Inhalt

VGH München, Beschluss v. 20.11.2023 – 12 ZB 21.2190
Titel:

Zwangsgeld wegen Zweckentfremdung von Wohnraum

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
BayVwZVG Art. 31, Art. 36, Art. 37 Abs. 4
BayZwEWG Art. 1, Art. 3 Abs. 3
Leitsatz:
Das Zweckentfremdungsrecht gestattet weder eine Wohnraumbewirtschaftung noch darf es als Mittel eingesetzt werden, um „allgemein unerwünschte oder schädliche Entwicklungen“ auf dem Wohnungsmarkt zu unterbinden. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zweckentfremdung von Wohnraum, Zwangsgeldandrohung, Fälligkeitsmitteilung eines Zwangsgelds, Vollstreckungsverzicht, Rechtsschutzbedürfnis, Zulassung der Berufung, ernstliche Zweifel, rumänische Gebäudereiniger
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 12.03.2021 – M 9 K 20.4338
Fundstelle:
BeckRS 2023, 37920

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 12. März 2021 (Az.: M 9 K 20.4338) wird wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

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Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 12. März 2021 verfolgt der Kläger seine gegen die Fälligkeitsmitteilung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,- € gerichtete Feststellungsklage sowie die gegen die Androhung eines erhöhten Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,- € im Bescheid vom 12 August 2020 gerichtete Anfechtungsklage weiter.
I.
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1. Der Kläger ist Inhaber der Agentur „m…“, die in München als „Full-Service Partner“ für die Vermietung, den Verkauf und die Renovierung von Wohnungen tätig ist und u.a. für neu nach München zuziehende Mitarbeiter von Firmen („Neumünchner“) „Full-Service Relocation“ anbietet. Mit Mietvertrag vom 3. Mai 2016 mietete er im Rahmen eines zunächst befristeten Mietvertrags das vorliegend streitgegenständliche Wohnanwesen in der P.-Straße in München an. Die beabsichtigte Untervermietung wurde ihm von den Hauseigentümern mündlich gestattet, ebenso die Geltungsdauer des befristeten Mietvertrages jeweils mündlich verlängert. Nach eigenen Angaben hat der Kläger das Haus zunächst bis einschließlich September 2017 renoviert und dabei zeitweise unter Beachtung der 8-Wochen-Grenze der Zweckentfremdungssatzung der Beklagten an Touristen vermietet. Zwischen Oktober 2017 und März 2019 erfolgte in Kooperation mit der TU München eine Vermietung an Studenten aus dem asiatischen Raum, nachdem dem Kläger wie auch der TU München zuvor von der Beklagten die zweckentfremdungsrechtliche Zulässigkeit der Vermietung bestätigt worden sei. Mit Mietvertrag vom 1. April 2019 vermietete der Kläger das Haus an den britischen Staatsangehörigen Alexander K. aus Glasgow. In der Folge zogen vier britische Staatsangehörige, die in München beim Bau des Heizkraftwerks tätig waren, in die Wohnung ein und meldeten sich bei der Beklagten mit Hauptwohnsitz an.
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2. Nach Einleitung zweckentfremdungsrechtlicher Ermittlungen und verschiedener „Ortstermine“ gab die Beklagte dem Kläger mit zweckentfremdungsrechtlichen „Grundbescheid“ vom 6. August 2019 auf, die Nutzung des vorliegend streitgegenständlichen Wohnraums zu anderen als Wohnzwecken unverzüglich zu beenden (Ziffer 1.) und den Wohnraum unverzüglich nach Beendigung der zweckwidrigen Nutzung wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziffer 2.). Für den Fall der Nichterfüllung der genannten Anordnungen innerhalb von vier Wochen (Ziffer 3.) bzw. innerhalb von drei Monaten ab Zustellung des Bescheids (Ziffer 4.) wurde ein Zwangsgeld von jeweils 5.000,- € angedroht. Hiergegen ließ der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München erheben. Zugleich beantragte er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Letzteres Verfahren erklärte er nach dem Auszug der britischen Mieter aus der streitgegenständlichen Wohnung für erledigt. Nach Zustimmung der Beklagten zur Erledigterklärung stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren daraufhin ein (B.v. 5.10.2019 – M 9 S 19.4582), wobei es die Verfahrenskosten aufgrund offener Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage hälftig zwischen den Beteiligten aufteilte. Demgegenüber wies es die Klage gegen den zweckentfremdungsrechtlichen Grundbescheid mit Urteil vom 12. März 2021 (Az: M 9 K 19.4581) als teilweise unzulässig, überwiegend jedoch als unbegründet ab. Dem gegen dieses Urteil gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tag stattgegeben und die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen (Az.: 12 ZB 21.2188). Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die Begründung des Beschlusses verwiesen.
