Titel:
Wirksamkeit ordentliche Kündigung wegen fehlender Verfassungstreue
Normenketten:
KSchG § 1 Abs. 2, § 6 S. 1
GG Art. 5 Abs. 1
TV-L § 3 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Eine personenbedingte Kündigung iSv § 1 Abs. 2 KSchG kommt in Betracht, wenn dem Arbeitnehmer aufgrund seiner Aktivitäten jedenfalls die Eignung für die Ausübung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit fehlt. Im öffentlichen Dienst kann sich ein Eignungsmangel aus begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue des Arbeitnehmers ergeben. (Rn. 25 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Umfang der das Beamtenverhältnis prägenden Treuepflicht lässt sich nicht schematisch auf Beschäftigte übertragen, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum öffentlichen Arbeitgeber stehen und denen in der Regel keine hoheitlichen Befugnisse übertragen sind. Es gibt Bereiche, bei denen es für die konkret geschuldete Arbeitsleistung im Rahmen von Arbeitsverhältnissen nicht auf die von Beamten verlangte besondere politische Loyalität ankommt. In diesen Bereichen können Arbeitnehmer auch dann beschäftigt werden, wenn sie nur ein geringeres Maß an politischer Treue erfüllen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch Arbeitnehmer, die nur eine „einfache“ politische Treuepflicht trifft, müssen aber ein Mindestmaß an Verfassungstreue insoweit aufbringen, als sie nicht darauf ausgehen dürfen, den Staat, die Verfassung oder deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen. Das gilt gleichermaßen für den dienstlichen wie den außerdienstlichen Bereich. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Mindestmaß an Verfassungstreue ist verletzt, wenn der Arbeitnehmer einer Stiftung des öffentlichen Rechts bei einer öffentlichen Kundgebung behauptet, staatliche Maßnahmen in Zusammenhang mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie hätten zur schärfsten Faschisierung in Staat und Gesellschaft geführt, sowie, dass der Staat reaktionär und faschistoid sei. (Rn. 35 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine Verpflichtung des Arbeitsgerichts, den Arbeitnehmer auf etwaige Unwirksamkeitsgründe der Kündigung, die nach den konkreten Umständen des Einzelfalls in Betracht hätten kommen können, hinzuweisen, besteht nach § 6 KSchG nicht. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Arbeitnehmer, Eignungsmangel, Verfassungstreue, politische Treuepflicht, Treuepflicht, Meinungsfreiheit, Kündigung, Rechtfertigung
Vorinstanz:
ArbG München, Endurteil vom 29.12.2022 – 27 Ca 3810/22
Rechtsmittelinstanz:
BAG Erfurt vom -- – 3 AZN 896/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 38006
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 29.12.2022 – 7 Sa 71/23 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie über die Weiterbeschäftigung der Klägerin.
2
Die 1954 geborene Klägerin war bei der Beklagten, einer Stiftung des öffentlichen Rechts, bei der mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind, seit 01.01.2019 als Referentin für Rundgangführungen in der KZ Gedenkstätte C. mit einem Monatsgehalt iHv. € 450,00 brutto beschäftigt. Die Vertragsbeziehungen waren zuletzt in einem Arbeitsvertrag vom 12.03.2020 (Bl. 6 – 7 d. A.) geregelt. § 6 des Arbeitsvertrages lautete:
„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung, solange der Freistaat Bayern hieran gebunden ist. Außerdem finden die im Bereich des Freistaates Bayern jeweils geltenden einschlägigen Tarifverträge Anwendung.“
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§ 3 Abs. 1 Satz 2 des im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen TV-L lautet:
„Die Beschäftigten müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.“
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Die Beklagte wurde vom Freistaat Bayern gestiftet und hat entsprechend Art. 2 des Gesetzes über die Errichtung der Stiftung bayerischer Gedenkstätten (GedStG) den Zweck, die Gedenkstätten C. und D. als Zeugen für die Verbrechen des Nationalsozialismus als Orte der Erinnerung an die Leiden der Opfer und als Lernorte für künftige Generationen zu erhalten und zu gestalten, die darauf bezogene geschichtliche Forschung zu unterstützen und dazu beizutragen, dass das Wissen über das historische Geschehen im Bewusstsein der Menschen wachgehalten und weitergetragen wird. Zu den Aufgaben der Stiftung gehört gem. Art. 2 Abs. 2 GedStG unter anderem die Betreuung von Besuchern. Aufgabe der Klägerin ist es, als Rundgangreferentin Besucher durch das ehemalige Lager der Gedenkstätte C. zu führen, die historischen Abläufe zu erläutern und über das Lagerleben und Schicksal der Häftlinge zu berichten. Die Beklagte betrachtet die Rundgangreferenten als ihre Aushängeschilder, weil sich deren Aussagen und Verhalten unmittelbar auf die Beklagte widerspiegeln. Zutreffende Wiedergabe von historischen Fakten und der Respekt vor der Geschichte der Gedenkstätte sind für die Beklagte essenzielle Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit als Rundgangreferenten.
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Im Rahmen der „Anti Corona-Bewegung“ trat die Klägerin auf Versammlungen als Rednerin auf und setzte sich kritisch mit den Corona-Maßnahmen auseinander. Mitte November 2021 führte die Klägerin an der Theke des Besucherzentrums nach der Mittagspause ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Unternehmens, das die Audio Guides für die Gedenkstätte zur Verfügung stellt, wobei ein weiterer Rundgangleiter in den Gesprächsverlauf involviert war. Die Klägerin trug eine Statistik aus der Süddeutschen Zeitung vom 16.11.2021 bei sich, die die Lage auf den deutschen Intensivstationen sowie die Zahl der Intensivpatienten abbildete. Der Inhalt und die näheren Umstände des Gespräches sind streitig. Der Rundgangleiter war durch die Äußerungen der Klägerin verärgert und meldete diese seinem Vorgesetzten.
