäudes nicht festgehalten werde. Bei der vorliegenden umfangreichen Dokumentation seien weitergehende Untersuchungen nicht angemessen. Selbst bei Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sei ein besonderes Vollzugsinteresse nicht gegeben. Das Landratsamt beschäftige sich seit vier Jahren mit der Angelegenheit, ohne dass eine besondere Eile angenommen worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb nun ein besonderes Eilbedürfnis bestehen solle.
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Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2023,
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den Antrag abzulehnen.
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Im Rahmen einer Zustandsüberprüfung habe 2019 eine Besichtigung des Denkmals mit dem Antragsteller und der Unteren Denkmalbehörde des Landratsamts stattgefunden. Aufgrund der vorgefundenen Schäden am Objekt sei der Antragsteller in Abstimmung mit dem BLfD aufgefordert worden, Maßnahmen zur Notsicherung vorzunehmen. Es sei mehrmals darauf hingewiesen worden, dass die Beurteilung durch einen denkmalerfahrenen Statiker erfolgen solle; die Beauftragung dessen solle vorab mit dem BLfD abgestimmt werden. Trotz dieser Empfehlung habe der Antragsteller ohne Abstimmung einen Statiker beauftragt, der nur auf die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit eingegangen sei und im Ergebnis ein absolutes Betretungsverbot bescheinigt habe. Die Aussage des Statikers, dass es sich um ein einsturzgefährdetes Gebäude handle und nicht betreten werden dürfe, werde grundsätzlich nicht angezweifelt. Allerdings solle dies von einem denkmalerfahrenen Statiker bestätigt werden. Das Gebäude erfülle die Voraussetzungen des Denkmalbegriffs. Rechtsgrundlage des Bescheids sei Art. 4 Abs. 1 BayDSchG. Die Maßnahme sei geeignet, um zeitnah die Entscheidungsgrundlagen für den Umgang mit dem denkmalgeschützten Gebäude beurteilen zu können. Sie sei notwendig, weil ohne ihre Durchführung bzw. bei einer Verlagerung auf den Eigentümer mit einer weiteren Verzögerung und damit zumindest mittelfristig einer Gefährdung des gesamten Bauzustands zu befürchten sei. Sie sei auch verhältnismäßig, keine weniger eingreifenden Mittel zur Verfügung stünden. Das Landratsamt habe zudem Ermessen ausgeübt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte, auch im zugehörigen Hauptsacheverfahren M 1 K 23.5263, Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig. Soweit er sich gegen die für sofort vollziehbar erklärte Duldungsverfügung richtet, ist er als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ziffer I. des Bescheids vom 23. Oktober 2023 gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft. Die Klage hat insoweit gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung. Im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohung wird der Antrag im wohlverstandenen Interesse der Antragspartei als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung verstanden, die kraft Gesetzes entfallen ist, § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, Art. 21a Satz 1 VwZVG.
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Das Gericht der Hauptsache kann gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn die vorzunehmende, eigene Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Maßgeblich dafür sind in erster Linie die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt nach gebotener, aber auch ausreichender summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig, so ist die Vollziehung regelmäßig auszusetzen, da an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erscheint der Verwaltungsakt nach vorläufiger Betrachtung hingegen als voraussichtlich rechtmäßig, so ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen, sofern ein besonderes Vollzugsinteresse besteht. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, findet eine eigene gerichtliche Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
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Ausgehend davon ergibt die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende summarische Prüfung, dass die Klage keine Erfolgsaussichten hat, weil der angefochtene Verwaltungsakt – der Bescheid des Antragsgegners vom 23. Oktober 2023 – voraussichtlich rechtmäßig ist.
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a) Die Anordnung des Sofortvollzugs ist formell rechtmäßig. Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei reicht jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen. Es müssen also die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen (Hoppe in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2022, § 80 Rn. 55).
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Die Begründung des Antragsgegners unter II.f) (Seite 4) des Bescheids genügt diesen Anforderungen. Er hat die Notwendigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs u.a. mit der Gefahr des Eintritts weiterer Schäden und der Verschlechterung des Zustands des Denkmals durch Witterungseinflüsse begründet. Ob die Begründung zutreffend ist, kann an dieser Stelle dahinstehen; auf die inhaltliche Richtigkeit der Begründung kommt es für die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs nicht an.
