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VGH München, Beschluss v. 21.11.2023 – 6 ZB 23.30827
Titel:

unbegründeter Antrag auf Zulassung der Berufung (Asyl - Einzelfall)

Normenkette:
AsylG § 78 Abs. 3, Abs. 4
Leitsatz:
Die Gegenüberstellung einander widersprechender Rechtssätze ist zur ordnungsgemäßen Erhebung der Divergenzrüge unverzichtbar. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Darlegungslast, Divergenzrüge
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 27.09.2023 – M 28 K 21.31698
Fundstelle:
BeckRS 2023, 37900

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2023 – M 28 K 21.31698 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg.
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Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) und der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) sind nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dargelegt.
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1. Um die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache darzulegen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, zudem ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, ferner erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und schließlich darlegen, weshalb ihr eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (BayVGH, B.v. 22.6.2017 – 6 ZB 17.30679 – Rn. 3; B.v. 16.2.2017 – 6 ZB 16.1586 – juris Rn. 25 m.w.N.). Eine auf tatsächliche Verhältnisse gestützte Grundsatzrüge erfordert überdies die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind (BayVGH, B.v. 12.6.2018 – 6 ZB 18.31347 – Rn. 4; B.v. 10.1.2018 – 6 ZB 18.30037 – Rn. 5).
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Diesen Anforderungen genügt die Zulassungsschrift nicht. Sie wirft als grundsätzlich bedeutsam die (Tatsachen-)Fragen auf, ob „angesichts der derzeitigen prekären Sicherheitslage in Nigeria ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und/oder 7 AufenthG festzustellen ist“ und ob „gewährleistet ist, dass die Rechte des Klägers bei einer Rückkehr nach Nigeria ausreichend gewahrt sind“. Insoweit ist der Klärungsbedarf nicht schlüssig dargetan. Die Fragen sind schon deshalb nicht geeignet, eine generelle („grundsätzliche“) Klärung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG herbeizuführen oder zu befördern, weil sie in der Regel nur nach den persönlichen Kriterien und Lebensumständen der betroffenen Person und damit einzelfallbezogen beantwortet werden können. Sollten sie auf eine allgemeine Gefährdung aller Rückkehrer bzw. Kinder in Nigeria abzielen, so fehlt es ausgehend von den – strengen – rechtlichen Maßstäben für die Feststellung eines der in Rede stehenden Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG an der Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insbesondere zu der erforderlichen Gefahrendichte (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167) legt die Zulassungsschrift nichts Stichhaltiges dar. Dabei kann dahinstehen, ob sich aus den angeführten Terrorakten, der exzessiven Gewaltanwendung durch staatliche Sicherheitskräfte sowie den bewaffneten Zusammenstößen verschiedener Bevölkerungsgruppen auf einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt (vgl. dazu EuGH, U.v. 30.1.2014 – C-285/12 – NVwZ 2014, 573) schließen lässt. Jedenfalls sind, zumal mit Blick auf die Größe und Einwohnerzahl von Nigeria (mit über 200 Mio. Einwohnern), aus den angeführten Informationsquellen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass mit einem solchen – unterstellten – bewaffneten Konflikt eine für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderliche Gefahrendichte verbunden sein könnte. Das gleiche gilt für die dargestellten Gefahren, denen Kinder in Nigeria ausgesetzt sein könnten, zumal das Verwaltungsgericht für den Kläger auch unter Berücksichtigung seiner konkreten Lebenssituation keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände festgestellt hat (zum Maßstab etwa BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 11.19 – NVwZ 2021, 327 Rn. 18 ff.).
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2. Mit der Rüge, das Verwaltungsgericht weiche vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2008 – 10 C 11.07 – ab, wird der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) nicht dargelegt. Es fehlt bereits an der Gegenüberstellung einander widersprechender Rechtssätze bei Anwendung derselben Rechtsvorschrift. Die Gegenüberstellung der voneinander abweichenden Rechtssätze ist aber zur ordnungsgemäßen Erhebung der Divergenzrüge unverzichtbar (BVerwG, B.v. 14.8.2013 – 8 B 36.13 – juris Rn. 7). Der Sache nach beanstandet der Kläger eine fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung als Voraussetzung für die Annahme einer inländischen Fluchtalternative aufgestellt hat. Das genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge jedoch nicht (vgl. BVerwG, B.v. 7.5.2018 – 4 BN 23.17 – juris Rn. 15 m.w.N.; B.v. 24.4.2017 – 1 B 22.17 – juris Rn. 19; B.v. 26.7.2016 – 10 B 15.15 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 18.12.2017 – 6 ZB 17.31910 – Rn. 3).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).