Inhalt

VGH München, Beschluss v. 07.12.2023 – 10 ZB 23.1550
Titel:

Verlustfeststellung wegen Unterbrechung der Kontinuität des langjährigen Aufenthalts 

Normenketten:
FreizügG/EU § 6 Abs. 1, Abs. 5
Freizügigkeits-RL Art. 28 Abs. 3 lit. a
Leitsatz:
Zeitraum zu einem Abreißen des zuvor geknüpften Bandes der Integration zum Aufnahmemitgliedstaat dergestalt geführt hat, dass der Betroffene nicht mehr in den Genuss des durch diese Bestimmung verbürgten verstärkten Schutzes kommen kann. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verlustfeststellung, Recht auf Einreise und Aufenthalt, zehnjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet, Zeiträume der Verbüßung einer Haft (auch Jugendhaft), Unterbrechung, Gefahrenprognose, gesteigerter Ausweisungsschutz, Kontinuität des langjährigen Aufenthalts, Haft, Abreißen der Integrationsbande
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 02.06.2023 – M 4 K 21.2101
Fundstelle:
BeckRS 2023, 37896

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

1
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger, ein am 25. Januar 1991 geborener polnischer Staatsangehöriger, der seit seinem 14. Lebensjahr mit seiner Familie im Bundesgebiet lebt, seine vor dem Verwaltungsgericht erfolglose Klage gegen die mit Bescheid der Beklagten vom 16. März 2021 verfügte Feststellung weiter, dass er sein Recht auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet verloren hat.
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Die Berufung ist nicht wegen – hier allein geltend gemachter – ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn die Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätten (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33). Dies ist jedoch nicht der Fall.
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Der Kläger wendet sich mit seinem Zulassungsvorbringen zunächst dagegen, dass das Verwaltungsgericht den für die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verlustfeststellung anzulegenden Maßstab gemäß § 6 Abs. 5 FreizügG/EU verkannt habe, weil es zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Kontinuität des langjährigen Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet (seit 2005) durch dessen Inhaftierungen 2011 bzw. 2019 unterbrochen worden sei. Das Verwaltungsgericht hätte die beiden Haftzeiträume nicht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gemeinsam, sondern vielmehr hinsichtlich der Frage der Unterbrechung der Kontinuität des Aufenthalts jeweils getrennt bewerten müssen. Die erste Inhaftierung im Zeitraum (Januar) 2011 bis (Juni) 2012 habe die Kontinuität des Aufenthalts nicht unterbrochen, da der Verlauf der Integration des Klägers bis zu diesem Zeitpunkt „relativ geradlinig“ gewesen sei, das Verwaltungsgericht die besondere Ausgestaltung des Jugendstrafvollzugs nicht hinreichend berücksichtigt habe und sich der Aufenthalt des Klägers bis zur erneuten Inhaftierung im Oktober 2019 weiter verfestigt habe. Die erneute Inhaftierung ab Ende 2019 habe die Kontinuität des Aufenthalts ebenfalls nicht unterbrochen. Zum einen habe der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits einen kontinuierlichen Aufenthalt von 14 Jahren im Bundesgebiet aufzuweisen, zum anderen habe das Verwaltungsgericht insoweit unzureichend berücksichtigt, dass der Kläger in der Haft seine Ausbildung fortgesetzt, eine Therapiemaßnahme aufgenommen und sich bereits in der Justizvollzugsanstalt darum gekümmert hat, „sein Leben im wahrsten Sinne des Wortes weiterführen zu können“. Der Kläger sei bis heute durchgehend wirtschaftlich im Bundesgebiet integriert; Lücken in seiner Erwerbsbiografie seien durch Haft, Therapie oder sein Engagement im Leistungssport zu erklären.
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Damit ist jedoch nicht substantiiert dargelegt, dass das Verwaltungsgericht bei der rechtlichen Prüfung der Verlustfeststellung einen fehlerhaften Maßstab angewandt hat. Der (weiter) gesteigerte Ausweisungsschutz nach § 6 Abs. 5 FreizügG/EU kommt dem Kläger nach zutreffender Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu. Nach dieser Bestimmung darf bei Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, eine (Verlust-)Feststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden.