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Am 26.01.2022 trat die Klägerin auf einer genehmigten Demonstration auf dem K2.platz als Rednerin auf und äußerte unter anderem folgendes:
„Ich möchte euch herzlich begrüßen, ich bin von der Münchner Freiheitsversammlung, die auch seit April 2020 auf der Straße stand und protestiert gegen die Maßnahmen. Wir haben das getan mit Geduld und Zähigkeit und mit dem Vertrauen darauf, dass die Wahrheit sich durchsetzt. Die Wahrheit ist wie das Wasser, das Wasser dringt immer irgendwo durch. Und darauf vertrauen wir, aber wir haben eine Strecke vor uns. Das was wir hier machen, obwohl man das Spaziergang nennt, ist kein Spaziergang. Wir habens hier mit der schärfsten Faschisierung im Staat und Gesellschaft zu tun. Seit der Gründung der Bundesrepublik. Das muss uns bewusst sein, liebe Leute. Und wir sehen ja, wenn wir nach Österreich schauen, wie großartig war der Widerstand dort, und ist er noch gegen die Einführung der Impfpflicht. Und ihr seht, die Ignoranz dieses Staates, dieses reaktionär, faschistoiden Staates, der meint, er kann sich abschütteln“
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Auf Rufe der Zuschauer mit dem Inhalt „Söder muss weg“ reagierte die Klägerin mit einem „Genau, das ist völlig richtig“.
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Weiter führte die Klägerin unter anderem aus:
„Wir sind geschichtsbewusst und wir können erkennen, dass unsere Demokratie in höchster Gefahr ist, dass sie demontiert wird von der politischen Elite in diesem Land und da drehe ich die Hand nicht um, ich schaue mir diese bürgerlichen Parteien an und sie haben alle das gleiche Programm“ …
„Wir wollen keine Einteilung unserer Mitmenschen in Gehorsam und Ungehorsam, in zertifiziert und nicht zertifiziert, auch wenn dies der Traum von Söder und Konsorten wäre und der von ihm vertretenen Großkonzerne, die Bevölkerung zu kontrollieren und zu überwachen, zu diktieren und so zuzurichten, wie es ihnen passt“ …
„Wir wollen auch nicht, dass gentechnische Präparate weiterhin in die Genehmigung kommen, ohne dass wir gefragt werden, wir, die Bevölkerung. Auf jedem Käsepäckchen kann man lesen gentechnikfrei und wir sollen uns das in den Arm spritzen lassen? Wir wollen nicht den Profit- und Machtinteressen einiger weniger unterworfen sein. Wir wollen keine Politik, die sich der Profitgier der Pharmaindustrie mehr verpflichtet fühlt als dem Menschen. Wir wollen Gerechtigkeit.“ …
„Viele die sich bereits diesen Medikamenten unterzogen haben, werden ebenfalls aufstehen, weil sie merken, dass es kein Ende haben wird. Dass sie immer wieder in immer kürzeren Abständen nachgeboostert werden sollen und die Gentherapie niemals ein Ende finden wird, für sie und ihre Nachkommen. Deshalb sage ich hier: Rebellion ist gerechtfertigt. Ihr seid aufgerufen zum Widerstand, zur gegenseitigen Zusammenarbeit, euch zu treffen, zu mobilisieren. Holt eure Freunde raus aus der Couchkomfortzone, kommt raus aus eurem Social Media-Blasen, raus auf die Straßen. Kein Mensch ist zertifizierbar. Selbst wenn es gelingt, die Impfpflicht wegzukämpfen, müssen wir weiter gegen diesen Kahlschlag der Demokratie, der Freiheits- und Menschenrechte, gegen Ausbeutung und Unterdrückung aufstehen. Hoch die internationale Solidarität.“
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Am 10.02.2022 führten die Klägerin, eine Vertreterin des Personalrats, die Leiterin der Gedenkstätte, eine juristische Mitarbeiterin und die Verwaltungsleitung ein Gespräch, das sich auf die Unterhaltung der Klägerin Mitte November 2021 mit der externen Mitarbeiterin und dem weiteren Rundgangleiter sowie weiteren Beschwerden aus dem Kollegenkreis bezog. Hierzu wurde ein Protokoll erstellt, das die Klägerin am 22.02.2022 überarbeitete (Bl. 9 ff d.A.). Am 23.02.2022 fand ein weiteres Personalgespräch statt. Thema dieses Gespräches war der Auftritt der Klägerin auf dem K2.platz in München. Hierzu wurde ebenfalls ein Protokoll erstellt (Bl. 16 ff d. A.).
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Mit Schreiben vom 23.02.2022 (Bl. 19 d. A.) stellte die Beklagte die Klägerin mit sofortiger Wirkung unter Fortzahlung der Bezüge und Anrechnung der noch offenen Urlaubs- und Resturlaubsansprüche und möglicher Mehrarbeitsstunden unwiderruflich von der Arbeit frei und mit Schreiben vom 07.04.2022, (Bl. 8 d. A.) kündigte die Beklagte der Klägerin ordentlich zum 30.06.2022, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.
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Vor dem Arbeitsgericht hat sich die Klägerin darauf berufen, dass die Kündigung der Beklagten nicht sozial gerechtfertigt sei. Sie hat gemeint, dass es sich bei dem Gespräch Mitte November 2021 um ein privates Gespräch mit einer Kollegin gehandelt habe und dass sich in dieses Gespräch der Kollege eingemischt habe. Die Klägerin hat bestritten, dass sie Maßnahmen zur Eindämmung der Corona Pandemie mit den Maßnahmen der Nationalsozialisten im Jahr 1933 verglichen habe. Weiter hat sie sich darauf berufen, dass ihre Äußerungen auf der Veranstaltung auf dem K2.platz von dem Recht auf freie Meinungsäußerung getragen seien. Sie hat auch bestritten, dass sie den Betriebsfrieden gestört habe. Das Vorbringen der Beklagten hat sie für unsubstantiiert gehalten, soweit es um Äußerungen von anderen Beschäftigten der Gedenkstätte ginge. Nach ihrer Ansicht habe ihr Verhalten auch nicht der einer Arbeitnehmerin des öffentlichen Dienstes obliegenden Treuepflicht widersprochen, denn sie habe nicht den Staat insgesamt angegriffen, sondern die verhängten Corona Maßnahmen und es sei jeder aufgerufen, diese kritisch zu betrachten.
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Vor dem Arbeitsgericht hat die Klägerin beantragt,
- 1.
