Inhalt

VG München, Urteil v. 08.08.2023 – M 1 K 19.1593
Titel:

Vorbescheid, Großflächiger Einzelhandel, Erweiterung, Unwirksamkeit eines Bebauungsplans (bejaht), Höhenfestsetzung

Normenketten:
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 8
BauNVO § 11 Abs. 3
BayBO Art. 71 S. 1
Schlagworte:
Vorbescheid, Großflächiger Einzelhandel, Erweiterung, Unwirksamkeit eines Bebauungsplans (bejaht), Höhenfestsetzung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 17.03.2025 – 1 ZB 24.2
Fundstelle:
BeckRS 2023, 38389

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Vorbescheids für die Erweiterung der Verkaufsfläche eines bereits bestehenden Einzelhandelsgeschäfts für … durch Umnutzung eines Teils des Lagerbereiches.
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Die Klägerin betreibt auf dem Grundstück FlNr. ... Gem. … (Vorhabengrundstück) einen Verbrauchermarkt (… discounter). Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungplans Nr. ... Dieser setzt für das Vorhabengrundstück ein Gewerbegebiet fest (Nr. 1.1 der textlichen Festsetzungen) und bestimmt maximale Traufhöhen von 10,00 m sowie maximale Firsthöhen von 15,0 m (Planzeichen). In Nr. 2.2 der textlichen Festsetzungen ist geregelt, dass Bezugspunkt für die maximal zulässigen Trauf- und Firsthöhen die Höhenkote der Gehwegoberkante der neuen Erschließungsstraße ist. Ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan soll durch die Festlegung von maximal zulässigen Trauf- und Firsthöhen erreicht werden, dass die Bebauung unter der Wipfelhöhe von ausgewachsenen Bäumen bleibt (Begründung Nr. 3.2), die rhythmische Gliederung des Planungsgebiets durch einreihige, großkronige, orthogonal zur Autobahn angeordnete Baumreihen soll zum Entstehen eines relativ einheitlich strukturierten, durchgrünten Stadtrands beitragen (Begründung Nr. 3.1). Eine Festlegung der Höhenkote der neuen Erschließungsstraße enthält der Plan nicht. Gemäß Nr. 4.1 der textlichen Festsetzungen ist die Fläche für die Errichtung von Verkehrsflächen und baulichen Anlagen um 1,5 m- 2 m gegenüber der gewachsenen Geländeoberfläche aufzuschütten.
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In Nr. 1.2 der textlichen Festsetzungen ist Folgendes geregelt: „Die folgenden, nach § 8 (2) sonst zulässigen Nutzungen sind nicht zulässig: großflächige Verbrauchermärkte; Lagerplätze für Schrott, Abfälle und sonstige grundwassergefährdende Lagerflächen. Unberührt davon bleiben Lagerflächen als untergeordnete Nebenanlagen zu zugelassenen Betrieben.“
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Unter dem 23. Oktober 2000 erhielt die Klägerin für das Vorhabengrundstück die Baugenehmigung zum Neubau eines Einzelhandelsgeschäfts für … mit einer Verkaufsfläche von 886 m² und einer Geschossfläche von 1.394 m². Mit der Baugenehmigung wurden Befreiungen vom Bebauungsplan erteilt hinsichtlich der Art der Nutzung (Nr. 1.2: Ausschluss von großflächigem Einzelhandel), der Grundflächenzahl, der Überschreitung der Baugrenzen im Osten, der Dachneigung sowie der Lage der Baumreihe.
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Mit Bescheid vom 1. Juni 2006 wurde eine Erweiterung der Verkaufsfläche auf 981,79 m² sowie der Geschossfläche auf 1.573 m² genehmigt. In den Gründen des Bescheids ist hierzu ausgeführt, dass der Bauherr für die Erweiterung ein Verträglichkeitsgutachten vorgelegt habe. Auswirkungen auf die Innenstadt, negative Auswirkungen auf den Verkehr sowie überörtliche Auswirkungen seien nicht zu erwarten. Damit einher ging die Erteilung von Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Art der Nutzung, der Grundflächenzahl, der Überschreitung der Baugrenzen im Osten und der Dachneigung.
