Inhalt

VGH München, Beschluss v. 04.12.2023 – 22 ZB 22.2621
Titel:

Antragstellung auf Gewährung einer Corona-Überbrückungshilfe durch prüfenden Dritten

Normenketten:
GG Art. 3, Art. 103 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, § 124a Abs. 4 S. 4
BayVwVfG Art. 25, Art. 28
Überbrückungshilfe III
Leitsätze:
1. Zur Begründung einer Verwaltungspraxis bedarf es grundsätzlich keiner bestimmten Zahl an Fällen; vielmehr kann bereits die Verlautbarung einer geplanten Vorgehensweise durch Verwaltungsvorschrift (antizipierte Verwaltungspraxis) oder eine erste Entscheidung in Verbindung mit dem Gleichheitssatz grundsätzlich zur Selbstbindung der Verwaltung führe. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine gegenläufige Verwaltungspraxis durch Bewilligung einer nicht der bisherigen Verwaltungspraxis entsprechenden Leistung kann allenfalls dann begründet werden, wenn die richtlinienabweichende Bewilligung gebilligt oder geduldet wird. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Überbrückungshilfe III, Nachweis der ständigen Verwaltungspraxis, Mitgesellschafter eines Antragstellers als prüfender Dritter, keine Anhörungspflicht vor Ablehnung eines Verwaltungsakts, der erst eine Rechtsposition gewähren soll, Verwaltungspraxis, Anhörungspflicht, Billigkeitsleistung, Vertrauensschutz
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 24.10.2022 – W 8 K 21.1389
Fundstelle:
BeckRS 2023, 37966

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 24. Oktober 2022 – W 8 K 21. 1389 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 155.748,93 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglose Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer (weiteren) Billigkeitsleistung des Bundes in Form einer Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen weiter.
2
Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 18. Mai 2021 eine Überbrückungshilfe in Höhe von 389.852,82 € gemäß der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 (Überbrückungshilfe III) des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie. Mit Bescheid vom 23. September 2021 lehnte sie den Änderungsantrag der Klägerin vom 28. Mai 2021 (wohl richtig 18. Mai 2021) auf Anpassung der Förderhöhe auf einen Betrag von 545.601,75 € ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Überbrückungshilfe gemäß Ziffer 7.1 der Richtlinie nur von einem vom Antragsteller beauftragten Steuerberater, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als zu prüfendem Dritten gestellt werden könne. Nach Ziffer 3.3 der FAQs des Bundes sei eine Antragstellung für sich selbst ausgeschlossen. Der prüfende Dritte sei hier Gesellschafter der Antragstellerin gewesen, so dass er den Antrag für sich selbst gestellt habe. Damit seien die Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Überbrückungshilfe nicht erfüllt und es entspreche der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens, den Antrag abzulehnen.
3
Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage der Klägerin, die darauf gerichtet war, ihr eine Überbrückungshilfe III in Höhe von weiteren 155.748,93 € zu gewähren, mit Urteil vom 24. Oktober 2022 abgewiesen.
4
Ihren fristgerecht gestellten und begründeten Antrag auf Zulassung der Berufung begründet die Klägerin mit ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils und mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.
5
Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.
II.
6
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
7
Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, 1.) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, 2.) liegen nicht vor bzw. sind bereits nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 5, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
8
1. Das Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.).
9
Die in Streit stehenden Zuwendungen gewährt der Freistaat Bayern nach Maßgabe des Art. 53 BayHO als Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel auf der Grundlage der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 (Überbrückungshilfe III), Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vom 18. Februar 2021 (Az. PGÜ-3560-3/2/304, BayMBl 2021 Nr. 132) – im Folgenden Richtlinie. Das Verwaltungsgericht hat – unter Zugrundelegung der zutreffenden rechtlichen Maßstäbe (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2022 – 22 ZB 22.1151 – juris Rn. 17 m.w.N.; B.v. 26.10.2023 – 22 C 23.1609 – juris Rn. 10) – überzeugend dargelegt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Anpassung der Förderhöhe und Gewährung einer weiteren Überbrückungshilfe in Höhe von 155.748,93 € hat, weil sie den Antrag nicht durch einen geeigneten prüfenden Dritten hat stellen lassen, sondern durch einen Rechtsanwalt, der ihr eigener Mitgesellschafter war.