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Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 07.04.2022 nicht beendet wurde.
- 2.
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Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den Bedingungen des Anstellungsvertrages vom 12.03.2020 als Rundgangreferentin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses weiter zu beschäftigen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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Die Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin habe sich unaufgefordert Mitte November 2021 gegenüber einer Mitarbeiterin an der Theke des Besucherzentrums dahingehend geäußert, dass die Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der Corona Pandemie den Maßnahmen der Nationalsozialisten im Jahre 1933 glichen, insbesondere mit den Worten „es sei wie damals“. Die Klägerin habe auch ein weiteres Gespräch mit einem Rundgangleiter begonnen und diesen auf die aktuelle Corona Situation angesprochen und ihm gegenüber geäußert, dass die Obrigkeit aktuell Notstandsgesetze erlasse, die der Bevölkerung die Rechte nehmen würden und weiter habe die Klägerin erklärt, dass inzwischen von oben durchregiert werde. Auch die übrigen Beschäftigten der Gedenkstätte hätten dies so wahrgenommen und seien von den Äußerungen der Klägerin ausgesprochen betroffen gewesen. Zwischen der Klägerin und anderen Mitarbeitern sei es auch häufiger zu Auseinandersetzungen gekommen, insbesondere, weil die Klägerin das Thema immer wieder angesprochen, Unterlagen und Artikel hierzu mit sich geführt und versucht habe, die übrigen Mitarbeiter von ihren Thesen zu überzeugen. Die Beklagte hat deswegen gemeint, dass die Klägerin den Betriebsfrieden gestört habe. Weiter hat die Beklagte gemeint, dass die Klägerin gegen ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen habe, denn sie habe sich mit ihrer Rede auf dem K2.platz von der freiheitlichdemokratischen Grundordnung abgewendet. Sie habe mit dem Inhalt ihrer Rede gegen die Verpflichtung nach § 3 Abs. 1 S. 2 des TV-L verstoßen, da sie die demokratische Grundordnung nicht mehr gewahrt habe. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Klägerin mit ihren Äußerungen auch im außerdienstlichen Bereich einer gesteigerten Treuepflicht unterliege. In ihrer Rede habe sie gezielt den Staat, die Parteien und die Exekutive delegitimiert und zum Umsturz aufgerufen und den Staat als reaktionär faschistisch bezeichnet. Hierbei habe es sich nicht mehr nur um bloße pointierte Äußerungen gehandelt, vielmehr habe die Klägerin allen Institutionen Unlauterkeit und Käuflichkeit unterstellt. Die Meinungsfreiheit der Klägerin sei auch nicht übermäßig eingeschränkt worden, denn eine kritische Äußerung sei der Klägerin nicht untersagt, aber eine Verunglimpfung des Staates und der tragenden Institutionen sei nicht mehr von dem Recht auf Meinungsäußerung getragen. Im Hinblick auf das von der Beklagte gerügte Verhalten der Klägerin sei auch die Erteilung einer Abmahnung nicht erforderlich gewesen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Kündigung aus personenbedingten Gründen als sozial gerechtfertigt erachtet, weil der Klägerin die notwendige Eignung zur Ausübung ihrer Tätigkeit fehle. Das Arbeitsgericht hat dazu ausgeführt, dass nach § 6 des Arbeitsvertrages der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder und damit auch § 3 Abs. 1 S. 2 TV-L Anwendung auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin fände. Danach seien die Beschäftigten verpflichtet, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen, demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zu bekennen und diese Regelung normiere für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes eine besondere politische Loyalitätspflicht. Weiter hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass diese Loyalitätspflicht entsprechend der sogenannten Funktionstheorie des zu definieren sei nach der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und dem Aufgabenkreis, der entsprechend dem Arbeitsvertrag übertragen sei, wobei der Arbeitnehmer nur diejenige politische Loyalität schulde, die für die funktionsgerechte Amtsausübung unverzichtbar sei, denn wenn man für alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes, gleichmäßig und unabhängig von ihrer Funktion, das Bestehen einer besonderen politischen Treuepflicht annähme, würden damit Grundrechte der Arbeitnehmer, wie die Freiheit der Meinungsäußerung unnötig und unverhältnismäßig eingeschränkt. Sodann hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass nach dem Stiftungszweck der Beklagten, der Klägerin, stellvertretend für die Beklagte, die Aufgabe zukomme, die Besucher zu betreuen und damit den Stiftungszweck zu realisieren, d. h. das Wissen über das historische Geschehen im Bewusstsein der Menschen wachzuhalten und weiterzutragen als Zeugnis für die Verbrechen des Nationalsozialismus und zur Erinnerung an die Leiden der Opfer über die Verbrechen des Nationalsozialismus und dass die Klägerin somit ein Aushängeschild der Beklagten sei. In dieser Funktion sei der Klägerin eine gesteigerte politische Loyalität abzuverlangen, so dass sie sich jederzeit, auch außerdienstlich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen habe. Bei den Besuchern der Gedenkstätte solle das historische Geschehen im Bewusstsein gehalten werden, um darzustellen, dass die Werte des Grundgesetzes, wie Freiheit, Demokratie und Rechtstaatlichkeit Werte sind, für die es sich einzusetzen gilt und wenn jedoch diese Werte in Zweifel gezogen würden, fehle es an der Geeignetheit der Referenten für den Rundgang. