Titel:
Baurecht: Drittanfechtungsklage wegen Nutzungsänderung
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 159 S. 2, § 162 Abs. 3
BayBO Art. 6 Abs. 7 S. 1 Nr. 3, Art. 68 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 2, § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
BauNVO Art. 15 Abs. 1 S. 1, S. 2
BImSchG § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1
TA Lärm Nr. 6.1 S. 1 lit. d, Nr. 6.6, Nr. 6.7, Nr. 7.4
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
Leitsätze:
1. Einem Kläger kommt im Rahmen einer Drittanfechtungsklage gegen eine an einen Dritten gerichtete Baugenehmigung kein Vollüberprüfungsanspruch zu. Er kann vielmehr nur solche Rechtsverletzungen ins Feld führen, die auf Normen beruhen, die in qualifizierter und individualisierter Weise gerade auch seinem Schutz dienen (ebenso BVerwG BeckRS 9998, 47590; VGH München BeckRS 2020, 14601). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Derartige drittschützende Normen können sich insbesondere aus dem Gebot der Rücksichtnahme oder aus dem Bestimmtheitsgrundsatz ergeben. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Rücksichtnahmeverstoß kommt auch aufgrund von Immissionsbelastungen in Betracht; zur Konturierung der Zumutbarkeitsschwelle kann auf die materiell-rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts abgestellt werden. (Rn. 18 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
4. Nachbarn können eine Baugenehmigung unter Verweis auf den Bestimmtheitsgrundsatz nur dann erfolgreich anfechten, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf ein nachbarschützendes Recht bezieht und deswegen eine Verletzung dieses Rechtes nicht ausgeschlossen werden kann. (Rn. 41 – 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage gegen Nutzungsänderung und erstmalige Genehmigung von Freiflächen einer Gaststätte mit Diskothekenbetrieb, Gebot der Rücksichtnahme, Verkehrsgeräusche, Fußgängerlärm, Bestimmtheit, Nachbarklage, Drittanfechtungsklage, Immissionsbelastungen, Drittschutz, drittschützende Norm, Baugenehmigung, Nutzungsänderung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 38066
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollsteckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung (unter anderem) zur Nutzungsänderung in Gastronomie, Musikbar und Diskothek sowie Errichtung von Schallschutzwänden und weiteren Vorhaben auf den Grundstücken FlNrn. …, … und … der Gemarkung … (…) in … Der Beigeladene ist Eigentümer der eingangs genannten Grundstücke. Auf den Grundstücken befindet sich seit den 1950er Jahren ein Gaststätten-/Bar-/Diskothekenbetrieb, der zuletzt bis 2019 unter dem Namen „…“ betrieben wurde. In baurechtlicher Hinsicht basiert der Betrieb auf einer Vielzahl von Baugenehmigungen, die seit 1985 durch die Beklagte erteilt wurden. Aktenkundig findet sich eine Baugenehmigung vom 24. Juli 1985 (Einbau einer Diskothek in die vorhandenen Werkstatträume im Anwesen), vom 21. Februar 2002 (Erfüllung von Brandschutzauflagen) und vom 25. Februar 2002 (Nachträgliche Genehmigung zur Nutzungsänderung in Gaststätte und Umbau und Errichtung von Terrassenüberdachung). Eine weitere Baugenehmigung für die „Änderung der Freiflächenbestuhlung und Errichtung einer Schallschutzwand“ wurde unter dem 4. April 2018 erteilt und ist hier unter dem Az. AN 3 K 18.00855 beklagt. Für die streitgegenständlichen Grundstücke existiert kein Bebauungsplan.
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Die Kläger sind Eigentümer des südlich an das Areal angrenzenden Grundstücks FlNr. … (…), welches mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Dieses Haus wurde als Ersatzbau nach § 35 Abs. 4 BauGB durch bestandskräftige Baugenehmigung der Beklagten vom 26. Juli 2012 genehmigt. Die Errichtung erfolgte planabweichend durch eine um ca. 1,4 m nach Süden versetzte sowie eine um 3,5 Grad gedrehte Lage des Anwesens. Die hierauf hin erteilte Baugenehmigung an die Kläger vom 25. Mai 2022 hat der hiesige Beigeladene angefochten (AN 3 K 22.01548).
