Inhalt

VG Regensburg, Beschluss v. 20.12.2023 – RN 5 S 23.2196
Titel:

Erfolgloser Eilantrag, Sofortige Vollziehbarkeit einer unselbstständigen Kostenentscheidung, Pflicht zur Vorlage eines Nachweises nach § 20 Abs. 9 IfSG, Nachweis einer medizinischen Kontraindikation, Zwangsmittelandrohung hinsichtlich der Nachweisvorlagepflicht, Vergleichbarkeit von Kostenentscheidung und Zwangsgeld

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
IfSG § 20 Abs. 8 ff.
VwZVG Art. 19, 22, 31, 37
Schlagworte:
Erfolgloser Eilantrag, Sofortige Vollziehbarkeit einer unselbstständigen Kostenentscheidung, Pflicht zur Vorlage eines Nachweises nach § 20 Abs. 9 IfSG, Nachweis einer medizinischen Kontraindikation, Zwangsmittelandrohung hinsichtlich der Nachweisvorlagepflicht, Vergleichbarkeit von Kostenentscheidung und Zwangsgeld
Fundstelle:
BeckRS 2023, 38081

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller wenden sich gegen einen Bescheid des Landratsamtes P …, mit dem sie unter Auferlegung der Kosten des Verwaltungsverfahrens verpflichtet wurden, für ihren Sohn einen Nachweis nach § 20 Abs. 9 IfSG vorzulegen.
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Die …Mittelschule … teilte dem Landratsamt P …, Gesundheitsamt, mit Schreiben vom 27.5.2020, eingegangen am 8.8.2022, mit, dass für den Sohn der Antragsteller die Nachweispflicht im Sinne von § 20 Abs. 9 IfSG bis dato nicht erfüllt worden sei.
3
Das Landratsamt setzte sich daraufhin mit den Antragstellern in Verbindung. Antragstellerseits wurde zunächst ein Attest der Gemeinschaftspraxis … vom 7.3.2023 vorgelegt, ausweislich dessen eine Masernimpfung wegen einer akuten Entzündung derzeit nicht durchgeführt werden könne. Da dieses Attest befristet war („derzeit“), wurden die Antragsteller per E-Mail aufgefordert, bis 4.5.2023 einen anderweitigen Nachweis vorzulegen. Die Antragstellerin teilte daraufhin mit, dass nach Einholung ärztlicher Informationen in Deutschland kein reiner Masernimpfstoff zur Verfügung stehe. Daher sähen sich die Antragsteller nicht verpflichtet, ihren Sohn mit einem der verfügbaren Kombinationsimpfstoffe impfen zu lassen, da das Gesetz nur eine Masernimpfung vorsehe.
4
Mit einem Schreiben vom 19.5.2023 wies die Antragstellerin dann darauf hin, dass die Antragsteller sich ausführlich über die Vor- und Nachteile einer Masernimpfung informiert hätten. Sie hätten hierbei festgestellt, dass bei der Masernimpfung eine schwere allergische Reaktion nie gänzlich auszuschließen sei. Daher lehnten sie die Impfung des Sohnes ab. Eine Impfung würden sie nur dann erwägen, wenn das Landratsamt verbindlich versichere, dass keine schweren Nebenwirkungen eintreten würden und dass beim Fall des Eintritts solcher für diese finanziell eingestanden würde. Sie legten hierbei auch ein privatärztliches Gutachten des Herrn Prof. Dr. med. … vor, welches ebenfalls insbesondere Ausführungen zum nie ganz auszuschließenden Risiko einer schweren allergischen Reaktion enthält. Ausführungen zu einer konkret beim Sohn der Antragsteller diagnostizierten Kontraindikation enthalten beide Schreiben nicht. Auf beide Schreiben wird wegen der Einzelheiten verwiesen.
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In der Folge wurden die Antragsteller zu einem Beratungsgespräch beim Gesundheitsamt P … am 28.6.2023 eingeladen. Hierzu erschienen sie nicht.