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat das Arbeitsgericht weiter ausgeführt, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung sich als Ordnung widerspiegle, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und der Gleichheit darstelle. Grundlegende Prinzipien seien neben der Achtung vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, d. h. die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Sodann hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass die Klägerin mit ihren Äußerungen auf dem K2.platz am 26.01.2022 den Staat und damit mittelbar die Beklagte als ihre Arbeitgeberin mit dem NS-Regime gleichgestellt habe und damit habe sie auch das geschehene Unrecht jener Zeit relativiert. Dies sei in den Aussagen der Klägerin dadurch zum Ausdruck gekommen, wenn sie von einer Faschisierung im Staat spreche, den Staat als reaktionär faschistoid beschreibe und ihm Ignoranz bescheinige. Nach den Ausführungen des Arbeitsgerichts seien faschistische Staaten dadurch gekennzeichnet, dass sie ein diktatorisches Regierungssystem errichten, Gegner verfolgen, foltern und einsperren, nur eine Partei zulassen, rassistisches und fremdenfeindliches Gedankengut verbreiten und in die Gesellschaft hineintragen. Dem gegenüber bedeute eine freiheitlich-demokratische Grundordnung das Recht auf Leben, Gewaltenteilung und das Mehrparteienprinzip, welche die Klägerin dem Staat und damit der Beklagten abspreche. Die Klägerin habe dem Staat unterstellt, dass er eine Faschisierung zulasse, mithin sich nicht an die Werte einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung halte und auch nicht gegen diese Tendenzen vorgehe. Soweit die Klägerin sich darauf berufen habe, dass diese Äußerungen sich auf die Einführung der Impfpflicht in Österreich bezogen habe, sei dies ihrer Rede nicht zu entnehmen gewesen. Die Klägerin habe sich vielmehr an die Teilnehmer der Münchener Freiheitsversammlung gewandt und habe über die schärfste Faschisierung in Staat und Gesellschaft seit der Gründung der Bundesrepublik gesprochen. Die Äußerung der Klägerin, dass keine Politik gewollt sei, die sich der Profitgier der Pharmaindustrie mehr verpflichtet fühle als den Menschen und dass die Regierung die Großkonzerne vertrete, habe das Handeln der Regierung als korrupt und unterschwellig als käuflich beschrieben. Weiter habe die Klägerin von einer Demontage der Demokratie durch die politischen Eliten in diesem Land gesprochen und auch insoweit habe sie das Verhalten der Regierung in die Nähe von diktatorischen Regimen gerückt. Die Äußerung, die Bevölkerung sollte kontrolliert und überwacht und zugerichtet werden, wie es den Regierenden passe, habe ebenfalls unterschwellig einen Vergleich mit diktatorischen Staaten dargestellt, die Bürger unter totale Überwachung stellen und soweit die Klägerin von „zurichten“ gesprochen habe, sei diese Begrifflichkeit zweideutig gewesen, da jemanden zurichten auch mit misshandeln, lädieren oder verletzen verbunden werden könne. Sodann hat das Arbeitsgericht betont, dass es Aufgabe der Klägerin sei, die Erinnerung an die Geschehnisse der damaligen Zeit sowie das Leid der Opfer wachzuhalten und Zeugnis gegen die Verbrechen des Nationalsozialismus zu geben, doch ein glaubwürdiges Zeugnis könne nur der geben, der auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe und dass, wer den heutigen Staat in die Ecke der damaligen Machthaber stelle, keine Gewähr dafür biete, dass die zu fordernde gesteigerte Loyalität noch vorhanden sei. Die Äußerungen der Klägerin seien auch nicht nur eine scharfe, aber hinzunehmende Kritik an den bestehenden Zuständen gewesen, die von dem Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) getragen wären. Sie seien vielmehr darauf gerichtet gewesen, den Staat und die Handelnden politisch Verantwortlichen zu diffamieren und verächtlich zu machen und dem Grundrecht der Klägerin auf freie Meinungsäußerung seien durch die in § 3 Abs. 1 S. 2 TV-L näher ausgestaltete Verpflichtung zur Loyalität, die letztlich eine Konkretisierung der Vertragspflichten nach § 241 Abs. 2 BGB darstelle, Grenzen gezogen. Bei dieser Sachlage sei auch die Erteilung einer Abmahnung als milderes Mittel nicht geboten gewesen, da nicht erkennbar gewesen sei, dass es sich um einen behebbaren Eignungsmangel handele, der auf einem steuerbaren Verhalten beruht habe.
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Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Seiten 8 – 14 (Bl. 226 – 232 d. A.) des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
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Die Klägerin hat gegen dieses Urteil vom 29.12.2022, das ihr am 05.01.2023 zugestellt wurde, mit einem am 27.01.2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit einem am 20.03.2023 eingegangen Schriftsatz begründet hat, nachdem zuvor die Frist zur Berufungsbegründung bis zu diesem Tag verlängert worden war.
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Die Klägerin meint weiterhin, dass die streitgegenständliche Kündigung nicht sozial gerechtfertigt sei. Es sei rechtsfehlerhaft einen personenbedingten Kündigungsgrund anzunehmen. Die Klägerin stellt darauf ab, dass die Begriffe faschistoid und faschistisch von unterschiedlichen Seiten oft inflationär gebraucht würden und oft würde die Erklärung, was mit den Begriffen genau gemeint sei, fehlen. Gerade der häufige Gebrauch gestatte es bereits nicht, aus der Verwendung der Wörter auf eine fehlende Staatstreue zu schließen. Dies gelte umso mehr als die Klägerin selbst bei aller Kritik jeden Vergleich mit dem Nationalsozialismus ablehne. Sie verweist darauf, dass mit faschistoid Eigenschaften oder Haltungen bezeichnet würden, die mit dem Faschismus in verschiedener Hinsicht ähnlich seien, jedoch nicht deckungsgleich mit ihm. Schwer zu folgen sei dem Arbeitsgericht, dass die Klägerin die Werte der Erinnerung und des Geschichtsbewusstseins in Zweifel gezogen habe, denn dafür habe die Beklagte keine Anhaltspunkte vorgetragen. Das Arbeitsgericht gehe wohl davon aus, dass die Beklagte mit dem „Staat“ der Bundesrepublik oder dem Freistaat gleichzustellen sei. Die Klägerin meint auch, dass ein milderes Mittel anstatt des Ausspruchs einer Kündigung die Erteilung einer Abmahnung gewesen sei, zumal die Beklagte auf eine langjährige unbeanstandete vielfach gelobte Tätigkeit der Klägerin zurückblicken könne. Die Klägerin meint schließlich auch, dass seitens der Beklagten ein unschlüssiger Vortrag zur Personalratsanhörung vorliege und bestreitet die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats.
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Die Klägerin beantragt,
I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 29.12.2022, Aktenzeichen 27 Ca 3810/22, wird abgeändert.
II. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 7.4.2022 nicht beendet wurde.
III. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei zu den Bedingungen des Anstellungsvertrages vom 12.3.2020 als Rundgangreferentin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses weiter zu beschäftigen.