3
Mit Bauantrag vom 29. Oktober 2021 beantragte der Beigeladene eine Baugenehmigung für eine Vielzahl von Maßnahmen (Nutzungsänderung in Gastronomie, Genehmigung der Freiflächenbestuhlung, Terrassennachgenehmigung bzw. -erweiterung (300 Plätze), Errichtung diverser Schallschutzmaßnahmen). Ausweislich der Betriebsbeschreibung soll der neue Betrieb unter dem Namen „…“ betrieben werden. Vorgesehen sind eine Gästeanzahl (inkl. Raucher) von 594 (274 innen und 320 außen). Inhaltlich sollen Mottoveranstaltungen, Firmenfeiern, Hochzeiten, Sportevents und Livemusik stattfinden. Hauptfokus soll auf der Zubereitung von Speisen liegen, wobei aber auch eine zusätzliche Nutzung als Diskothek beabsichtigt ist. Öffnungszeiten liegen von Montag bis Donnerstag von 11:00 Uhr bis 1:00 Uhr und an Freitagen und Samstagen von 11:00 Uhr bis 5:00 Uhr. Geplant sind an Außenanlagen unter anderem drei Freiflächen im Norden, Westen und Süden des Anwesens. Die Terrassenfläche Nord soll dabei auf 138 m² mit 120 Sitzplätzen (Bänke) erweitert werden und durchgängig benutzt werden. Die Terrassenfläche West mit Gasgrill soll auf 144 m² und mit 130 Sitzplätzen errichtet werden. Die Nutzung der Terrassenfläche West soll nachts (nach 22:00 Uhr) auf den nördlichen Teil mit nur 60 Plätzen begrenzt werden. Die „Kaffee-Ecke Süd“ soll 51 m² betragen und 50 Plätze beinhalten und nur tagsüber genutzt werden. Südlich der Kaffee-Ecke soll eine 3,40 m hohe und begrünte Schallschutzwand errichtet werden. An der südlichen und westlichen Grundstücksgrenze ist zusätzlich die Errichtung einer 2 m hohen Schallschutzwand geplant. Weitere Schallschutzwände befinden sich südlich der Terrassenfläche West (2 m Höhe) und südlich der überdachten Außenbar (2 m Höhe).
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Dem Bauantrag ist eine schalltechnische Untersuchung der … (im Weiteren BBM 2021) vom 2. Februar 2021 beigefügt, welche nochmals durch Schreiben vom 8. Dezember 2021 und 1. März 2022 ergänzt wurde. Einleitend wird in der Untersuchung festgestellt, dass die Geräuschimmissionen des Gaststättenbetriebes und der Freischankflächen entsprechend dem „…-Urteil“ des BayVGH getrennt voneinander untersucht worden seien und ergänzend dann der Gesamtbetrieb beurteilt worden sei. Die Beurteilung des Gesamtbetriebs hätte nur zur Nachtzeit eine Überschreitung des Immissionsrichtwerts für Mischgebiete von 45 dB(A) um 1 dB(A) am Immissionsort 2 ergeben. Der Immissionsort 2 betrifft nicht das klägerische Grundstück. Zu den hierfür notwendigen Betriebsparametern führt die Untersuchung unter anderem aus, dass zur Nachtzeit ein Zugang zur Diskothek nur über den Norden erfolgen dürfe, Türsteher keinen Aufenthalt von Gästen an der Ostfassade zulassen dürften, die Außentheke sowie die Kaffee-Ecke nur tagsüber genutzt werden dürften und die Terrassenfläche West mittels eines Absperrbandes nur für den nördlichen Teil freigegeben werden dürfe. Weitere Parameter werden festgesetzt.
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Mit streitgegenständlichem Genehmigungsbescheid vom 25. Mai 2022 wurde die Baugenehmigung für das eingangs genannte Bauvorhaben inklusive Abweichungen von den Abstandsflächen, welche nicht die Kläger betreffen, erteilt. Mit den Auflagen A125 und A160 wurden die Betriebsbeschreibung sowie die schalltechnische Untersuchung … 2021 zum Gegenstand der Genehmigung gemacht.
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Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 22. Juni 2022 – hier eingegangen am gleichen Tag – ließen die Kläger Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass das Vorhaben in seiner Gesamtheit rücksichtslos sei. Eine weitere Klagebegründung wurde angekündigt, aber trotz viermaliger Bitte des Gerichts nicht vorgelegt.
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Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2022 beantragen die Kläger:
Die Baugenehmigung der Beklagten vom 25. Mai 2022, Az.: … wird aufgehoben.
8
Die Beklagte beantragt,
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Der Beigeladene stellte keinen Antrag.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 22. November 2023 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet, da die streitgegenständliche Baugenehmigung rechtmäßig ist und die Kläger insofern nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
12
Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung, die gemäß Art. 68 Abs. 1 BayBO zu erteilen ist, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, entgegenstehen, haben Nachbarn nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Einem Kläger kommt im Rahmen einer Drittanfechtungsklage gegen eine an einen Dritten gerichtete Baugenehmigung mithin kein Vollüberprüfungsanspruch zu. Vielmehr kann der Kläger als Nachbar nur solche Rechtsverletzungen ins Feld führen, die auf Normen beruhen, die in qualifizierter und individualisierter Weise gerade auch dem Schutz des Klägers dienen (BVerwG, U. v. 6.10.1989 – 4 C 14/87 – juris Rn. 9 = BVerwGE 82, 343; BayVGH, B. v. 26.5.2020 – 15 ZB 19.2231 – juris Rn. 8).
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung im Rahmen einer Drittanfechtungsklage ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung. Eine davon abweichende Verlagerung auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung kommt allerdings dann in Betracht, wenn sich die Sach- und Rechtslage zugunsten des Genehmigungsinhaber verändert hat, da kein Grund besteht, eine in der Vergangenheit rechtswidrig erteilte Genehmigung aufzuheben, wenn sie mittlerweile sofort wieder erteilt werden müsste (BVerwG, B. v. 23.4.1998 – 4 B 40/98 – juris Rn. 3 m.w.N. = NVwZ 1998, 1179).
