Inhalt

LArbG München, Teilbeschluss v. 01.08.2023 – 7 TaBV 17/23
Titel:

Unterlassungsanspruch des Betriebsrats wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit

Normenkette:
BetrVG § 78 S. 1
Leitsätze:
1. Der Begriff der Behinderung in § 78 S. 1 BetrVG ist umfassend zu verstehen. Er erfasst jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Verhinderung der Betriebsratsarbeit. Ein Verschulden oder eine Behinderungsabsicht des Störers ist nicht erforderlich. Dem Betriebsrat steht bei einer Störung oder Behinderung seiner Arbeit durch den Arbeitgeber ein Unterlassungsanspruch zu. Ein solcher Anspruch ist zwar in § 78 S. 1 BetrVG nicht ausdrücklich geregelt. Er folgt jedoch aus dem Zweck der Vorschrift, die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben zu sichern (Anschluss an BAG BeckRS 2009, 56460; BeckRS 1997, 30002613). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dem Arbeitgeber ist es nicht erlaubt, durch seine Repräsentanten die Betriebsratsarbeit dadurch zu behindern, dass bereits im Vorfeld die Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern oder von nachrückenden Ersatzmitgliedern an einer Betriebsratssitzung durch Androhung von Gehalts- oder Stundenkürzungen verhindert wird. (Rn. 24 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschlussverfahren, Unterlassungsanspruch, Betriebsrat, Behinderung der Betriebsratsarbeit
Vorinstanz:
ArbG München, Beschluss vom 16.02.2023 – 31 BV 152/22
Fundstellen:
NWB 2024, 1889
LSK 2023, 38040
BeckRS 2023, 38040

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen Ziffer 2 des Beschlusses des Arbeitsgerichts München vom 16.02.2023 – 31 BV 152/22 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Beteiligten streiten über Unterlassungsansprüche des Betriebsrats.
2
Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) ist ein bundesweit tätiges Textilunternehmen mit ca. 70 Filialen in Deutschland. Der Antragsteller und Beteiligte zu 1) ist der in der Filiale A. 2 der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat, der aus sieben ordentlichen Mitgliedern besteht. Der Betriebsrat hält regelmäßig dienstags Betriebsratssitzungen ab. Am 10.01.2022 stellte die Betriebsratsvorsitzende, Frau C., fest, dass einige Betriebsratsmitglieder wegen Krankheit verhindert waren, an der Betriebsratssitzung am 11.01. 2022 teilzunehmen. Der Betriebsrat verlangte daraufhin von dem Filialdirektor Herrn D., das nachrückende Betriebsratsmitglied Herrn E. bei der Personaleinsatzplanung (sog. PEP) zu berücksichtigen.
3
Hierauf teilte der damalige HR-Referent Herr F. dem Betriebsrat per E-Mail vom 10.01.2022 (Bl. 10 f. d. A.) ua. folgendes mit:
„Euren PEP-Änderungen können wir leider nicht zustimmen. Für eine Beschlussfassung des Betriebsrats ist es nicht notwendig, dass Ihr zu siebt tagt, für die Beschlussfähigkeit reicht eine einfache Mehrheit aus. Das sind bei einem Gremium bestehend aus sieben Mitgliedern – wie bei Euch – vier Betriebsratsmitglieder.“
4
Der Betriebsrat rügte daraufhin mit einem Beschluss vom 11.01.2022 (Bl. 12 – 14 d. A.) die aus seiner Sicht erfolgte Störung der Betriebsratsarbeit und forderte die Arbeitgeberin diesbezüglich zur Unterlassung auf. Mit einer E-Mail vom 05.04.2022 (Bl. 15 f. d. A.) wandte sich die Betriebsratsvorsitzende an den Filialdirektor und rügte, dass dieser drei geladene Ersatzmitglieder an der Teilnahme an der Betriebsratssitzung am gleichen Tage gehindert habe. Am 12.04.2022 fasste der Betriebsrat den Beschluss, das vorliegende Verfahren einzuleiten. Mit einer E-Mail vom 23.12.2022 (Bl. 77 d. A.) schrieb der Filialdirektor Herr D. der Betriebsratsvorsitzenden folgendes:
„[…] Ich würde mich freuen, wenn ihr uns bis heute Abend die Namen der sieben Mitglieder und die Schicht, in der sie bei BR am 27.12. arbeiten werden, mitteilen könnten.
Natürlich wären wir euch sehr dankbar für jede Art von Unterstützung, die ihr an einem so wichtigen Tag wie dem Sales Start geben möchten, außer wann ihr habt bei der Sitzung wichtige Themen zu besprechen.
