Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 17.11.2023 – AN 14 K 21.01078
Titel:

Kürzung von landwirtschaftlichen Subventionen wegen Cross-Compliance-Verstößen

Normenketten:
VO (EU) Nr. 1306/2013 Art. 91 Abs. 1, Art. 93, Art. 99
VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 38, Art. 39
VO (EG) Nr. 178/2002 Art. 14 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5, Art. 17
VO (EG) Nr. 470/2009 Art. 23
Leitsätze:
1. Vereinigungen natürlicher Personen werden auch unionsrechtlich als Betriebsinhaber und damit Begünstigte anerkannt; gegen eine GbR können somit Sanktionen verhängt werden, wenn die Gesellschafter Verstöße gegen Cross-Compliance-Regelungen begangen haben. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. In Bezug auf das Vorliegen von Cross-Compliance-Verstößen trifft die Behörde die materielle Beweislast. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die pauschale Behauptung, den Auswahl-, Einweisungs- und Kontrollpflichten nachgekommen zu sein, reicht zur Exkulpation nicht aus. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
4. Inverkehrbringen ist das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verfristeter Widerspruch, Landwirtschaftliche Subventionen, Cross-Compliance-Verstöße, Verhältnismäßigkeit von Cross-Compliance-Kürzungen, Schmerzmittelbelastetes Lebensmittel, Inverkehrbringen von Lebensmitteln; Für den Verzehr ungeeignete Lebensmittel, Fehlende tierärztliche Behandlungsanweisung, landwirtschaftliche Subventionen, Kürzung, Beweislast, Exkulpation, Vereinigungen, Ausgleichszulage, Inverkehrbringen, Tierarzneimittel, Verhältnismäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 38059

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Auszahlung von ungekürzten landwirtschaftlichen Subventionen für das Jahr 2019 vor dem Hintergrund einer durch den Beklagten vorgenommenen Kürzung der Subventionen um 5% wegen Verstößen gegen Cross-Compliance-Vorschriften.
2
Die Klägerin betreibt auf dem Gebiet der Gemeinde … Ackerbau und Viehzucht. Mit Mehrfachantrag vom 15. April 2019 beantragte die Klägerin für das Jahr 2019 die Auszahlung von Direktzahlungen (insb. eine Basisprämie), die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten, sowie Auszahlungen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen. Im Rahmen der Antragstellung versicherte die Klägerin, von den Verpflichtungen und Hinweisen in diversen Broschüren und Merkblättern insbesondere zum Thema Cross-Compliance Kenntnis genommen zu haben und die entsprechenden Verpflichtungen einzuhalten.
3
Am 7. Februar 2019 wurde auf dem klägerischen Betrieb ohne Ankündigung eine Vor-Ort-Kontrolle durch das Fachzentrum Agrarökologie des Amtes für ... (AELF) … durchgeführt. Hintergrund war die Anzeige eines Bürgers, der meldete, dass am Vortag um 17.20 Uhr Gülle direkt auf gefrorenem Boden ausgebracht worden sei. Bei der Kontrolle wurde festgestellt, dass auf dem Feldstück Nr. … stickstoffhaltige Düngemittel auf nicht-aufnahmefähigem Boden aufgebracht worden waren. Der Prüfer des AELF bewertete dies als fahrlässigen Verstoß mit einem Kürzungssatz von 3%.
4
Am 15. November 2019 führte das Veterinäramt des Landratsamtes … auf dem Betrieb der Klägerin eine weitere unangekündigte Vor-Ort-Kontrolle durch. Bei einem am 24. Juni 2019 geschlachteten Rind mit der Ohrmarkennummer … waren zuvor bei einer Planprobe Arzneimittelrückstände festgestellt worden, welche die zulässige Rückstandshöchstmenge um das 570-fache überschritten. In diesem Zusammenhang stellten die Prüfer laut Kontrollbericht vier Verstöße gegen Rechtsakte fest:
- „VO (EG) Nr. 178/2002 Art.14: Anforderung an die LM-Sicherheit, Lebensmittel in Verkehr gebracht (GAB 4 LM PK 17)“, bewertet mit einem Kürzungssatz von 3%.
- „VO (EG) Nr. 852/2004 Nr.4j,5h) Keine Maßnahmen für die korrekte Verwendung von FM-Zusätze/Tierarzneimittel/Biozide (GAB 4 LM PK 20)“, bewertet mit einem Kürzungssatz von 5%.
- „VO (EG) Nr. 852/2004 Nr.8b) Tier. Lebensmittel – Keine Dokumentation über Tierarzneimittel/sonstige Behandlung (GAB 4 LM PK 03)“, bewertet mit einem Kürzungssatz von 1%.
- Rückstände: Nachweis von Stoffen gemäß VO (EU) 37/2010 (GAB 4 LM PK 33), bewertet mit einem Kürzungssatz von 5%.
5
Mit Bescheid des AELF … vom 10. Dezember 2019, versandt am 7. Januar 2020, wurden der Klägerin Direktzahlungen in Höhe von insgesamt 47.413,05 EUR gewährt, wobei bereits eine Kürzung wegen Cross Compliance-Verstößen in Höhe von 5% inbegriffen war.
6
Mit Bescheid des AELF … vom 3. Dezember 2019, versandt am 3. April 2020, wurde der Klägerin eine Ausgleichszulage in Höhe von 1.578,09 EUR gewährt, wobei bereits eine Kürzung wegen Cross Compliance-Verstößen von 5% inbegriffen war.
7
Mit Auszahlungsmitteilung des AELF … vom 25. März 2020, versandt am 29. April 2020, wurden der Klägerin Zahlungen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen in Höhe von insgesamt 8.293,22 EUR gewährt, wobei bereits eine Kürzung wegen Cross-Compliance-Verstößen von 5% inbegriffen war.
8
Die Klägerin legte durch Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 10. März 2020, laut Stempel beim AELF … eingegangen am selben Tag, Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. Dezember 2019 ein. Sie legte außerdem durch Schreiben vom 20. April 2020, am selben Tag beim AELF … eingegangen, Widerspruch gegen den Bescheid vom 3. Dezember 2019 und durch Schreiben vom 6. Mai 2020, am selben Tag beim AELF … eingegangen, Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. März 2020 ein. Das AELF … half den Widersprüchen nicht ab und legte sie der Staatlichen Führungsakademie für ... (FüAk) zur Entscheidung vor.
9
Mit Schreiben vom 23. März 2021, bei der FüAk eingegangen am 25. März 2021, begründete die Klägerin ihre Widersprüche. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei vorliegend nicht gewahrt worden. Nach Art. 99 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1306/2013 sei bei einem fahrlässigen Verstoß höchstens eine Kürzung von 5% vorzunehmen, vorliegend sei trotz der Annahme eines fahrlässigen Einzelfalles und, obwohl es sich um ein Erstvergehen gehandelt habe, sofort der Sanktionsspielraum ausgereizt worden. Weshalb es sich einzig beim Verstoß gegen die Nitratrichtlinie um einen „mittleren“ Verstoß handeln sollte, sei nicht dargelegt. Die Feststellung, die durch die Klägerin begüllte Fläche sei beim Ausbringen der Gülle schneebedeckt gewesen, stütze sich vorliegend lediglich auf eine Vermutung. Es werde pauschal behauptet, dass alle umliegenden Flächen schneebedeckt gewesen seien, und daraus geschlossen, auch bei der streitgegenständlichen Fläche sei davon auszugehen, dass diese bei Ausbringen der Gülle schneebedeckt gewesen sei. Es sei nicht ausgeführt worden, inwieweit es sich bei den umliegenden Flächen um vergleichbare Flächen handele, zudem sei nicht in Betracht gezogen worden, dass die Schneefreiheit des streitgegenständlichen Flurstücks bereits vor Begüllung vorgelegen habe. Zur Bewertung der Verstöße gegen GAB 1 und GAB 4 seien Regelfälle gebildet worden und man habe sich bei der Bestimmung des Vorliegens eines Verstoßes allein auf die Beurteilung von Regelfällen zurückgezogen. Dabei seien Einzelfallbewertungen unerlässlich zur ausschöpfenden Bewertung eines Falles im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes.