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Unter dem 3. April 2008 erging ein Tekturbescheid „Erweiterung eines Einzelhandelsgeschäfts – nach Tektur: Anbau eines Lagerraumes“ (Erhöhung der Geschossfläche von 1.573 m² auf 1.653 m²).
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Mit Bescheid vom 2. Juli 2018 wurde, unter Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu den Baugrenzen, der privaten Grünfläche und hinsichtlich der Art der Nutzung („gebietscharakterfremder großflächiger Einzelhandelsbetrieb mit 981,28 qm“), schließlich die Verschiebung der Verkaufsflächen und des Lagers genehmigt. Es erfolgte damit die Erweiterung der Geschossfläche auf 2.015,74 m².
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Unter dem 30. Oktober 2018 beantragte die Klägerin die Erteilung des streitgegenständlichen Vorbescheids zu der Frage „Ist die Erweiterung der Verkaufsfläche auf 1.200 qm bauplanungsrechtlich hinsichtlich der Nutzungsart zulässig?“. Zugleich wird die Befreiung von Nr. 1.2 des Bebauungsplans beantragt. Geplant ist die Nutzungsänderung eines Lagers in Verkaufsfläche und der Umbau eines Fahrradabstellplatzes. Dadurch würde eine Verkaufsfläche von 1.199,56 m² (Geschossfläche gleichbleibend bei 2.015,74 m²) entstehen. Die Befreiung von den Festsetzungen betreffend den Ausschluss großflächiger Verbrauchermärkte sei städtebaulich vertretbar, weil es sich nicht um eine Neuerrichtung, sondern um die Erweiterung eines bestehenden Marktes handle, um diesen den heutigen Anforderungen anzupassen. Eine Erweiterung des Sortiments und des Gebäudes erfolge hierbei nicht.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 6. März 2019 lehnte die Beklagte die Erteilung des Vorbescheids ab. Der Bebauungsplan schließe großflächige Verbrauchermärkte ausdrücklich aus. Dabei sei ab einer Verkaufsfläche von 800 m² von einem großflächigen Einzelhandel auszugehen. Demgegenüber sei die Erweiterung auf eine Verkaufsfläche von knapp 1.200 m² geplant. Mit der Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO sei daher für das Vorhaben mit 2.015,74 m² Geschossfläche davon auszugehen, dass von dem Vorhaben nach Art, Lage und Umfang nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung mit sich brächte. Die Regelvermutung sei zwar widerlegbar, dies sei jedoch Aufgabe des Bauherrn. Die in der Vergangenheit zugunsten des Vorhabens erteilten Befreiungen hätten ausgesprochen werden können, weil keine der in § 11 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO genannten Auswirkungen anzunehmen gewesen seien. Mit dem nun beabsichtigten Vorhaben entstünde eine Überschreitung des Richtwerts von 800 m² Verkaufsfläche um 400 m², sodass es die anderthalbfache der von der Rechtsprechung als zulässig angesehene Verkaufsfläche aufweisen würde.
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Gegen diesen Ablehnungsbescheid hat die Klägerin mit am ... April 2019 eingegangenem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten Klage erhoben und beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 6. März 2019 zu verpflichten, den beantragten Vorbescheid zur Erweiterung der Verkaufsfläche des Einzelhandelsbetriebs zu erteilen.