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Mit Schreiben vom 19.9.2023 wurden die Antragsteller zum Erlass eines förmlichen Bescheides mit Frist zur Stellungnahme bis 6.10.2023 angehört.
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Nachdem keine weitere Stellungnahme erfolgte, erging am 26.10.2023 der streitgegenständliche Bescheid mit dem nachfolgenden Tenor:
I. Frau … und Herr … haben dem Landratsamt P …, Gesundheitsamt (…) bis spätestens 30.11.2023 für ihr Kind …, geb. …, einen der folgenden Nachweise vorzulegen:
a. eine Impfdokumentation mit dem Nachweis von 2 Masernimpfungen (z.B. Vorlage des Ausweises oder Zusendung einer beglaubigten Kopie) oder
b. eine ärztliche Bescheinigung über eine labordiagnostizierte Immunität gegen Masern oder
c. eine ärztliche Bescheinigung, dass ihr Kind aus medizinischen Gründen nicht oder erst später geimpft werden darf (Kontraindikationen mit Angabe der Dauer) oder
d. die Bestätigung einer zuvor besuchten Einrichtung (z.B. Kindergarten, Schule), dass ein entsprechender Nachweis dort bereits vorgelegt wurde.
Im Fall einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen diesen Bescheid durch das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg ist einer der genannten Nachweise innerhalb von drei Wochen nach erneuter Vollziehbarkeit dieses Bescheids dem Gesundheitsamt vorzulegen.
II. Frau … und Herr … haben die Kosten des Verfahrens als veranlasster diese Amtshandlung zu tragen. Die Verwaltungsgebühren werden auf 100,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind in Höhe von 3,68 EUR entstanden
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Hinsichtlich der Gründe wird auf den Bescheid verwiesen.
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Mit Schriftsätzen vom 24.11.2023 haben die Antragsteller gegen den streitgegenständlichen Bescheid Klage erhoben und den hiesigen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung wird dort im Wesentlichen auf den Beschluss des BayVGH vom 21.9.2023, Az. 20 CS 23.1432 Bezug genommen. Dort habe der BayVGH im Ergebnis festgestellt, dass die Anwendung von Verwaltungszwang in Form von Zwangsgeld bei schulpflichtigen Kindern nicht zu einer faktischen Impfpflicht führen dürfe. Eine vergleichbare Situation allerdings entstehe, wenn der Erlass von entsprechenden Verwaltungsakten im Zusammenhang mit der Beibringung eines Nachweises zum Impfschutz gegen Masern, der im Endeffekt für den Betroffenen jeweils mit der Erhebung von Kosten verbunden sei, erfolge. Letztendlich solle auch dadurch Druck dahingehend ausgeübt werden, die Impfung durchzuführen, um zukünftig kostenbelastete Verwaltungsakte zu vermeiden. Nicht anders sei die Situation im Zusammenhang mit dem Zwangsgeld, so oder so werde unter Anwendung von Verwaltungszwang im Zusammenhang mit für den Betroffenen kostenbelasteten Maßnahmen auf eine faktische Impfpflicht bei schulpflichtigen Kindern hingewirkt. Im Hinblick auf den o.g. Beschluss dürfe dies nicht sein. Insoweit liege eine vergleichbare Interessenlage vor, die entsprechend der Verhängung von Zwangsgeldern im Zusammenhang mit der Beibringung eines Nachweises zum Impfschutz gegen Masern zu behandeln sei. Soweit eine handelnde Behörde wisse, dass sie in einem Bereich tätig werde, der letztendlich durch Verwaltungszwang nicht durchsetzbar sei, könnten den Betroffenen für dieses von vornherein unsinnige und nicht erfolgversprechende behördliche Handeln nicht die dafür entstandenen Kosten auferlegt werden. Auf das Schreiben wird im Übrigen Bezug genommen.
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Die Antragsteller beantragen,
Es wird die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller vom 24.11.2023 gegen den Beklagten angeordnet.
11
Der Antragsgegner beantragt,
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.