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Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
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Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Beklagte meint die Ausführungen der Berufung verfingen nicht, denn im Ergebnis versuche die Klägerin ihr Verhalten und ihre Äußerungen zu relativieren und zu verharmlosen. Die Beklagte beharrt darauf, dass die Klägerin Frau E., eine Mitarbeiterin der F. KG, angesprochen habe und ihr erklärt habe, dass es heute wie 1933 sei und dass die derzeitigen Regelungen zur Corona-Pandemie nur der Anfang seien und im Übrigen sei es wie damals. Sie habe auch Herrn G., der ebenfalls im Infobereich der Gedenkstätte gestanden habe und dort auf die Ankunft seiner nächsten Gruppe gewartet habe, angesprochen und ihm erklärt, dass die Obrigkeit aktuell Notstandsgesetze erlasse, die der Bevölkerung die Rechte nähmen. Herr G. habe der Klägerin aber erläutert, dass die Gesetze und Verordnungen im Gegensatz zu den Verordnungen der Nazizeit auf parlamentarischem Wege und ordnungsgemäß zustande gekommen seien und dass daher die Situation keineswegs mit 1933 aus dem Zeitpunkt der Notstandsgesetze vergleichbar sei, worauf ihm die Klägerin widersprochen habe und erklärte, dass inzwischen von oben durchregiert werde. Zusammenfassend meint die Beklagte, dass die Klägerin eine deutliche und klare Parallele zwischen der Entwicklung während der Corona-Pandemie und der politischen Entwicklung während der ersten Monate des NS-Regimes gezogen habe, was diese auch in den Personalgesprächen eingeräumt habe. Ein Höhepunkt der öffentlichen Redebeiträge der Klägerin in der Anti-Corona-Bewegung sei ihr Auftritt auf dem K2.platz in München am 26.01.2022 gewesen. Die Klägerin habe zum damaligen Zeitpunkt vor dem Hintergrund von Aktionen Personen angesprochen, von deren Gewaltbereitschaft potentiell auszugehen gewesen sei und die den staatlichen Maßnahmen infolge der Corona-Pandemie aggressiv abwehrend gegenübergestanden hätten. Die Beklagte nimmt der Klägerin auch nicht ab, wenn diese behauptet, sie sei eine herausragende (lupenreine) Demokratin und wolle nur auf Missstände und Fehlentwicklungen hinweisen, denn die Klägerin habe den Staat als Garanten für Grundrechte und Verfassungstreue auf das Schärfste angegriffen und spreche über dessen Faschisierung und faschistoides Vorgehen und auch das von Klägerin häufig wiederholte „wehret den Anfängen“ diene der Klägerin nur dazu, den demokratischen Rechtsstaat mit den Anfängen des NS-Regimes gleichzusetzen und Widerstand gegen den Staat zu legitimieren. So behaupte sie auch, bürgerlich politische Parteien würden die Demokratie gefährden und dass die Presse gekauft sei und dass die Politiker die Interessen der Pharmaindustrie verträten und mit dieser Behauptung spreche sie aber den bürgerlichen Parteien und den Regierungen die Legitimität ab. Maßgeblich sei auch, dass die Klägerin deutlich gemacht habe, dass sie davon ausgehe, dass sich die Bundesrepublik Deutschland zum Faschismus hin entwickelt habe und dass sie den Staat als faschistoid bezeichnet habe. Sie habe auch ausdrücklich gesagt, dass man es mit der stärksten Faschisierung zu tun habe. Die Klägerin nehme jedenfalls an, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie einen faschistoiden Staat schafften, der die Demokratie demontiere. Damit greife die Klägerin die freiheitlich demokratischen Grundwerte direkt an. Sie werte von den Parteien beschlossene und teilweise sogar von Gerichten bestätigte Maßnahmen als demokratiefeindlich, ja faschistoid und negiere damit das System, das die freiheitlich demokratische Grundordnung ausmache, also repräsentative Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit. Die Klägerin trete mit ihren Äußerungen nicht für die freiheitliche Grundordnung ein, sie negiere sie und behaupte der Staat, der Garant der freiheitlich demokratischen Grundordnung, sei bereits faschistisch (faschistoid) und damit verstoße die Klägerin in erheblichem Maß gegen ihre Verpflichtungen nach § 3 Abs. 1 TVL. Die Klägerin habe auch im Verlauf ihrer Rede erklärt, dass die Presse gekauft sei und die politischen Eliten die Demokratie demontierten und die bürgerlichen Parteien hätten alle das gleiche Programm und wollten dies gegen die Bevölkerung durchsetzen, womit die Klägerin behaupte, die Parteien-Demokratie und die aus ihr hervorgehenden Repräsentanz würden die Demokratie bekämpfen. Auch hier behauptet die Klägerin wieder, dass die Demokratie demontiert werde und sie male nicht ein Zukunftsbild, sondern beschreibe die Ist-Situation und damit wende sie sich direkt gegen den Staat und die freiheitlich demokratische Grundordnung. Die Klägerin behaupte auch „Söder“ würde Großkonzerne vertreten und die Politik fühle sich den Interessen der Pharmaindustrie mehr verpflichtet als dem Menschen, womit sie behaupte, andere Mächte würden die politischen Prozesse steuern als die Bevölkerung und die Politiker würden diese Interessen gegen die Bevölkerung durchsetzen. Damit ziehe die Klägerin die Legitimität unserer Rechtsstaatlichkeit des gesamten politischen Handelns und der gewählten Vertreter in Zweifel und auch hier greife sie die freiheitlich demokratische Grundordnung an, die gerade dadurch gekennzeichnet sei, dass zwischen Interessen ein Ausgleich geschaffen werde. Soweit die Klägerin erklärte, dass die Bevölkerung mit dieser Demonstration bzw. den Aktionen der Coronamaßnahmegegner aufwache und am Ende zur Rebellion und zum Widerstand aufrufe, fordere sie damit auf, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu bekämpfen. Zusammenfassend meint die Beklagte, die Klägerin sei überzeugt, dass sie einer Faschisierung gegenüberstehe, die von einer käuflichen Politiker-Elite angetrieben werde und mit dieser Überzeugung stehe sie der freiheitlich demokratischen Grundordnung feindlich gegenüber, wobei sie bereits aufgrund ihrer Überzeugung zur Rebellion gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung aufrufe und dies sei auch durch eine Abmahnung nicht zu ändern. Die Beklagte meint, dass die Klägerin konkret für ihre Tätigkeit in der Gedenkstätte nicht geeignet sei, denn wer in der Bundesrepublik ein faschisiertes System sehe, relativiere damit auch das Unrecht des NS-Regimes. Letztlich sage die Klägerin nämlich nichts anderes, als dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie faschistischen Maßnahmen entsprächen und das Ziel hätten, einen solchen Staat zu errichten bzw. die Demokratie zu beseitigen. Dies relativiere auch gleichzeitig das NS-Unrecht und die Handlungen der Nationalsozialisten zur Beseitigung der damaligen demokratischen Ordnung. Hierzu wirft die Beklagte auch die Frage auf, wie die Klägerin glaubhaft das NS-Unrecht vermitteln wolle, wenn sie der Auffassung sei, dieses sei mit der Verpflichtung einer FFP-2-Maske in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu tragen, zu vergleichen. Die Beklagte verweist schließlich darauf, dass die Personalratsanhörung erstinstanzlich von der Klägerin nicht thematisiert wurde und es sei damit völlig unstrittig geblieben, dass diese ordnungsgemäß durchgeführt worden sei und ein entsprechendes nunmehriges Bestreiten dazu sei ohne Zweifel verspätet.
