Titel:
Wohnungsdurchsuchung zwecks Sicherstellung von Waffen und Munition zur Durchsetzung der vollziehbaren Abgabepflicht von Waffen und Munition
Normenketten:
WaffG § 46 Abs. 2
BayVwZVG Art. 18 Abs. 1, Art. 37 Abs. 3
Leitsätze:
1. Die Sicherstellung nach § 46 Abs. 2 WaffG dient durch die Begründung amtlichen Gewahrsams der Beendigung des nicht mehr durch eine Erlaubnis gedeckten Waffenbesitzes und der Herstellung rechtmäßiger Zustände, damit die Widerrufsentscheidung nicht wirkungslos bleibt. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dieser Zweck erfordert, wenn der Betroffene eine ihm gesetzte angemessenen Frist im Hinblick auf ein Unbrauchbarmachen oder die Überlassung an einen Berechtigten hat fruchtlos verstreichen lassen, die Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung auch im Wege unmittelbaren Zwangs mit einer Durchsuchung. Da das Waffengesetz insoweit keine Regelung enthält, ist nach Art. 18 Abs. 1 BayVwZVG ergänzend Landesvollstreckungsrecht bei Durchsuchungen zur Sicherstellung iSv § 46 Abs. 2 WaffG anwendbar ist. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Durchsuchungsanordnung, Sicherstellung von Waffen, Waffenbesitz, Widerrufsentscheidung, Unbrauchbarmachen, Überlassung an Berechtigten, zwangsweise Durchsetzung, Landesvollstreckungsrecht
Fundstelle:
BeckRS 2023, 38062
Tenor
1. Dem Landratsamt … samt zugezogenen Personen, z.B. Polizeibeamte und Mitarbeiter einer Tresorherstellerfirma, wird die Anordnung erteilt, die Wohn- und Nebenräume des Antragsgegners, …, zum Zwecke der Sicherstellung von Waffen und Munition an Werktagen von 6 bis 21 Uhr zu durchsuchen und, sofern der Antragsgegner einer entsprechenden Aufforderung nicht nachkommt, verschlossene Türen, Behältnisse und Schutzvorkehrungen zu diesem Zweck zu öffnen oder öffnen zu lassen.
2. Etwaige Mitgewahrsamsinhaber bezüglich der genannten Wohn- und Nebenräume und der zu durchsuchenden sowie zu beschlagnahmenden Gegenstände haben die angeordneten Maßnahmen zu dulden.
3. Diese Anordnung ist für den Zeitraum ab Zustellung dieses Beschlusses bis einschließlich 18. Dezember 2023 befristet.
4. Der Antragsteller wird mit der Zustellung dieses Beschlusses an den Antragsgegner bis spätestens bei Beginn der Durchsuchung beauftragt.
5. Der Antragsgegner hat die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens zu tragen.
Gründe
1
Gegenstand des Verfahrens ist die Wohnungsdurchsuchung zwecks Sicherstellung von Waffen und Munition zur Durchsetzung der vollziehbaren Abgabepflicht von Waffen und Munition.
2
Die Voraussetzungen und die Zulässigkeit einer Durchsuchungsanordnung ergeben sich im vorliegenden Fall nicht aus § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG, sondern aus § 46 Abs. 2 WaffG i. V. m. Landesvollstreckungsrecht.
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§ 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG betrifft nach seinem eindeutigen Wortlaut („zu diesem Zweck“) und seiner systematischen Stellung im Anschluss an die Regelung der sofortigen Sicherstellung in § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG nur die Durchsuchung zum Zweck der sofortigen Sicherstellung. Mit der sofortigen Sicherstellung soll daher entweder schon für die Zeit bis zur Erfüllung aller Vollzugsvoraussetzungen das Unterlaufen einer Besitzuntersagung verhindert werden oder es sollen, ohne eine Besitzuntersagung, bei tatsachengestützten Anhaltspunkten für eine missbräuchliche Waffen- und Munitionsverwendung bzw. für einen Erwerb vom Nichtberechtigten Gefahren für die Allgemeinheit umgehend unterbunden werden.