Ich wäre auch sehr dankbar, wenn keine kurzfristigen Teilnehmer Änderungen wegen Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit kämen, da ich in diesem Fall gezwungen wäre, die Teilnahme der Ersatzmitglieder an der Sitzung abzulehnen, da der Tagesplan bereits geschrieben ist und die Ersatzmitglieder drinnen sind. Falls die Ersatzmitglieder trotzdem nach BR gehen würden, nachdem ich ihre Anwesenheit dort verweigert habe, wäre ich gezwungen, diesen Tag als abwesend zu betrachten. […]“
5
Vor dem Arbeitsgericht hat sich der Betriebsrat darauf berufen, dass die Arbeitgeberin wiederholt die Betriebsratstätigkeit gestört habe, indem sie dem Betriebsrat vorgegeben habe, die Betriebsratssitzung nur mit vier Betriebsratsmitgliedern abzuhalten und ferner zur Durchsetzung dieser Forderung einzelnen Betriebsratsmitgliedern das Verlassen der Filialfläche untersagt habe, um an der Betriebsratssitzung teilzunehmen oder eine Sitzungsteilnahme durch Ankündigung der Kürzung der Vergütung erschwert habe. Mit der die E-Mail vom 10.01.2022 sei hinreichend unter Beweis gestellt worden, dass von Vertretern der Arbeitgeberin mindestens bis zur Einleitung dieses Verfahrens regelmäßig geäußert worden sei, dass die Sitzungen letztlich nur mit der für die Beschlussfähigkeit erforderlichen Mindestbesetzung des Gremiums ohne Nachladung von Ersatzmitgliedern abgehalten werden mögen. Dass die Vertreter der Arbeitgeberin regelmäßig in der geschilderten Art und Weise agiert und kommuniziert hätten, könne auch durch die Vorsitzende des Betriebsrats bestätigt werden und sei von dem Filialdirektor auch im Rahmen einer Einigungsstelle am 12.11.2021 so behauptet und geäußert worden. Der Vorfall am 10.01. 2022 sei kein Einzelfall gewesen, sondern ein systematisches Vorgehen der Arbeitgeberin. Der Hinweis auf die Beschlussfähigkeit mit vier Mitgliedern sei auch nicht gut gemeint gewesen, sondern es sei die regelmäßig getätigte Aussage bis zur Einleitung dieses Verfahrens gewesen. Im Übrigen sei die Beschlussfähigkeit bzw. die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats nicht allein von der Anzahl der anwesenden Betriebsratsmitglieder abhängig, sondern die nachrückenden Ersatzmitglieder seien auch ordnungsgemäß zur Sitzung zu laden. Der Einwand der Arbeitgeberin, wonach der Betriebsrat auch zu viert beschlussfähig sei, sei daher nicht nur nicht richtig, da kein tatsächlicher oder rechtlicher Verhinderungsfall vorgelegen habe, sondern auch darauf gerichtet gewesen, die Betriebsratsvorsitzende davon zu überzeugen, von der Nachladung weiterer nachrückender Mitglieder abzusehen. In diesem Fall wäre aber ein etwaiger Beschluss des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß gewesen. Es sei davon auszugehen gewesen, dass dies auch das mindestens mittelbare Ziel der Arbeitgeberin gewesen sei. Ferner habe der Filialdirektor Herr D. am 05.04.2022 drei ordentlich nachrückende Betriebsratsmitglieder (G., H., und I.), die auf der Filialfläche gearbeitet hätten, aktiv daran gehindert, die Verkaufsfläche zu verlassen und an der Betriebsratssitzung teilzunehmen. Herr D. habe die genannten Ersatzmitglieder angewiesen, die Verkaufsfläche nicht zu verlassen. Im Rahmen eines Telefonats mit der Betriebsratsvorsitzenden an diesem Tage habe Herr D. geäußert: „Ihr seid beschlussfähig! Da geht keiner von der Verkaufsfläche, nicht heute, nicht morgen!“ Einen weiteren Vorfall habe es am 23.06.2022 gegeben. An diesem Tag hätten die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende und zwei weitere Betriebsratsmitglieder die Sprechstunde des Betriebsrats, die regelmäßig donnerstags stattfinde, abgehalten, wobei donnerstags zudem die in der regelmäßigen Sitzung am Dienstag nicht zum Abschluss gebrachten Protokollierungen, Beratungen und Beschlussfassungen stattfänden und die PEPs kontrolliert würden. Nachdem die beiden Betriebsratsmitglieder ausgerufen worden seien, um die Kassen einzuzählen, habe die HR-Referentin Frau J. von der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden telefonisch das Ende der Betriebsratstätigkeit der beiden Betriebsratsmitglieder gefordert. In einem persönlichen Gespräch gegen 9:12 Uhr habe Frau J. die beiden Betriebsratsmitglieder erneut aufgefordert, auf die Fläche zu gehen und zu arbeiten. Dem seien diese bis ca. 9:58 Uhr nachgekommen. Um 10.20 Uhr, nachdem sich die beiden Betriebsratsmitglieder wieder im Betriebsratsbüro befunden hätten, sei Frau J. nochmals in das Betriebsratsbüro gekommen und habe diesen damit gedroht, dass ihnen die Zeit nicht vergütet werde, wenn sie nicht sofort wieder auf die Fläche gingen, um zu arbeiten. Der Betriebsrat hat gemeint, dass in jedem Einzelfall der geschilderten Verhaltensweisen eine unzulässige Störung der Betriebsratstätigkeit gem. § 78 S. 1 BetrVG zu sehen sei, so dass die Arbeitgeberin zu deren Unterlassung zu verpflichten sei. in diesem Zusammenhang hat er insbesondere auch auf die E-Mail des Herrn D. vom 23.12.2022 verwiesen, mit der dieser für den 27.12.2022 angekündigt habe, dass aufgrund eines kurzfristigen Verhinderungsfalls nach dem 23.12.2022 nachrückenden Ersatzmitgliedern die Teilnahme an der Betriebsratssitzung „verweigert“ werde und diese im Falle einer gleichwohl erfolgenden Teilnahme an der Sitzung als „abwesend“ betrachtet würden. Aus diesen Gründen sei auch die Androhung eines Ordnungsgeldes zur Erzwingung der Unterlassungsverpflichtung geboten gewesen.