10
Seitens der Klägerin seien in Bezug auf das streitgegenständliche Rind alle Behandlungen und Verabreichungen lückenlos dokumentiert worden, ein Verstoß gegen GAB 4 LM PK 20 und PK 03 liege nicht vor. Im Übrigen seien die Arzneimittelrückstände im Schlachttier weit vor dem festgesetzten Schlachttermin festgestellt worden, ein Abbau des Überschusses und ein Erreichen der vorgeschriebenen Arzneimittelwerte sei bis zu einer Schlachtung zu erwarten gewesen. Die Verabreichung sei vorliegend lückenlos dokumentiert worden und der Verstoß habe vor Inverkehrbringen des „Lebensmittels“ bemerkt und beseitigt werden können, weswegen neben dem Vorwurf der fehlerhaften Dokumentation der Vorwurf des Inverkehrbringens von nicht sicheren Lebensmitteln hinfällig sei. Die nicht korrekte Verwendung von Tierarzneimitteln und die Überschreitung von Rückstandshöchstmengen schlössen sich denknotwendig ein, weshalb auch hier nur ein Verstoß ahndungsfähig sei.
11
Die vierfache Berücksichtigung des Verstoßes in Bezug auf das geschlachtete Tier und die Ansetzung verschiedener „Schweremaßstäbe“ seien angesichts des behaupteten unwesentlichen, leicht behebbaren Verstoßes nicht nachvollziehbar. Angelehnt ans Strafrecht müsse, damit der einzelne Verstoß mehrere Verschuldungsgrade erfüllen könne, für jede Handlung ein neuer Tatentschluss vorliegen, wobei gegenständlich aufgrund der Fahrlässigkeit ein solcher nicht begründbar sei. Selbst bei Zugrundelegung eines Verstoßes sowohl gegen GAB 4 als auch gegen GAB 1 ergebe sich ein weit unter 5% liegender Kürzungsbetrag. Allein aufgrund der eklatanten Begründungsmängel könne der gegenständliche Bescheid nicht Bestand haben und sei daher aufzuheben.
12
Mit Widerspruchsbescheid der FüAK vom 11. Mai 2021, beim Bevollmächtigten der Klägerin eingegangen am 14. Mai 2021, wurden die Widersprüche der Klägerin zurückgewiesen (Ziffer 1 des Widerspruchsbescheids), der Klägerin die Kosten des Widerspruchsverfahrens auferlegt (Ziffer 2) und eine Gebühr für den Bescheid von 150 EUR festgesetzt (Ziffer 3).
13
In der Begründung des Widerspruchsbescheids führte die FüAK aus, der Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. Dezember 2019 sei verfristet eingelegt worden und daher unzulässig; der Bescheid sei am 10. Januar 2020 bekanntgegeben worden, das Widerspruchsschreiben sei ausweislich des Eingangsstempels des AELF … aber erst am 11. März 2020 und damit zu spät eingegangen. Im Übrigen seien die Widersprüche unbegründet.
14
Auf den Fotos, welche am Kontrolltag in Bezug auf das Feldstück Nummer … angefertigt worden seien, sei an den Rändern des Feldstücks, auf denen keine Gülle ausgebracht worden sei, eine Schneeauflage deutlich zu erkennen. Beim Ausbringen der meist warmen Gülle schmelze der Schnee. Daher sei es auch wichtig, bei der Beurteilung darüber, ob eine Fläche zum Zeitpunkt des Ausbringens schneebedeckt war, die umliegenden Flächen zu betrachten.
15
Das streitgegenständliche Schlachttier sei nachweislich mit zwei verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln behandelt worden. Noch vor dem Abbau der Medikamente im Körper sei das Tier zum Zwecke der Lebensmittelgewinnung notgeschlachtet worden. Beim Schlachttierkörper und den Nebenprodukten des Rindes sei dann am Schlachthof eine erhebliche Rückstandshöchstmengenüberschreitung von zwei verschreibungspflichtigen Wirkstoffen festgestellt worden. Beide Wirkstoffe seien in Form von verschiedenen Fertigarzneimitteln in der Stallapotheke des Betriebs vorhanden gewesen. Da das Schlachttier an einen Metzger zur Lebensmittelgewinnung weiterverkauft worden sei, sei ein Verstoß gegen die Prüfkriterien GAB 4 LM PK 17 und PK 33 berechtigterweise festgestellt worden. Für die Verschreibung der Schmerzmittel habe keine Dokumentation der Behandlung vorgelegt werden können. Bei der Abgabe des Tieres an den Schlachtbetrieb sei die erfolgte Behandlung aus den dort mitgegebenen Unterlagen auch nicht ersichtlich gewesen und das Tier sei als unbehandelter Tierkörper verkauft worden.
16
Die Verstöße seien in Einklang mit den Begriffsbestimmungen zu den Beurteilungskriterien für den Schweregrad des Verstoßes nach Art. 38 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 bewertet worden. Alle festgestellten Verstöße seien mit dem Regelkürzungssatz bewertet worden. Die unterschiedliche Bewertung der Verstöße liege an der unterschiedlichen Gewichtung der einzelnen Standards im Rahmen ihres Rechtsakts. Ein Abweichen von dieser festgelegten Regelsanktion sei im vorliegenden Fall mangels entsprechender Anhaltspunkten nicht gerechtfertigt gewesen. Mehrere fahrlässige Erstverstöße gegen Prüfkriterien eines Rechtsakts würden nach Art. 73 Abs. 2 Durchführungs-VO (EU) Nr. 809/2014 wie ein Verstoß sanktioniert. Für den Rechtsakt GAB 4 seien unterschiedliche Kürzungssätze festgelegt worden, daher gelte als Gesamtkürzungssatz der höchste Wert von 5%. Die eigentlich in Art. 74 Abs. 1 Unterabs. 2 Durchführungs-VO (EU) Nr. 809/2014 vorgesehene Summierung der Kürzungen für Verstöße gegen GAB 1 und GAB 4 dürfe bei ausschließlich Erstverstößen die Kappungsgrenze von 5% nicht überschreiten.
17
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 9. Juni 2021 hat die Klägerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach die vorliegende Klage erhoben.