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Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richte sich vorliegend nicht nach § 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. ... der Beklagten, da dieser Bebauungsplan unwirksam sei. Vielmehr sei das Vorhaben nach § 34 BauGB zu beurteilen. Nach Nr. 1.2 der textlichen Festsetzung seien großflächige Verbrauchermärkte und Lagerflächen für Schrott, Abfälle sowie Autowrackplätze und sonstige grundwassergefährdende Lagerflächen unzulässig. Diese Regelung dürfte unbestimmt sein. Der Begriff der „Großflächigkeit“ werde in der BauNVO verwendet. Dabei seien großflächige Einzelhandelsbetriebe schon durch die Festsetzung der Art der Nutzung als Gewerbegebiet ausgeschlossen. Es stelle sich die Frage, ob die Beklagte hier eine anderweitige Begrifflichkeit verwenden habe wollen. In der Begründung zum Bebauungsplan sei hierzu Folgendes ausgeführt:
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„Großflächige Verbrauchermärkte sind wegen des dadurch ausgelösten starken Verkehrsaufkommens und der notwendigen Flächen für den ruhenden Verkehr nicht zulässig. Sie würden in Verbindung mit anderen im Großraum … geplanten Einrichtungen durch ihren Kaufkraftabzug die wirtschaftliche Tragfähigkeit der zentralen Einkaufseinrichtungen und die mittelständische Struktur der verbrauchernahen Versorgung in … unangemessen gefährden.“
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Es bleibe unklar, ob von dieser Regelung auch Betriebe mit weniger als 800 m² Verkaufsfläche erfasst werden sollten. Ebenso sei unklar, was „grundwassergefährdende Lagerflächen“ seien, eine gesetzliche Definition gebe es nicht.
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Zudem setze der Bebauungsplan zum Maß der baulichen Nutzung Traufhöhen von 10 m, Firsthöhen von 15 m fest. Gemäß Nr. 2.2 sei Bezugspunkt die Höhenkote der Gehwegoberkante der neuen Erschließungsstraße. Zu deren Höhe gelte nach Nr. 4.1, dass die Flächen für die Errichtung von Verkehrsflächen und baulichen Anlagen um 1,5 m- 2 m gegenüber der gewachsenen Geländeoberfläche aufzuschütten seien. Diese Regelung sei wegen Unbestimmtheit unwirksam. Enthalte der Bebauungsplan verschiedene Höhenfestsetzungen, die sich auf einen unteren Bezugspunkt beziehen, der nicht veränderbar ist, müsse zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses dieser untere Bezugspunkt entweder im Bebauungsplan oder zumindest durch mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen Plänen konkret festgelegt sein. Eine nicht ausreichend bestimmte Höhenfestsetzung bestehe auch dann, wenn unklar sei, an welcher Stelle die maßgeblichen unteren Bezugspunkte liegen. Hier sei die genaue Höhe der geplanten neuen Verkehrsfläche nicht festgesetzt. Dies führe vorliegend auch zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans, weil nicht mit der erforderlichen Sicherheit angenommen werden könne, dass der Satzungsgeber die Restbestimmung auch ohne die Festsetzung zu den Trauf- und Firsthöhen gewollt hätte.
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Das Vorhaben sei daher nach § 34 BauGB zu beurteilen und füge sich im Hinblick auf die vorhandene Filiale mit mehr als 800 m² in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Hierfür reiche das Vorhandensein eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs aus, der auch der eigene vorhandene Betrieb sein könne.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klage sei bereits unzulässig. Nachdem die Klägerin seit zwanzig Jahren alle ihre Planungen, Bauanträge und Baumaßnahmen an dem Bebauungsplan ausgerichtet habe, könne sie eine etwaige anfängliche Unwirksamkeit im Rahmen der beantragten Inzidentprüfung nicht mehr für sich in Anspruch nehmen. Diese habe sowohl im Hinblick auf die kritisierte Höhenfestsetzung als auch die festgesetzte Art der Nutzung den Bebauungsplan zu ihrem Vorteil in Anspruch genommen. Der Vortrag sei daher rechtsmissbräuchlich.