6
Vor dem Arbeitsgericht hat der Betriebsrat beantragt,
1.
Der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, es zu unterlassen, der Betriebsratsvorsitzenden oder stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden vorzugeben, von der Nachladung nachrückender Ersatzmitglieder zur Betriebsratssitzung abzusehen, wenn bereits vier ordentliche Betriebsratsmitglieder an der Sitzung teilnehmen.
2.
Der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, es zu unterlassen, ordentliche Betriebsratsmitglieder und/oder nachrückende Ersatzmitglieder des Betriebsrats, die den Arbeitsplatz verlassen, um an der Sitzung, zu der sie geladen werden, teilzunehmen oder um außerhalb der Betriebsratssitzung erforderliche Betriebsratstätigkeit wahrzunehmen, die Erbringung von Arbeitsleistung anzuweisen und/oder die Verkaufsfläche nicht zu verlassen und/oder keine Betriebsratstätigkeit wahrzunehmen.
3.
Der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, es zu unterlassen, ordentlichen Betriebsratsmitgliedern oder nachrückenden Ersatzmitglieder des Betriebsrats, die den Arbeitsplatz verlassen, um an der Sitzung, zu der sie geladen werden, teilzunehmen oder um außerhalb der Betriebsratssitzung erforderliche Betriebsratstätigkeit wahrzunehmen, Gehalts- oder Stundenkürzung anzudrohen.
4.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus den Ziff. 1 und/oder 2 und/oder 3 wird der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2 Ordnungsgeld angedroht, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht weniger als 9.000 € beträgt.
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Die Arbeitgeberin hat die Zurückweisung der Anträge beantragt.
8
Die Arbeitgeberin hat gemeint, dass die Anträge zu 2. und 3. bereits unzulässig seien, da sie nicht hinreichend bestimmt seien und somit nicht vollstreckbar wären. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Anträge darauf abzielten, der Arbeitgeberin diverse Verhaltensweisen zu untersagen, wenn Betriebsratsmitglieder erforderliche Betriebsratstätigkeit verrichteten, was aber zwischen den Parteien nicht im Streit sei. Im Streit sei jedoch die Frage, wann Betriebsratsarbeit erforderlich sei und die Frage, ob eine konkrete Handlung der Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat zulässig sei oder nicht, habe sich danach zu richten, ob im konkreten Fall eine erforderliche Betriebsratshandlung vorliege oder nicht. Dabei handele es sich um eine komplexe Rechtsfrage, über die jeweils im Einzelfall zu entscheiden sei. Die Arbeitgeberin habe den Betriebsrat bei seiner Tätigkeit auch nicht iSv. § 78 Satz 1 BetrVG behindert. Die Handlungen der Arbeitgeberin hätten schon gar keine Behinderungen dargestellt und hätten sich teilweise auf eine nicht erforderliche Betriebsratstätigkeit bezogen. Dass die Arbeitgeberin gewollt habe, dass Sitzungen des Betriebsrats in Zukunft nur noch von vier Mitgliedern abgehalten würden, sei unrichtig und unsubstantiiert gewesen und der Betriebsrat habe auch keine konkrete Situation vorgetragen, in der es zu einer solchen Äußerung gekommen sei. Weiter hat die Arbeitgeberin gemeint, dass auch der Antrag zu 2. unbegründet sei, weil eine derartige Verhaltensweise ebenfalls nicht gedroht habe. Die Schilderungen zu dem angeblichen Vorfall am 05.04. 2022 seien unsubstantiiert gewesen. Es sei völlig unklar, welche Handlungen von Seiten der Arbeitgeberin angeblich ergriffen worden seien, um eine Teilnahme der Ersatzmitglieder an der Betriebsratssitzung zu verhindern. Die Arbeitgeberin hat auch bestritten, dass Herr D. zu der Betriebsratsvorsitzenden gesagt habe, dass keiner von der Verkaufsfläche gehen solle. Es sei auch nicht angekündigt worden oder dass durchgesetzt werde, dass Ersatzmitgliedern die Teilnahme an Betriebsratssitzungen grundsätzlich untersagt werde. Es sei lediglich verlangt worden, dass sich die Betriebsratsmitglieder und Ersatzmitglieder von der Arbeit abmeldeten, bevor sie ihre Betriebsratstätigkeit aufnehmen würden. Am 23.06.2022 sei Salesbeginn gewesen, der eine hohe Auslastung der Mitarbeiter mit sich gebracht habe und an diesem Tag habe der Betriebsrat eine Sprechstunde von 8 bis 15 Uhr mit drei Betriebsratsmitgliedern abhalten wollen. Nachdem sich drei Mitarbeiter krank gemeldet hätten, habe die HR-Referentin Frau J. den Betriebsrat gefragt, ob er nicht bereit sei, die Sprechstunde ausfallen zu lassen, was abgelehnt worden sei und der Betriebsrat habe es auch abgelehnt, die Sprechstunde mit nur einem Betriebsratsmitglied durchzuführen, wobei die Erforderlichkeit nicht