18
Zur Begründung führte die Klägerin mit Schreiben vom 14. Juli 2021 insbesondere aus, der Beklagte habe nicht gewürdigt, dass es sich bei der Schlachtung des von den Arzneimittelverstößen betroffenen Tieres um eine Notschlachtung gehandelt habe und dass damit ein Ausnahmefall gegeben war, dass sich das Tier in intensiver medizinischer Betreuung befunden habe und die festgestellten Rückstände damit ebenfalls eine situationsbedingte Ausnahmeerscheinung dargestellt hätten. Außerdem sei nicht auszuschließen, dass die Rückstände nicht allein aus der Eigenbehandlung des Tieres durch die Beklagte (gemeint wohl: Klägerin) stammten, sondern auch der Behandlung durch medizinisches Fachpersonal entstammten. Zudem sei der Verstoß vorliegend rechtzeitig bemerkt worden, weshalb keinerlei tatsächlich negative Folgen feststellbar seien, die gerade den Regelungszweck der Norm, den Geschäftsverkehr vor Inverkehrbringen kontaminierten Fleisches zu schützen, erfüllen würden. Unter Inverkehrbringen verstehe man das Bereitstellen einer Ware zum Verkauf oder zur Nutzung. Bei einer Notschlachtung eines kontaminierten Rindes und dessen Abgabe an den Schlachthof bereits von einem Inverkehrbringen auszugehen, erscheine fragwürdig, da das Fleisch vor Nutzung und Verkauf kontrolliert werde. Da die Ware gegenständlich weder zum Verkauf ausgelegt worden sei, noch die Möglichkeit einer Nutzung bestanden habe, könne nicht von einem Inverkehrbringen ausgegangen werden. Schließlich bekräftigte die Klägerin, in Bezug auf die nicht korrekte Verwendung von Tierarzneimitteln hätte eine Gesamtberücksichtigung stattfinden müssen. Tierarzneimittelverstoß und Überschreitung der Rückstände stünden in einem besonders engen Zusammenhang und bildeten bei objektiver Betrachtung auch eine natürliche Handlungseinheit.
19
Mit Schriftsatz vom 11. August 2021 führte der Beklagte aus, das streitgegenständliche Tier sei nachweislich mit zwei verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln behandelt, vor Ablauf der hierfür geltenden Wartezeit notgeschlachtet und zur Lebensmittelproduktion an einen Metzger verkauft worden. Es sei festzuhalten, dass es sich bei der vorliegenden Notschlachtung um keinen Ausnahmefall gehandelt habe, welcher einen Entfall der Verstöße rechtfertigen würde. Vielmehr handele es sich bei einer Notschlachtung um einen Sachverhalt, welcher sogar eine noch strengere Bewertung rechtfertigen könne. Die im Schlachttier vorgefundene Menge an Arzneimittelrückständen lasse darauf schließen, dass eine Verabreichung erst kurz vor dem Tod des Tieres stattgefunden habe und dass die Klägerin auch von dieser Verabreichung Kenntnis gehabt habe. Augenscheinlich habe sich der Zustand des Tieres aber trotz dieser Behandlung nicht verbessert, weshalb die Notschlachtung als Ausweg gewählt worden sei, um das Tier von seinem Leid zu erlösen. Eine Notschlachtung sei in diesem Fall aber nicht Ultima Ratio für Tier und Tierhalter, sondern lediglich die letzte Möglichkeit für den Tierhalter, das Tier zu verkaufen und einen Erlös zu erzielen. Im Normalfall erfolge in solchen Fällen die Euthanasie, welche aber mit Kosten für den Tierhalter verbunden sei. Unabhängig davon, wer dem Tier die Medikamente verabreicht habe, sei der Tierhalter für die Entscheidung, das Tier trotz hoher Arzneimittelbelastung notzuschlachten, anstatt es einzuschläfern, verantwortlich. Ein Inverkehrbringen gemäß Art. 3 Nr. 8 VO (EU) Nr. 178/2002 sei bereits bei der Abgabe des kontaminierten Tieres an den Schlachthof gegeben. Die Unterscheidung von Erst- und Wiederholungsverstößen sei bereits Teil der Cross-Compliance-Regelungen, weshalb das alleinige Vorliegen von Erstverstößen kein Grund für eine mildere Bewertung oder gar ein Entfallen von Verstößen sein könne.
20
Mit Schriftsatz vom 29. September 2023 gab der Klägerbevollmächtigte an, es werde nicht davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 10. Dezember 2019 bestandskräftig und die dagegen gerichtete Klage unzulässig sei. Der Beklagte habe sich durch Stellungnahme zum Bescheid vom 10. Dezember 2019 im Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2021 inhaltlich mit dem Bescheid auseinandergesetzt und nicht auf Verfristung berufen, weswegen die Klägerin auch im gegenständlichen Verfahren davon ausgehen dürfe, dass der Bescheid Berücksichtigung finde.
21
Das Verhalten der Klägerin sei höchstens als ein Verstoß gegen GAB 4 berücksichtigungsfähig. Allerdings sei nicht dargelegt, welche Sachverhalte zu einem Verstoß geführt haben sollen. Es sei nicht mehr rekonstruierbar, wer die Entscheidung, das Tier zu schlachten, getroffen habe, es sei auch zugunsten der Klägerin davon auszugehen, dass hier ein nicht über die Arzneimittelgabe instruierter Mitarbeiter die Notschlachtung angeordnet habe. Ein schwerer Verstoß sei daher nicht konstruierbar, da allenfalls leichte Fahrlässigkeit vorgelegen habe. Insgesamt sei nicht nachvollziehbar, warum gegenständlich nicht eine Kürzung von 1% angenommen worden sei.
22
Mit Schreiben vom 18. Oktober 2023 entgegnete der Beklagte, der Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. Dezember 2019 sei mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2021 als unzulässig zurückgewiesen worden. Eine inhaltliche Auseinandersetzung sei lediglich in Bezug auf die Widersprüche gegen den Bescheid vom 3. Dezember 2019 und die Auszahlungsmitteilung vom 25. März 2020 erfolgt. Beim im Schlachttier vorgefundenen Stoff handele es sich um den Wirkstoff Metamizol, der im Schlachttier in einer Konzentration von 57.000 μg/kg vorgelegen habe. In einer am 24. Oktober 2023 dem Gericht übermittelten E-Mail des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittel (LGL) vom 16. Juni 2020 ist die Einschätzung festgehalten, dass die Metamizol-Konzentration in der untersuchten Leberprobe des geschlachteten Rindes beim Verzehr nicht gesundheitsschädlich sei.
23
Schließlich übermittelte die FüAK am 16. November 2023 dem Gericht den Befund des LGL vom 1. Oktober 2019 bzgl. des Tiers mit der Ohrmarkennummer … sowie das dazugehörige Probenahmeprotokoll. Darin ist insbesondere festgehalten, dass bei der Untersuchung der Leber des Rindes ein Gehalt von 4-Methylaminoantipyrin in Höhe von 57.000 μg/kg festgestellt wurde. Dies sei ein Stoffwechselabbauprodukt und der Markerrückstand des nicht-steroiden Entzündungshemmers Metamizol.
24
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärte der anwesende Gesellschafter der Klägerin …, es handele sich beim relevanten Grundstück um ein Wiesengrundstück, das im Gegensatz zu den danebenliegenden Äckern früher schneefrei werde.
25
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der Beklagte eine Kopie der Dokumentation nach Anlage 7 zu § 10 Abs. 1 Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung vor, datiert auf den 24. Juni 2019 und betreffend das Tier mit der Ohrmarkennummer … Darin enthalten ist eine „Standarderklärung“ des Lebensmittelunternehmers, in der durch Unterschrift bestätigt wird, dass im Zeitraum von sieben Tagen vor Verbringung des Tiers zur Schlachtung keine Wartezeiten für verabreichte Tierarzneimittel bestanden. Außerdem legte die Beklagte eine Kopie der Dokumentation nach Anlage 8 zu § 12 Abs. 1 Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung vor, ebenfalls datiert auf den 24. Juni 2019 und betreffend das Tier mit der Ohrmarkennummer … Daraus ergibt sich, dass das fragliche Tier zum Schlachthof … gebracht wurde. Angekreuzt wurde dabei, dass das Tier nicht mit Arzneimitteln behandelt wurde. Im Feld „Unterschrift des Lebensmittelunternehmers“ wurde der Schein laut Angabe des anwesenden Gesellschafters der Klägerin … durch seinen Sohn unterschrieben. Die Unterschriften auf beiden Blättern stimmen überein.