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Überdies seien die kritisierten Festsetzungen nicht unwirksam. Bei dem Ausschluss von großflächigen Verbrauchermärkten in Nr. 1.2 handle es sich um eine reine Klarstellung, die Satzung bleibe auch ohne diese Festsetzung sinnvoll. Aus der von der Klägerin zitierten Begründung gehe eindeutig hervor, dass hiermit großflächige Einzelhandelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO gemeint seien. Ebenso sei eindeutig erkennbar, was mit „sonstigen grundwassergefährdenden Lagerflächen“ gemeint sei, dies ergebe sich aus Nr. 3.2 der Begründung. Aus dem Zusammenspiel aller im Bebauungsplan befindlichen Unterlagen, den getroffenen Festsetzungen sowie der einschlägigen Begründung sei eindeutig erkennbar, welche Bezugshöhe zu beachten sei. Selbst wenn man eine Unwirksamkeit annähme, beträfe diese allenfalls die maßgebliche Festsetzung. Jedoch sei durch die Festlegung der notwendigen Aufschüttungen (ausgehend von der im Plangebiet vorliegenden natürlichen Geländeoberfläche) in Höhe von 1,5 m bis 2 m und dem festgelegten Bezugspunkt (Gehwegoberkante) klar, wie die zulässige Trauf- bzw. Firsthöhe zu berechnen sei.
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Aber auch unter dem Regime des § 34 BauGB sei das Vorhaben planungsrechtlich unzulässig. Denn im näheren Umfeld finde man verschiedene typische Gewerbebetriebe und den Betrieb der Klägerin mit 981 m² Verkaufsfläche. Eine Erweiterung hielte sich nicht mehr in dem Rahmen, der durch die Umgebungsbebauung vorgegeben werde und würde sich daher nicht einfügen. Im Übrigen seien dann die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 BauGB i.V.m. dem Einzelhandelskonzept der Beklagten in den Blick zu nehmen.
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Die Klägerin ließ hierzu erwidern, dass im vorliegenden Einzelfall ein widersprüchliches, treuwidriges Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Unwirksamkeit des Bebauungsplans nicht vorliege. Die Klägerin habe im Aufstellungsverfahren nicht mitgewirkt. Hinsichtlich der Höhenfestsetzung habe die Beklagte nicht aufzeigen können, wie bei Aufschüttungen in Höhe von 1,5 m bis 2 m ein einheitlicher Bezugspunkt für die Gebäudehöhen erreicht werden solle, die Gehwegoberkante sei bei Satzungsbeschluss noch nicht fertiggestellt gewesen. Auch ergeben sich aus der Begründung keine weiteren Anhaltspunkte. Daraus ergebe sich die Gesamtunwirksamkeit der Satzung, weil der untere Bezugspunkt für sämtliche Gebäude im Plangebiet relevant sei. Ausweislich der Begründung sei die Festsetzung der Höhe erfolgt, damit bauliche Anlagen unterhalb der Bäume verbleiben (Begründung zu Nr. 3.2, S. 16). Die Gliederung des Gewerbegebiets durch großzügig angelegte Baumreihen sei wesentlicher Bestandteil des städtebaulichen Konzepts. Nach § 34 BauGB füge sich das Vorhaben sich. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche dabei keinem der Baugebiete der BauNVO. Es seien neben dem großflächigen Einzelhandelsbetrieb der Klägerin dort diverse Einzelhandelsnutzungen, ein KfZ-Prüfzentrum nebst Waschanlage, eine Tankstelle und eine Hundepension zu finden. Nördlich grenze das Vorhabengrundstück nach einer bewachsenen Grünfläche an ein Containerdorf, das offenbar als Schulstandort genutzt werde. Östlich der E … Straße befänden sich ein- und zweigeschossige Wohnhäuser. Das Vorhaben füge sich dort ein, weil bereits jetzt großflächiger Einzelhandel bestehe. Es seien von ihm auch keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB zu erwarten. Vorliegend sei ausschlaggebend, dass es nicht um eine Neuansiedlung eines Betriebs gehe. Im Rahmen von § 34 Abs. 3 BauGB seien die Auswirkungen des konkreten Betriebs maßgeblich, damit auch die bestehende städtebauliche Situation. Derzeit übernehme der Betrieb der Klägerin zusammen mit weiteren Einzelhandelsbetrieben an dieser Stelle bereits eine erhebliche Versorgungsfunktion für den Stadtteil L … Eine vergleichbare Konzentration von Betrieben bestehe im südlich der Isar gelegenen Stadtbereich nicht mehr. Insbesondere könnten die Einzelhandelsbetriebe nördlich der E … Straße keine vergleichbare Versorgungsfunktion erfüllen. Zudem