14
Drittschützende Normen, deren Verletzung der Klage zum Erfolg verhelfen könnten, ergeben sich hier nur aus dem Gebot der Rücksichtnahme (1.) oder aus dem Bestimmtheitsgrundsatz (2.), sind in der Sache aber nicht verletzt.
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1. Das Gebot der Rücksichtnahme ist kein generelles Rechtsprinzip des öffentlichen Baurechts und verkörpert auch keine allgemeine Härteregelung, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts oder gar des gesamten öffentlichen Baurechts steht. Es ist vielmehr Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts (BVerwG, U.v. 30.9.1983 – 4 C 74.78 – BVerwGE 68, 58, 60) und als solches in den Tatbestandsmerkmalen der §§ 30 bis 35 BauGB und des § 15 Abs. 1 BauNVO enthalten (BVerwG, U.v. 30.9.1983 a.a.O.). Es ist gegenüber anderen (ausdrücklich und von vornherein) nachbarschützenden Vorschriften subsidiär (BVerwG, U.v. 27.6.2017 – 4 C 3.16 – juris Rn. 10).
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Im unbeplanten Innenbereich ergibt sich das Gebot der Rücksichtnahme aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO (im Falle eines sog. „faktischen Baugebiets“) oder über den Begriff des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB (im Falle einer sog. „Gemengelage“) (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 25). Im Außenbereich ist es in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB oder als sonstiger unbenannter Belang im Sinne der Vorschrift kodifiziert.
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Nach gefestigter Rechtsprechung hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen (BayVGH, B.v. 30.7.2021 – 1 CS 21.1506 – juris Rn. 10). Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH, B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris Rn. 11).
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Soweit ein Rücksichtnahmeverstoß aufgrund von Immissionsbelastungen geltend gemacht wird, wird zur Konturierung der Zumutbarkeitsschwelle des Rücksichtnahmegebots auf die materiell-rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts, also auf die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen i.S. von § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 BImSchG zurückgegriffen (BVerwG, U. v. 23.9.1999 – 4 C 6/98 – juris Rn. 22 = BVerwGE 109, 314, vgl. BayVGH, B. v. 16.7.2019 – 15 ZB 17.2529 – juris Rn. 15 m.w.N.). Für die Frage, ob die in § 3 Abs. 1 BImSchG geregelte „Schädlichkeitsgrenze“ im Sinne einer Gefahr, eines erheblichen Nachteils oder erheblichen Belästigung vorliegt, ist auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen abzustellen, da das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot die Beziehungen zwischen Grundstückseigentümern und nicht den konkret betroffenen Personen regelt (BVerwG, U. v. 23.9.1999 – 4 C 6/98 – juris Rn. 29 = BVerwGE 109, 314, BayVGH, U. v. 6.5.2013 – 22 B 12.1967 – juris Rn. 37 = UPR 2014, 151).
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Bei der Beurteilung einer Lärmbelastung kommt der TA Lärm als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift eine im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich zu beachtende Bindungswirkung zu, soweit diese für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2019 – 15 CE 18.2652 – juris Rn. 26 m.w.N.). Für die Einhaltung der aus §§ 3, 22 BImSchG folgenden Verpflichtung, das Vorhaben so zu errichten und zu betreiben, dass von ihm keine das zulässige Maß überschreitenden schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen, hat die Baugenehmigungsbehörde im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu sorgen. Dabei können auch Auflagen in einer Baugenehmigung, die für den Betrieb der genehmigten Anlage die Einhaltung bestimmter Immissionsrichtwerte anordnen, ausreichend sicherstellen, dass die zugelassene Nutzung keine für die Nachbarschaft unzumutbaren und damit gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßenden Lärmimmissionen hervorruft (BayVGH, B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris Rn. 11, B.v. 18.3.2021 – 1 CS 20.2788 – juris Rn. 18). Dabei muss jedoch sichergestellt sein, dass die angeordneten Immissionsrichtwerte im Normalbetrieb auch eingehalten werden können (BayVGH, B.v. 27.12.2017 – 15 CS 17.2061 – juris Rn. 30 m.w.N.; B.v. 5.5.2022 – 9 CS 22.259 – juris Rn. 25).