26
Zudem erklärte der Beklagte, dass der Klägerin insgesamt i.H.v. 3.031,67 EUR Subventionen gekürzt worden seien, wobei davon 2.495,42 EUR auf Direktzahlungen, d.h. auf den Bescheid vom 10. Dezember 2019, entfielen.
27
Die Klägerin beantragt zuletzt,
Die Bescheide des Beklagten vom 03.12.2019, 10.12.2019 und 25.03.2020 in der Fassung des anliegenden Widerspruchsbescheides vom 11.05.2021 werden aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, an die Klägerin gekürzte Ausgleichszulagen in Höhe von gesamt 3.031,67 € zu zahlen.
28
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
29
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. November 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

30
Die Klage ist nur teilweise zulässig, soweit sie zulässig ist, aber unbegründet.
A.
31
Die Klage ist statthaft als Verpflichtungsklage gerichtet auf Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung ungekürzter Subventionen unter gleichzeitiger Aufhebung der Bescheide vom 10. Dezember 2019 (betreffend Direktzahlungen) und 3. Dezember 2019 (betreffend die Zahlung einer Ausgleichszulage) sowie der Auszahlungsmitteilung vom 25. März 2020 (betreffend insb. Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen), jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2021.
32
Soweit die Klägerin die Auszahlung von i.H.v. 2.495,42 EUR gekürzten Direktzahlungen begehrt, ist die Klage allerdings unzulässig. Zwar wurde die Klage binnen Monatsfrist nach Zustellung des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2021 erhoben (§ 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO), der Bescheid vom 10. Dezember 2019 war allerdings bereits bei Erhebung des Widerspruchs durch die Klägerin bestandskräftig. Laut Behördenakte (dort Blatt 25) wurde der Bescheid vom 10. Dezember 2019 – seitens der Klägerin nicht bestritten – am 7. Januar 2020 an die Klägerin versendet. Damit ist gemäß Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG von einer Bekanntgabe am 10. Januar 2020 auszugehen, sodass die Widerspruchsfrist bereits am 10. Februar 2020 endete (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Widerspruch vom 10. März 2020 – laut Poststempel am selben Tag beim AELF … eingegangen – war damit verfristet und der Bescheid bei Einlegung des Widerspruchs bestandskräftig.
33
Insoweit kann auch nicht dem Vorbringen der Klägerin gefolgt werden, der Beklagte habe sich im Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2020 inhaltlich mit dem Bescheid auseinandergesetzt und nicht auf Verfristung berufen, sodass die Verfristung geheilt und der Bescheid gegenständlich einer Überprüfung zugänglich sei. Denn die FüAK hat im Rahmen des Widerspruchsbescheids nicht im Sinne der klägerseits angeführten Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.1982 – 2 C 4/80 – NVwZ 1983, 608; U.v. 20.6.1988 – 6 C 24/87 – NVwZ-RR 1989, 85, a.A. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 70 Rn. 11) sachlich über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. Dezember 2019 entschieden. Ganz zu Beginn der rechtlichen Ausführungen auf S. 7 f. des Widerspruchsbescheids führte die FüAK aus, dass die Widersprüche lediglich teilweise zulässig seien und erläuterte im Hinblick auf den Bescheid vom 10. Dezember 2019 die Verfristung. Im Nachgang erörterte die FüAK lediglich in Bezug auf den Bescheid vom 3. Dezember 2019 sowie die Auszahlungsmitteilung vom 25. März 2023 die aus ihrer Sicht bestehende materielle Rechtslage. Da sämtliche vorgenommenen Kürzungen auf denselben Cross-Compliance-Verstößen basierten, waren die Erläuterungen betreffend die Ausgleichszulage und die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen zwar auch Hintergrund der im Bescheid vom 10. Dezember 2019 vorgenommenen Kürzungen der Direktzahlungen. Darin ist aber angesichts der im Widerspruchsbescheid klar vorgenommenen Trennung zwischen unzulässigem Widerspruch und zulässigen Widersprüchen keine Entscheidung über den verfristeten Widerspruch in der Sache zu sehen.
34
Im Übrigen wurde die Klage in zulässiger Weise erhoben, insbesondere fristgemäß eingelegt.
B.
35
Die Klage ist, soweit sie zulässig ist, allerdings nicht begründet.
36
Die Klägerin hat keinen Anspruch (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) auf Auszahlung der Ausgleichzulage und der Zuwendung für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen in Höhe der vorgenommenen Kürzungen. Denn die jeweils vorgenommene Kürzung i.H.v. 5% war nach Überzeugung des Gerichts rechtmäßig.
37
Art. 91 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 sieht bei Verstößen gegen Cross-Compliance-Vorschriften (Art. 93 VO (EU) Nr. 1306/2013) Verwaltungssanktionen vor. Nach Art. 99 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 ist zur Anwendung der Verwaltungssanktion eine Kürzung des Gesamtbetrags der in Art. 92 VO (EU) Nr. 1306/2013 genannten Zahlungen vorgesehen für die Beihilfeanträge, die der betroffene Begünstigte in dem Kalenderjahr, in dem der Verstoß festgestellt wurde, eingereicht hat. Art. 92 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 nennt dabei die vorliegend relevante Ausgleichzulage nach Art. 31 VO (EU) Nr. 1305/2013 und Zahlungen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen nach Art. 28 VO (EU) Nr. 1305/2013.
38
Die Klägerin war i.S.d. Art. 92 VO (EU) Nr. 1306/2013 Begünstigte dieser Zahlungen. Vereinigungen natürlicher Personen werden auch unionsrechtlich als Betriebsinhaber und damit Begünstigte anerkannt. Gegen eine GbR können somit Sanktionen verhängt werden, wenn die Gesellschafter Verstöße gegen Cross-Compliance-Regelungen begangen haben (vgl. VG Würzburg, U.v. 17.4.2023 – W 8 K 22.1361 – juris Rn. 38; Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014, Art. 39 Rn. 8).
39
Die Klägerin hat nach Überzeugung des Gerichts im relevanten Jahr 2019 gegen Cross-Compliance-Vorschriften verstoßen. Die infolgedessen im Bescheid vom 3. Dezember 2019 und in der Auszahlungsmitteilung vom 25. März 2020 vorgenommenen Kürzungen sind rechtmäßig. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin durch Ausbringung von Gülle auf gefrorenem oder schneebedecktem Boden gegen die Nitratrichtlinie verstoßen hat, denn bereits die Verstöße im Zusammenhang mit dem geschlachteten Rind mit der Ohrmarkennummer … tragen die Kürzung in Höhe von 5%.
40
I. Der Beklagte hat im Zusammenhang mit der Schlachtung des besagten Tiers in rechtmäßiger Weise vier Cross-Compliance-Verstöße im Bereich der Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB) 4 (Art. 93 Abs. 1 i.V.m. GAB 4 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013) festgestellt und diese einzeln und in der Summe zutreffend bewertet.
41
1. Der Beklagte hat zutreffend in der Überschreitung der zulässigen Rückstandshöchstmenge eines pharmakologisch wirksamen Stoffes im geschlachteten Tier einen Verstoß gegen Art. 93 Abs. 1 i.V.m. GAB 4 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 17 VO (EG) Nr. 178/2002 i.V.m. Art. 23 VO (EG) Nr. 470/2009 festgestellt und eine Bewertung des Verstoßes als schweren, fahrlässigen Verstoß mit einem Kürzungssatz von 5% vorgenommen.