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3. Nach dem Auszug der britischen Mieter vermietete der Kläger nach Angaben seines Bevollmächtigten das Haus in der P. Straße mit Mietvertrag vom 25. September 2019 an drei „Pärchen“, also insgesamt sechs Personen mit rumänischer Staatsangehörigkeit unter ausdrücklichem Hinweis auf das Zweckentfremdungsrecht der Landeshauptstadt und das danach geforderte „langfristige Mietverhältnis“. Bei einer erneuten Ortsermittlung am 29. Mai 2020 wurden von den Bediensteten der Beklagten in dem Anwesen zwei Personen angetroffen, die weder Deutsch noch Englisch sprachen. Der telefonisch kontaktierte Arbeitgeber der Angetroffene erklärte, er stelle ihnen die Unterkunft zu Verfügung. Die Bewohner hätten ihren Lebensmittelpunkt in München und würden dort so lange arbeiten, wie sie möchten. Deren Arbeitgeber sei die Fa. D. Gebäudereinigung. Die Bewohner seien indes alle „Bekannte“ und seit Oktober bzw. November in dem Haus untergebracht. Jeder besitze ein eigenes Schlafzimmer. Bislang habe kein Wechsel der Bewohner stattgefunden. Bei einem weiteren Ortstermin konnten die Räumlichkeiten trotz eines vorher angesetzten Termins nicht besichtigt werden. Auch nach Erlass einer Betretensanordnung war am 21. Juli 2020 eine Besichtigung des Anwesens nicht möglich. Bei einem weiteren Ortstermin am 10. August 2020 wurde in dem Haus eine weibliche rumänische Staatsangehörige mit ihrem Sohn angetroffen und mit Hilfe einer „Übersetzungsapp“ eine Befragung durchgeführt. Dabei gab die Frau an, dass sie mit ihrer Familie, Mann und zwei Kindern, in dem Haus seit März 2020 lebe. Weiter bewohnten das Haus noch sechs weitere Personen, wovon sich vier aktuell in Rumänien aufhalten würden. Alle Bewohner arbeiteten bei der Fa. D. Gebäudemanagement. Jede Person würde 400,- € Miete zahlen. Einen eigenen Mietvertrag hätten sie nicht, dies regele alles ihr Arbeitgeber. Wie lange sie noch in der Wohnung bleiben werde, wisse sie noch nicht genau.
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4. Daraufhin erklärte die Beklagte ohne vorherige Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 12. August 2020 das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- € zur Zahlung fällig und drohte dem Kläger zugleich ein neues, erhöhtes Zwangsgeld in Höhe von 10.000,- € für den Fall an, dass er die Nutzung der streitgegenständlichen Wohneinheit zu anderen als Wohnzwecken nicht innerhalb von drei Wochen ab Zustellung des Bescheids beende. Wie sich aus den Ortsermittlungen ergebe, werde der streitgegenständliche Wohnraum weiterhin zu anderen als Wohnzwecken genutzt, sei es zum Zwecke der Fremdenbeherbergung, zur Nutzung als Arbeiterunterkunft oder zu sonstiger Kurzzeitvermietung. Der Wohnraum werde, wie die durchgeführten Ermittlungen zeigten, vom Kläger weiterhin wiederholt und regelmäßig an Personen überlassen, die sich lediglich vorübergehend für die Dauer eines Arbeitseinsatzes in München aufhielten. Dem Bescheid der Beklagten trat der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 19. August 2020 entgegen und führte aus, dass ihm ein nach Abschluss des Mietvertrags vom 25. September 2019 stattgefundener Mieterwechsel nicht bekannt gewesen sei; die Miete sei stets pünktlich entrichtet worden. Nach Räumung der Wohnung im September 2020 vermietete der Kläger dieses anschließend über die Beklagte an eine Flüchtlingsfamilie.