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Eine Anpassung dieser Grenzwerte ist jedoch immer dann möglich und eventuell auch nötig, wenn das den Immissionen ausgesetzte Grundstück bereits situativ vorbelastet ist, denn das Gebot der Rücksichtnahme wirkt wechselseitig (BVerwG, U. v. 23.5.1991 – 7 C 19/90 – juris Rn. 10 ff. = BVerwGE 88, 210, BayVGH, B.v. 18.3.2021 – 9 CS 21.119 – juris Rn. 15 m.w.N.). Die Grenze einer schutzmindernden Vorbelastung ist jedoch dort anzunehmen, wo diese bereits eine Gesundheitsgefahr darstellt (BVerwG a.a.O.). Eine solch situationsbedingte Vorbelastung kann etwa im Grenzbereich zwischen zwei verschiedenen Baugebietstypen anzunehmen sein, da dort aufgrund der Grenzlage nicht der gleiche Schutzanspruch gelten kann, wie „inmitten“ des Baugebiets (BayVGH, B.v. 16.1.2014 – 9 B 10.1979 – juris Rn. 21, BayVGH, U.v. 14.7.2006 – 1 BV 03.2179 u.a. – juris Rn. 41 f. = BayVBl 2007, 334). Gleiches gilt etwa, wenn Wohnbebauung in Randlage zum Außenbereich realisiert wird, da auch hier mit der Errichtung von privilegierten Vorhaben gerechnet werden muss (BayVGH, B. v. 3.2.2017 – 9 CS 16.2477 – juris Rn. 19). Entsprechendes gilt auch, wenn Wohnbebauung an einen störenden Betrieb herangerückt ist (BVerwG, U.v. 18.5.1995 – 4 C 20/94 – juris Rn. 21 ff. = BVerwGE 98, 235). Die Vorbelastung kann durch die Anpassung der Grenzwerte auf einen „Mittelwert“ oder „Zwischenwert“ berücksichtigt werden (vgl. auch Ziffer 6.7 TA Lärm), wobei dieser jedoch nicht einem arithmetischen Mittel entspricht (BVerwG, B.v. 5.3.1984 – 4 B 171/83 – juris Rn. 3 = NVwZ 1984, 646, B.v. 28.9.1993 – 4 B 151/93 – juris Rn. 11 ff. = NVwZ-RR 1994, 139). Die Zwischenwertbildung erfolgt entsprechend den Kriterien von Ziffer 6.7 TA Lärm, da die Vorschrift nicht nur gilt, wenn unterschiedliche Gebiete aneinandergrenzen, sondern auch dann, wenn unterschiedlich genutzte Grundstücke eine derartige „Gemengelage“ bilden (VGH Mannheim, B.v. 26.2.2004 – 10 S 951/03 – juris Rn. 11, BayVGH, B.v. 11.4.2012 – 14 CS 12.294 – juris Rn. 34, B.v. 25.10.2010 – 1 CS 10.1907 – juris Rn. 33). Entscheidend für die Bildung eines Zwischenwertes sind die Kriterien der Ortsüblichkeit, der Gebietsprägung und der früheren Realisierung der in Konflikt stehenden Vorhaben (Feldhaus, TA Lärm Ziffer 6.7 Rn 61 ff.; BayVGH, U.v. 3.5.2022 – 22 B 20.2178 – juris Rn. 54 ff.).
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1.1 Eine sich nach diesen Grundsätzen bemessende Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme, welches sich hier aufgrund der Lage beider im Raum stehenden Nutzungen im Außenbereich in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB manifestiert, wegen Lärmbelastung ist nicht zu erwarten. Hiernach liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorruft. Dies ist mit folgenden Erwägungen jedoch nicht zu erwarten.
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1.2 Regelungsgegenstand der streitgegenständlichen Baugenehmigung ist neben einer Nutzungsänderung der bereits bestehenden „Innengastronomie“ in einen Mischbetrieb aus Bar-, Gaststätten- bzw. Diskothekenbetrieb auch die erstmalige, baurechtliche Genehmigung der Freiflächen und deren Nutzung im Sinne einer „Außengastronomie“. Dies ergibt sich schon aus den im Bescheid als genehmigte Bauvorlagen bezeichneten und auch mit Genehmigungsstempel versehenen Dokumenten, namentlich dem Bauantrag „Langtext“, der Betriebsbeschreibung vom 23. März 2022, dem Plan „Grundriss EG“ sowie den Betriebsparametern im Schallgutachten der … vom 2. Februar 2021 (BBM 2021). Sowohl die Betriebsbeschreibung vom 23. März 2022 als auch das Schallgutachten vom 2. Februar 2021 (mit Ergänzungen) wurden zusätzlich durch die „Auflagen“ A 125 und A 160 explizit zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht.
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Dass die Nutzungsänderung der Innengastronomie beantragt wurde, ergibt sich nicht nur deutlich aus dem Wortlaut des Bauantrags, sondern auch aus der Betriebsbeschreibung, die einen Mischbetrieb aus verschiedenen „Betriebsweisen“ definiert. Im Übrigen würde sich der Prüfmaßstab bezüglich der Lärmsituation auch nicht verändern, wenn die Innengastronomie unverändert geblieben wäre. Bei einer erstmaligen Genehmigung einer Außengastronomie im Sinne von Freischankflächen sind die Immissionen des Gesamtbetriebs Prüfungsmaßstab (BayVGH, U.v. 21.10.2010 – 14 B 08.1267 – juris Rn. 28). Die erstmalige Genehmigung der Freiflächen ergibt sich ebenfalls aus dem Wortlaut des Bauantrags, der u.a. eine „Terrassennachgenehmigung“ als Inhalt ausgibt und auch die zu genehmigende Anzahl der Freiflächenplätze mit 130 (West), 120 (Nord) und 50 (Süd) beziffert. Weiter sind die Freiflächen auch planerisch in den Bauplänen dargestellt. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass den Beteiligten spätestens seit dem Beschluss der Kammer vom 25. März 2021 (AN 3 S 21.00422) bekannt war, dass bisher keine Baugenehmigung für die Außengastronomie besteht, da die Baugenehmigung vom 25. Februar 2002 eine Terrassennutzung/Freiflächenbestuhlung mangels irgendwelcher planerischen oder quantitativen Vorgaben gar nicht regeln konnte. Jedenfalls im Hinblick auf den in der mündlichen Verhandlung erklärten Verzicht auf die Baugenehmigung vom 4. April 2018 ist damit in der hier streitgegenständlichen Baugenehmigung von einer Erstgenehmigung der Außengastronomie als Regelungsgegenstand auszugehen.