42
a) In Bezug auf das Vorliegen von Cross-Compliance-Verstößen trifft die Behörde die materielle Beweislast (vgl. OVG NRW, B.v. 15.9.2022 – 12 A 2169/20 – juris); der Nachweis des angeführten Verstoßes gelingt dem Beklagten vorliegend. Das Gericht ist durch die vorgelegte Dokumentation der Übergabe des gegenständlichen Tiers an den Schlachthof am 24. Juni 2019 sowie aufgrund des Gutachtens des LGL vom 1. Oktober 2019 davon überzeugt, dass die Leber eines durch die Klägerin zur Schlachtung abgegebenen Rindes einen Markerrückstand von 57.000 μg 4-Methylaminoantipyrin pro kg aufwies. Der insoweit substanziell belegte Vortrag des Beklagten wurde nicht seinerseits substantiiert angegriffen.
43
Art. 17 Abs. 1 VO (EG) Nr. 178/2002 verpflichtet Lebensmittelunternehmer dazu, auf allen Produktionsstufen für die Einhaltung der Anforderungen des Lebensmittelrechts zu sorgen. Ausweislich Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 178/2002 stellt ein geschlachtetes, letztlich zum menschlichen Verzehr bestimmtes Rind ein Lebensmittel i.S.d. VO (EG) Nr. 178/2002 dar; vom Begriff des Lebensmittels ausgenommen sind grundsätzlich lediglich lebende Tiere, vgl. Art. 2 Buchst. b VO (EG) Nr. 178/2002. Nach Art. 23 VO (EG) Nr. 470/2009 gelten Lebensmittel tierischen Ursprungs, die Rückstände eines pharmakologisch wirksamen Stoffes enthalten, der gem. Art. 14 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 470/2009 eingestuft ist und Höchstmengen überschreitet, als „nicht den Gemeinschaftsvorschriften entsprechend“. Eine Einstufung der pharmakologisch wirksamen Stoffe wurde durch die VO (EU) Nr. 37/2010 vorgenommen (vgl. Murmann in Streinz/Kraus LebensmittelR-HdB, Stand: 45. EL Juli 2023, IV. Aufbau, Vollzug und Praxis der Lebensmittelüberwachung Rn. 143). Laut Tabelle in Anhang 1 der VO (EU) Nr. 37/2010 beträgt für Rinder in der Leber die Rückstandshöchstmenge für 4-Methylaminoantipyrin maximal 100 μg/kg; das Vorliegen des Markerrückstands lässt demnach auf den pharmakologisch wirksamen Stoff Metamizol schließen. Demnach wurde vorliegend die zulässige Rückstandshöchstmenge für 4-Methylaminoantipyrin um das 570-Fache überschritten, was den Schluss auf die Überschreitung der zulässigen Menge des pharmakologisch wirksamen Stoffes Metamizol zulässt.
44
Insoweit hat die Klägerin nicht nach Art. 17 Abs. 1 VO (EG) Nr. 178/2002 i.V.m. Art. 23 VO (EG) Nr. 470/2009 für die Einhaltung einer relevanten Anforderung des Lebensmittelrechts gesorgt und damit gegen eine Cross-Compliance-Vorschrift verstoßen. Bei einem als GbR geführten Betrieb ist – im Gleichklang mit der Sanktionierung der GbR beim Vorliegen von Cross-Compliance-Verstößen (s.o.) und ausgehend von einem weiten unionsrechtlichen Begriff der juristischen Person – die Personengesellschaft als solche Lebensmittelunternehmerin i.S.d. Art. 3 Nr. 3 VO (EG) Nr. 178/2002 und insoweit für die Einhaltung lebensmittelrechtlicher Vorschriften verantwortlich.
45
Es ist nicht, wie klägerseits vorgebracht, zugunsten der Klägerin davon auszugehen, dass ein nicht über die Arzneimittelabgabe instruierter Mitarbeiter die Notschlachtung angeordnet hat. Angesichts des festgestellten Cross-Compliance-Verstoßes ist es grundsätzlich Sache der Klägerin, sich zu exkulpieren, d.h. die allein in ihrer Verantwortungs- und Verfügungssphäre liegenden Gründe für den Verstoß zu ermitteln sowie substantiiert darzulegen und nachzuweisen, aus welchen Gründen ihr bzw. ihren Gesellschaftern dieser Verstoß nicht unmittelbar anzulasten (i.S.d. Art: 91 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1306/2013) ist; sie trägt insoweit die materielle Beweislast (vgl. VG Lüneburg, U.v. 12.1.2022 – 1 A 154/19 – juris Rn. 99). Soweit die Klägerin (durch ihre Gesellschafter) Aufgaben nicht selbst wahrnimmt, sondern delegiert, kann nicht allein die Behauptung, dass die unmittelbar zu dem Verstoß führende Handlung durch einen Dritten vorgenommen worden ist, zu einer Entlastung führen. Ebenso wenig reicht eine pauschale Behauptung zur Exkulpation aus, den Auswahl-, Einweisungs- und Kontrollpflichten nachgekommen zu sein (vgl. VG Lüneburg, U.v. 12.1.2022 – 1 A 154/19 – juris Rn. 99). Das pauschale Vorbringen der Klägerseite, dass die Ereigniskette, die zur Schlachtung des Tiers – und damit zur Überschreitung des zulässigen Höchstwerts eines pharmakologisch wirksamen Stoffes – geführt habe, nicht mehr rekonstruierbar sei, kann die Klägerin folglich nicht exkulpieren, ebenso wenig der Verweis auf einen nicht näher bezeichneten Mitarbeiter, der potenziell die Notschlachtung angeordnet habe. Die Klägerin bzw. ihre Gesellschafter wäre ohnehin auch in einem solchen Fall jedenfalls nicht ihrer Organisationspflicht nachgekommen; es müssen in einem Betrieb gerade Abläufe etabliert und eingehalten werden, die sicherstellen, dass ein Mitarbeiter, der eine Notschlachtung einleitet, in jedem Fall von einer vorherigen Anwendung von Medikamenten erfährt.
46
b) Die Bewertung des Verstoßes als schwerer, fahrlässiger Verstoß mit einem Kürzungssatz von 5% ist nicht zu beanstanden.
47
Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 2 VO (EU) Nr. 1306/2013 gibt vor, dass bei der Berechnung der Sanktionen Schwere, Ausmaß, Dauer und wiederholtes Auftreten der Verstöße zu berücksichtigen sind. Bei einem fahrlässigen Erstverstoß beträgt die Kürzung höchstens 5% (Art. 99 Abs. 2
48
Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013). Näheres ist in Art. 38, 39 VO (EU) Nr. 640/2014 geregelt. Demnach sind fahrlässige Verstöße in der Regel mit 3% zu bewerten; die Behörde kann allerdings im Einzelfall beschließen, den genannten Prozentsatz auf 1% zu verringern, auf 5% zu erhöhen oder aber keine Kürzung vorzunehmen.