dargelegt worden sei. Daraufhin habe Frau J. eingeworfen, dass eine Bezahlung nur für erforderliche Betriebsratsarbeit erfolgen würde und dass bei einer unzulässigen oder nicht erforderlichen Tätigkeit keine Bezahlungsverpflichtung bestünde. Auch hier habe die Arbeitgeberin den Betriebsrat nur auf die rechtliche Situation hingewiesen. Die Durchführung einer Sprechstunde mit drei Betriebsratsmitgliedern sei jedenfalls nicht erforderlich gewesen. Die Arbeitgeberin hat darauf beharrt, dass zu keinem Zeitpunkt erforderliche Betriebsratsarbeit untersagt worden sei oder die Betriebsratsmitglieder stattdessen zur Erbringung von Arbeitsleistung angewiesen worden seien. Auch in Hinblick auf den Antrag zu 3. habe die Arbeitgeberin dem Betriebsrat zu keinem Zeitpunkt für erforderliche Betriebsratsarbeit oder die Teilnahme an erforderlichen Betriebsratssitzungen Gehaltskürzungen angedroht. Der Antrag sei zudem aber auch unbegründet, weil der Betriebsrat höchstpersönliche Rechte der einzelnen Betriebsrats- bzw. Ersatzmitglieder geltend mache. Bezüglich der Behauptung des Betriebsrats, dass seitens des Filialdirektors für den 27.12.2022 angekündigt worden sei, dass Ersatzmitgliedern die Teilnahme an der Betriebsratssitzung verweigert würde, sei diese pauschale Aussage zu keinem Zeitpunkt getätigt worden. Unabhängig von der E-Mail vom 23.12.2022 habe die Betriebsratssitzung am 27.12.2022 mit sieben anwesenden Betriebsratsmitgliedern stattgefunden, wobei es sich um sechs ordentliche und ein Ersatzbetriebsratsmitglied gehandelt habe und keinem der (Ersatz-)Betriebsratsmitglieder sei verwehrt worden, an der Sitzung teilzunehmen.
9
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Betriebsrats teilweise stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass der Betriebsrat verlangen könne, dass es die Arbeitgeberin unterlässt, ordentlichen Betriebsratsmitgliedern und/oder nachrückenden Ersatzmitgliedern, die den Arbeitsplatz verlassen, um an der Sitzung, zu der sie geladen wurden, teilzunehmen, die Erbringung von Arbeitsleistung anzuweisen und/oder sie aufzufordern, die Verkaufsfläche nicht zu verlassen und/oder keine Betriebsratstätigkeit wahrzunehmen. Dem Betriebsrat habe insoweit ein entsprechender Unterlassungsanspruch aus § 78 Satz 1 BetrVG zugestanden, denn jedenfalls die Äußerungen des Filialdirektors Herrn D. in seiner E-Mail vom 23.12.2022 betreffend die angekündigte Ablehnung der Teilnahme von Ersatzmitgliedern an der Betriebsratssitzung am 27.12.2022 habe eine Störung der Betriebsratstätigkeit iSd. § 78 Satz 1 BetrVG dergestalt dargestellt, dass eine entsprechende Störung auch für die Zukunft gedroht habe. Das Arbeitsgericht hat dazu auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verwiesen, wonach der Betriebsrat bei einer Störung der Betriebsratsarbeit einen Unterlassungsanspruch, der aus § 78 Satz 1 BetrVG folge, habe und dass der Begriff der Behinderung bzw. Störung nach § 78 Satz 1 BetrVG sehr weitgehend zu verstehen sei. Er umfasse jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Verhinderung der Betriebsratsarbeit, wobei ein Verschulden oder eine Behinderungsabsicht des Störers dazu nicht erforderlich sei und dass eine Behinderung auch bereits in Äußerungen des Arbeitgebers zur Betriebsratsarbeit und deren Folgen liegen könne. Hieraus hat das Arbeitsgericht gefolgert, dass Anweisungen oder Ankündigungen des Arbeitgebers, die sich nicht im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Normen hielten, in der Regel als Störung der Betriebsratsarbeit zu qualifizieren seien. Die Äußerungen des Filialdirektors D. in seiner E-Mail vom 23.12.2022 betreffend die Betriebsratssitzung am 27.12.2022 hätten keine gesetzliche Grundlage gehabt und dieser habe ausdrücklich ausgeführt, dass er gezwungen wäre, die Teilnahme von nachrückenden Ersatzmitgliedern an der Betriebsratssitzung am 27.12.2022 abzulehnen. Diese Äußerung sei nur als Ankündigung dahingehend zu verstehen gewesen, nachrückenden Ersatzmitgliedern, die den Arbeitsplatz verlassen, um an der Betriebsratssitzung am 27.12.2022 teilzunehmen, die Teilnahme an der Sitzung zu verwehren, ihnen also – wie im Rahmen des Antrags zu 2. formuliert – die Erbringung von Arbeitsleistung anzuweisen, ihnen aufzugeben, die Verkaufsfläche nicht zu verlassen oder ihnen die Teilnahme an der Betriebsratssitzung, also die Wahrnehmung von Betriebsratstätigkeit zu untersagen. Ein derartiges Verhalten der Arbeitgeberin habe gegen § 37 Abs. 2 BetrVG verstoßen und habe damit die Betriebsratsarbeit gestört. Letztlich sei es unerheblich