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5. In der Folge erhob er auch gegen den Bescheid vom 12. August 2020 Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte zugleich die Anordnung von deren aufschiebender Wirkung gegenüber der erneuten Zwangsgeldandrohung. Das vorläufige Rechtsschutzverfahren wurde übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte zugesichert hatte, das fällig gestellte Zwangsgeld vorläufig nicht zu vollstrecken.
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Mit Urteil vom 12. März 2021 wies das Verwaltungsgericht die Hauptsacheklage ab. Soweit sich diese gegen die erneute Zwangsgeldandrohung in Ziffer II. des Bescheids vom 12. August 2020 richte, sei sie bereits unzulässig. Die Beklagte habe „ausweislich der schriftsätzlichen Ausführungen sowie der Einlassung in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass das angedrohte Zwangsgeld nicht vollstreckt werde“. Damit sei das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage gegen die erneute Zwangsgeldandrohung entfallen. Seine ursprüngliche Anfechtungsklage habe der Kläger jedoch weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt.
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Die gegen die Fälligstellung des in Ziffer III. des Bescheids vom 6. August 2019 angedrohten Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,- € gerichtete zulässige Feststellungsklage sei unbegründet. Der Kläger sei zur Zahlung des Zwangsgeldes verpflichtet. Seine erneute Anhörung sei nach Art. 28 BayVwVfG vor der Fälligkeitsmitteilung nicht erforderlich gewesen, da es sich bei dieser nicht um einen Verwaltungsakt handle. Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 BayVwZVG trete die Fälligkeit des Zwangsgeldes kraft Gesetzes ein. Ebenso hätten die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vorgelegen. So sei der zweckentfremdungsrechtliche Grundverwaltungsakt wirksam und nach Art. 3 Abs. 3 ZwEWG sofort vollziehbar gewesen. Auf seine Rechtmäßigkeit käme es im Vollstreckungsrecht nicht an. Der Nichteintritt der Fälligkeit des angedrohten Zwangsgeldes hätte vorausgesetzt, dass die Nutzung des streitgegenständlichen Wohnraums zu Zwecken der Fremdenbeherbergung bzw. zu Kurzzeitvermietungen innerhalb von vier Wochen nach Erlass des Grundbescheids beendet worden wäre, Art. 31 Abs. 3 Satz 3 BayVwZVG. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen.
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Angesichts der Zustellung des Grundbescheids an den Kläger am 14. August 2019 hätte dieser die zweckfremde Nutzung des Objekts bis spätestens Ende September 2019 beenden müssen. Zwar seien die britischen Bewohner nach Vortrag des Klägerbevollmächtigten bis Ende September 2019 aus der Wohnung ausgezogen. Weiter habe der Kläger mit Schreiben vom 5. Februar 2020 einen unbefristeten, ab 1. Oktober 2019 laufenden Mietvertrag mit insgesamt sechs Mietern vorgelegt, die ausweislich der Behördenakten auch melderechtlich in München erfasst gewesen seien. Gleichwohl habe er, wie die umfangreichen Ermittlungen der Beklagten sowie die mündliche Verhandlung am 21. März 2021 gezeigt habe, sein bisheriges, eine zweckfremde Nutzung der Wohnräume beinhaltendes Nutzungskonzept zu keinem Zeitpunkt nachhaltig beendet. Er habe vielmehr weiterhin als gewerblicher Zwischenvermieter Wohnraum für zweckgebundene, vorübergehende Aufenthalte zur Verfügung gestellt.