bestünden auch an anderer Stelle außerhalb des Ortskerns weitere Betriebe mit einem Warenangebot, das nach der gesetzgeberischen Wertung in zentralen Versorgungsbereichen geschützt sein soll (z.B. Betriebe entlang des C…rings, Vollsortimenter an der R …straße). Schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche seien daher durch die Erweiterung nicht zu erwarten, da dort bereits keine Bereiche dieser Art vorhanden seien oder zu weit entfernt lägen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Klägerin durch die Ablehnung des beantragten Vorbescheids nicht in ihren Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Ein Anspruch auf positive Beantwortung der Vorbescheidsfrage ist nicht gegeben, weil das Vorhaben nach Art der Nutzung bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
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1. Die Klage auf Erteilung des beantragten Vorbescheids ist als Verpflichtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO zulässig. Der Klägerin fehlt es insbesondere nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Zwar hat die Rechtsprechung entschieden, dass einem Bauherren die Geltendmachung der Nichtigkeit des für sein Vorhaben einschlägigen Bebauungsplans im Hinblick auf einen mit Treu und Glauben unvereinbaren Widerspruch verwehrt sein kann, wenn er von diesem Bebauungsplan in der Vergangenheit bereits Gebrauch gemacht hat. Dabei kommt es jedoch auf die konkreten Umstände des Einzelfalls, insbesondere darauf an, mit welchen Einwänden der Bauherr gegen den Plan vorgeht und in welchem Verhältnis diese Einwände zu seinem vorangegangenen Tun stehen (BVerwG, B.v. 11.2.2019 – 4 B 28/18 – juris Rn. 6 und 8 und VGH BW, U.v. 8.3.2018 – 8 S 1464/15 – juris Rn. 93). Aufgrund der Tatsache, dass ein Bauherr von dem Bebauungsplan Gebrauch gemacht hat, kann ihm jedoch nicht generell die Möglichkeit abgeschnitten werden, seine weitergehenden Interessen später mit Einwänden gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans durchzusetzen, denn ansonsten würde der Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, zu stark verkürzt (VGH BW, a.a.O., Rn. 93). Vorliegend fehlt es neben dem Gebrauchtmachen von den Festsetzungen des Bebauungsplans jedoch an jeglichen Gesichtspunkten, die das Verhalten der Klägerin als treuwidrig erscheinen lassen können. Insbesondere handelt es sich bei dem einschlägigen Bebauungsplan nicht um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan, welchen die Beklagte auf Wunsch der Klägerin und in enger Abstimmung mit ihr erlassen hat (BVerwG, B.v. 19.12.2018 – 4 B 6/18 – juris Rn. 6).
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Klägerin ein Anspruch auf positive Beantwortung der Vorbescheidsfrage nicht zusteht, Art. 71 Satz 1 und 4, 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO.
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Das Vorhaben der Klägerin fügt sich nach der Art der Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Maßgeblich für die bauplanungsrechtliche Beurteilung des streitgegenständlichen Vorhabens ist nicht § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. dem Bebauungsplan Nr. 86 der Beklagten, weil dieser unwirksam ist (2.1). Einschlägig ist insoweit vielmehr § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 BauNVO, wonach das Vorhaben nach der Art der Nutzung als großflächiger Einzelhandelsbetrieb nicht zulässig ist, § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO (2.2).
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2.1 Der Bebauungsplan Nr. 86 der Beklagten ist jedenfalls deswegen unwirksam, weil die Festsetzung der maximal zulässigen Trauf- und Firsthöhen durch Planzeichen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 18 Abs. 1 BauNVO) gegen den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz verstößt, indem sie, anders als von § 18 Abs. 1 BauNVO gefordert, einen Bezugspunkt weder ausdrücklich bestimmt noch sich ein solcher aus anderen Festsetzungen, ggf. unter Berücksichtigung der Begründung des Bebauungsplans, ausreichend entnehmen lässt (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 150. EL 2023, § 18 BauNVO, Rn. 3).