49
Die Bewertung als schwerer Verstoß und damit mit einem Kürzungssatz von 5% war durch die seitens des Beklagten angewendete und im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Bewertungsmatrix zu GAB 4 (Endfassung 2019; Stand: 6.12.2018, dort Prüfkriterium (PK) 33) als Regeleinstufung vorgegeben. Bei der Bewertungsmatrix handelt es sich um eine in einer Bund-Länder-Abstimmung beschlossene interne Arbeitsanweisung zur europarechtskonformen Anwendung der Vorgaben aus Art. 38 VO (EU) Nr. 640/2014, die eine möglichst gleichförmige Ausübung des den Mitgliedstaaten dort eingeräumten Ermessensspielraums hinsichtlich der Beurteilung eines Verstoßes als „schwer“, „mittel“ oder „leicht“ im Bundesgebiet gewährleisten soll (vgl. BayVGH, B.v. 9.3.2021 – 6 ZB 21.137 – BeckRS 2021, 4233 Rn. 32). Eine Abweichung von der in der Bewertungsmatrix vorgegebenen Regeleinstufung ist zur Sicherstellung einer gleichmäßigen Behandlung und zur Vermeidung von Willkür nur bei atypischen Einzelfällen angezeigt (vgl. VG Würzburg, U.v. 17.4.2023 – W 8 K 22.1361 – juris Rn. 104 ff. m.w.N.).
50
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagtenseite bei der konkreten Festsetzung der Sanktion ein Ermessen eingeräumt ist, sodass eine Überprüfung nur auf Ermessensfehler möglich wäre, oder ob eine volle gerichtliche Überprüfung vorzunehmen ist, weil die vom Beklagten anhand der Bewertungsmatrix ermittelte Höhe der Sanktion unter jedem Blickwinkel nicht zu beanstanden ist (vgl. VG Würzburg, U.v. 17.4.2023 – W 8 K 22.1361 – juris Rn. 107; U.v. 6.3.2023 – W 8 K 22.1257 – juris Rn. 117). Denn es ist vorliegend kein atypischer Fall einer Überschreitung einer Rückstandshöchstmenge eines pharmakologisch wirksamen Stoffes in einem Lebensmittel ersichtlich. Vielmehr stützt die Tatsache, dass der gesetzlich vorgegebene Grenzwert für Metamizol nicht knapp, sondern um das 570-Fache überschritten worden ist, die Einstufung als auch im Einzelfall schwerer Verstoß. Dass mit der Notschlachtung im Vergleich zum normalen Betrieb ein Ausnahmefall vorlag bedeutet keineswegs, dass der Rechtsverstoß als weniger signifikant einzustufen ist; gerade bei kranken Tieren muss ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung von vorgegebenen Wartezeiten bei der Behandlung von Schmerzmitteln gelegt werden.
51
2. Der Beklagte hat zutreffend in der Weitergabe des schmerzmittelbelasteten Rinds an einen Schlachtbetrieb einen Verstoß gegen Art. 93 Abs. 1 i.V.m. GAB 4 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 VO (EU) Nr. 178/2002 festgestellt und eine Bewertung des Verstoßes als mittleren, fahrlässigen Verstoß mit einem Kürzungssatz von 3% vorgenommen.
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a) Ausweislich der durch den Beklagten vorgelegten Dokumentation wurde das gegenständliche Rind durch die Klägerin zur Notschlachtung – und damit zur Verarbeitung als Lebensmittel – an einen Schlachthof abgegeben, wo das Tier – insoweit unbestritten – sodann geschlachtet wurde. Damit hat die Klägerin gegen Art. 14 Abs. 1 VO (EU) Nr. 178/2002 verstoßen, wonach Lebensmittel, die nicht sicher sind, nicht in Verkehr gebracht werden dürfen.
53
Art. 14 Abs. 1 VO (EU) Nr. 178/2002 bindet die Klägerin als Lebensmittelunternehmerin (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO (EU) Nr. 178/2002). Das geschlachtete Rind stellte ein Lebensmittel nach Art. 2 VO (EU) Nr. 178/2002 dar (s.o.), das infolge der Schmerzmittelbelastung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 VO (EU) Nr. 178/2002 nicht sicher war.
54
Nach Art. 14 Abs. 2 Buchst. b VO (EU) Nr. 178/2002 gelten Lebensmittel als nicht sicher, wenn sie für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind. Für die Entscheidung über die Ungeeignetheit ist zu berücksichtigen, ob das Lebensmittel infolge einer durch Fremdstoffe bewirkten Kontamination für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel geworden ist (vgl. Art. 14 Abs. 5 VO (EU) Nr. 178/2002), wobei maßgeblich allgemeingültige Vorstellungen sind (vgl. Rathke in Sosnitza/Meisterernst LebensmittelR, 186. EL März 2023, EG-Lebensmittel-Basisverordnung Art. 14 Rn. 56). Fremdstoffe sind Stoffe, die ein Lebensmittel üblicherweise und bei sorgfältiger Herstellung nicht enthält (vgl. Rathke a.a.O. Rn. 58). Nicht entscheidend ist dabei, ob der Fremdstoff (potenziell) gesundheitsschädigend ist, sondern ob das kontaminierte Lebensmittel dem Verbraucher zum Verzehr zugemutet werden kann (vgl. Rathke a.a.O. Rn. 56b).
55
Schmerzmittel (bzw. daraus hervorgegangene Markerrückstände) sind – jedenfalls in signifikanten Mengen – nicht in sorgfältig unter Beachtung der entsprechenden Anforderungen und Wartezeiten hergestellten Lebensmitteln tierischen Ursprungs zu erwarten. Ein Verzehr von Rindfleisch, welches den relevanten Grenzwert um das 570-Fache überschreitet, ist nach allgemeingültigen Vorstellungen einem Verbraucher nicht zuzumuten, wobei wie ausgeführt irrelevant ist, dass laut LGL tatsächlich keine Gesundheitsgefahr bestand. Eine derart hohe Schmerzmittelkonzentration führt nach allgemeiner, auch durch den gesetzlich festgelegten Grenzwert informierter Einschätzung zu Ekel und zur nachvollziehbaren Sorge des Verbrauchers über gesundheitliche Auswirkungen des Verzehrs. Derart belastetes Fleisch ist demzufolge nach den geltenden Maßstäben für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet und damit unsicher.
56
Die Klägerin hat das Lebensmittel zur Überzeugung des Gerichts auch in Verkehr gebracht. Inverkehrbringen ist das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst. (vgl. Art. 3 Nr. 8 VO (EU) Nr. 178/2002). Vorliegend liegt ein Inverkehrbringen durch Verkauf nahe – die unentgeltliche Weitergabe des Rindes an einen Schlachthof erscheint fernliegend –, jedenfalls aber der Auffangtatbestand (vgl. Rathke in Sosnitza/Meisterernst LebensmittelR, 186. EL März 2023, EG-Lebensmittel-Basisverordnung Art. 3 Rn. 50) der anderen Form der Weitergabe. Denn für ein Inverkehrbringen ist die Abgabe an Endverbraucher nicht nötig; der Tatbestand ist bereits durch den ersten Verkaufs- oder Weitergabevorgang erfüllt (vgl. BayVGH B.v. 20.1.2015 – 20 CS 14.2521 – BeckRS 2015, 41186 Rn. 5). Ein Inverkehrbringen kann bei jeder Stufe der Verarbeitung, auch bereits mit der Rohstofflieferung vorliegen (vgl. Rathke in Sosnitza/Meisterernst LebensmittelR, 186. EL März 2023, EG-Lebensmittel-Basisverordnung Art. 14 Rn. 8), sodass das Inverkehrbringen nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass ein Primärerzeugnis zur Weiterverarbeitung weitergegeben wird. Vorliegend hat die Klägerin das Rind an den Schlachtbetrieb übergeben und damit vollständig aus der Hand gegeben und in den Verkehr gebracht. Für ein Inverkehrbringen ist nicht relevant, ob das Lebensmittel vor der Weitergabe an den Verbraucher einer Kontrolle unterliegt.