5
Ausgehend von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu Art. 28 Abs. 3 Buchst. a) der RL 2004/38/EG ist der Aufenthaltszeitraum von zehn Jahren vom Zeitpunkt der Verfügung der Ausweisung des Betroffenen an zurückzurechnen und muss grundsätzlich ununterbrochen gewesen sein (EuGH, U.v. 16.1.2014 – C-400/12, Secretary of State for the Home Department gegen M. G. – juris Rn. 28; U.v. 17.4.2018 – C-316/16 u. C-424/16, B und Vomero – juris Rn. 65 f.). Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der RL 2004/38 ist nach dieser Rechtsprechung weiter dahin auszulegen, dass ein Zeitraum der Verbüßung einer Freiheitsstrafe durch den Betroffenen grundsätzlich geeignet ist, die Kontinuität des Aufenthalts im Sinne dieser Bestimmung zu unterbrechen und sich damit auf die Gewährung des dort vorgesehenen verstärkten Schutzes auch in dem Fall auszuwirken, dass sich diese Person vor dem Freiheitsentzug zehn Jahre lang im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat (EuGH, U.v. 16.1.2014 – C-400/12 – juris Rn. 38; U.v. 17.4.2018 – C-316/16 u. C-424/16 – juris Rn. 70). Für die Feststellung, ob ein solcher Zeitraum zu einem Abreißen des zuvor geknüpften Bandes der Integration zum Aufnahmemitgliedstaat dergestalt geführt hat, dass der Betroffene nicht mehr in den Genuss des durch diese Bestimmung verbürgten verstärkten Schutzes kommen kann, ist aber eine umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen zu dem genauen Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem sich die Frage der Ausweisung stellt. Im Rahmen dieser umfassenden Beurteilung sind die Zeiträume der Verbüßung einer Haftstrafe zusammen mit allen anderen Anhaltspunkten zu berücksichtigen, die die Gesamtheit der im Einzelfall relevanten Gesichtspunkte ausmachen, wozu gegebenenfalls der Umstand zählt, dass der Betroffene in den letzten zehn Jahren vor seiner Inhaftierung seinen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat hatte (EuGH, U.v. 17.4.2018 – C-316/16 u. C-424/16 – juris Rn. 70/71; vgl. auch BayVGH, U.v. 27.9.2022 – 10 B 22.263 – BeckRS 2022, 31549 Rn. 24 und nachfolgend BVerwG, B.v.14.4.2023 – 1 B 1.23 – BeckRS 2023, 10424).
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Eine unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze anzustellende umfassende Beurteilung der Situation des Klägers zum Zeitpunkt der Verfügung der Verlustfeststellung mit Bescheid der Beklagten vom 16. März 2021 führt auch nach Auffassung des Senats zu dem Ergebnis, dass die Kontinuität des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet durch die beiden Zeiträume der Verbüßung einer Haftstrafe unterbrochen worden ist.
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Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass auch die Verbüßung einer Jugendhaftstrafe grundsätzlich zum Abreißen der Integrationsbande führen kann und als solche weder vom Zweck noch ihrer konkreten Ausgestaltung her einer Verlustfeststellung als Maßnahme der Gefahrenabwehr (unter anderem bei drohenden oder begangenen Verstößen gegen Strafrechtsnormen) entgegensteht. Dies folgt – worauf die Beklagte in ihrer Erwiderung zutreffend hinweist – schon aus der gesetzgeberischen Entscheidung in § 6 Abs. 5 Satz 3 FreizügG/EU, mit der die Unschädlichkeitsschwelle (vgl. dazu Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, FreizügG/EU § 6 Rn. 90; Gerstner-Heck in BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Decker/Bader/Kothe, Stand 15.10.2023, FreizügG/EU § 6 Rn. 20) bezüglich der Annahme zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit festgelegt und ausdrücklich auch an eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Jugendstrafe (von mindestens fünf Jahren) angeknüpft wird (vgl. VGH BW, B.v. 2.3.2021 – 12 S 3587/20 – juris Rn. 19).
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Soweit der Kläger eine jeweils getrennte Betrachtung seiner Inhaftierungszeiten 2011/2012 und 2019/2020 reklamiert, verkennt er, dass die Voraussetzungen des gesteigerten Ausweisungsschutzes nach § 6 Abs. 4 und 5 FreizügG/EU nach dem materiellen Recht bereits bei der Verfügung der Verlustfeststellung vorliegen müssen (BVerwG, U.v. 16.12.2021 – 1 C 60.20 – juris Rn. 15 unter Verweis auf EuGH, U.v. 17.4.2018 – C-316/16 und C-424/16 – juris Rn. 84 ff.) und daher – wie dargelegt – die umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen zu dem genauen Zeitpunkt vorzunehmen ist, zu dem sich die Frage der Ausweisung stellt. Im Rahmen dieser umfassenden Beurteilung sind alle Zeiträume der Verbüßung einer Haftstrafe zusammen mit allen anderen Anhaltspunkten zu berücksichtigen.