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Zunächst seien die klägerseits vorgelegten Atteste allesamt nicht anerkennbar bzw. nicht geeignet, auf Dauer eine Kontraindikationen nachzuweisen. Ferner sei die Anordnung, die ausdrücklich nicht unter der Androhung von Zwangsmitteln erfolgt sei, auch nach dem Beschluss des BayVGH vom 21.9.2023 rechtmäßig ergangen. Insoweit sei auch nicht ersichtlich, wieso die Kosten nicht den Antragstellern als Verursacher der Amtshandlung auferlegt hätten werden können. Der Rückschluss der Nichtanwendbarkeit von Zwangsmitteln auf die Rechtmäßigkeit der Anordnung als solche erschließe sich nicht. Im Übrigen wird auf die Antragserwiderung verwiesen.
13
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten in dem hiesigen Verfahren sowie dem Verfahren RN 5 K 23.2197, ferner auf den vorgelegten Verwaltungsvorgang des Beklagten, den das Gericht beigezogen hat, Bezug genommen.
II.
14
Der Antrag im einstweiligen Rechtschutz nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
15
1) Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch unter anderem in durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO. Ein solcher Fall liegt hier vor, nachdem gem. § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine vom Gesundheitsamt nach § 20 Abs. 12 Sätze 1, 2 IfSG erlassene Anordnung keine aufschiebende Wirkung haben (vgl. BayVGH, B. v. 21.9.2023 – 20 CS 23.1432 – BeckRS 2023, 26247, Rn. 2). Die Kostenforderung in Ziffer 2 des Bescheides teilt hinsichtlich der Vollstreckbarkeit nach der hier vertretenen und in der bayerischen Rechtsprechung – im Gegensatz zu verschiedenen Oberverwaltungsgerichten anderer Bundesländer – wohl noch herrschenden Ansicht das Schicksal der Hauptsacheentscheidung und ist somit ebenfalls sofort vollziehbar (BayVGH, B.v. 28.6.2023 – 12 CS 23.997 – nicht veröffentlicht; Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 44. EL März 2023, § 80 VwGO Rn. 141 ff., Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80 Rn. 62). Hierfür sprechen nach Ansicht des Gerichts u.a. systematische und prozessökonomische Erwägungen. Schon die Gegenüberstellung von „Abgaben“ und „Kosten“ sowie die Formulierung „Anforderung“ in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO legt nahe, dass ausschließlich solche Konstellationen gemeint sind, in denen nur über Abgaben oder Kosten gestritten wird. Ferner spricht hierfür, dass, jedenfalls nach bayerischem Landesrecht, das Schicksal der Grundverfügung und der Kostenentscheidung miteinander verknüpft sind, Art. 16 Abs. 5 KG. Kosten, die bei unrichtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Vor diesem Hintergrund erschiene es widersinnig und prozessunökonomisch, gleichwohl die Zeitpunkte der Vollziehbarkeit und ggf. der gerichtlichen Überprüfung beider Punkte voneinander zu trennen, was u.U. auch zur Folge hätte, dass die Kostenentscheidung vor der Sachentscheidung zu überprüfen wäre (so auch ausdrücklich: BayVGH, B.v. 28.6.2023 – 12 CS 23.997 – nicht veröffentlicht). Schließlich spricht hierfür auch die Existenz des § 80 Abs. 6 VwGO. Wäre die Kostenentscheidung in einem Bescheid, der auch eine Grundverfügung enthält, als Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO zu verstehen, so hätte dies zur Folge, dass ein Antragsteller bzgl. der Grundverfügung unmittelbar einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen könnte, während ein solcher Antrag bzgl. der Kostenentscheidung nur bei einem vorherigen Antrag nach § 80 Abs. 6 VwGO (oder bei Vorliegen der alternativen Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 VwGO) zulässig wäre. Auch dies überzeugt nicht (vgl. zum Meinungsstreit und einigen der dargelegten Argumente insbesondere: Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 44. EL März 2023, § 80 VwGO Rn. 141 ff.).