57
Auch hier sind nach den oben erläuterten Maßstäben keine Anhaltspunkte für eine mögliche Exkulpation gegeben.
58
b) Die Bewertung dieses Verstoßes als mittlerer, fahrlässiger Verstoß mit einem Kürzungssatz von 3% ist nicht zu beanstanden. Auch hier hat sich der Beklagte an die in der Bewertungsmatrix vorgegebene Regeleinstufung gehalten (dort PK 17). Ein atypischer Fall, der eine abweichende Bewertung nach sich ziehen könnte, liegt nicht vor. Es liegt vielmehr nahe, dass mit der Notschlachtung versucht wurde, aus einem zum Verzehr ungeeigneten Tier noch einen Gewinn zu erzielen, anstatt eine Euthanasie einzuleiten. Angesichts dessen und angesichts der signifikanten Grenzwertüberschreitung hinsichtlich des Schmerzmittels, die nach Einschätzung des Gerichts deutlich die Ungeeignetheit zum Verzehr nach sich zieht, erscheint insbesondere eine Bewertung mit lediglich 1% nicht angezeigt. Da das Inverkehrbringen eines Lebensmittels keine Abgabe eines Lebensmittels an einen Verbraucher benötigt und Anknüpfungspunkt des Cross-Compliance-Verstoßes nicht die konkrete Gefährdung von Verbrauchern ist, rechtfertigt die fehlende Gefährdung von Verbrauchern im Einzelfall auch nicht ohne Weiteres eine Abweichung von der Annahme eines mittleren Verstoßes. Vielmehr wird bereits durch die Festlegung in der Bewertungsmatrix der abstrakten Gefährdung der Verbraucher Rechnung getragen.
59
Da dieser Verstoß mit der Feststellung der Ungeeignetheit und mit dem Inverkehrbringen des Lebensmittels über die bereits rechtswidrige Belastung des Lebensmittels an sich (s.o.) hinaus zusätzliche Anknüpfungspunkte hat, ist im Einklang mit der entsprechenden Bewertungsmatrix nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Verstoß als eigenständigen Verstoß bewertet hat.
60
3. Der Beklagte hat zutreffend eine nicht-korrekte Verwendung eines Tierarzneimittels und damit einen Verstoß gegen Art. 93 Abs. 1 i.V.m. GAB 4 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 17 Abs. 1 VO (EU) Nr. 178/2002 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang I Teil A. II. 4 j) VO (EG) Nr. 852/2004 i.V.m. § 58 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) festgestellt und eine Bewertung des Verstoßes als schweren, fahrlässigen Verstoß mit einem Kürzungssatz von 5% vorgenommen.
61
a) Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Klägerin das Schmerzmittel Metamizol ohne tierärztliche Behandlungsanweisung an das gegenständliche Tier verabreicht hat. An einen Beweis dieser negativen Tatsache seitens des Beklagten sind dabei angesichts der denklogisch gegebenen Schwierigkeit eines solchen Beweises veränderte Maßstäbe anzulegen. Auch wenn im Verwaltungsprozess besonderen Schwierigkeiten beim Negativbeweis nicht durch Beweislastumkehr Rechnung zu tragen ist, sind die besonderen Schwierigkeiten bei der Beweiswürdigung angesichts der konkreten Umstände zu berücksichtigen. Die prozessuale Mitwirkungspflicht und Mitwirkungslast der Beteiligten im Rahmen der Aufklärung durch das Verwaltungsgericht können dabei bedeutsam sein. (vgl. BVerwG, U.v. 30.1.1997 – 2 C 10/96 – BeckRS 1997, 22551; siehe auch BayVGH, B.v. 2.11.2022 – 11 C 22.1992 – BeckRS 2022, 31533 Rn. 27). Angesichts der gesetzlichen Pflicht, eine tierärztliche Behandlung zu dokumentieren (Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang I Teil A. III. 8 b) VO (EG) Nr. 852/2004, dazu sogleich), ist es für den Begünstigten im Rahmen seiner behördlichen (Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG) und prozessualen Mitwirkungspflicht zumutbar, die Dokumentation einer solchen Behandlung vorzulegen, um den substantiierten Vortrag des Beklagten zu entkräften, dass es keine Behandlungsanweisung gegeben habe. Die Klägerin hat allerdings weder im Nachgang zur Vor-Ort-Kontrolle im Jahr 2019 noch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens die gesetzlich vorgeschriebene Dokumentation einer tierärztlichen Behandlung vorlegen können. Außerdem legt die unterschriebene Erklärung des Gesellschafters der Klägerin, dass vor der Schlachtung keine Arzneimittelbehandlung des Rindes erfolgte, nahe, dass kein Tierarzt hinzugezogen wurde. Dem Gericht ist angesichts dieses Indizes und mangels vorgelegter Dokumentation daher im Einklang mit Beweisregeln vorliegend der Schluss auf eine fehlende tierärztliche Behandlungsanweisung möglich.
62
Art. Art. 17 Abs. 1 VO (EU) Nr. 178/2002 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 852/2004 bindet in der Primärproduktion tätige Lebensmittelunternehmer – hier anzunehmen, weil der maßgebliche Verstoß vor Schlachtung des Rinds stattfand – an Anhang I der VO (EG) Nr. 852/2004. Anhang I Teil A II 4 j) VO (EG) Nr. 852/2004 verpflichtet zur korrekten Verwendung von Tierarzneimitteln nach den einschlägigen Rechtsvorschriften. § 58 Abs. 1 Satz 1 AMG (inzwischen aufgehoben) legte im Zeitpunkt des geahndeten Verstoßes fest, dass Personen, die nicht Tierärzte sind, verschreibungspflichtige Arzneimittel nur nach einer tierärztlichen Behandlungsanweisung für den betreffenden Fall anwenden dürfen. Metamizol war nach Anhang 1 der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) bereits 2019 verschreibungspflichtig, auch bei Anwendung auf Tiere, vgl. § 1 AMVV a.F. Damit stellt die fehlende tierärztliche Behandlungsanweisung einen Cross-Compliance-Verstoß dar. Auch hier kann sich die Klägerin nach den oben erläuterten Gesichtspunkten nicht exkulpieren.
63
b) Die Bewertung dieses Verstoßes als schwerer, fahrlässiger Verstoß mit einem Kürzungssatz von 5% ist aus Sicht des Gerichts nicht zu beanstanden. Auch hier hat sich der Beklagte an die in der Bewertungsmatrix vorgegebene Regeleinstufung gehalten (dort PK 20). Ein atypischer Fall, der eine abweichende Bewertung nach sich ziehen könnte, liegt nicht vor. Vielmehr liegt im Einklang mit der Regeleinstufung ein schwerer Verstoß nahe. Die Missachtung der Notwendigkeit einer tierärztlichen Behandlungsanweisung bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln bedeutet einerseits, dass das Tierwohl durch eine fehlerhafte Behandlung gefährdet wird, und birgt anderseits die Gefahr, dass unsachgemäß behandelte Lebensmittel in den Verkehr gebracht und letztlich durch den Verbraucher verzehrt werden können. Durch die Regelung in § 58 Abs. 1 AMG sollten also signifikante abstrakte Gefahren für wichtige Rechtsgüter unterbunden werden. Vor diesem Hintergrund ist die vorgenommene Einstufung als schwerer Verstoß nicht zu beanstanden.