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Zum weiteren Sachvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 20.03.2023 (Bl. 268 f. d. A.), vom 22.05.2023 (Bl. 295 f. d. A.), vom 10.07.2023 (Bl. 334 f. d. A.) sowie vom 14.07.2023 (Bl. 346 f. d. A.) samt ihren Anlagen verwiesen. Des Weiteren wird insbesondere zur Prozessgeschichte auf den Inhalt der Gerichtsakte und insbesondere auf das Sitzungsprotokoll vom 18.07. 2023 (Bl. 352 – 354 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
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Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die streitgegenständliche Kündigung, die dem Prüfungsmaßstab des Kündigungsschutzgesetzes unterliegt, sozial gerechtfertigt ist und das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet hat. Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die gründlichen und zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf die Berufungsangriffe gilt das Folgende:
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A) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt eine personenbedingte Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG in Betracht, wenn dem Arbeitnehmer aufgrund seiner Aktivitäten jedenfalls die Eignung für die Ausübung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit fehlt.
26
1. Im öffentlichen Dienst kann sich ein Eignungsmangel aus begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue des Arbeitnehmers ergeben. Diese ist Bestandteil des Begriffs „Eignung“ in Art. 33 Abs. 2 GG (vgl. BVerfG, 8. Juli 1997 – 1 BvR 2111/94 ua. – zu C I 1 b der Gründe, BVerfGE 96, 171). Entscheidend ist, inwieweit die außerdienstlichen politischen Aktivitäten in die Dienststelle hineinwirken und entweder die allgemeine Aufgabenstellung des öffentlichen Arbeitgebers oder das konkrete Aufgabengebiet des Arbeitnehmers berühren (vgl. BAG, 06.06.1984 – 7 AZR 456/82). Das wiederum hängt maßgeblich davon ab, welche staatlichen Aufgaben der Arbeitgeber wahrzunehmen hat, welche Verhaltenspflichten dem Arbeitnehmer obliegen und welches Aufgabengebiet innerhalb der Verwaltung er zu bearbeiten hat (vgl. BAG, 20.07.1989 – 2 AZR 114/87)
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2. Verhaltenspflichten der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes sind ua. in § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L festgelegt.
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a) Nach dieser Regelung, die aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme in § 6 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrags vom 12.03.2020 (Bl. 7 d.A.). auf das Arbeitsverhältnis der Parteien zur Anwendung gelangt, sind die Beschäftigten der Beklagten, einer Stiftung des öffentlichen Rechts, verpflichtet, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen.
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b) Allerdings kann die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L mit ihren allgemein gehaltenen Formulierungen nicht dahin verstanden werden, dass allen Beschäftigten der Beklagten ohne Bezug zu der jeweils auszuübenden Tätigkeit – vergleichbar den Beamten – eine Pflicht zur Verfassungstreue obliegt (vgl. grundlegend BAG, 31.03.1976 – 5 AZR 104/74; seither st. Rspr. vgl. BAG, 12.05.2011 – 2 AZR 479/09; 20.07.1989 – 2 AZR 114/87; 06.06.1984 – 7 AZR 456/82).
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aa) Beamte unterliegen einer gesteigerten politischen Treuepflicht. Diese fordert ihre Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dh. seiner freiheitlichen, demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung, zu identifizieren und dafür aktiv einzutreten. Beamte haben sich deshalb von Gruppen und Bestrebungen zu distanzieren, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (vgl. BVerfG, 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 („Radikalenerlass“; BAG, 06.06.1984 – 7 AZR 456/82).
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bb) Dieser – weite – Umfang der das Beamtenverhältnis prägenden Treuepflicht lässt sich nicht schematisch auf Beschäftigte übertragen, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum öffentlichen Arbeitgeber, wie die Klägerin, stehen und denen in der Regel keine hoheitlichen Befugnisse übertragen sind (vgl. BVerfG, 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73; BAG, 12.05.2011 – 2 AZR 479/09). Bei der Fülle staatlicher Aufgaben gibt es durchaus Bereiche, bei denen es für die konkret geschuldete Arbeitsleistung im Rahmen von Arbeitsverhältnissen nicht auf die von Beamten verlangte besondere politische Loyalität ankommt. In diesen Bereichen können Arbeitnehmer auch dann beschäftigt werden, wenn sie nur ein geringeres Maß an politischer Treue erfüllen. Würde man für alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes gleichmäßig und unabhängig von ihrer Funktion das Bestehen einer besonderen politischen Treuepflicht annehmen, so würden damit politische Grundrechte der Arbeitnehmer – die Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) und die Freiheit, sich in einer Partei politisch zu betätigen (Art. 21 Abs. 1 GG) unnötig und unverhältnismäßig eingeschränkt (vgl. BAG, 12.05.2011 – 2 AZR 479/09; 05.08.1982 – 2 AZR 1136/79; 29.07.1982 – 2 AZR 1093/79).