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b) Nach der im Verfahren des Eilrechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden, summarischen Prüfung hat die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23. Oktober 2023 voraussichtlich keinen Erfolg. Die Anordnung der Duldung des Betretens des denkmalgeschützten Gebäudes ist rechtmäßig. Das Zwangsgeld begegnet ebenfalls keinen Bedenken, sodass der Bescheid nach summarischer Prüfung rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt daher das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
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aa) Die Duldungsanordnung in Ziff. I. des Bescheids ist rechtmäßig.
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(1) Die Anordnung ist formell rechtmäßig, insbesondere bestehen nach summarischer Prüfung im Ergebnis keine Bedenken hinsichtlich der nach Art. 28 BayVwVfG notwendigen Anhörung.
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(a) Gem. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist einem Beteiligten vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in seine Rechte eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
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Eine explizite Anhörung des Antragstellers vor Erlass der streitgegenständlichen Duldungsverfügung ist den vom Antragsgegner vorgelegten Behördenakten nicht zu entnehmen.
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(b) Ob von der Anhörung gem. Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG abgesehen werden konnte, kann dahinstehen, weil das Unterbleiben der Anhörung selbst bei fehlender Entbehrlichkeit jedenfalls unbeachtlich sein dürfte. Gem. Art. 46 BayVwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach Art. 44 BayVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Es spricht vorliegend viel dafür, dass der Antragsgegner auch nach einer gesonderten Anhörung des Antragstellers die streitgegenständliche Duldungsverfügung ausgesprochen hätte. Ausweislich der beigezogenen Behördenakten ist der Verfügung ein langjähriger und unmittelbar vor Erlass des Bescheids zunehmender Schriftverkehr zwischen den Beteiligten vorausgegangen. Bereits im Juli 2023 stellte das Landratsamt fest, dass sich der Antragsteller beharrlich weigert, eine Untersuchung oder Begutachtung des Denkmals vornehmen zu lassen (Bl. 19 d. Behördenakte ab Juni 2021 – BA). Im Oktober 2023, ca. zwei Wochen vor Erlass des Bescheids, nahm schließlich die sog. „Task Force Denkmalpflege“ des BLfD Kontakt zum Antragsteller bzgl. seines Abbruchantrags auf, wies auf das weitere Verfahren hin und bot ihre Unterstützung zur Rettung des Denkmals an (Bl. 38 f. d. BA). Nach einer internen E-Mail im Landratsamt habe sich der Antragsteller daraufhin beim BLfD gemeldet und sämtliche Unterstützung bei der weiteren Behandlung des Denkmals abgelehnt. Das BLfD habe sodann um Erlass der Duldungsanordnung gebeten (Bl. 41 d. BA).
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Angesichts dieser Stimmungslage zwischen den Beteiligten ist nicht davon auszugehen, dass eine Anhörung des Antragstellers eine andere Entscheidung hätte erwarten lassen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller vor Erlass der Duldungsverfügung neue Aspekte vorgetragen hätte, die zu einer anderen Entscheidung des Antragsgegners geführt hätten, sodass ein etwaiger Verfahrensfehler gem. Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich ist.
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Schließlich hat auch die Antragspartei keine Bedenken hinsichtlich der fehlenden Anhörung erhoben.
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(2) Auch in materieller Hinsicht ist die Duldungsanordnung nicht zu beanstanden.
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Der Antragsgegner hat die Anordnung auf Art. 4 Abs. 1 BayDSchG gestützt, wonach Eigentümer und sonst dinglich Verfügungsberechtigte von Baudenkmälern ihre Baudenkmäler instandzuhalten, instandzusetzen, sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdung zu schützen haben, soweit ihnen das zuzumuten ist.
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Richtige Rechtsgrundlage für die Anordnung der Duldung des Betretens ist indes Art. 16 Abs. 1 BayDSchG. Danach sind die Denkmalschutzbehörden und das Landesamt für Denkmalpflege berechtigt, im Vollzug des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes Grundstücke auch gegen den Willen der Betroffenen zu betreten, soweit das zur Erhaltung eines Bau- oder Bodendenkmals oder eines eingetragenen beweglichen Denkmals dringend erforderlich erscheint.