64
4. Zuletzt hat der Beklagte zurecht in der mangelnden Dokumentation über die Verabreichung eines Tierarzneimittels einen Verstoß gegen Art. 93 Abs. 1 i.V.m. GAB 4 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang I Teil A. III. 8 b) VO (EG) Nr. 852/2004 festgestellt und dies als leichten, fahrlässigen Verstoß mit einem Kürzungssatz von 1% bewertet. Anhang I Teil A. III. 8 b) VO (EG) Nr. 852/2004 verlangt, dass Lebensmittelunternehmer, die Tiere halten oder Primärerzeugnisse tierischen Ursprungs gewinnen, insbesondere Buch führen über die den Tieren verabreichten Tierarzneimittel, die Daten der Verabreichung und die Wartefristen. Die Klägerin konnte weder im behördlichen Verfahren noch im gerichtlichen Verfahren die Dokumentation der nachgewiesenen (s.o.) Behandlung des gegenständlichen Rindes mit dem Schmerzmittel Metamizol vorlegen. Auch das Nichtvorliegen dieser Dokumentation stellt eine negative Tatsache dar; entsprechend den Ausführungen unter B.I.3.a) ist das Gericht daher von einer jedenfalls mangelhaften Dokumentation und dem entsprechenden Vorliegen eines Cross-Compliance-Verstoßes überzeugt.
65
Die Bewertung dieses Verstoßes als leichter, fahrlässiger Verstoß mit einem Kürzungssatz von 1% ist aus Sicht des Gerichts nicht zu beanstanden. Es ist keine Grundlage für eine Abweichung von der Regeleinstufung der entsprechenden Bewertungsmatrix erkennbar (dort PK 03); vielmehr dürfte der Standardfall einer fehlerhaften Dokumentation vorliegen, der als grundsätzlich formaler Fehler zurecht als leichter Verstoß einzuordnen ist.
66
5. Der Beklagte hat in rechtmäßiger Weise die erläuterten GAB 4-Verstöße mit einem Gesamtkürzungssatz von 5% geahndet.
67
Nach Art. 73 Abs. 2 VO Nr. (EU) 809/2014 gilt mehr als ein Verstoß in Bezug auf verschiedene Rechtsakte oder desselben Cross-Compliance-Bereichs als ein einziger Verstoß nach Art. 39 Abs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014. Die festgestellten Verstöße gehören als GAB-Verstöße allesamt dem Bereich „Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze“ (vgl. Anhang II der VO (EU) Nr. 1306/2013) an und sind damit mit nur einer Kürzung zu belegen. Die klägerseits geforderte „Gesamtberücksichtigung“ der Verstöße in Bezug auf das geschlachtete Rind ist damit bereits gesetzlich vorgegeben.
68
Wie bereits erläutert, sieht Art. 39 Abs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 bei Fahrlässigkeit grundsätzlich eine Kürzung von 3% vor, erlaubt aber insbesondere unter Berücksichtigung von Ausmaß, Schwere und Dauer des Verstoßes (vgl. Art. 38 Abs. 2 bis 4 VO (EU) Nr. 640/2014) eine Erhöhung der Kürzung auf 5%. Der Klägervertreter stellt vor diesem Hintergrund zutreffend fest, dass der gesetzlich vorgegebene Sanktionsspielraum bei einem fahrlässigen Erstverstoß vorliegend ausgereizt wurde. Die vorgenommene Sanktionierung ist allerdings nach Überzeugung des Gerichts nicht, wie klägerseits behauptet, unverhältnismäßig. Dem Sanktionssystem ist eine Beschränkung der Sanktionshöhe und damit eine gewisse Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei mehreren Verstößen im selben Bereich (Art. 73 Abs. 2 VO Nr. (EU) 809/2014) und bei fahrlässigen Erstverstößen (vgl. Art. 99 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013) immanent. Auch die in der Bewertungsmatrix vorgegebenen Einstufungen orientieren sich an der typischen Schwere der sanktionierten Verstöße und beachten damit grundsätzlich die Verhältnismäßigkeit. Es ist festzuhalten, dass sich die Annahme mehrerer Cross-Compliance-Verstöße aufgrund eines einheitlichen Sachverhalts angesichts der Bewertung zweier Einzelverstöße mit 5% ohnehin nicht für die Klägerin nachteilig niedergeschlagen hat, da bereits diese Verstöße an sich eine 5%-Kürzung gerechtfertigt hätten (s.o.).
69
Aus den oben dargestellten Gründen gab es hier bei den individuellen Verstößen keine Grundlage, von den Vorgaben der Bewertungsmatrix abzuweichen. Auch bei einer Gesamtbetrachtung der Verstöße liegt kein atypischer Fall vor, der es rechtfertigen könnte, sogar unter der bereits für zwei der Verstöße vorgegebenen 5%-Sanktion zu bleiben. Die vier festgestellten Verstöße im Zusammenhang mit der Behandlung und Schlachtung des Rindes, insbesondere die Tierarzneimittelbehandlung ohne tierärztliche Anweisung und die hohe Schmerzmittelbelastung des geschlachteten Tiers, stellen auch in der Gesamtbetrachtung signifikante Verstöße gegen nicht nur formale Vorgaben im Zusammenhang mit dem Tierwohl und der Lebensmittelsicherheit dar, die es notwendig machen, den Sanktionsspielraum für einen fahrlässigen Erstverstoß auszunutzen.
70
Damit konnte eine Kürzung der Ausgleichszulage sowie der Zahlungen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen um 5% bereits aufgrund der Verstöße gegen die GAB 4 vorgenommen werden.
71
II. Es spricht aus Sicht des Gerichts einiges dafür, dass die Klägerin durch Düngung eines gefrorenen bzw. schneebedeckten Bodens gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Düngeverordnung (DüV) verstoßen hat und damit gemäß Art. 93 i.V.m. GAB 1 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 4 und 5 der Richtlinie Nr. 91/676/EWG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 DüV einen Cross-Compliance-Verstoß begangen hat. Zwar gibt die Klägerin zu bedenken, dass es sich bei den relevanten Grundstücken um Wiesengrundstücke gehandelt habe, auf denen generell erst bei tieferen Temperaturen bzw. bei mehr Schneefall mit Schneeansammlungen als bei den benachbarten Äckern zu rechnen gewesen sei. Auch haben die am Tag nach der Düngung aufgenommenen Bilder nur geringe Aussagekraft; der Schnee auf den danebenliegenden Grundstücken kann sich auch nach der Düngung angesammelt haben. Allerdings legen die – qualitativ minderwertigen und offenbar durch einen Passanten aufgenommenen – Bilder von der Düngung selbst am Vortag (Blatt 80 bis 82 der Behördenakte) nahe, dass auch der Wiesenboden gefroren war. Darauf deuten insbesondere die Frosttemperaturen indizierende Reifbildung an den Bäumen im Hintergrund, die offenkundige Schneebedeckung umliegender Feldstücke sowie die – allerdings nicht ganz eindeutige – helle Verfärbung des Grundstücks selbst, soweit noch kein Dünger aufgetragen wurde, hin.
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Im Ergebnis kann dieser Verstoß allerdings offenbleiben, denn bereits die Verstöße gegen Cross-Compliance-Vorschriften im Anwendungsbereich der GAB 4 rechtfertigen die vorgenommene 5%-Kürzung, sodass es nicht auf den zusätzlichen Verstoß im Bereich der GAB 1 ankommt.
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III. Angesichts der rechtmäßig vorgenommenen Kürzungen aufgrund von Cross-Compliance-Verstößen ist die Klage vollumfänglich abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.