gewesen, ob es am 27.12.2022 tatsächlich dazu gekommen sei, dass Ersatzmitgliedern die Teilnahme an der Betriebsratssitzung verwehrt worden sei, denn bereits die Ankündigung in der E-Mail vom 23.12.2022 habe eine Störung der Betriebsratsarbeit dargestellt und sei geeignet gewesen, einen unzulässigen Druck auf den Betriebsrat und insbesondere auf die Ersatzmitglieder auszuüben. Weiter habe der Betriebsrat auch verlangen können, dass die Arbeitgeberin es unterlässt, ordentlichen Betriebsratsmitgliedern oder nachrückenden Ersatzmitgliedern, die den Arbeitsplatz verlassen, um an der Sitzung, zu der sie geladen wurden, teilzunehmen, Gehalts- oder Stundenkürzung anzudrohen. Herr D. habe in der E-Mail vom 23.12.2022 ausdrücklich angekündigt, bei den nachrückenden Ersatzmitgliedern, die an der Betriebsratssitzung am 27.12.2022 teilnehmen würden, „den Tag als abwesend zu betrachten“. Diese Äußerung sei nur dahingehend zu verstehen gewesen, dass für den Fall der Teilnahme von Ersatzmitgliedern an der Betriebsratssitzung diesen eine Gehalts- oder Stundenkürzung angedroht werde. Diese Androhung habe keine gesetzliche Grundlage, denn (Ersatz-)Betriebsratsmitglieder seien für die Teilnahme an Betriebsratssitzungen stets von der Arbeitsleistung zu befreien und ihnen sei daher nach § 37 Abs. 2 BetrVG auch das Gehalt fortzuzahlen. Die erfolgte Androhung einer Gehalts- und Stundenkürzung für den Fall der Teilnahme an einer Betriebsratssitzung habe gegen § 37 Abs. 2 BetrVG verstoßen und habe ebenfalls eine Störung der Betriebsratsarbeit dargestellt. Dem Unterlassungsanspruch des Betriebsrats habe auch nicht entgegengestanden, dass ein höchstpersönliches Recht der Betriebsratsmitglieder aus § 37 Abs. 2 BetrVG geltend gemacht worden sei, denn der Antrag zu 3. sei nicht auf Unterlassung einer (erfolgten) Gehalts- oder Stundenkürzung, sondern nur auf Unterlassung einer diesbezüglichen Androhung gerichtet gewesen.
10
Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Seiten 11 – 19 (Bl. 112 – 120 d.A.) des erstinstanzlichen Beschlusses verwiesen.
11
Die Arbeitgeberin hat gegen diesen Beschluss vom 16.02.2023, der ihr am 28.02.2023 zugestellt wurde, mit einem am 27.03.2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt, die sie mit einem am 14.04.2023 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
12
Die Arbeitgeberin hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für unzutreffend. Die Arbeitgeberin hält die Anträge des Betriebsrats, soweit ihnen durch das Arbeitsgericht entsprochen wurde, weiterhin für unzulässig. Die Anträge seien insgesamt zu unbestimmt und hätten daher zurückgewiesen werden müssen, denn die mitunter schwierig zu beantwortende, gegebenenfalls eine Beweisaufnahme erfordernde Frage, ob die Teilnahme der Betriebsratsmitglieder/Ersatzmitglieder an Sitzungen zu denen sie geladen wurden im Einzelfall erforderlich sei, würde damit im Streitfall ins Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert. Die dem Betriebsrat zugesprochenen Anträge seien aber auch unbegründet, denn jedenfalls die Äußerung des Filialdirektors Herrn D. in seiner E-Mail vom 23.12.2022 habe keine Störung der Betriebsratstätigkeit iSd. § 78 Satz 1 BetrVG dargestellt, so dass eine entsprechende Störung auch nicht für die Zukunft drohe. Das Arbeitsgericht habe den Inhalt der E-Mail von Herrn D. nicht richtig gewürdigt. Insbesondere habe es die Rechtslage zur Erforderlichkeit der Teilnahme an Betriebsratssitzungen vollkommen außer Acht gelassen. Es mag allenfalls sein, dass Herr D. sich in seiner E-Mail etwas sachlicher hätte ausdrücken können. Das Arbeitsgericht gehe auch zu Unrecht davon aus, dass es sich bei der E-Mail vom 23.12.2022 um eine betriebsverfassungswidrige Drohung mit Gehalts- und Stundenkürzung gehandelt habe, Denn einen solchen Inhalt habe die E-Mail nicht gehabt.
13
Die Arbeitgeberin beantragt,
Der Beschluss des Arbeitsgerichts München, Az. 31 BV 152/22, verkündet am 16.02.2023, zugestellt am 28.02.2023 wird abgeändert.
Die Anträge des Betriebsrats werden zurückgewiesen.
14
Der Betriebsrat beantragt, die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen.
15
Der Betriebsrat verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Er hält die Anträge, soweit sie ihm zugesprochen wurden, weiterhin für zulässig und auch für begründet. Das Arbeitsgericht habe den Inhalt der E-Mail von Herrn D. sehr wohl in einem Gesamtkontext gewürdigt. Die Äußerungen des Herrn D. hätten keine gesetzliche Grundlage und enthielten eine Anweisung mit betriebsverfassungsrechtlichen Bezug.