16
Dies hat zur Folge, dass der Antrag sowohl bzgl. Ziffer I. als auch bzgl. Ziffer II. zulässig ist. Ginge man von der anderen Ansicht aus, wonach die Kostenentscheidung im Bescheid unter § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO zu subsumieren ist, so wäre der hiesige Antrag wohl nur bzgl. Ziffer I. des Bescheides zulässig, da bzgl. der Ziffer II. nach Aktenlage kein Antrag nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO gestellt wurde und auch keine der Voraussetzungen nach § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO vorliegen dürfte.
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2) Der Antrag ist unbegründet. Bei der Prüfung der Begründetheit eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine eigenständige Interessenabwägung vorzunehmen, im Rahmen derer u.a. das Aussetzungsinteresse des Antragstellers dem öffentlichen Vollzugsinteresse gegenüberzustellen ist. Hierbei spielen die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs eine maßgebliche Rolle, denn grundsätzlich besteht kein öffentliches Interesse an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, während umgekehrt im Regelfall ein starkes öffentliches Interesse an der baldigen Realisierung des Verwaltungsaktes besteht, wenn dieser erkennbar rechtmäßig ist. Lassen sich dagegen nach summarischer Prüfung keine Aussagen über die Erfolgsaussichten der Klage machen, muss eine allgemeine, eigenständige und von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs unabhängige Interessenabwägung stattfinden (vgl. zur Interessenabwägung: BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 – juris Rn. 8; BVerwG, B.v. 23.1.2015 – 7 VR 6.14 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 21.3.2011 – 10 AS 10.2499 – juris Rn. 20; Eyermann/Hoppe, 16. Aufl. 2022, VwGO § 80 Rn. 85 ff.; Schoch/Schneider/Schoch, 42. EL Februar 2022, VwGO § 80 Rn. 372 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80 Rn. 152 ff.).
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Im Rahmen der Interessenabwägung ist es auch von Bedeutung, ob es sich um einen Fall handelt, in dem der Sofortvollzug von der zuständigen Behörde angeordnet wurde (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) oder um einen Fall des Sofortvollzuges kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3a VwGO). Im hier vorliegenden letzteren Fall hat der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollzugsinteresses angeordnet, sodass es regelmäßig besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen (BVerfG, B.v. 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – NVwZ 2004, 93/94; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 24).
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Zur Überzeugung der Kammer sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache hier gering. Auch losgelöst von den Erfolgsaussichten der Hauptsache sind hier keine gewichtigen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Anordnung der aufschiebenden Wirkung erfordern würden.
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a) Die Anordnung in Ziffer I. des streitgegenständlichen Bescheides ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Weder das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, B. v. 21.7.2022 – 1 BvR 470/20 – BeckRS 2022, 20406) noch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (vgl. BayVGH, B. v. 21.9.2023 – 20 CS 23.1432 – BeckRS 2023, 26247, bestätigt in BayVGH, B. v. 14.11.2023 – 20 CS 23.1937 – BeckRS 2023, 34280) haben die Verfassungsmäßigkeit der § 20 Abs. 8 ff. IfSG durchgreifend in Frage gestellt. Die erkennende Kammer sieht keine Anlass, hiervon abzuweichen.