10
1.1 Zu der in der Zulassungsbegründung thematisierten Verwaltungspraxis der Beklagten, die gemäß § 47b Abs. 1 Zuständigkeitsverordnung für die Prüfung und Bewilligung von Anträgen sowie für die Auszahlung zuständig ist, hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass eine Antragstellung durch prüfende Dritte, die personenidentisch mit dem Antragsteller oder an diesem als Gesellschafter beteiligt seien (unabhängig von der Höhe der Beteiligung), als unzulässig angesehen werde, weil anderenfalls die Gefahr eines Interessenkonflikts bestehe. Die Beklagte habe diese Förderpraxis unter Heranziehung der Richtlinie sowie der im Internet veröffentlichten häufig gestellten Fragen – FAQs – zur Überbrückungshilfe III plausibel dargelegt. Dabei habe sie auf konkrete Beispielsfälle Bezug genommen und mit Schriftsätzen vom 13. Juni sowie vom 23. Juni 2022 zum Nachweis anonymisierte Vergleichsfälle vorgelegt, in denen Anträge abgelehnt worden seien, weil der prüfende Dritte in Bezug auf das antragstellende Unternehmen Mitgesellschafter, Vertretungsberechtigter (Geschäftsführer) oder Kommanditist gewesen sei. Dies reiche für eine hinreichende Plausibilisierung aus. Entgegen dem klägerischen Vorbringen sei die Vorlage eines gewissen Prozentsatzes an Fällen im Vergleich zur Gesamtzahl der Anträge nicht erforderlich. Die früheren, an die Klägerin adressierten Förderbescheide genügten nicht, um eine gegenläufige Verwaltungspraxis annehmen zu können. Sie seien als einzelne „Ausreißer“ anzusehen, die offenbar in Widerspruch zur Richtlinie und zur gängigen Verwaltungspraxis gewährt worden seien. Es sei nicht erkennbar, dass der Richtliniengeber eine solche Abweichung gebilligt oder geduldet habe. Die Beklagte führe insoweit aus, dass der Bewilligungsstelle im Verfahren der Bewilligung der November- und Dezemberhilfen nicht bekannt gewesen sei, dass der prüfende Dritte zugleich einer der Gesellschafter der Klägerin sei. Zudem habe sie angekündigt, die jeweiligen Förderbescheide aufheben zu wollen.
11
Hiergegen wendet die Klägerin im Zulassungsverfahren ein, die von der Beklagten vorgelegten Bezugsfälle könnten eine ständige Verwaltungspraxis nicht belegen. Sie seien aufgrund unvollständiger Aktenvorlage nicht hinreichend prüfbar, nicht mit dem hier zu entscheidenden Fall vergleichbar und auch nicht repräsentativ, angesichts einer Größenordnung von mehr als 20.000 Anträgen. Es handle es sich bei den übermittelten Fallbeispielen ihrer Einschätzung nach um „Ausreißer“. Das Verwaltungsgericht habe daher keine ständige Verwaltungspraxis annehmen dürfen. Es sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es Sache der Klägerin gewesen sei, stichhaltige Tatsachen für eine abweichende Förderpraxis vorzutragen. Dies sei ihr nicht zumutbar, weil die Verwaltungspraxis nach außen nicht erkennbar sei. Von den behördeninternen Vorgängen habe sie keine Kenntnis und es fehle an allgemein zugänglichen Quellen. Die vom Verwaltungsgericht zitierten FAQs seien gerade nicht eindeutig. Die darin geforderte Personenverschiedenheit liege in der vorliegenden Konstellation nämlich in jedem Fall vor. Der prüfende Dritte als natürliche Person und die Klägerin als Antragstellerin, die eine juristische Person sei, stünden sich nämlich als unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten gegenüber.
12
Das Vorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.