16
Zum weiteren Sachvortrag der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 14.04.2023 (Bl. 170 f. d. A.), 13.07.2023 (Bl. 198 f. d. A.) sowie vom 24.07.2023 (Bl. 208 f. d. A.) Bezug genommen.
II.
17
Die zulässige Beschwerde ist, soweit über sie im Rahmen eines Teilbeschlusses entschieden wurde, unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass soweit die Arbeitgeberin Betriebsratsmitgliedern oder nachrückenden Ersatzmitgliedern des Betriebsrates, die den Arbeitsplatz verlassen, um an einer Sitzung des Betriebsrats teilzunehmen, zu der sie geladen werden, eine Gehalts- oder Stundenkürzung androht, eine Behinderung der Betriebsratsarbeit vorliegt und dass insoweit der Betriebsrat eine Unterlassung dieser seine Arbeit störenden Verhaltens verlangen kann.
18
1. Der dem Betriebsrat zugesprochene Antrag zu 2) ist entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin zulässig und insbesondere hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
19
a) Im Beschlussverfahren muss ein Antrag ebenso bestimmt sein wie im Urteilsverfahren. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gilt auch für das Beschlussverfahren und die in ihm gestellten Anträge. Der jeweilige Streitgegenstand muss so konkret umschrieben werden, dass der Umfang der Rechtskraftwirkung für die Beteiligten nicht zweifelhaft ist. Der in Anspruch genommene Beteiligte muss bei einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung eindeutig erkennen können, was von ihm verlangt wird. Das Gericht ist gehalten, eine entsprechende Auslegung des Antrags vorzunehmen, wenn hierdurch eine vom Antragsteller erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird. Die Prüfung, welche Maßnahmen der Schuldner vorzunehmen oder zu unterlassen hat, darf dadurch grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer Verpflichtung nachgekommen ist und nicht, wie diese aussieht. Ein Unterlassungsantrag muss deshalb – bereits aus rechtsstaatlichen Gründen – eindeutig erkennen lassen, was vom Schuldner verlangt wird. Soll der Schuldner zur zukünftigen Unterlassung einzelner Handlungen verpflichtet werden, müssen diese so genau bezeichnet sein, dass kein Zweifel besteht, welches Verhalten im Einzelnen betroffen ist. Für den Schuldner muss aufgrund des Unterlassungstitels erkennbar sein, welche Handlungen oder Äußerungen er künftig zu unterlassen hat, um sich rechtmäßig verhalten zu können (vgl. BAG, 22.01.2020 – 7 ABR 18718).
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b) Diesen Anforderungen wird der Antrag zu 2) gerecht. Er bestimmt klar, welche Handlungen die Arbeitgeberin in welcher Situation unterlassen soll. Konkret beschriebene Situation ist die Teilnahme der Betriebsratsmitglieder oder nachrückenden Betriebsratsmitgliedern an einer Betriebsratssitzung, zu der sie geladen wurden. Erfasst ist damit jede Betriebsratssitzung unabhängig von Ort und Zeit und unabhängig von der Frage ihrer Erforderlichkeit. Erfasst ist zugleich aber auch nur die Teilnahme an der konkreten Sitzung, d.h. von deren Beginn bis zum Ende. Nur für diesen Fall soll die Arbeitgeberin den Betriebsratsmitgliedern oder nachrückenden Betriebsratsmitgliedern nicht Gehalts- oder Stundenkürzungen androhen, d. h. diesen Personenkreis nicht bereits zeitlich vor der Betriebsratssitzung bedrohen. Dass damit jede Art von Gehalts- oder Stundenkürzungen gemeint ist, ist keine Frage der Bestimmtheit des Antrags, denn das Bestimmtheitserfordernis steht einem Globalantrag nicht entgegen. Ob die in dem Antrag beschriebenen Ansprüche dem Antragsteller in allen Fällen zustehen, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BAG, 20.10.1999 – 7 ABR 37/98).
21
2. Der dem Betriebsrat zugesprochene Unterlassungsantrag zu 2) ist auch begründet. Dem Betriebsrat steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen einer Behinderung der Arbeit seiner Mitglieder bzw. Ersatzmitglieder aus § 78 Satz 1 BetrVG zu.
22
a) Der Begriff der Behinderung in § 78 Satz 1 BetrVG ist umfassend zu verstehen. Er erfasst jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Verhinderung der Betriebsratsarbeit. Ein Verschulden oder eine Behinderungsabsicht des Störers ist nicht erforderlich. Dem Betriebsrat steht bei einer Störung oder Behinderung seiner Arbeit durch den Arbeitgeber ein Unterlassungsanspruch zu. Ein solcher Anspruch ist zwar in § 78 Satz 1 BetrVG nicht ausdrücklich geregelt. Er folgt jedoch aus dem Zweck der Vorschrift, die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben zu sichern (vgl. BAG, 20.10.1999 – 7 ABR 37/98; 12.11.1997 – 7 ABR 14/97).
23
b) Einem Globalantrag, mit welchem ein Handlungs-, Unterlassungs- oder Duldungsanspruch für eine Vielzahl künftiger Fallkonstellationen verfolgt wird, kann nur entsprochen werden, wenn der Anspruch in allen denkbaren Fallgestaltungen einschränkungslos besteht. Andernfalls ist der Globalantrag insgesamt als unbegründet abzuweisen (vgl. BAG, 20.10.1999 – 7 ABR 37/98).