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Demgegenüber ist die hier in Frage stehende Sicherstellung nach § 46 Abs. 2 WaffG, d.h., im Fall des Widerrufs einer Erlaubnis bei Personen, die noch im Besitz der ursprünglich berechtigt erworbenen Waffen sind, an den fruchtlosen Ablauf einer gesetzten angemessenen Frist im Hinblick auf ein Unbrauchbarmachen oder die Überlassung an einen Berechtigten gebunden. Die Sicherstellung nach § 46 Abs. 2 WaffG dient (entsprechend § 48 Abs. 2 WaffG a.F., vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.4.1998 – 1 B 230.97 – juris Rn. 5) durch die Begründung amtlichen Gewahrsams der Beendigung des nicht mehr durch eine Erlaubnis gedeckten Waffenbesitzes und der Herstellung rechtmäßiger Zustände, damit die Widerrufsentscheidung nicht wirkungslos bleibt. Dieser Zweck erfordert, wenn der Betroffene die Frist hat verstreichen lassen, die Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung auch im Wege unmittelbaren Zwangs mit einer Durchsuchung, sodass, weil das Waffengesetz insoweit keine Regelung enthält, nach Art. 18 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) ergänzend Landesvollstreckungsrecht bei Durchsuchungen zur Sicherstellung im Sinne von § 46 Abs. 2 WaffG anwendbar ist.
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Die Voraussetzungen für die begehrte Durchsuchungsanordnung auf der Grundlage von Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG liegen für die in den Waffenbesitzkarten des Antragsgegners eingetragenen Waffen vor. Der Vollzug der Sicherstellungsanordnung für Waffen ist eine bundesrechtlich angeordnete Art des unmittelbaren Zwangs im Sinne von Art. 34 VwZVG, so dass sich die Durchführung ergänzend nach Art. 37 Abs. 3 VwZVG richtet. Mit dem Betreten und notfalls auch dem Durchsuchen der Wohnung zur Sicherstellung soll nämlich Verwaltungszwang ausgeübt werden. Hierfür stellt der in Nr. 8 für sofort vollziehbar erklärte und in Nr. 1 kraft Gesetzes (§ 45 Abs. 5 WaffG) sofort vollziehbare Bescheid des Antragstellers vom 22. August 2023 eine Vollstreckungsgrundlage im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 und 3 VwZVG dar. Die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 2 VwZVG, wonach die Vollstreckung voraussetzt, dass der zu einer Handlung Verpflichtete seine Verpflichtung nicht rechtzeitig erfüllt, sind, sollte es hierauf für die Vollstreckung trotz der bundesrechtlichen Sonderregelung in § 46 Abs. 2 Satz 1 und 2 WaffG überhaupt ankommen, gleichfalls in der durch die waffenrechtliche Sonderregelung bedingten Form gegeben. Denn der Antragsgegner hat jedenfalls von den ihm im Bescheid des Antragstellers in Nr. 6 nach § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG befristet eingeräumten Möglichkeiten, die Schusswaffen binnen eines Monats nach Zustellung dieses Bescheides unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen und hierüber einen Nachweis zu führen, nicht fristgerecht Gebrauch gemacht.
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Dies ist zugleich die Voraussetzung für die Sicherstellung der Waffen durch den Antragsteller nach § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG, die der Antragsteller auf der Grundlage von § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG in Nr. 7 des Bescheids für den Fall fruchtlosen Fristablaufs angekündigt hat.
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Die Voraussetzungen für die Anwendung unmittelbaren Zwangs als Zwangsmittel (Art. 34 VwZVG) sind gegeben. In Bezug auf die Waffen sind andere Zwangsmittel nach wirksamem Widerruf einer Erlaubnis durch die bundesrechtliche Sonderregelung des § 46 Abs. 2 WaffG ausgeschlossen. Vor Ablauf der nach § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG gesetzten Frist besteht nämlich keine bestimmte Handlungspflicht, sondern die befristet eingeräumte Möglichkeit (Wahlrecht) des Unbrauchbarmachens der Waffen oder ihrer Überlassung an einen Berechtigten. Nach fruchtlosem Fristablauf gibt es nur noch die Möglichkeit der behördlichen Sicherstellung mit der weiteren Möglichkeit der behördlichen Einziehung und Verwertung, falls nach der Sicherstellung kein empfangsbereiter Berechtigter benannt wird.