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Auch die konkreten Voraussetzungen von § 20 Abs. 8 ff. IfSG liegen vor. Insoweit wird auf die Begründung im Bescheid verwiesen, § 117 Abs. 5 VwGO (vgl. allgemein zu den Voraussetzungen einer die Nachweisvorlagepflicht begründenden Anordnung: VG München, B. v. 1.8.2023 – 26a S 23.2699 – BeckRS 2023, 20284, Rn. 39 ff., insoweit bestätigt durch BayVGH, B. v. 21.9.2023 – 20 CS 23.1432 – BeckRS 2023, 26247, Rn. 3). Ergänzend ist hierzu noch auszuführen, dass das vorgelegte privatärztliche Gutachten des Herrn Prof. Dr. …, welches laut dessen eigenen Ausführungen im Gutachten gerade kein ärztliches Attest darstellen soll, keine abschließende Beurteilung enthält und ohne körperliche Untersuchung des Patienten erstellt wurde, offensichtlich kein geeignetes ärztliches Zeugnis i.S.v. § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 IfSG ist. Der BayVGH stellt an ein solches die nachfolgenden Anforderungen (BayVGH, B.v. 7.7.2021 – 25 CS 21.1651 – BeckRS 2021, 18528, Rn. 14):
„Das ärztliche Zeugnis im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 IfSG darf sich nicht damit begnügen, den Gesetzeswortlaut zum Bestehen einer medizinischen Kontraindikation zu wiederholen. Es muss vielmehr wenigstens solche Angaben zur Art der medizinischen Kontraindikation enthalten, die das Gesundheitsamt in die Lage versetzen, das ärztliche Zeugnis auf Plausibilität hin zu überprüfen […].“
22
Diesen Anforderungen wird das vorgelegte Gutachten offenkundig nicht gerecht. Dort wird lediglich ganz allgemein erläutert, dass im Rahmen der Masernimpfung, egal ob mit einem Einzel- oder Kombinationspräparat, das theoretische Risiko einer allergischen Reaktion mit unter Umständen schwersten Folgen derzeit nicht ausgeschlossen werden könne. Daraus folge die Impfunfähigkeit. Es handelt sich hierbei offenkundig nicht um ein Zeugnis, welches Angaben zu einer konkreten Kontraindikation enthält, die es dem Gesundheitsamt ermöglichen, im Einzelfall die Plausibilität der Kontraindikation zu prüfen. Es wird schon gar keine konkrete Kontraindikation dargelegt, sondern nur ganz allgemein auf das nie ganz auszuschließende Risiko einer schwerwiegenden Nebenwirkung – ein solches dürfte es nach Einschätzung des Gerichts im Übrigen bei nahezu jeder medizinischen Maßnahme geben – verwiesen. Dass dies den o.g. Anforderungen nicht genügt, liegt auf der Hand. Auch die Frist im Bescheid von rund einem Monat ist nicht zu beanstanden, zumal insoweit auch nichts vorgetragen wurde.
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Nach alledem ist die Ziffer I. des Bescheides nach summarischer Prüfung rechtmäßig.
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b) Auch die Ziffer II. des Bescheides ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Nach § 16 Abs. 5 KG werden Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung durch die Behörde nicht entstanden wären, nicht erhoben. Daraus folgt in der Regel, dass bei Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes auch eine diesen betreffende Kostenentscheidung aufzuheben ist, während bei einem rechtmäßigen Verwaltungsakt in der Regel Kosten erhoben werden dürfen, die dann nur hinsichtlich kostenrechtlicher Anforderungen wie der Höhe der Gebühren und Auslagen etc. beanstandet werden können. Im hiesigen Fall ist die Ziffer I. nach summarischer Prüfung rechtmäßig, sodass im Hinblick auf Art. 16 Abs. 5 KG auch die Ziffer II. nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden ist. Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Kostenentscheidung, zumal insoweit auch nichts vorgetragen wurde. Es wird auf die Ausführungen unter Ziffer 3 des Bescheids verwiesen, § 117 Abs. 5 VwGO.
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c) Fraglich ist, ob in Fällen der Masern-Nachweispflicht aufgrund der Entscheidung des BayVGH vom 21.9.2023 etwas anderes gelten muss. Die Klägerseite wirft die Frage auf, ob – analog zur o.g. Entscheidung des BayVGH vom 21.9.2023 – nicht auch eine bloße Anordnung zur Nachweisvorlage unter Auferlegung der Verfahrenskosten ggf. eine faktische Impflicht darstellen könnte. Das Gericht kommt nach summarischer Prüfung zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist und, dass folglich auch dieser Umstand nicht zu einer Rechtswidrigkeit der Ziffern I. und II. des Bescheides führt (so wohl auch VG Minden, B. v. 6.11.2023 – 7 L 883/23, BeckRS 2023, 30915, Rn. 33 unter Bezugnahme auf BayVGH, B. v. 21.9.2023 – 20 CS 23.1432 – BeckRS 2023, 26247).