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3. Bei Anwendung dieser Grundsätze besteht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch, denn der Arbeitgeberin ist es nicht erlaubt, durch ihre Repräsentanten die Betriebsratsarbeit dadurch zu behindern, dass bereits im Vorfeld die Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern oder von nachrückenden Ersatzmitgliedern an einer Betriebsratssitzung durch Androhung von Gehalts- oder Stundenkürzungen verhindert wird.
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a) Die E-Mail des Filialdirektors D. vom 23.12.2022 an die Betriebsratsvorsitzenden beinhaltet eindeutig und unmissverständlich die Ansage, dass falls „Ersatzmitglieder trotzdem nach BR gehen würden“, nachdem er ihre Anwesenheit dort verweigert habe, er gezwungen wäre, diesen Tag als abwesend zu betrachten. Es erschließt sich nicht, weshalb diese Formulierung keine Behinderung der Betriebsratsarbeit sein soll, denn klarer kann nicht ausgedrückt werden, dass sich Herr D. vorbehält, nach seiner Einschätzung in bestimmten Fällen gegenüber nachrückenden Betriebsratsmitgliedern wegen der Teilnahme an einer Betriebsratssitzung Sanktionen zu ergreifen und dies stellt eine ganz erhebliche Behinderung der Arbeit des Betriebsrats dar, zumal dieser ggf. damit rechnen muss, dass er wegen des Nichterscheinens von nachzurückenden Betriebsratsmitgliedern auf Grund der Einschüchterungen durch Herrn D. nicht einmal beschlussfähig ist. Gleiches gilt für die Äußerung von Frau J., deren Inhalt im Beschwerdeverfahren jedenfalls nicht bestritten wurde, wonach eine Bezahlung nur für erforderliche Betriebsratsarbeit erfolgen würde und dass bei einer unzulässigen oder nicht erforderlichen Tätigkeit keine Bezahlungsverpflichtung bestünde. Auch dadurch werden Betriebsratsmitglieder in unzulässiger Weise bereits im Vorfeld einer Betriebsratssitzung zumindest behindert an dieser teilzunehmen.
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b) Der dagegen gerichtete Unterlassungsantrag bezieht sich richtigerweise auf sämtliche Betriebsratssitzungen, d. h. auch auf solche, die möglicherweise nicht erforderlich sind oder unter Verstoß gegen § 30 Satz 2 BetrVG anberaumt werden. Die Arbeitgeberin ist jedenfalls in keinem Fall befugt, die Betriebsratsarbeit durch vorherige Androhungen von Gehalts- oder Stundenkürzungen mit dem Ziel, die Betriebsratsmitglieder oder nachrückende Betriebsratsmitglieder von der Teilnahme einer Betriebsratssitzung abzuhalten, zu behindern. Die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds an den einzelnen Betriebsratssitzungen ist dessen betriebsverfassungsrechtliche Pflicht (vgl. BAG, 21.03.2017 – 7 ABR 17/15). Hinzu kommt, dass grundsätzlich der Betriebsrat alleine zu bestimmen hat, wann und wie oft er tagt (s.a. BAG, 03.06.1969 – 1 ABR 1/69). Auch wenn im Einzelfall die Erforderlichkeit für eine Betriebsratssitzung nicht gegeben ist oder aber ein Verstoß gegen § 30 Satz 2 BetrVG vorliegt, ändert dies jedenfalls an der Teilnahmeverpflichtung für das einzelne Betriebsratsmitglied nichts. Das einzelne Betriebsratsmitglied hat auf die Anberaumung der Betriebsratssitzung als solcher keinen Einfluss. Vielmehr sind die anberaumte Sitzung und die ihm mitgeteilte Tagesordnung ein Faktum (vgl. LAG Hamm, 08. 06.1978 – 3 Sa 568/78; ebenso Fitting BetrVG 31. Aufl. 2022, § 37 Rn. 36). Es mag auch sein, dass einer Teilnahme des einzelnen Mitglieds an einer Betriebsratssitzung im Einzelfall seine „völlige Unabkömmlichkeit“ (so LAG Hamm, 08.06.1978 – 3 Sa 568/78) entgegensteht, oder aber die Einladung zur Betriebsratssitzung im Einzelfall offensichtlich unzulässig ist, weil z. B. entgegen § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG Arbeitskampfmaßnahmen gegen die Arbeitgeberin geplant werden sollen (vgl. dieses Beispiel bei GK-BetrVG/Weber, 12. Aufl. 2022, § 37 Rn. 52). Dies ändert aber nichts daran, dass die Arbeitgeberin berechtigt wäre, durch die vorherige Androhung von Gehalts- oder Stundenkürzungen einseitig bereits im Vorfeld die Teilnahme an der Betriebsratssitzung zu verhindern. Sie ist dazu vielmehr auf den Rechtsweg z. B. in Form eines Feststellungsantrags verwiesen, der dann seinerseits Grundlage einer späteren Feststellung eines „groben Verstoßes“ iSv. § 23 Abs. 3 sein könnte. Auch wird es der Arbeitgeberin möglich sein, in Einzelfällen, und zwar durchaus auch im Wege einer einstweiligen Verfügung, eine Verschiebung oder auch Aufhebung einer konkreten Sitzung begehren zu können (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, 18.03.2010 – 2 TaBV 2694/09). Darf eine Betriebsratssitzung aufgrund einer einstweiligen Verfügung nicht stattfinden, fehlt es an dem Anknüpfungspunkt der beantragten und zugesprochenen Unterlassungsverpflichtung, nämlich einer Betriebsratssitzung. Diesem Verständnis entspricht, dass das einzelne Betriebsratsmitglied der Arbeitgeberin lediglich Ort und voraussichtliche Dauer der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit mitzuteilen hat und Angaben auch zur Art der Betriebsratstätigkeit nicht verlangt werden können. Anders ist dies erst für die Prüfung des Entgeltfortzahlungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 BetrVG iVm. § 611a BGB (vgl. BAG,15. 03.1995 – 7 AZR 643/94). Diese Differenzierung wird zutreffend damit begründet, dass diese vergangenheitsbezogene Beurteilung der Erforderlichkeit von Betriebsratsarbeit einen Einfluss des Arbeitgebers auf die laufende Betriebsratstätigkeit ausschließt (vgl. BAG, 15.03.1995 – 7 AZR 643/94; vgl. zum Ganzen auch Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 30. 08.2023 – 12 TaBV 18/23).