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Zum Zeitpunkt des Ergehens der Fälligkeitsmitteilung sei das Nutzungskonzept des Klägers weder erkenn- und nachprüfbar darauf ausgerichtet gewesen, eine dauerhafte Verlegung des Lebensmittelpunktes der Bewohner zu bewirken, noch sei der Kläger seiner Verpflichtung nachgekommen, eine dauerhafte Verlegung des Lebensmittelpunktes der Mieter sicherzustellen. Dies ergebe sich insbesondere aus den schriftlichen Einlassungen des Klägerbevollmächtigten wie auch dem Eindruck des Gerichts in der mündlichen Verhandlung. Bestätigt werde dies durch die angesichts der Ortseinsichten der Beklagten vorgefundenen Umstände in der streitgegenständlichen Wohnung, wonach offensichtlich und auch seitens des Klägers unbestritten innerhalb weniger Monate kurzfristige Bewohnerwechsel stattgefunden hätten und eine Arbeiterunterkunft für ausländische Mitarbeiter der Forma D., die einander größtenteils nicht kannten, etabliert worden sei. Dass die tatsächliche Nutzung des Wohnraums dem Zweckentfremdungsrecht zuwidergelaufen sei, erweise sich angesichts der vorgelegten Akten als unstreitig. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Kläger bei Abschluss des Mietvertrags am 25. September 2019 ein Dauerwohnen habe ermöglichen wollen, hätte es sich als seine Pflicht erwiesen, „im Rahmen seines Nutzungskonzepts die dauerhafte Verlegung des Lebensmittelpunkts der Bewohner soweit wie möglich sicherzustellen“. Dieser Pflicht sei er nicht in ausreichendem Umfang nachgekommen. Zwar sei der auf den 25. September 2019 datierte Mietvertrag unbefristet abgeschlossen und das ordentliche Kündigungsrecht teilweise ausgeschlossen worden. Ferner sei festgeschrieben worden, dass eine Untervermietung sowie ein Bewohnerwechsel nicht erlaubt und das Zweckentfremdungsverbot der Beklagten sowie die melderechtlichen Pflichten zu beachten seien. Gleichwohl begründe das Nutzungskonzept des Klägers „nach wie vor eine hinreichende Nähe zur Gefahr der fortwährenden Zweckentfremdung“, die auch nicht aufgrund eines rein formal festgeschriebenen Verbots der zweckfremden Nutzung im Untermietvertrag entfalle. Die seitens des Klägers ergriffenen Maßnahmen reichten nach Auffassung der Kammer nicht aus, um die „Sicherstellungspflichten“ mit Blick auf die nach außen erkennbaren Umstände des Mietverhältnisses und der „Objekthistorie“ nachzukommen.
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Dass die Bewohner des Objekts nach Bescheiderlass im August 2020 ausgezogen seien und der Wohnraum zwischenzeitlich dauerhaft vermietet sei, schade mit Blick darauf, dass es sich bei der Pflicht zur Beendigung einer Zweckentfremdung vollstreckungsrechtlich um eine Unterlassungspflicht handle, nicht, Art. 37 Abs. 4 BayVwZVG.