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Der BayVGH hat in seiner Entscheidung vom 21.9.2023 ausgesprochen, dass die Anwendung von Verwaltungszwang bei der Durchsetzung der Nachweispflicht nicht zu einer faktischen Impflicht führen dürfe. Ferner hat er die Ermessensanforderungen an eine Zwangsgeldandrohung dargestellt. Das hiesige Gericht versteht diese Entscheidung so, dass nur in solchen Fällen, in denen ein vorhandenes Impfbuch oder ein vorhandener Nachweis über eine Kontraindikation nicht vorgelegt werden, oder in vergleichbaren Fällen, eine zwangsweise Durchsetzung der Vorlageverpflichtung in Betracht kommt. Handelt es sich hingegen um den Fall einer Person, die schlicht nicht will, dass ihr Kind geimpft wird, wie im hiesigen Fall, so würde eine Zwangsgeldandrohung, ganz gleich mit welcher Begründung im Rahmen des Entschließungs- und Auswahlermessens, nach Ansicht des Gerichts wohl immer zu einer faktischen Impfpflicht führen. Die Kammer kann sich jedenfalls keine Konstellation vorstellen, in der dies nicht so wäre. Im Ergebnis dürfte nach der o.g. Entscheidung in solchen Fällen daher keine Androhung von Zwangsmitteln mehr in Betracht kommen (a. A. VG Minden, B. v. 6.11.2023 – 7 L 883/23, BeckRS 2023, 30915, Rn. 30 ff. m.w.N.).
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Daran anknüpfend argumentieren die Antragsteller, dass auch von der Kostengrundentscheidung im Verwaltungsakt jedenfalls eine gewisse Druckwirkung ausgehe. Ferner sei mit weiteren, ebenfalls kostenbelasteten Verwaltungsakten zu rechnen. Zudem wisse das Landratsamt, dass es in einem Bereich tätig werde, der mit Verwaltungszwang nicht durchsetzbar sei. Würde es dennoch tätig, so könne es zumindest nicht die Kosten dieses sinnlosen Verwaltungshandeln der Antragstellerseite auferlegen.
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Nach Ansicht des Gerichts greifen die Argumente der Antragstellerseite nicht durch. Nach summarischer Prüfung sind bereits die Kostengrundentscheidung in einem Bescheid und eine Zwangsgeldandrohung in keinster Weise vergleichbar (s. unten aa)). Ferner ist auch nicht mit weiteren kostenbelasteten Verwaltungsakten zu rechnen (s. unten bb)). Schließlich gibt es auch keinen Grundsatz, der besagt, dass nicht vollstreckbare Anordnungen pauschal nicht erlassen werden können, zumal die hiesigen Rechtsfragen bzgl. der Vollstreckbarkeit der Masern-Nachweispflicht allesamt umstritten sind und es mitnichten abschließend feststeht, dass diese nicht vollstreckt werden kann (s. unten cc)).