13
Das Verwaltungsgericht hat seine Überzeugung von einer bei der Beklagten bestehenden Verwaltungspraxis, wonach prüfender Dritter und damit Einreicher wirksamer Förderanträge nicht sein konnte, wer an der Antragstellerin als Gesellschafter beteiligt war, nachvollziehbar auf die Schilderungen der Beklagten sowie auf die vorgelegten ablehnenden Förderbescheide, einschließlich der zwei dazugehörigen Verwaltungsvorgänge gestützt. Ungeachtet der aus Datenschutzgründen erforderlichen Anonymisierung sind die Ablehnungsbescheide aus sich heraus verständlich. Sie ermöglichen es, sich einen Eindruck davon zu verschaffen, dass die Förderanträge deshalb abgelehnt wurden, weil der prüfende Dritte (Mit-)Gesellschafter der jeweiligen Antragstellerin (vgl. Anlage B1, S. 33 f. sowie Anlagen B3, B5 und B6 zu den erstinstanzlichen Schriftsätzen vom 13.6. und vom 23.6.2023, S. 99 ff., 110 ff. der Akte des Verwaltungsgerichts) oder deren Kommanditist (vgl. Anlage B4) war. Aus einem weiteren Ablehnungsbescheid (Anlage B7) geht hervor, dass es bereits förderschädlich ist, wenn der Dritte bei einer Antragstellerin Investitionen als stiller Beteiligter getätigt hat. In den genannten Fällen hat die Beklagte eine Antragstellung des prüfenden Dritten für sich selbst angenommen und aus diesem Grund das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung verneint. Dabei kam es weder auf den Umfang noch auf die rechtliche Ausgestaltung der Beteiligung an. Entgegen dem Einwand der Klägerin erübrigt sich daher eine weitere juristische Prüfung der Fälle.
14
Es begegnet auch keinen Bedenken, dass das Verwaltungsgericht seine Feststellungen auf die Darstellung der Beklagten sowie auf – bezogen auf die Gesamtzahl von Förderverfahren – relativ wenige Bezugsfälle stützt. Zur Begründung einer Verwaltungspraxis bedarf es grundsätzlich keiner bestimmten Zahl an Fällen; vielmehr kann bereits die Verlautbarung einer geplanten Vorgehensweise durch Verwaltungsvorschrift (antizipierte Verwaltungspraxis) oder eine erste Entscheidung in Verbindung mit dem Gleichheitssatz grundsätzlich zur Selbstbindung der Verwaltung führen (SächsOVG, B.v. 4.8.2022 – 6 A 702/19 – juris Rn. 10). Dies gilt vor allem dann, wenn die Behörde bereits durch Verlautbarungen ihre künftige Praxis angekündigt hat, wie dies hier der Fall ist. Die Beklagte verweist insofern zu Recht auf die „FAQs zur ‚Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen‘ Dritte Phase von November 2020 bis Juni 2021“ (abrufbar unter https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/DE/FAQ/Ubh-III/ueberbrueckungshilfe-iii.html). Die Verwaltungspraxis für die Einreichung des Antrags wird in Nr. 3.1 und 3.2 erläutert, wonach entsprechend Nr. 7.1 der Richtlinie die Antragstellung – in der hier interessierenden Fallgruppe – ausschließlich von einem vom Antragsteller beauftragten Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten oder Rechtsanwalt (prüfender Dritter) „durchgeführt“ wird. In Nr. 3.3 der FAQs heißt es dazu, dass die prüfenden Dritten vor Antragstellung die Plausibilität der Angaben prüfen und die Antragstellenden bei Fragen zu Antragsvoraussetzungen und zum Antragsverfahren beraten. Vor allem wird klargestellt, dass „die Antragstellung einer oder eines prüfenden Dritten für sich selbst“ ausgeschlossen ist. Durch diese Verlautbarungen wird die Verwaltungspraxis, Anträge von Mitgesellschaftern eines Antragstellers als unzulässig anzusehen und mangels wirksamer Antragstellung auszuschließen, hinreichend deutlich angekündigt. Bereits aus der Begrifflichkeit ergibt sich, dass ein persönlich an einer Antragstellerin Beteiligter nicht (unabhängiger) „Dritter“ sein kann, was auch nach Sinn und Zweck mit dessen Funktion nicht in Einklang zu bringen wäre. Andernfalls hätte die Personengruppe, die die Antragstellung durchführt, mit ihrer Berufsbezeichnung, etwa als prüfender Steuerberater oder Rechtsanwalt, bezeichnet werden müssen. Hinzu kommt der ausdrückliche Hinweis auf die Unzulässigkeit der Antragstellung in eigenen Angelegenheiten.