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Bei dem streitgegenständlichen Gebäude dürfte es sich um ein Baudenkmal i.S.d. Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 BayDSchG handeln. Zwar steht die Denkmaleigenschaft aufgrund des (unstreitigen) Sanierungsbedarfs zwischen den Beteiligten zur Diskussion. Die Fachbehörde und der Antragsgegner gehen im streitgegenständlichen Bescheid weiter von der Denkmaleigenschaft des als Denkmal gelisteten Gebäudes aus. Im Übrigen soll das nach der geplanten Betretung des Gebäudes anzufertigende Gutachten u.a. das Bauwerk dokumentieren, sodass die Maßnahme auch der Beurteilung der Denkmaleigenschaft dienen dürfte. Im Rahmen der summarischen Prüfung ist daher weiterhin von einem Denkmal i.S.d. Art. 1 BayDSchG auszugehen. Als solches ist es schließlich auch in die Denkmalliste aufgenommen worden, Art. 2 Abs. 1 BayDSchG.
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Die Tatbestandsvoraussetzungen für das Betretungsrecht des Baudenkmals liegen vor. Der Antragsgegner hat schlüssig dargelegt, dass das Betreten des Gebäudes dringend erforderlich ist. Das Landratsamt hat bereits im Jahr 2020 eine Ortsbesichtigung durchgeführt und Schäden am Gebäude festgestellt. In der Folge wurde der Antragsteller um Behebung der Schäden gebeten, was nicht geschah. Mit der Stellung des Antrags auf Beseitigung des Denkmals gem. Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BayDSchG im August 2022 hat der Antragsteller eine erneute Befassung der Behörde mit dem Denkmal notwendig gemacht. Dieser vom Antragsteller gesetzte Umstand macht eine aktuelle Besichtigung des Denkmals mit dem BLfD als Fachbehörde (vgl. Art. 12 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 BayDSchG) erforderlich, wenngleich bereits Dokumentation von Seiten des Antragstellers und des Antragsgegners vorhanden ist. Der Antragsteller hat selbst dargelegt, dass sich die Situation seit der letztmaligen Befassung der Behörde weiter verschlechtert hat. Ein Zurückgreifen auf drei bzw. vier Jahre alte Unterlagen ist nicht geeignet, den 2022 gestellten Abbruchantrag zu beurteilen. Die genannten Unterlagen erweisen sich für eine umfassende Bewertung des aktuellen Zustands des Denkmals – welcher für die Entscheidung über den Abbruchantrag zwingend notwendig ist – als unzureichend.
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Soweit der Antragsteller die Maßnahme deshalb als unverhältnismäßig beurteilt, weil aufgrund der Baufälligkeit Gefahr für Leib und Leben bei Betreten des Gebäudes bestehe, führt dies ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der Anordnung. Der Antragsgegner hat den Antragsteller von jeglicher Haftung freigestellt, indem er erklärt hat, dass das Risiko der Versicherungspflicht der Auftraggeber bzw. die von ihm beauftragten Personen trägt bzw. tragen. Die dem Antragsteller gegenüber verfügte Duldung ist ihm gegenüber deshalb nicht unverhältnismäßig, weil durch sie von vornherein ausgeschlossen ist, dass er mit Haftungsfolgen belastet werden könnte.
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bb) Die Zwangsgeldandrohung in Ziff. II. des Bescheids begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Der Antragsgegner hat das Zwangsgeld in rechtlich nicht zu beanstandender Weise für den Fall der Verhinderung der Durchführung der Ziff. I. in Höhe von 2.000,00 EUR, und damit im unteren Bereich des vorgesehenen Rahmens, angedroht. Die Antragspartei hat diesbezüglich auch nichts vorgetragen.
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c) Ein weitergehendes besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Duldungsanordnung ist nicht notwendig. Nach oben Genanntem liegen die Voraussetzungen für die Anordnung des Betretungsrechts – u.a. die besondere Dringlichkeit der Anordnung – vor, sodass es keines über den Erlass der Duldungsanordnung hinausgehenden besonderen Vollzugsinteresses bedarf (BayVGH, B.v. 10.1.2013 – 1 CS 12.2638 – juris Rn. 6 m.w.N.). Auf die vom Antragsteller vorgebrachten Bedenken, dass ein besonderes Vollzugsinteresse deshalb nicht gegeben sei, weil sich das Landratsamt seit vier Jahren mit der Angelegenheit beschäftige, kommt es daher nicht an. Im Übrigen wäre ein besonderes Vollzugsinteresse ohnehin anzunehmen, weil der Antragsteller mit Stellung des Abbruchantrags im Jahr 2022 neue Tatsachen geschaffen hat (s.o.) und jetzt Klarheit bezüglich des Denkmalzustands geschaffen werden muss.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs. Es erscheint angemessen, den für die Hauptsache anzunehmenden Streitwert von 5.000,00 EUR im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes zu halbieren.