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Die Festsetzungen eines Bebauungsplans als Rechtsnorm im materiellen Sinn müssen den aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Geboten der Bestimmtheit und Normenklarheit entsprechen. Ein Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit begründet die Unwirksamkeit der Festsetzung, ohne dass es auf § 214, § 215 BauGB ankommt. Speziell für Bebauungspläne folgt die Notwendigkeit hinreichender Bestimmtheit sowohl für zeichnerische als auch für textliche Festsetzungen daraus, dass die Festsetzungen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des grundrechtlich geschützten Eigentums unmittelbar berühren und ausgestalten. Die von den Festsetzungen des Bebauungsplans Betroffenen müssen deshalb wissen, welche Nutzungen auf den Grundstücken zulässig sind. Der planenden Gemeinde steht es dabei frei zu entscheiden, welcher Mittel sie sich bedient, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen. Sie hat die Wahl zwischen zeichnerischer Festsetzung und textlicher Beschreibung; sie kann auch beide Elemente kombinieren. Entscheidend ist nur, dass hinreichend klar ist, welche Regelungen mit welchem Inhalt normative Geltung beanspruchen (vgl. BayVGH, U.v. 6.12.2019 – 15 N 18.636 – juris Rn. 26 m.w.N.). Die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit fehlt nicht schon dann, wenn die Festsetzung der Auslegung bedarf. Es ist ausreichend, wenn der Inhalt des Bebauungsplans durch Auslegung ermittelt werden kann, wobei die Interpretation nicht durch den formalen Wortlaut beschränkt wird. Ausschlaggebend ist der objektive Wille des Plangebers, soweit er wenigstens andeutungsweise im Satzungstext einen Niederschlag gefunden hat (vgl. BayVGH, U.v. 6.12.2019 – 15 N 18.636 – juris Rn. 26; OVG NRW, U.v. 2.12.2016 – 2 D 121/14.NE – juris Rn. 62).
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Gemessen an diesen Maßstäben ist die Festsetzung zur maximalen First- und Traufhöhe der baulichen Anlagen nicht hinreichend bestimmt. Nach § 18 Abs. 1 BauNVO sind bei der Festsetzung der Höhe baulicher Anlagen die erforderlichen Bezugspunkte zu bestimmen. Aus Gründen der Bestimmtheit und Vollziehbarkeit muss es sich dabei um eindeutig bestimmte oder bestimmbare feste Bezugspunkte handeln (vgl. BayVGH, U.v. 26.9.2022 – 15 N 21.3023 – juris Rn. 43; U.v. 23.6.2020 – 1 N 17.972 – juris Rn. 18).
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Die Festsetzung etwa der Höhenlage eines bestimmten Punkts einer vorhandenen Verkehrsfläche kann als unterer Bezugspunkt in Betracht kommen, wenn im Zuge der Realisierung des Bebauungsplans eine erhebliche Veränderung dieses Punktes nicht zu erwarten ist. Danach liegen hier die erforderlichen Bezugspunkte nicht vor. Als unteren Bezugspunkt setzt der Bebauungsplan in Nr. 2.2 der textlichen Festsetzungen die Höhenkote der Gehwegoberkante der neuen Erschließungsstraße fest. Dies ist grundsätzlich zulässig, wenn diese Höhe im Bebauungsplan selbst hinreichend klar festgelegt wird, etwa durch Bestimmung konkret in m üNN oder durch Bemessung / Bestimmbarkeit anhand der bereits existierenden oder höhenmäßig fixierten Verkehrsfläche. Nimmt der Plangeber zur Bestimmung der Gebäudehöhe als unteren Bezugspunkt auf die Höhe einer Erschließungsstraße Bezug, die noch nicht vorhanden ist, muss die noch herzustellende Höhe der Straße bereits durch den Plan hinreichend festgelegt sein; es reicht nicht, die Festsetzung der Höhenlage späteren Vorgaben von Verwaltungsstellen des Plangebers zu überlassen (BayVGH, U.v. 7.3.2023 – 1 N 20.331 – juris Rn. 20 m.w.N.). Vorliegend fehlt es an einer konkreten Festlegung der Höhe der Gehwegoberkante der neuen Erschließungsstraße im Bebauungsplan. Diese lässt sich auch nicht anderweitig, etwa durch Bezug zu einer bereits vorhandenen, fixierten Verkehrsfläche bestimmen. Denn hinsichtlich der Höhenlage von Flächen für die Errichtung von Verkehrsflächen und baulichen Anlagen regelt Nr. 4.1 der textlichen Festsetzungen, dass diese gegenüber der gewachsenen Geländeoberfläche um 1,5 m bis 2,0 m aufzuschütten sind, sodass hieraus eine Bestimmbarkeit nicht möglich ist. Im Übrigen fehlt es auch an einer konkreten Bestimmung der Höhenlage des natürlichen Geländes.