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6. Gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil wendet sich der Kläger nunmehr mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem er ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend macht. Diese ergäben sich vorliegend bereits daraus, dass es an einem rechtmäßigen Grundbescheid fehle, wie bereits im Berufungszulassungsverfahren betreffend den Bescheid vom 6. August 2019 (Az: 12 ZB 21.2188) dargelegt. Aus einem rechtswidrigen Bescheid könne keine Zwangsvollstreckung betrieben werden, jedenfalls dann nicht, wenn gegen ihn Klage erhoben sowie Antrag auf Herstellung von deren aufschiebender Wirkung gestellt wurde, über die die Kammer gleichwohl über mehr als ein Jahr nicht entschieden habe. Ferner treffe die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu, dass der Kläger auch nach Ergehen des Bescheids vom 6. August 2019 das im Streit stehende Haus nicht zu Wohnzwecken genutzt habe. Er habe es vielmehr mit einem regulären Wohnraummietvertrag vom 25. September 2019 an sechs (rumänische) Mieter auf unbestimmte Zeit vermietet. Im Hinblick auf die zweckentfremdungsrechtliche Praxis der Beklagten habe er weiterhin einen Passus in den Mietvertrag aufgenommen, der die Mieter verpflichte, sich beim Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt anzumelden. Zugleich sei eine Untervermietung und ein Bewohnerwechsel ausdrücklich ausgeschlossen worden. Schließlich habe er die Mieter sowohl im Mietvertrag als auch mündlich auf die zweckentfremdungsrechtlichen Regeln der Landeshauptstadt München sowie die daraus resultierende Notwendigkeit eines langfristigen Mietverhältnisses hingewiesen. Soweit das Gericht vom Kläger fordere, dass er durch regelmäßige „Überprüfungen“ sicherstellen solle, dass das Objekt weiterhin durch die angemeldeten Mieter genutzt werde, widerspreche dies dem Wohnraummietrecht, das einem Vermieter nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes bzw. eines berechtigten Interesses ein Betretungsrecht an der vermieteten Wohnung einräume. Im Übrigen sei der Bescheid vom 12. August 2020 auch deswegen rechtswidrig, weil die Beklagte keinerlei Ermessensausübung habe erkennen lassen. Nach Art. 29 Abs. 1 BayVwZVG stehe ihr auch im Rahmen der Vollstreckung durchaus ein Ermessen zu. So wäre es ihr möglich gewesen, den Kläger zunächst anzuschreiben und mit ihm binnen kurzer Frist den Sachverhalt aufzuklären sowie eine Zweckentfremdung – so sie denn vorgelegen hätte – zu beenden.
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Demgegenüber verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil. So sei zunächst darauf hinzuweisen, dass die klägerseits erhobene Anfechtungsklage gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 12. August 2020 mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig sei, da die Beklagte insoweit rechtsverbindlich zugesagt hatte, das angedrohte Zwangsgeld nicht zu vollstrecken. Entgegen der Auffassung des Klägers sei der Grundbescheid rechtmäßig gewesen. Was die angemahnte Überprüfung des Nutzerwechsels der Wohnung betreffe, sei es aus Sicht der Landeshauptstadt insoweit nicht erforderlich, die Wohnung zu betreten. Im Übrigen habe der Kläger mit seinen Mietern ein entsprechendes Betretungsrecht ausdrücklich vereinbart. Die vom Kläger gerügte fehlende Ermessensausübung könne nicht nachvollzogen werden.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen, ferner auf den den Grundverwaltungsakt vom 6. August 2019 betreffenden Senatsbeschluss vom heutigen Tag (Az.: 12 ZB 21.2188), mit dem die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts München wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen worden ist.
II.
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Der Zulassungsantrag des Klägers hat Erfolg, da ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen.
16
1. Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Mitteilung der Fälligkeit des im Bescheid vom 6. August 2019 unter Ziffer 3. angedrohten Zwangsgeldes gerichtete Feststellungsklage zu Unrecht abgewiesen. Soweit dem Kläger durch Ziffer 1. des Bescheids vom 6. August 2019 aufgegeben worden war, die zweckwidrige Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung zu beenden und ihm nach Ziffer 3. des Bescheids für den Fall, dass er dieser Pflicht nicht binnen einer Frist von 4 Wochen ab Zustellung des Bescheids nachkommt, ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- € angedroht worden war, liegen die Voraussetzungen für die Fälligkeit des Zwangsgeldes nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht vor.