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3. § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L mit seinen allgemein gehaltenen Formulierungen kann allerdings nicht so verstanden werden, dass alle Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einer beamtenähnlichen und damit gesteigerten Treuepflicht unterlägen (vgl. BAG, 12.05. 2011 – 2 AZR 479/09). Das Maß der einem Beschäftigten des öffentlichen Dienstes abzuverlangenden Loyalität gegenüber der Verfassung bestimmt sich vielmehr – bei verfassungskonformer Auslegung der Tarifvorschrift – nach der Stellung und dem Aufgabenkreis, der dem Beschäftigten laut Arbeitsvertrag übertragen ist (sog. Funktionstheorie, BAG 12.05.2011 – 2 AZR 479/09). Dieser schuldet lediglich ein solches Maß an politischer Loyalität, das für die funktionsgerechte Verrichtung seiner Tätigkeit unverzichtbar ist.
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Auch Arbeitnehmer, die nur eine „einfache“ politische Treuepflicht trifft, müssen aber ein Mindestmaß an Verfassungstreue insoweit aufbringen, als sie nicht darauf ausgehen dürfen, den Staat, die Verfassung oder deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen (vgl. BAG, 12.05.2011 – 2 AZR 479/09). Das gilt gleichermaßen für den dienstlichen wie den außerdienstlichen Bereich. Auch außerhalb ihrer Arbeitszeit sind Beschäftigte des öffentlichen Dienstes verpflichtet, sich ihrem Arbeitgeber gegenüber loyal zu verhalten und auf dessen berechtigte Integritätsinteressen in zumutbarer Weise Rücksicht zu nehmen (vgl. BAG, 28.10.2010 – 2 AZR 293/09; vgl. zum Ganzen BAG, 06.09.2012 – 2 AZR 372/11).
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4. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG), das bei der Konkretisierung der vertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme zu beachten ist (vgl. BAG, 24. 11. 2005 – 2 AZR 584/04), ist nicht verletzt. Ihm sind durch die allgemeinen Gesetze Schranken gezogen. Zu diesen zählt die in § 241 Abs. 2 BGB verankerte und durch § 3 TV-L näher ausgestaltete Verpflichtung des im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmers, berechtigte Loyalitätsinteressen des Arbeitgebers zu wahren. Aus den Garantien in Art. 10 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) folgt nichts anderes. Es ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anerkannt, dass die Verpflichtung zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst der Verfolgung berechtigter Ziele iSd. Art. 10 Abs. 2 EMRK dient. Den innerstaatlichen Behörden und Gerichten steht ein gewisser Ermessensspielraum hinsichtlich der Frage zu, ob eine Maßnahme verhältnismäßig und in einer demokratischen Gesellschaft, wie von Art. 10 Abs. 2 EMRK gefordert, notwendig ist (vgl. EGMR, 22.11. 2001 – 39799/98 [Volkmer/Deutschland] – zu 1 der Gründe; 26.09.1993 – 7/1994/454/535 [Vogt/Deutschland] – Rn. 51, 59 ff; vgl. zum Ganzen BAG, 06.09.2012 – 2 AZR 372/11).
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B) Bei Anwendung dieser Maßstäbe erweist sich, die streitgegenständliche Kündigung als sozial gerechtfertigt, denn die Klägerin hat bei Ihrem Auftritt als Rednerin auf dem K2.platz in München am 26.01.2022 Äußerungen vorgenommen, die in eklatanten Widerspruch zu den Vorgaben des § 3 Abs. 1 S. 2 des TV-L stehen.
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1. Die Klägerin hat behauptet, staatliche Maßnahmen in Zusammenhang mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie hätten zur schärfsten Faschisierung in Staat und Gesellschaft geführt habe und dass der Staat reaktionär, faschistoid sei.
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a) Sie meint damit, dass die Vielzahl von Bemühungen von staatlicher Seite auf der Basis von Gesetzen und Verordnungen zur Eindämmung einer Pandemie, die zu zahlreichen Todesfällen und großem Leid von dadurch betroffenen Familien geführt hat, gleichzusetzen seien mit einem staatlichen System, das einer Diktatur entspricht, die Gegner verfolgt, foltert, einsperrt, nur eine Partei zulässt und auch rassistisches und fremdenfeindliches Gedankengut verbreitet. Es handelt sich bei dieser Bewertung um eine völlig unrealistische Einschätzung, die schon allein dadurch ad absurdum geführt wird, als es der Klägerin möglich war, im Rahmen der durch die Grundrechte geschützten Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit in aller Öffentlichkeit ohne Einschränkung ihre Thesen zu vertreten, was in einem faschistoiden Staat nicht einmal ansatzweise gewährleistet wäre. Soweit die Klägerin meint, dass es einen bedeutenden Unterschied mache, von faschistoid statt von faschistisch zu sprechen geht dies fehl, denn im allgemeinen Sprachgebrauch ist die von der Klägerin gewollte Differenzierung eher unbedeutend. Der Klägerin ging es von der Zielrichtung ihrer Äußerungen eindeutig und unmissverständlich darum, das bestehende Staatssystem als totalitäres Unrechtsystem zu brandmarken. Dies findet seien Abrundung in den weiteren Äußerungen der Klägerin in ihrer Rede, denn auch die Behauptung, die Demokratie werde von der politischen Elite in diesem Land demontiert ist eine weitere Bestätigung dafür, dass die Klägerin der Auffassung ist, dass bestimmte Kreise, wer dies auch konkret sei, das demokratische System des Staates Bundesrepublik Deutschland bereits soweit ausgehöhlt hätten, dass es nur noch theoretisch bzw. auf dem Papier bestünde aber ansonsten bereits autoritär und undemokratisch geführt werde und dies sei insbesondre das Werk der politischen Elite. Es werden damit zumindest Teile der demokratisch gewählten Volksvertreter als Verfassungsfeinde und Zerstörer der Demokratie des Staates hingestellt.