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1.3 Schädliche Umwelteinwirkungen werden durch den Betrieb des Beigeladenen, der die Betriebsabläufe entsprechend den gutachterlichen Vorgaben aus dem Schallgutachten vom 2. Februar 2021 zu gestalten hat (Bestimmung A 160 im Bescheid), nicht hervorgerufen.
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1.3.1 Soweit ein „gemischter Betrieb“ aus Innengastronomie und Außengastronomie im Raum steht, ist die Anwendung der TA Lärm umstritten (BVerwG, B.v. 3.8.2010 – 4 B 9/10 – juris Rn. 3 = BauR 2010, 2070; BayVGH, v. 27.11.2019 – 15 CS 19.1906 – juris Rn. 66 ff.; B.v. 13.10.2015 – 1 ZB 14.301 – juris Rn. 3), denn die TA Lärm nimmt nach ihrer Ziffer 1 Abs. 2 lit. b) Freiluftgaststätten ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich aus. Die Heranziehung der TA Lärm als „antizipiertes Sachverständigengutachten“ bleibt aber möglich (BayVGH, v. 27.11.2019 – 15 CS 19.1906 – juris Rn. 66 ff.; B.v. 22.8.2023 – 22 CS 23.1265 – juris Rn. 18 = GewArch 2023, 469). Danach ergibt sich eine zweiteilige – im Ausnahmefall dreiteilige – Prüfung, für die Frage, ob schädliche Umwelteinwirkungen durch einen „gemischten Betrieb“ mit Außen- und Innengastronomie hervorgerufen werden (BayVGH, U.v. 25.11.2015 – 22 BV 13.1686 – juris Rn. 52 ff. = GewArch 2016, 204). Einerseits hat die Innengastronomie die Immissionsrichtwerte der TA Lärm einzuhalten, wobei aufgrund obiger Maßstäbe grundsätzlich von einer abschließenden Bindungswirkung der TA Lärm für die Innengastronomie auszugehen ist (BayVGH a.a.O. Rn. 53 ff.). Im Hinblick auf die Außengastronomie kann die TA Lärm nur im Sinne eines antizipierten Sachverständigengutachtens angewendet werden und ist einer Anpassung an die Besonderheiten des Einzelfalls zugänglich (BayVGH a.a.O. Rn. 58 ff.). Grundsätzlich reicht es für das Gebot der Rücksichtnahme aus, dass Innengastronomie und Außengastronomie lediglich ihren jeweiligen Immissionsrichtwert für sich genommen einhalten (BayVGH a.a.O. Rn. 93). Eine Gesamtbetrachtung beider Lärmbeiträge unter Berücksichtigung weiterer sonstiger Lärmbeiträge (etwa aus dem allgemeinen Straßenverkehr) ist grundsätzlich nur dann erforderlich, wenn die Lärmimmissionen die Grenze zur Gesundheitsgefährdung erreichen (BayVGH a.a.O. Rn. 90 f.). Eine solche, „echte“ Gesamtbetrachtung von Lärm ist nach der Rechtsprechung erst dann erforderlich, wenn ein Grenzwert von 60 db(A) nachts oder 70 db (A) tags erreicht werden kann (BayVGH, U.v. 25.11.2015 – 22 BV 13.1686 – juris Rn. 90 m.w.N.; B.v. 1.4.2022 – 15 CS 22.642 – juris Rn. 39 m.w.N.).
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1.3.2 Nach diesen Grundsätzen ist nach dem Gutachten BBM 2021 belegt, dass – bei Beachtung der zahlreichen „Randbedingungen“ im Betriebsablauf (vgl. Ziffer 6 des Gutachtens) – die Innengastronomie („Gaststättenbetrieb“) an den relevanten Immissionsorten der Kläger einen Beurteilungspegel von maximal 51 db(A) tags und 44 db(A) nachts verursacht. Für die Außengastronomie („Freischankflächen“) ist mit einem maximalen Beurteilungspegel von 46 db(A) tags und 42 db(A) nachts zu rechnen (vgl. Ziffer 4.2 des Gutachtens).