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Einer Androhung unmittelbaren Zwangs bedurfte es nach Art. 35 VwZVG nicht, weil der weitere Besitz von Waffen ohne eine Erlaubnis eine Straftat darstellt (§ 52 Abs. 3 Nr. 2a WaffG).
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Damit sind auch die vollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Durchsuchung zum Auffinden der Waffen des Antragsgegners erfüllt (Art. 37 Abs. 3 VwZVG). Soweit es der Zweck der Vollstreckung erfordert, sind die mit der Durchführung des Verwaltungszwangs beauftragten Bediensteten der Vollstreckungsbehörde, Polizeibeamte und zugezogene Mitarbeiter einer Tresorherstellerfirma befugt, die Wohn- und Nebenräume des Antragsgegners zu betreten und verschlossene Türen, Behältnisse und Schutzvorkehrungen zu öffnen oder öffnen zu lassen.
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Die Durchsuchung der Wohn- und Nebenräume nach den Waffen des Antragsgegners steht auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang. Denn die hier vorliegenden Anhaltspunkte für die unberechtigte Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen durch eine Person, auf deren fehlendes Bedürfnis vorliegend voraussichtlich rechtmäßig zu schließen war, lassen den Schluss auf Gefahren für Leben und Gesundheit zu, was schwerer wiegt, als die Unverletzlichkeit der Wohnung. Ein milderes Mittel (Zwangsgeld oder Ersatzvornahme) steht, wie oben ausgeführt, nicht zur Verfügung.
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Nicht zu prüfen war im vorliegenden Verfahren, ob der zugrunde liegende vollstreckbare Titel, nämlich der Bescheid vom 22. August 2023, im Übrigen rechtmäßig ist (vgl. dazu grundlegend BVerfG, B.v. 16.6.1981 – 1 BvR 1094/80 – BVerfGE 57, 346). Es genügt jedenfalls, dass er nicht nichtig ist. Im Übrigen wären auch keine Anhaltspunkte für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit erkennbar.
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Da die richterliche Prüfung einer Wohnungsdurchsuchung die Einhaltung der rechtlichen Grundlagen nicht für unabsehbare Zeit gewährleisten kann, war die Durchsuchungsanordnung zeitlich zu befristen. Zudem ist eine Durchsuchung in der Zeit zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr oder an Sonn- und Feiertagen nicht veranlasst.
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Das WaffG erlegt etwaigen (Mit-)Inhabern von Räumen und Sachen, die nicht in der alleinigen tatsächlichen Verfügungsgewalt des Hauptbetroffenen der Durchsuchung und Sicherstellung stehen, nicht ausdrücklich eine Duldungspflicht auf. Daher war diese vorliegend anzuordnen.
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Eine Anhörung des Antragsgegners vor Erlass der gerichtlichen Durchsuchungsanordnung kam nicht in Betracht, weil sonst der Vollstreckungserfolg gefährdet gewesen wäre (vgl. dazu wiederum BVerfG a.a.O.). Um den Erfolg der Durchsuchung nicht zu gefährden, ist der Antragsteller im Wege der Amtshilfe zu beauftragen, diesen Beschluss gemäß § 14 VwGO dem Antragsgegner spätestens unmittelbar vor Beginn der Durchsuchung durch Übergabe zuzustellen.
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Dem Antragsteller wird zudem aufgegeben, dem Verwaltungsgericht Ansbach unverzüglich mitzuteilen, wann die Durchsuchung aufgrund dieses Beschlusses durchgeführt worden ist.
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Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtsgebühren fallen nicht an.