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Die Unwirksamkeit der Festsetzungen zur Festsetzung zur maximalen First- und Traufhöhe der baulichen Anlagen bewirkt die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans. Die Unwirksamkeit eines Teils eines Bebauungsplans hat nur dann nicht die Gesamtunwirksamkeit zur Folge, wenn die restlichen Festsetzungen auch ohne den ungültigen Teil noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und mit der gebotenen Sicherheit anzunehmen ist, dass die Gemeinde auch einen Bebauungsplan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (vgl. BVerwG, B.v. 6.11.2007 – 4 BN 44.07 – juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 19.2.2019 – 1 N 16.350 – juris Rn. 20; U.v. 5.2.2016 – 1 N 11.766 – juris Rn. 16). Eine Teilunwirksamkeit nur der Höhenfestsetzungen scheidet im vorliegenden Fall jedenfalls deshalb aus, weil die Beklagte einen Bebauungsplan ohne die Festsetzungen zur Höhe angesichts ihres Planungswillens nicht beschlossen hätte. Ausweislich Nrn. 3.1 und 3.2 der Begründung zum Bebauungsplan soll zur Autobahn hin ein relativ einheitlich strukturierter, durchgrünter Stadtrand entstehen und in diesem Zusammenhang soll mit der Festsetzung von maximal zulässigen Trauf- und Firsthöhen erreicht werden, dass die Bebauung unter der Wipfelhöhe von ausgewachsenen Bäumen bleibt. Diese Zielsetzung wäre ohne die Festsetzungen zur maximalen Trauf- und Firsthöhe nicht zu erreichen.
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Nicht mehr entscheidungserheblich waren daher die übrigen von der Klägerin vorgebrachten Unwirksamkeitsgründe.
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2.2 Damit richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im unbeplanten Innenbereich gelegenen Vorhabens nach § 34 BauGB.
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Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der BauNVO in diesem Gebiet allgemein zulässig wäre, § 34 Abs. 2 BauNVO.
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Die Eigenart der näheren Umgebung entspricht vorliegend einem Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO (2.2.1). Dort ist das Vorhaben als großflächiger Einzelhandel nach der Art der Nutzung nicht zulässig (2.2.2).
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2.2.1 Im Hinblick auf die Art der Nutzung entspricht die nähere Umgebung einem Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO.
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2.2.1.1 „Nähere Umgebung“ ist die Umgebung, auf die sich die Ausführung eines Vorhabens auswirken kann und die ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Maßgebend ist dabei nicht nur die Bebauung außerhalb des Baugrundstücks. Auch ein auf dem Baugrundstück bereits vorhandenes Gebäude gehört zur vorhandenen Bebauung, die den Maßstab für die weitere Bebauung bildet, denn auch sie bestimmt den Charakter des Baugebiets (BVerwG, U.v. 17.6.1993 4 C 17.91 – juris Rn. 18). Die Kammer, die mit der Örtlichkeit vertraut ist, sieht mit Blick auch auf den aussagekräftigen Lageplan insoweit allein das Baugrundstück und hiervon westlich gelegenen Grundstücke FlNrn. 2259/14 (Bäckerei), 2259 und 2260/1 (Getränkemarkt, Schuhgeschäft) als maßgebliche nähere Umgebung an.