27
Dabei hat die Beklagte und das Gutachten einen Immissionsrichtwert für ein Mischgebiet nach Ziffer 6.6 i.V.m. Ziffer 6.1 Satz 1 lit. d) TA Lärm sowohl für die Innen- als auch Außengastronomie gewählt. Dies entspricht der grundsätzlichen Schutzbedürftigkeit im Außenbereich (BayVGH, B.v. 2.11.2016 – 22 CS 16.2048 – juris Rn. 35 = ZUR 2017, 178, Feldhaus TA Lärm Ziffer 6.6 Rn. 56). Ob diese Immissionsrichtwerte zu Recht angenommen wurden, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, denn jegliche Aspekte, die eine Anpassung (gemäß Ziffer 6.6 TA Lärm bzw. 6.7 TA Lärm oder weil bezüglich der Außengastronomie keine strenge Bindung an die TA Lärm besteht) entsprechend der Schutzwürdigkeit des klägerischen Grundstücks rechtfertigen könnten, würden nach Meinung des Gerichts zu einer Verschlechterung der Immissionsrichtwerte für die Kläger führen (siehe dazu auch unten 1.3.3. c).
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1.3.3 Die hiergegen erstmalig in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Einwände der Klägerseite verfangen nicht.
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a) Soweit sich die Klägerseite auf eine nicht genau ermittelbare „Gästezahl“ bezieht und diese mit „bis zu 800 Personen“ aus dem Bauantrag des Beigeladenen im Sinne einer gleichzeitigen Maximalbelegung von Innengastronomie und Außengastronomie beziffern will, kommt es hierauf nicht an. Einerseits muss hier bedacht werden, dass die Umweltingenieurin der Beklagten überzeugend und nachvollziehbar in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, dass es auf die Gästezahl im Innenbereich aus Lärmschutzgründen nicht signifikant ankommt, da mit sog. Innenraumpegeln gearbeitet wurde. Insofern ist für das Gericht erkennbar, dass die Geräuschemissionen aus dem Inneren in erster Linie von Dämmwerten der Bauteile abhängen und im Übrigen auch von technischen Anlagen, wie der Musikanlage. Im Übrigen würden sich auch die Fahrzeugbewegungen durch eine erhöhte Anzahl von Gästen nicht verändern, da sich die Anzahl der Kraftfahrzeugstellplätze auf dem Betriebsgelände, von denen die Anzahl der möglichen Fahrtbewegungen abhängig ist, nicht ändern.
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Andererseits muss dem klägerischen Vortrag – soweit die Gästezahl lärmtechnisch durchaus relevant ist – entgegengehalten werden, dass die Anzahl der Gäste auf den Außenflächen sowohl in den Bauvorlagen als auch im zum Gegenstand der Baugenehmigung gemachten Gutachten BBM (2021) eindeutig definiert ist. Nicht nur aus der von der Klägerseite in Bezug genommenen Baubeschreibung, sondern auch aus der Betriebsbeschreibung sowie den Parametern der Emissionsberechnung für die Freischankflächen des Gutachten BBM 2021 ergibt sich eine Gästeanzahl von 320. Dabei ist zu betonen, dass diese Zahl in der hier einzig lärmtechnisch kritischen Nachtzeit ohnehin erheblich auf unter 200 reduziert ist, da nach dem Gutachten BBM 2021 nachts die Kaffeecke Süd etwa gar nicht und die westlichen Freischankflächen nur in der nördlichen Hälfte genutzt werden dürfen.
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b) Der von der Klägerseite erhobene Einwand einer mangelnden Berücksichtigung des An- und Abfahrtsverkehrs im Gutachten BBM 2021 ist in der Sache unbegründet, da eine Berücksichtigung teilweise stattgefunden hat und im Übrigen unterlassen werden durfte.
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Soweit der An- und Abfahrtsverkehr auf dem Grundstück des Beigeladenen betroffen ist, wurden die zu erwartenden Fahrzeugbewegungen, ebenso wie Lautäußerungen der Gäste berücksichtigt, wie sich einerseits aus der Übersicht der untersuchten Lärmquellen im Anhang A (BBM 2021) und im Übrigen auch aus den Emissionsparametern in Ziffer 3.1.3 (BBM 2021) ergibt. Substantiierte Einwände hiergegen wurden nicht erhoben.
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Soweit der An- und Abfahrtsverkehr auf öffentlichen Verkehrsflächen betroffen ist, kommt eine Berücksichtigung der hierdurch ausgelösten Lärmbeiträge nach Ziffer 7.4 Abs. 2 TA Lärm nur dann in Betracht, wenn dessen Voraussetzungen gegeben sind (Landmann/Rohmer UmweltR/TA Lärm Ziffer 7 Rn. 49, Feldhaus TA Lärm Ziffer 7 Rn. 44 a.E., 47 ff.; vgl. auch BVerwG, B.v. 8.1.2013 – 4 B 23/12 – juris Rn. 5 = BauR 2013, 739). Insofern hat die Umweltingenieurin der Beklagten nachvollziehbar ausgeführt, dass die kumulativen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Vorrangig ist schon nicht erkennbar, dass sich der dem Betrieb des Beigeladenen zurechenbare Besucherverkehr isolieren lässt. Vielmehr ist nach dem zweiten Anstrich von Ziffer 7.4 Abs. 2 TA Lärm davon auszugehen, dass der Besucherverkehr sich untrennbar mit dem allgemeinen Verkehrsaufkommen auf der … vermischt, da keine eigenständige Zufahrts straße existiert, sondern unmittelbar von der … auf das Betriebsgrundstück abgebogen werden muss. Im Übrigen erscheint es im Hinblick auf das zu erwartende Verkehrsaufkommen auf der … nicht plausibel, dass durch den An- und Abfahrtsverkehr der Beurteilungspegel der … um 3 db(A) erhöht werden kann (Ziffer 7.4 Abs. 2 erster Anstrich TA Lärm). Zu bedenken ist hierbei, dass es sich bei der … um eine in beiden Richtungen zweispurige Straße mit erkennbarer Verbindungsfunktion zwischen der … Innenstand und … sowie mit Zubringerfunktion zur sog. … handelt.