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c) Mit dem Begehren, die vorherige Androhung von Gehalts- oder Stundenkürzungen zu unterlassen, macht der Betriebsrat keine ihm nicht zustehenden individuellen Rechte der einzelnen Betriebsratsmitglieder als Arbeitnehmer geltend. Richtig ist, dass dem Betriebsrat nicht das Recht zusteht, den Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung seiner Mitglieder geltend zu machen. Der Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht unter Fortzahlung der Vergütung betrifft ausschließlich die individualrechtliche Rechtsbeziehung zwischen den Arbeitsvertragsparteien (vgl. BAG, 21.03.2017 – 7 ABR 17/15). Unabhängig davon ist der Betriebsrat aber grundsätzlich berechtigt durchzusetzen, dass seine Mitglieder zur Wahrnehmung erforderlicher Betriebsratstätigkeit gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG von der Arbeitspflicht befreit werden. Damit macht der Betriebsrat ein eigenes Recht geltend, da die ihm als Gremium obliegenden Aufgaben von seinen Mitgliedern oder unter deren Mitwirkung wahrgenommen werden und er selbst deshalb auf deren Arbeitsbefreiung angewiesen ist (vgl. BAG, 29.06.2011 – 7 ABR 135/09; BAG, 21.03.2017 – 7 ABR 17/15). Der vorliegende Fall kennzeichnet sich dadurch, dass die Arbeitgeberin durch vorherige Androhung individualvertraglicher Mittel versucht, die Teilnahme an der Betriebsratssitzung zu verhindern. Die einzelnen Betriebsratsmitglieder könnten sich dagegen auch individualrechtlich wehren. Dies ändert aber nichts daran, dass die vor der Betriebsratssitzung „nur“ angedrohte Sanktion das eigene Recht des Betriebsrats an der Durchführung der Sitzung beeinträchtigt. Die angekündigte Sanktionierung zielt darauf ab, die Teilnahme an der Sitzung zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Damit wird der eigene betriebsverfassungsrechtliche Anspruch des Betriebsrats auf Durchführung der Betriebsratssitzung selbst beeinträchtigt. Ohne ihre Mitglieder kann diese schlicht nicht stattfinden. Dies betrifft somit nicht nur eine individualrechtliche, sondern auch eine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsbeziehung und die Unterlassung einer solchen Behinderung der Betriebsratsarbeit kann der Betriebsrat aus eigenem Recht verlangen (vgl. zum Ganzen, Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 30. 08.2023 – 12 TaBV 18/23).
28
d) Die für den Unterlassungsantrag erforderliche Wiederholungsgefahr besteht. Sie ergibt sich bereits daraus, dass die Arbeitgeberin betont, dass es ihr erlaubt sein müsse zu beurteilen, ob eine Betriebsratssitzung erforderlich ist oder nicht und dies zeigt, dass sie auch weiterhin nicht davon absehen möchte ggf. entsprechend zu handeln, wenn sie meint, es länge keine Erforderlichkeit einer Betriebsratssitzung vor. Gerade eine solche Prüfungskompetenz steht ihr aber nicht zu und unabhängig davon begibt sich eine für die Arbeitgeberin handelnde Person auch in die Gefahr, eine nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG strafbare Störung der Betriebsratsarbeit zu begehen, die mit Geldstrafe und Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden kann.
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4. Gegen die Höhe des angedrohten Ordnungsgeldes von € 9.000,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung bestehen keine Bedenken. Wird in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren eine Unterlassungsverpflichtung ausgesprochen, so kann auf entsprechenden Antrag gleichzeitig die Verhängung eines Ordnungsgeldes für den Fall jeder Zuwiderhandlung gemäß § 890 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 890 Abs. 1 ZPO angedroht werden (vgl. BAG, 20.03.2018 – 1 ABR 70/16; 06.12.1988 – 1 ABR 43/87).
III.
30
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Auf die folgende Rechtsmittelbelehrung wird verwiesen.