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Der nördlich und östlich gelegenen E … Straße kommt in diesem Bereich eine trennende Wirkung zu. Ob einer Straße trennende Wirkung zukommt, ist im Einzelfall zu beurteilen. Vorliegend stellt sich die Situation wie folgt dar: zusätzlich zu einer Straßenbreite von knapp zehn Metern wird die Fahrbahn in jeder Fahrtrichtung von einem Grünstreifen und einem Fuß-/Radweg flankiert. Insgesamt ergibt sich damit beispielsweise auf der Höhe der Ein- und Ausfahrt zum klägerischen Verbrauchermarkt eine Breite der Straße samt Nebenanlagen von ca. 19,73 m. Die jeweiligen Baukörper sind wiederum – nach der Konzeption der Baugebiete – einige Meter nach hinten versetzt. Ein Eindruck der Zusammengehörigkeit der Baugebiete auf den beiden Straßenseiten ist daher nicht gegeben.
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Auch besteht aufgrund des vorhandenen Grünstreifens mit einer Tiefe von über 30 m keine gegenseitige Prägung mit dem nördlich (FlNr. 2333) gelegenen Schulzentrum.
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2.2.1.2 In der so abzugrenzenden Umgebung finden sich zunächst ein Schuhgeschäft, ein Getränkemarkt und eine Bäckerei mit Café. Hierbei handelt es sich jeweils um Gewerbebetriebe, die aufgrund ihrer Dimensionierung offensichtlich nicht großflächig im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO (Verkaufsfläche größer 800 m², s. BVerwG, U.v. 24.11.2005 – 4 C 10.04 – juris Rn. 12) und damit gewerbegebietsverträglich sind.
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Auch bei dem Verbrauchermarkt der Klägerin in seiner aktuell genehmigten Form handelt es sich um einen gewerbegebietsverträglichen Einzelhandelsbetrieb. Zwar überschreitet dieser eine Verkaufsfläche von 800 m² und ist daher als großflächig anzusehen (zur Bedeutung des Kriteriums der Verkaufsfläche für die Beurteilung vgl. Stock in König/ Roeser/Stock, 5. Auflage 2022, BauNVO § 11 Rn. 55). Dennoch sind sowohl die Beklagte als auch die Klägerin bei der letzten Genehmigung der Erweiterung der Verkaufsfläche mit Bescheid vom 1. Juni 2006 (…), mit der die Erweiterung der Verkaufsfläche auf 981,79 m² sowie der Geschossfläche auf 1.573 m² genehmigt wurde, auf Grundlage des von der Klägerin selbst vorgelegten Gutachtens davon ausgegangen, dass das Vorhaben gewerbegebietsverträglich ist, weil die in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO Auswirkungen nicht zu erwarten seien. Unter welchen Voraussetzungen die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO widerlegt werden kann, namentlich bei einer aufgrund betrieblicher oder städtebaulicher Besonderheiten gegebenen atypischen Fallgestaltung, hat das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Beschluss vom 9. Juli 2002 dargelegt und hält diese Rechtsprechung bis heute aufrecht (zuletzt BVerwG, B.v. 3.5.2021- 4 B 44/20 – juris Rn. 7).
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Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben, das nunmehr die deutliche Erhöhung der Verkaufsfläche auf 1.200 m² zum Gegenstand hat, handelt es sich indes nicht mehr um ein gewerbegebietsverträgliches Vorhaben. Denn die nicht mehr gewerbegebietsverträglichen Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO werden aufgrund seiner Geschossfläche von 2.015,74 m² nach § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO vermutet und die Verkaufsfläche nunmehr weiter signifikant erhöht. Weder bestehen Anhaltspunkte dafür, dass diese Auswirkungen nicht vorliegen, noch hat die Klägerin aufzeigen können, dass eine solche atypische Fallgestaltung gegeben ist. Vielmehr hat sie hierzu in der mündlichen Verhandlung selbst erklärt, dass eine solche Atypik nicht vorliegt.
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3. Die Klage war daher mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt §§ 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.