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c) Schließlich sind die Feststellungen des Gutachtens BBM 2021 auch nicht dadurch substantiiert erschüttert worden, dass die Klägerseite meint, das Gutachten berücksichtige nicht „wie die Gäste zur Gaststätte kommen“.
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Soweit damit der An- und Abfahrtsverkehr gemeint sein sollte, sei auf obige Ausführungen (b) verwiesen. Soweit damit ein von der Klägerseite angedeutetes Vorbeilaufen der Gäste am klägerischen Grundstück gemeint war, ist der Klägerseite zunächst jedenfalls zuzugestehen, dass „Fußgängerlärm“ grundsätzlich zu berücksichtigender Lärm einer Gaststätte ist, soweit noch eine Zurechenbarkeit mit dem Betrieb gegeben ist (BVerwG, B.v. 9.4.2003 – 6 B 12/03 – juris Rn. 10 = GewArch 2003, 300; U.v. 12.12.2019 – 8 C 3/19 – juris Rn. 28 = BVerwGE 167, 189; BayVGH, B.v. 24.5.2012 – 22 ZB 12.46 – juris Rn. 19 = NVwZ-RR 2012, 756; vgl. B.v. 6.7.2021 – 9 ZB 20.213 – juris Rn. 15).
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Das Gutachten BBM 2021 verhält sich in der Tat zu diesen Geräuschbeiträgen nicht erkennbar, weil diese weder im Anhang A zeichnerisch aufgelistet noch sonst namentlich erwähnt wurden.
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Dennoch kann das Gericht nicht erkennen, dass die Nichtberücksichtigung hier maßgeblich eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme bedingen könnte. Festzuhalten bleibt, dass am einzig relevanten Immissionsort für solchen Fußgängerlärm (Immissionsort IO 1a gemäß BBM 2021) an der östlichen Außenwand des klägerischen Grundstücks im Gutachten ein Beurteilungspegel durch den Gaststättenbetrieb (Innengastronomie) von 44 db(A) nachts prognostiziert wurde. Dabei ging das Gutachten von einem Immissionsrichtwert von 45 db(A) nachts aus. Das Gericht geht allerdings nicht davon aus, dass den Klägern ein solches Schutzniveau überhaupt zusteht.
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Zu berücksichtigen wäre an dieser Stelle zunächst, dass das klägerische Grundstück ausweislich des Gutachtens der … v. 23. November 2020 (dort Ziffern 5.2.1 und 6.1.1) aus dem Verfahren AN 3 K 18.00855 bereits zum Zeitpunkt der Errichtung des Wohnhauses der Kläger ganz erheblich (mit einem Beurteilungspegel von 56 bzw. 57 db(A) nachts) vorbelastet war. Die Kläger sind – wie sich aus den Akten aus dem Genehmigungsverfahren für ihr Einfamilienhaus im Jahr 2012 ergibt – in Kenntnis der erheblichen Lärmbelastung, über die sie sich seit 2008 konstant bei der Beklagten beschwert hatten, noch näher an den (nunmehrigen) Betrieb des Beigeladenen herangerückt. Insofern wäre von einem zwar mittlerweile durch die bestandskräftige Baugenehmigung 2012 legalisierten, aber damals eindeutig rücksichtslosen Heranrücken auszugehen. In zeitlicher Hinsicht liegt die Realisierung des Gaststättenbetriebs als Innengastronomie, der baurechtlich jedenfalls seit 1985 genehmigt ist, deutlich vor der Realisierung des klägerischen Wohnanwesens. Schließlich wird das klägerische Grundstück nicht nur durch den Gaststättenbetrieb des Beigeladenen, sondern auch durch die Randlage zu dem faktischen Gewerbegebiet östlich der … erheblich gewerblich geprägt. Ob dies im Sinne eines Zwischenwerts nicht sogar einen höheren Zwischenwert für die Innengastronomie rechtfertigt, als die im ursprünglichen Gutachten der … vom 13. Juli 2017 zur Baugenehmigung vom 4. April 2018 gewählten 48 db(A), muss letztlich nicht entschieden werden. Auch wenn man einen Zwischenwert von 48 db(A) nachts als korrekten Zwischenwert annehmen wollte, ist nichts substantiiert dafür vorgetragen, dass dieser durch den „Fußgängerlärm“ überschritten werden könnte.