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aa) Zunächst sind die beiden Konstellationen nicht vergleichbar. Ein (Grund-)Verwaltungsakt, wie die hier streitige Ziffer I. des Bescheides, dient der grundsätzlichen Regelung der Sach- und Rechtlage im Hinblick auf einen bestimmten Lebenssachverhalt durch die verbindliche Feststellung von Rechten und Pflichten etc. Im Rahmen des Erlasses von Verwaltungsakten kommt es zu Kosten in Form von Gebühren und Auslagen. Zur Zahlung dieser Kosten ist verpflichtet, wer die Amtshandlung veranlasst bzw. in wessen Interesse diese vorgenommen wird. Die Höhe der Gebühren ist dabei nach dem Kostenverzeichnis, dem Aufwand bei der Amtshandlung, der Bedeutung für die Beteiligten etc. zu bemessen, dagegen nicht danach, ob und inwieweit die Kosten ggf. Einfluss auf den Pflichtigen nehmen können (vgl. u.a. Art. 1, 2, 6 KG). Dies belegt, dass mit den Verfahrenskosten kein Druck aufgebaut, sondern dafür Sorge getragen werden soll, dass der Staat für seine Tätigkeit Geld erhält. Zusammengefasst dient die Kostenentscheidung in einem Bescheid also der Finanzierung staatlichen Handelns, hat dagegen keine Beugefunktion. Dies wird auch dadurch belegt, dass die Antragsteller, sollten sie in der Hauptsache unterliegen und der Bescheid in Rechtskraft erwachsen, auch bei Vorlage eines Nachweises in der Zukunft die Kosten des Verwaltungsverfahrens zu bezahlen hätten. Dies gilt in der Verwaltungsvollstreckung gerade nicht, wo bei Erfüllung der Verpflichtung jegliche Maßnahmen einzustellen sind und selbst bereits fällig gewordene Zwangsgelder nicht mehr beigetrieben werden dürfen (vgl. Art. 22 Nr. 3, Art. 37 Abs. 4 BayVwZVG).
30
Demgegenüber dient die Androhung oder Anwendung von Verwaltungszwang der Beugung des Pflichtigen. Der Pflichtige soll, aufbauend auf einen Grundverwaltungsakt (vgl. Art. 19 Abs. 1 VwZVG), zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen bewegt werden. Ganz konkret soll durch das Zwangsgeld der Pflichtige zur Erfüllung angehalten werden (Art. 31 Abs. 1 VwZVG). Die Höhe des Zwangsgeldes beträgt hierbei mindestens 15,00 EUR und maximal 25.000,00 EUR und soll das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen erreichen. Reichen 25.000,00 EUR hier nicht aus, so sind auch höhere Beträge denkbar (Art. 31 Abs. 2 VwZVG). Zwangsmittel können zudem so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist (Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG).
31
Bereits diese gesetzlichen Grundvoraussetzungen zeigen deutlich auf, dass die Kostengrundentscheidung in einem Bescheid und die Androhung von Verwaltungszwang nicht vergleichbar sind und mithin die Entscheidung des BayVGH vom 21.9.2023 hier nicht übertragen werden kann.
32
bb) Es ist auch nicht mit weiteren kostenbelasteten Verwaltungsakten zu rechnen. Ein Verwaltungsakt wird zur Regelung eines konkreten Einzelfalles erlassen (Art. 35 BayVwVfG). Ein solcher Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben wird oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG). Rücknahme und Widerruf sind hierbei wiederum an gesonderte Voraussetzungen geknüpft (Art. 48, 49 BayVwVfG), Erledigung auf sonstige Weise kann bspw. bei Erfüllung der auferlegten Verpflichtungen eintreten. Solange dagegen der Verwaltungsakt seine Wirksamkeit nicht verliert, ist nicht mit weiteren Verwaltungsakten zu rechnen, die ihrerseits mit Kosten verbunden sein könnten, zumal schon fraglich wäre, ob bzgl. solcher Verwaltungsakte überhaupt die Voraussetzungen zum Erlass vorlägen. Denn der Erlass eines weiteren belastenden Verwaltungsaktes dürfte wohl jedenfalls nicht erforderlich sein, wenn bereits ein wirksamer Verwaltungsakt mit gleichem Inhalt besteht. Eine Regelung wie Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG, wonach Zwangsmittel wiederholt angewendet werden können, kennt das Verwaltungsverfahrensrecht nach dem BayVwVfG in Ermangelung einer Beugefunktion beim Erlass von Grundverwaltungsakten (s.o.) gerade nicht.