15
Angesichts dessen wäre es Sache der Klägerin, ihr Bestreiten zu substantiieren und Gründe für ihre Zweifel am Bestehen einer solchen Verwaltungspraxis anzuführen (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.2007 – 3 B 58.07 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 22.5.2023 – 22 ZB 22.2661 – juris Rn. 33), woran es hier fehlt. Dies könnte sie indes nur, wenn sie Fälle benennen würde, in denen Antragsteller gefördert wurden, obwohl die prüfenden Dritten, durch die die Antragstellung durchgeführt wurde, Mitgesellschafter des jeweiligen Antragstellers waren. Hierfür reicht die Bezugnahme auf die an sie ergangenen vier Förderbescheide (vgl. Anlage K4 zum erstinstanzlichen Schriftsatz vom 17.3.2022, S. 76 ff. der Akte des Verwaltungsgerichts) nicht aus. Aufgrund der nachvollziehbaren und nicht substantiiert bestrittenen Einlassungen der Beklagten zu möglichen Gründen für etwaige – vergabepraxiswidrige – positive Verbescheidungen konnte das Verwaltungsgericht davon ausgehen, dass es sich bei diesen um einzelne Fälle einer im Nachhinein als fehlerhaft erkannten Rechtsanwendung handelte (sog. „Ausreißer“). Nach ständiger Rechtsprechung kann eine gegenläufige Verwaltungspraxis durch Bewilligung einer nicht der bisherigen Verwaltungspraxis entsprechenden Leistung allenfalls dann begründet werden, wenn die richtlinienabweichende Bewilligung gebilligt oder geduldet wird (BayVGH, B.v. 27.2.2023 – 22 ZB 22.2554 – juris Rn. 19). Dies ist hier aber nicht der Fall und wurde von der Klägerin auch nicht vorgetragen. Vielmehr sind bereits Rücknahme- und Rückforderungsverfahren eingeleitet worden. Zudem hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass sie in den ersten beiden, die Klägerin betreffenden Fällen keine Kenntnis von der Gesellschafterstellung des prüfenden Dritten hatte, die bei der Antragstellung nicht offen zu legen war.
16
1.2 Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend dargelegt, dass sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz berufen kann. Die von ihr im Zulassungsverfahren daran geäußerte Kritik verfängt nicht. Zwar hat die Beklagte in vier Fällen Billigkeitsleistungen zugunsten der Klägerin bewilligt, was im Widerspruch zur oben dargelegten Verwaltungspraxis stand. Darin ist aber – entgegen dem klägerischen Vorbringen im Zulassungsverfahren – aus den oben genannten Gründen keine „eigene Verwaltungspraxis“ im Verhältnis zur Klägerin zu sehen. Allein aus dem Umstand, dass eine Antragstellerin in früheren Fällen zu Unrecht Billigkeitsleistungen erhalten hat, kann kein subjektiv-öffentliches Recht darauf, auch in Zukunft – fehlerhaft – gefördert zu werden, erwachsen, weil es keine Gleichheit im Unrecht gibt (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2022 – 6 ZB 21.3230 – juris Rn. 16; B.v. 23.10.2023 – 22 ZB 23.1426 – n.v. Rn. 16).
17
1.3 Soweit die Klägerin sich darauf beruft, es habe nach Erlass des Ablehnungsbescheids ein Wechsel des prüfenden Dritten stattgefunden, wodurch ein etwaiger Mangel der Antragstellung jedenfalls rückwirkend geheilt worden sei, begründet dies ebenfalls keine ernstlichen Zweifel. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die FAQs und die vorgelegten Bezugsfälle dargelegt, dass nach der Verwaltungspraxis der Beklagten ein Wechsel des prüfenden Dritten nur bis zum Erlass eines ablehnenden Bescheids möglich gewesen sei und dass ein solcher nicht ohne Weiteres zu einer rückwirkenden Heilung der unwirksamen Antragstellung führe. Es habe vielmehr einer erneuten Stellung eines (Änderungs-)Antrags durch die nunmehr mandatierte Steuerberaterin als neue prüfende Dritte bedurft, an der es fehle. Der pauschale Verweis der Klägerin, ihr Bevollmächtigter habe von der Servicestelle auf Nachfrage die Auskunft erhalten, der Wechsel des prüfenden Dritten und eine rückwirkende Korrektur seien möglich, genüge nicht, eine gegenteilige Verwaltungspraxis nahezulegen.