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Mit dem nach Ergehen der Verfügung vom 6. August 2019 und dem Auszug der bisherigen (britischen) Mieter abgeschlossenen Mietvertrag mit sechs rumänischen Staatsangehörigen vom September 2019 verfolgt der Kläger entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ein Nutzungskonzept (weiter), dass im zweckentfremdungsrechtlichen Sinn eine Vermietung der Wohnung zu Wohnzwecken und gerade nicht zum Zwecke der Fremdenbeherbergung beinhaltet. Dies ergibt sich sowohl aus den Rahmenbedingungen des Mietverhältnisses – Vermietung der Wohnung auf unbestimmte Zeit, Ausschluss der ordentlichen Kündigung, Verbot der Untervermietung und des Bewohnerwechsels, Verpflichtung der Mieter, sich melderechtlich bei der Landeshauptstadt München anzumelden – wie auch der expliziten Bezugnahme auf die zweckentfremdungsrechtlichen Vorgaben der Beklagten. Dass der Kläger mit dem vorgelegten Mietvertrag eine Wohnnutzung nur „formal“ vereinbart hat, in der tatsächlichen Umsetzung, die bei der Bewertung des Nutzungskonzepts zu berücksichtigen ist, jedoch (weiterhin) eine gewerbliche Fremdenbeherbergung praktiziert, hat die Beklagte im vorliegenden Fall nicht substantiiert dargetan. Zwar trifft es zu, wie die verschiedenen Ortsermittlungen trotz der neuerlichen Kommunikationsschwierigkeiten der Mitarbeiter der Beklagten (Nutzung einer „Übersetzungs-App“) ergeben haben, dass es entgegen der mietvertraglichen Vereinbarungen verschiedentlich kurzfristige Mieterwechsel der sämtlich bei einer Reinigungsfirma angestellten rumänischen Mieter gegeben hat. Dieser Umstand würde jedoch allenfalls dann die Annahme gewerblicher Fremdenbeherbergung erlauben, wenn der Kläger die Mietvertragsverstöße gekannt hätte und ihnen nicht durch Kündigung des Mietvertrages entgegengetreten wäre (vgl. zur Notwendigkeit der Kündigung bei Nutzung von Wohnraum für sog. Medizintouristen vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2017 – 12 ZB 17.595 – BeckRS 2017, 152041, Rn. 10; B.v. 29.8.2017 – 12 C 17.1544 – BeckRS 2017, 123009, Rn. 10). Dafür indes ist nichts ersichtlich.
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Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts trifft den Kläger in diesem Zusammenhang auch keine fortwährende Verpflichtung, die Einhaltung der zweckentfremdungsrechtlichen Vorgaben der Beklagten durch seine Mieter ohne konkreten äußeren Anlass regelmäßig zu überprüfen und dabei sicherzustellen, dass sie ihren Lebensmittelpunkt dauerhaft nach München verlegen. Eine Rechtsgrundlage für eine derartige Inpflichtnahme des Klägers besteht im Zweckentfremdungsrecht nicht. Sie ergibt sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Ingerenz im Zusammenhang mit der Praktizierung angeblich besonders „zweckentfremdungsgefährdeter“ Wohnformen. Denn das Zweckentfremdungsrecht zielt allein auf den „Bestandsschutz von Wohnraum“ ab und eröffnet der Beklagten daher keine Möglichkeit, bestimmte Wohnformen in ihrer „Wertigkeit“ zu definieren und gegenüber anderen, insbesondere solchen mit längerer Dauer zu diskriminieren oder gar als „sozialschädlich“ einzuordnen und deshalb für bekämpfungsbedürftig zu erachten. Das Zweckentfremdungsrecht gestattet weder eine Wohnraumbewirtschaftung noch darf es als Mittel eingesetzt werden, um „allgemein unerwünschte oder schädliche Entwicklungen“ auf dem Wohnungsmarkt zu unterbinden (vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen den Senatsbeschluss vom 20.11.2023, 12 ZB 22.80, Leitsatz 3). Der Kläger haftet demzufolge nicht für die ihm unbekannte mietvertragswidrige Nutzung der Wohnung durch die rumänischen Mieter. Er ist vielmehr nach Kenntniserlangung hiervon den Verstößen gegen den Mietvertrag durch Kündigung des Mietverhältnisses unverzüglich entgegengetreten. Mithin bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger hinsichtlich des streitgegenständlichen Wohnraums ein Nutzungskonzept verfolgt hätte, dass keine Wohnnutzung im zweckentfremdungsrechtlichen Sinn beinhaltet. Angesichts dessen ist das dem Kläger angedrohte Zwangsgeld nicht fällig geworden, sodass der hiergegen gerichteten Feststellungsklage stattzugeben gewesen wäre.