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Das Gericht weist darauf hin, dass obergerichtlich geklärt ist, dass eine Zunahme schon um „nur“ 3 db(A) emissionsseitig eine Verdopplung der Schallenergie erfordern würde (BayVGH, B.v. 1.4.2022 – 15 CS 22.642 – juris Rn. 42 m.w.N.). Dass sich eine solche Verdopplung aus dem Fußgängerlärm ergeben kann, ist nicht substantiiert worden und Derartiges drängt sich dem Gericht auch nicht auf. Dabei wäre zu berücksichtigen, dass der Fußgängerlärm im Sinne des für die TA Lärm relevanten Mittelungspegels nur kurzzeitig einwirkt, da sich die Fußgänger nur kurzzeitig vor dem klägerischen Anwesen aufhalten und sich zu dem Betrieb des Beigeladenen hin- oder von ihm wegbewegen. Selbst wenn man mit einer hohen Gästezahl insbesondere am Wochenende rechnen muss, so wären jedenfalls im Mittel nur wenige Gäste gleichzeitig auf dem Weg.
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Die Prognoseberechnung ist deshalb auch insofern nicht substantiiert erschüttert, weshalb nicht von einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme auszugehen ist.
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2. Eine Baugenehmigung muss nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG hinreichend bestimmt sein, was bedeutet, dass die Beteiligten – gegebenenfalls nach Auslegung – erkennen können müssen, was von ihnen verlangt oder was ihnen zugemutet werden kann (BVerwG, U.v. 20.4.2005 – 4 C 18/03 – juris Rn. 53 = NVwZ 2005, 933). Der Inhalt der Baugenehmigung bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen (BayVGH, B.v. 30.3.2021 – 1 CS 20.2637 – juris Rn. 15 m.w.N.; vgl. BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 – juris Rn. 13 = BVerwGE 145, 145). Nachbarn können eine Baugenehmigung unter Verweis auf den Bestimmtheitsgrundsatz nur dann erfolgreich angreifen, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf ein nachbarschützendes Recht bezieht und deswegen eine Verletzung dieses Rechtes nicht ausgeschlossen werden kann (BayVGH, B. v. 26.5.2020 – 15 ZB 19.2231 – juris Rn. 11 m.w.N.).
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Ein nachbarrechtlich relevanter Verstoß gegen das Bestimmtheitserfordernis ist vorliegend ausgeschlossen. Soweit die Klägerseite meint, der Regelungsgegenstand der Baugenehmigung sei für sie nicht erkennbar, sei bereits auf obige Ausführungen verwiesen (1.2). Da den Klägern auch kein Gebietserhaltungsanspruch zukommt und jedenfalls die für die Immissionsbelastung wichtigen Parameter – insbesondere die Anzahl der Gäste auf den Außenflächen – deutlich beschrieben sind, ist die Baugenehmigung jedenfalls nicht in nachbarrechtsrelevanter Weise unbestimmt.
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Mit Blick auf die bemängelte Bezugnahme auf die Betriebsbeschreibung bzw. das Gutachten BBM 2021 im Genehmigungsbescheid durch die „Auflagen“ A 125 und A 160 ist nicht ersichtlich, wieso diese ungeeignet sein sollten. Es ist offenkundig, dass die Beklagte, auch wenn die Inbezugnahme unter der Überschrift „Auflagen“ erfolgte, keine echte Auflage im Sinne von Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG regeln wollte. Dafür spricht schon, dass nicht ersichtlich ist, dass mit den Bestimmungen A 125 oder A 160 eine selbstständige Vollstreckungsgrundlage geschaffen werden sollte, die mit Zwangsmitteln umgesetzt werden könnte, was aber das Wesen einer echten Auflage ausmacht. Vielmehr macht auch der Wortlaut der Bestimmungen, der die jeweiligen Dokumente „zum Gegenstand der Baugenehmigung macht“, deutlich, dass es sich um Inhaltsbestimmungen handelt, die das Wesen und den Inhalt der Baugenehmigung im konkreten Fall definieren. Auch diesbezüglich ist mithin keine nachbarrechtlich relevante Unbestimmtheit erkennbar.
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3. Sonstige Rechtsverletzungen der Kläger sind ausgeschlossen. Dies gilt insbesondere deswegen, da obergerichtlich geklärt ist, dass es einen Gebietserhaltungsanspruch im hier einschlägigen Außenbereich nicht gibt (BayVGH, B.v. 27.5.2020 – 15 ZB 19.2305 – juris Rn. 10 m.w.N.). Auch Abstandsflächenproblematiken stellen sich nicht, insbesondere da die grenzständig im Süden geplante Lärmschutzwand eine Höhe von 2 m aufweist und somit nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO nicht abstandsflächenpflichtig ist.
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Nach alledem ist die Klage daher abzuweisen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i.V.m. § 159 Satz 2 VwGO. Da sich der Beigeladene mangels Stellung eines Sachantrags auf Klageabweisung selber keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es nicht der Billigkeit gemäß § 162 Abs. 3 VwGO, ihm einen Kostenerstattungsanspruch zuzusprechen. Er trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.