18
Die dagegen im Zulassungsverfahren erhobenen Einwendungen, die sich im Wesentlichen in der Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens erschöpfen, greifen nicht durch. In Nr. 4.14 der FAQs („Was tue ich, wenn meine prüfende Dritte oder mein prüfender Dritter aus unterschiedlichen Gründen plötzlich nicht weiter für die Bearbeitung meines Antrags zur Verfügung steht?), auf die sich die Klägerin vor allem beruft, ist vom „Auftrag zur weiteren Betreuung des Antrags“ die Rede. Gleichermaßen erfasst das von ihr vorgelegte Formular zur Mandatsübernahme nur den Wechsel „der weitergehenden Betreuung des unten genannten Antrags“. Woraus die Klägerin darüberhinausgehende Rechtsfolgen, vor allem die „rückwirkende Heilung“ unwirksamer Anträge, ableiten will, erschließt sich nicht. Insofern reicht es nicht aus, sich ohne nähere Substantiierung auf eine Auskunft durch eine Servicehotline zu berufen, um eine entsprechende Verwaltungspraxis darzulegen. Die Klägerin hat im Zulassungsverfahren auch nicht geltend gemacht, dass die neue prüfende Dritte rechtzeitig einen Änderungsantrag gestellt hätte. Im Übrigen ist nicht einmal erkennbar, dass sie sich den ursprünglichen Antrag zu Eigen gemacht und dies gegenüber der Beklagten hinreichend zum Ausdruck gebracht hätte. Auf die Ausführungen in der Zulassungsbegründung zum Schlussbescheid kommt es nicht an, weil dieser nicht Streitgegenstand ist, so dass offengelassen werden kann, ob und unter welchen Voraussetzungen Fehler bei der Antragstellung in diesem Verfahren behoben oder geheilt werden können.
19
1.4 Die Ausführungen in der Zulassungsbegründung zur Verletzung rechtlichen Gehörs durch die Beklagte begründen schon deshalb keine ernstlichen Zweifel, weil Art. 103 Abs. 1 GG – entgegen dem klägerischen Vorbringen – nach seinem eindeutigen Wortlaut nur für Verfahren vor einem Richter im Sinn des Art. 92 GG gilt, nicht dagegen für Verwaltungsverfahren (BVerfG, B.v. 18.1.2000 – 1 BvR 321/96 – BVerfGE 101, 397/404 f.). Soweit der klägerische Vortrag der Sache nach auf eine Verletzung des Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG sowie des Rechtsstaatsgebots abzielt, greifen die Einwendungen ebenfalls nicht durch. Mit den überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Verwaltungspraxis, wonach angesichts des Massenverfahrens Nachfragen bei Unklarheiten erfolgten, dagegen in Fällen, in denen die Fördervoraussetzungen erkennbar nicht vorlagen, lediglich in Einzelfällen nachgefragt wurde, in der Regel aber eine Rückfrage unterblieb, setzt sich die Klägerin nicht konkret und substantiiert auseinander. Durch den bloßen Verweis auf die Anzahl der erfolgten Nachfragen in den anderen von der Beklagten vorgelegten Fällen kann sie schon deshalb keine davon abweichende Verwaltungspraxis belegen, weil sie sich – anders als das Verwaltungsgericht – mit den Fallgestaltungen nicht im Einzelnen auseinandersetzt. Ebenso wenig geht sie auf die im angegriffenen Urteil zitierte Rechtsprechung des Senats ein, wonach sich der Umfang der Beratungs-, Aufklärungs- und Belehrungspflicht nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Dabei ist neben dem Kenntnisstand des Beteiligten sowie des prüfenden Dritten, seiner eventuellen Unerfahrenheit im Umgang mit Behörden und seiner Fürsorgebedürftigkeit auch zu berücksichtigen, ob die Behörde innerhalb kürzester Zeit eine enorme Anzahl von Anträgen zu bewältigen hat (vgl. BayVGH, B.v. 20.7.2022 – 22 ZB 21.2777 – juris Rn. 16). Die möglicherweise erhöhte (verfahrensmäßige) Fürsorgebedürftigkeit eines einzelnen Antragstellers kann zugunsten der quasi „objektiven“, materiellen/finanziellen Fürsorgebedürftigkeit einer Vielzahl von Antragstellern, denen ein existenzgefährdender Liquiditätsengpass drohen würde, wenn ihnen nicht zeitnah staatliche Zuwendungen in Form von Corona-Soforthilfen gewährt werden, zurücktreten bzw. muss mit letzterer in Ausgleich gebracht werden. Nicht zuletzt kommt es auch darauf an, ob sich der Betroffene über die rechtlichen Gegebenheiten unschwer orientieren kann (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.1995 – 8 C 37.93 – juris Rn. 36; Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 25 Rn. 24), was hier angesichts der FAQs der Fall war (vgl. oben 1.1). Schließlich hat sich die Klägerin auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, welche Fehlerfolgen eine zu Unrecht unterbliebene Nachfrage nach sich ziehen würde. Dies wäre erforderlich gewesen, weil sich eine etwaige Verletzung der behördlichen Beratungspflicht nach Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG als solche nicht ohne Weiteres anspruchsbegründend auswirkt (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.1995 – 8 C 37.93 – a.a.O. und allgemein zu möglichen Rechtsfolgen Schneider in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, § 25 VwVfG Rn. 46 m.w.N. und Meermagen in Praxis der Kommunalverwaltung, § 25 VwVfG Anm. 1.4).