9
Diese umfassende Beurteilung hat das Verwaltungsgericht entgegen der Auffassung der Klägerseite in nicht zu beanstandender Weise vorgenommen. Dabei hat es zutreffend darauf abgestellt, dass der erst mit 14 Jahren in das Bundesgebiet eingereiste Kläger hier zwar einen Hauptschulabschluss erworben und eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker absolviert sowie (ab April 2018) im Betrieb seines Vaters eine weitere Ausbildung zum Fliesenleger begonnen und während der Zeit seiner Haft abgeschlossen habe, es ihm jedoch gleichwohl nicht gelungen sei, sich dauerhaft in den Arbeitsmarkt zu integrieren, und er abgesehen von Zeiten der beruflichen Ausbildungen insgesamt lediglich etwas mehr als zwei Jahre und einen Monat versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Entscheidend durfte das Verwaltungsgericht aber auf die beim Kläger fehlende gesellschaftliche bzw. soziale Integration insbesondere aufgrund seiner massiven Straffälligkeit im Bereich der Gewaltdelikte abstellen. Der Kläger war zum Zeitpunkt der für die Verlustfeststellung letztlich anlassgebenden strafrechtlichen Verurteilung durch das Amtsgericht – Schöffengericht – München vom 9. Juli 2020 ausweislich der Gründe dieses Strafurteils bereits neunmal vorbestraft bzw. vorgeahndet und zwar überwiegend wegen Gewaltdelikten wie insbesondere vorsätzliche Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung sowie Freiheitsberaubung. Weder richterliche Weisungen, Jugendarrest noch Jugendstrafhaft konnten den Kläger von weiteren schweren Straftaten abhalten. Obwohl er sich in der Jugendstrafhaft gut geführt hatte und deshalb vorzeitig aus der Haft entlassen worden war, begann er danach mit dem Konsum von Drogen (Marihuana, Kokain und Amphetamine) und trat in offener Bewährungszeit wieder mit Gewaltstraftaten strafrechtlich in Erscheinung, die sich bis zur Anlasstat, einem durch besonders „massive Brutalität der Vorgehensweise“ gekennzeichneten Gewaltsausbruch gegenüber seiner Partnerin, in ihrer Intensität und Gefährlichkeit zunehmend steigerten. Zum Tatzeitpunkt der Anlasstat befand sich der Kläger (wieder) unter offener einschlägiger Bewährung, nachdem bereits den letzten beiden strafrechtlichen Verurteilungen 2016 und 2017 Gewaltausbrüche zum Nachteil früherer Partnerinnen zugrunde gelegen waren. Lebens- und Gesundheitsschutz sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtige Gemeinwohlbelange (vgl. z.B. B.v. 21.7.2022 – 1 BvR 469/20 u.a. – juris Rn. 107); ihnen kommt auch unter den im Grundgesetz verbürgten materiellen Freiheitsrechten und der durch sie konstituierten objektiven Wertordnung ein besonderes Gewicht zu (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Kommentar, 17. Aufl. 2022, Art. 2 Rn. 96 m.w.N.; BayVGH, U.v. 27.9.2022 – 10 B 22.263 – BeckRS 2022, 31549 Rn. 28). Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht festgestellt, dass der Kläger, bei dem unter anderem eine „antisoziale Persönlichkeitsstörung“ diagnostiziert worden ist, gesellschaftliche Grundwerte der Bundesrepublik Deutschland und vor allen den Höchstwert der körperlichen Unversehrtheit seiner Mitmenschen in keiner Weise verinnerlicht und akzeptiert hat.
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Demgegenüber durfte das Verwaltungsgericht den zugunsten des Klägers sprechenden Gesichtspunkten – seinen langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet, die bestehenden sozialen Bindungen zu Eltern, Geschwistern und Freunden im Bundesgebiet, Abschluss von zwei beruflichen Ausbildungen, beanstandungslose Führung in der Haft, Abschluss einer Entwöhnungsbehandlung nach § 35 BtMG, sportliche Erfolge – keine ausschlaggebende Bedeutung zumessen und im Ergebnis feststellen, dass die durch den Kläger im Bundesgebiet geknüpften Integrationsverbindungen im maßgeblichen Zeitpunkt abgerissen sind.