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Demzufolge kommt es für die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf die Frage des fehlenden Ermessensgebrauchs der Beklagten wie auch auf die Rechtswidrigkeit der Grundverfügung und deren Auswirkungen im Vollstreckungsrecht nicht an.
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2. Ernstliche Richtigkeitszweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ergeben sich auch insoweit, als das Gericht die Anfechtungsklage gegen die erneute Androhung eines erhöhten Zwangsgeldes im Bescheid vom 12. August 2020 mit der Begründung für unzulässig erachtet hat, dass die Beklagte ausweislich ihrer schriftsätzlichen Ausführungen sowie der Ausführungen in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, dass das angedrohte Zwangsgeld nicht vollstreckt würde, was das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage habe entfallen lassen.
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Zur Frage des „Verzichts auf die Vollstreckung“ des angedrohten erhöhten Zwangsgelds im Bescheid vom 12. August 2020 findet sich in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 12. März 2021 keine entsprechende Erklärung der Beklagten. Auch hat die Beklagte in ihren Schriftsätzen im Rahmen des Verfahrens M 9 K 20.4338 (wie auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren M 9 S 20.4339) ausweislich der dem Senat vorliegenden Akten eine entsprechende Erklärung nicht abgegeben. Der entsprechende Passus in der Klageerwiderung der Beklagten lautet lediglich: „Weitere Zwangsgelder, insbesondere solche nach Ziff. 4 des Bescheids der Beklagten vom 06.08.2019 mit Blick auf die in Ziff. 2 desselben Bescheids angeordnete Wiederbelegungspflicht, werden jedoch in Anbetracht der nunmehrigen Entwicklung nicht fällig gestellt.“ (Unterstreichung durch den Senat). Damit bringt die Beklagte aber gerade nicht zum Ausdruck, dass sie der (erhöhten) Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 12. August 2020 keine Rechtswirkungen mehr beimessen und sie deshalb aufheben möchte. Vielmehr sieht sie „in Anbetracht der nunmehrigen Entwicklungen“ die Voraussetzungen für die Fälligkeit des Zwangsgeldes aktuell als nicht gegeben an, ohne damit zugleich auszuschließen, in Zukunft für den Fall, dass der Kläger wieder zu seinem zweckentfremdungsrechtlich inkriminierten Nutzungskonzept zurückkehren würde, das Zwangsgeld doch noch für fällig zu erklären. Demzufolge ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein „Wirksamkeitsverlust“ der Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 12. August 2020 nicht festzustellen, sodass dem Kläger – dem das Verwaltungsgericht im Verfahren M 9 K 19.4581 überdies unterstellt, sein angeblich gegen das Zweckentfremdungsrecht verstoßendes Verhalten gerade fortführen zu wollen – auch hinsichtlich seiner Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 12. August 2020 ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis zukommt. Die Klageabweisung als unzulässig erweist sich mithin ebenfalls als ernstlich zweifelhaft im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Der Beklagten wird angesichts des vorstehend Ausgeführten daher dringend empfohlen, den Kläger durch Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids vom 12. August 2020 einschließlich der Fälligkeitsmitteilung des Zwangsgelds klaglos zu stellen.
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3. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 12 B 23.2198 als Berufungsverfahren fortgesetzt. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.