20
2. Eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt auf Grundlage des klägerischen Vortrags ebenfalls nicht in Betracht.
21
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine im angestrebten Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt ist und deren Beantwortung daher über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat, wobei zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 5, Abs. 5 Satz 2 VwGO) die Frage nicht nur auszuformulieren, sondern zudem auch substantiiert auszuführen ist, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BVerwG, B.v. 16.11.2010 – 6 B 58.10 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 28.1.2019 – 15 ZB 17.1831 – juris Rn. 30 m.w.N.).
22
Die Frage, ob „es im Rahmen von sogenannten Masseverfahren, die wie betreffend die Bewilligung von COVID 19 Überbrückungshilfen online abgewickelt werden, zulässig [ist], dem jeweiligen Antragsteller zu keinem Zeitpunkt in Bezug auf Tatsachen, die zu einer Nichtgewährung des Anspruches führen würden, rechtliches Gehör zu gewähren?“ ist bereits deshalb nicht klärungsbedürftig, weil der von der Klägerin zitierte Art. 103 Abs. 1 GG nicht für Verwaltungsverfahren gilt (BVerfG, B.v. 18.1.2000 – 1 BvR 321/96 – BVerfGE 101, 397/404 f.). Soweit die Frage darauf abzielen sollte, ob in Fällen der Nichtgewährung der Billigkeitsleistung eine Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erfolgen muss, wäre die Frage bereits geklärt. Der Anwendungsbereich dieser Norm ist hinsichtlich der Versagung der von der Klägerin begehrten Leistung nicht eröffnet, weil lediglich der Erlass eines Verwaltungsakts abgelehnt wird, der erst eine Rechtsposition gewähren soll (vgl. BVerwG, U.v. 14.10.1982 – 3 C 46.81 – BVerwGE 66, 184 = juris Rn.,35; BayVGH, B.v. 31.5.2019 – 10 ZB 19.613 – juris Rn. 8 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 22.6.2011 – 10 B 1.11 – juris Rn. 45; Schneider in Schoch/ders., Verwaltungsrecht, Stand August 2022, § 28 VwVfG Rn. 23).
23
Die Frage, ob „der Antragsteller im Rahmen der Verfahren betreffend die Gewährung von Beihilfen die Möglichkeit [hat], den prüfenden Dritten entweder vor oder nach Erstellung der Schlussrechnung zu ersetzen?“ ist im angestrebten Berufungsverfahren nicht klärungsbedürftig. Sie würde sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen. Dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, den prüfenden Dritten in einem laufenden Verwaltungsverfahren betreffend die Gewährung von Beihilfen zu wechseln, ist zwischen den Beteiligten unstreitig (vgl. FAQ Nr. 4.16) und entspricht der ständigen Verwaltungspraxis (vgl. oben 1.3). Einzelfragen in Bezug auf das Verfahren, das auf die Erstellung der Schlussrechnung gerichtet ist, sind dagegen nicht entscheidungserheblich, weil der streitgegenständliche Bescheid keine Schlussrechnung zum Inhalt hat (vgl. oben 1.3).
24
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 und 2 GKG.
25
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO. Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.