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b) Das von der Klägerin gezeigte Verständnis über das politische System in der Bundesrepublik Deutschland steht in groben Missverhältnis zu den Anforderungen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L, wonach Beschäftigte im öffentlichen Dienst sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen haben. Die Klägerin geht vielmehr davon aus, dass das derzeitige System der Bundesrepublik Deutschland das genaue Gegenteil einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes sei und beharrt vehement darauf, dass diese Ansicht zutrifft, insbesondere, dass dieser Staat reaktionär und faschistoid und damit alles andere als demokratisch sei. Dies stellt eine nicht hinzunehmende und unakzeptable Verächtlichmachung des Staates dar.
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2. Die Äußerungen der Klägerin sind auch nicht deren reine Privatsache, die keine Auswirkungen auf ihre Tätigkeit hätten, denn die Klägerin hat im Rahmen ihrer Tätigkeit auch für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten und sie hat das bestehende Demokratiesystem zu verteidigen und nicht anzugreifen und despektierlich zu bewerten. Die Klägerin ist im Rahmen ihrer Tätigkeit bei den Rundgängen auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers C. eine Repräsentantin der Beklagten und hat damit auch eine hoheitliche Funktion auszuüben. Die Klägerin hat sich im Rahmen ihrer Führungen nicht nur glaubhaft mit den Verbrechen der NS-Diktatur auseinanderzusetzen, sondern sie hat auch klarzustellen, wie das heutigen System der Bundesrepublik Deutschland dazu steht und dabei ist es eine Selbstverständlichkeit, das heute bestehende freiheitliche demokratische Staatswesen zu verteidigen. Wer aber in aller Öffentlichkeit bei einer Veranstaltung diesen Staat als reaktionär und faschistoid benennt, unterstellt, dass dieser Staat ein Verhalten zeigt und ausübt, das einer Diktatur wie der in der NS-Zeit gleicht. Wer eine solche Auffassung vertritt, kann aber nicht glaubhaft für die Beklagte, die eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist und der damit auch staatlichen Aufgaben zukommen, bei Rundgängen auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers C. auftreten. Denn es gilt nicht nur die fürchterlichen und katastrophalen Zustände eines menschenverachtenden Systems und seiner Anhänger aufzuzeigen, sondern auch einen Brückenschlag zu machen, zu den heutigen Zuständen und dass diese sehr wohl bestrebt und geeignet sind, für ein „Nie wieder“, wie es die Klägerin betont, einzustehen. Wer aber den heutigen Staat nicht nur lediglich ablehnt, sondern offensiv als Unrechtssystem benennt und erachtet, der kann nicht gleichzeitig für eine Institution dieses Staates glaubhaft tätig werden. Daran ändert sich auch nicht, dass die Klägerin nach ihrer Behauptung mit großen Erfolg die Rundgänge vermittelt, denn diese ist ein Teil ihrer Aufgabe und eine weitere ist es, für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten und das beinhaltet ein aktives Befürworten und Eintreten für das bestehende politische System, was seitens der Klägerin gerade nicht erfolgt.
40
3. Die streitgegenständliche Kündigung scheitert nicht daran, dass anstatt ihrer als milderes Mittel die Erteilung einer Abmahnung ausreichend gewesen wäre.
41
a) Eine ordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzt regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (vgl. BAG, 20.05.2021 – 2 AZR 596/20; 27.02.2020 – 2 AZR 570/19; 13.12.2018 – 2 AZR 370/18).
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b) Seitens der Klägerin liegt eine so schwere Pflichtverletzung vor, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Die Beklagte ist eine Stiftung des öffentlichen Rechts. Beim Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit einem solchem Rechtsträger ist es offensichtlich, dass es für diesen nicht hinnehmbar ist, wenn eine bei ihm Beschäftigte den Staat als faschistoid und reaktionär benennt und verächtlich macht. Dies war für die Klägerin erkennbar und es wäre ihr ein Leichtes gewesen, sich bei der Wortwahl ihrer Rede bei der Veranstaltung auf dem K2.platz zu mäßigen. Dass sie dies offensichtlich nicht wollte, war ihre Entscheidung, sie konnte aber nicht davon ausgehen, dass die von ihr getätigten Äußerungen sanktionslos und ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen bleiben.
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4. Soweit sich die Klägerin auf eine fehlerhafte Anhörung des Personalrats beruft, ist sie mit dem Berufen auf diesen Unwirksamkeitsgrund nach § 6 Satz 1 KSchG ausgeschlossen, weil sie diese Rüge erstmals in der Berufungsinstanz erhoben hat.
44
a) Nach § 6 Satz 1 KSchG kann sich der Arbeitnehmer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Frist des § 4 KSchG nicht geltend gemachte Gründe berufen, sofern er innerhalb dieser Frist Kündigungsschutzklage erhoben hat. § 6 Satz 1 KSchG ist damit eine Präklusionsvorschrift. Der Arbeitnehmer muss deshalb aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 6 Satz 1 KSchG alle weiteren Unwirksamkeitsgründe spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz geltend machen. Geschieht dies nicht, ist er mit dieser Rüge grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. BAG, 18.01. 2012 – 6 AZR 407/10).
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b) Das Arbeitsgericht hat die anwaltlich vertretene Klägerin in der Güteverhandlung am 17.05.2022 ausweislich des Sitzungsprotokolls mit Beschluss vom 17.05.2022 (Bl. 62 d.A.) unter Bezug auf § 6 KSchG darauf hingewiesen, dass alle gegen eine Kündigung sprechende Umstände auch soweit sie sich nicht aus dem Kündigungsschutzgesetz ergeben, z.B. eine fehlerhafte Betriebsratsanhörung, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht werden müssen. Damit hatte es seiner Pflicht aus § 6 Satz 2 KSchG genügt. Eine Verpflichtung des Arbeitsgerichts, die Klägerin auf etwaige Unwirksamkeitsgründe, die nach den konkreten Umständen des Einzelfalls in Betracht hätten kommen können, hinzuweisen, besteht nach dieser Bestimmung nicht (vgl. BAG, 18.01.2012 – 6 AZR 407/10).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO.
47
Da dem Rechtsstreit über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.
48
Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen nach § 72 a ArbGG die Parteien hingewiesen werden, zulassen sollte.