33
cc) Ferner spricht für die Unbedenklichkeit der Nichtvollziehbarkeit des hiesigen Bescheides auch die Tatsache, dass das Gesetz auch in anderen Fällen Verpflichtungen kennt, die, obwohl sie nicht vollziehbar sind, rechtlich festgestellt werden können und mithin auch (Prozess-)Kosten für denjenigen, der diese Verpflichtungen gegen sich gelten lassen muss, auslösen können (vgl. bspw. § 120 Abs. 3 FamFG). Dies belegt, dass es von Seiten des Gesetzgebers nicht grundsätzlich ausgeschlossen wird, dass gesetzlich auferlegte und feststellbare Verpflichtungen bestehen, die im Einzelfall nicht vollstreckbar sind. Zudem ist auch noch darauf hinzuweisen, dass die Vollziehbarkeit von Anordnungen nach § 20 Abs. 12 Sätze 1, 2 IfSG nicht abschließend geklärt ist. Laut der Entscheidung des BayVGH, wobei hier auch zu berücksichtigen ist, dass diese im einstweiligen Rechtschutzverfahren ergangen ist, darf die Anwendung von Verwaltungszwang nicht zu einer faktischen Impflicht führen, was das Gericht wie dargelegt versteht (s.o.). Gleichwohl hat der BayVGH im Ergebnis aber offengelassen, ob in jedem Fall der Impfunwilligkeit eine Durchsetzung der Nachweispflicht mittels Zwang pauschal ausscheidet. Daneben gibt es bundesweit verschiedene Verwaltungsgerichte, die zwar zustimmen, dass eine Impfung nicht zwangsweise durchgesetzt werden kann, die aber gleichwohl die zwangsweise Durchsetzung der Nachweispflicht für rechtens halten (vgl. VG Berlin, B. v. 15.9.2023 – VG 14 L 210/23 – BeckRS 2023, 26044, Rn. 58 ff.; VG Minden B. v. 6.11.2023 – 7 L 883/23 – BeckRS 2023, 30915, Rn. 30 ff.). Insoweit bleibt die weitere Rechtsprechung abzuwarten und kann dem Landratsamt jedenfalls nicht unsinniges Handeln unterstellt werden, zumal die streitige Anordnung auch die Grundlage für anderweitige Maßnahmen nach § 20 Abs. 12 IfSG sowie ggf. für Maßnahmen nach § 73 IfSG bilden kann (vgl. VG Minden, B. v. 6.11.2023 – 7 L 883/23, BeckRS 2023, 30915, Rn. 34) und gerade keine Androhung von Zwangsgeld erfolgt ist.
34
Nach alledem kommt das Gericht auch unter Berücksichtigung der antragstellerseits aufgeworfenen Punkte nicht zu dem Ergebnis, dass der Bescheid rechtswidrig ist.
35
3) Auch im Rahmen der Interessenabwägung sieht das Gericht keine Notwendigkeit, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
36
Den Antragstellern droht keine Vollziehung der Ziffer I. Ein Zwangsgeld oder ein anderes Zwangsmittel wurde nicht angedroht, es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dies geschehen wird. Das Verwaltungshandeln des Antragsgegners sowie dessen Ausführungen im Gerichtsverfahren legen vielmehr nahe, dass dieser unter Berücksichtigung der o.g. Entscheidung des BayVGH vom 21.9.2023 bewusst auf die Androhung von Zwang verzichtet hat.
37
Bzgl. der Ziffer II. bleibt die Vollstreckung dagegen möglich. In Rede steht hier ein Betrag von insgesamt 103,68 EUR. Es wurde von Antragstellerseite nichts dahingehend vorgetragen, dass die vorläufige Entrichtung dieses geringen dreistelligen Betrages gewichtige negative Auswirkungen für diese haben könnte, zumal schon gar nicht feststeht, dass das Landratsamt den Betrag überhaupt vor einer Hauptsacheentscheidung verlangen wird. Nach alledem führt auch die Interessenabwägung im Übrigen nicht zu einem Obsiegen der Antragsteller.
38
In diesem Zusammenhang spricht auch die Tatsache, dass es sich um einen Fall des gesetzlichen Sofortvollzuges handelt, schließlich dafür, dass die aufschiebende Wirkung nicht anzuordnen ist (s.o.).
39
Nach alledem der Antrag mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.