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Nicht durchdringen vermag die Klägerseite auch mit ihren Einwänden gegen die Gefahrenprognose des Verwaltungsgerichts und dessen Feststellung, dass vom Kläger eine die Verlustfeststellung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 FreizügG/EU rechtfertigende tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die auch die gesteigerten Anforderungen gemäß § 6 Abs. 4 FreizügG/EU erfüllt.
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Die Umstände der Begehung der Gewaltstraftaten des Klägers lassen ein persönliches Verhalten erkennen, das auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch die Prognose rechtfertigt, dass der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder Straftaten wie insbesondere (gefährliche) Körperverletzung mit massiver Gewaltanwendung gegenüber den Geschädigten begehen und dabei gravierende Verletzungen seiner Opfer in Kauf nehmen wird. Die konkrete Wiederholungsgefahr ergibt sich beim Kläger trotz der anzuerkennenden positiven Entwicklung im Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB in stationär-psychiatrischer Behandlung im ...-I.-A.-Klinikum M.-Ost (von 22.10.2020 bis 19.10.2022) auch zur Überzeugung des Senats aus folgenden Gründen: Auch wenn der Kläger seit Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung sein soziales Umfeld stabilisieren konnte und gut in ein unterstützendes Netzwerk aus Bewährungshilfe und therapeutischer Betreuung eingebunden ist und sich seit fast einem Jahr in Freiheit bewährt hat, ist mit dem Verwaltungsgericht zu konstatieren, dass er sich auch in der Vergangenheit zwar im engmaschigen Korsett des Strafvollzugs beanstandungsfrei führen konnte, in Freiheit – auch in offener Bewährungszeit – jedoch immer wieder in alte Verhaltensmuster zurückgefallen und gewalttätig geworden ist. Der Kläger ist im Rahmen der fünfjährigen Führungsaufsicht seit 11. Oktober 2022 der Bewährungshilfe unterstellt. In dem von Klägerseite vorgelegten Erstbericht der Bewährungshilfe vom 3. August 2023 ist unter anderem ausgeführt: „Aus Sicht der Bewährungshilfe wäre eine Abschiebung des Probanden denkbar schlecht. Dies würde sowohl den Abbruch der dringend nötigen Nachsorge und Kontrolle bei der forensischen Ambulanz als auch den Verlust seines Therapeuten, …, bedeuten.“ Auch im weiter vorgelegten Verlaufsbericht des ...-I.-A.-Klinikums M.-Ost vom 11. September 2023 wird ausgeführt, der Kläger habe sich im bisherigen Verlauf seit der Entlassung aus dem Maßregelvollzug „durch Schaffung eines stabilen sozialen Empfangsraumes ausreichend stabilisieren“ können und sei „gut in ein unterstützendes System, bestehend aus Bewährungshilfe sowie therapeutischer Betreuung in der forensischen Nachsorgeambulanz, integriert. Ein Wegfall der genannten stabilisierenden Faktoren würde zu einer Verschlechterung des psychopathologischen Zustandsbildes führen, was die Wahrscheinlichkeit für Rückfälligkeit in altes Suchtverhalten erhöhen würde.“ Auch daraus wird ersichtlich, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe sich noch nicht ausreichend in Freiheit bewährt, zumal er sich noch am Anfang der auf fünf Jahre festgesetzten Führungsaufsicht und Bewährungszeit befinde und umfassenden Weisungen unterstehe, auch aktuell noch zutrifft. Dazu kommt, dass bei der Prognose der Wiederholungsgefahr ein mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (sogenannter gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab) gilt und daher nach zutreffender Auffassung des Verwaltungsgerichts wegen des Gewichts des bei einem erneuten Rückfall des Klägers bedrohten höchstrangingen Schutzguts der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) keine zu hohen Anforderungen an die Rückfallgefahr gestellt werden dürfen. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht schließlich auch davon ausgegangen, dass bei Straftaten, die wie im Fall des Klägers auf einer Suchterkrankung beruhten oder durch sie gefördert wurden, von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden kann, solange der Kläger nicht die erforderliche Therapie erfolgreich abgeschlossen und – darüber hinaus – die damit verbundene Erwartung eines künftig straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat (vgl. BayVGH, B.v. 17.1.2023 – 10 ZB 21.3201 – juris Rn. 11; B.v. 29.3.2022 – 10 ZB 21.1021 – juris Rn. 10). Zwar hat der Kläger die Therapiemaßnahme erfolgreich abgeschlossen, gleichwohl sehen sowohl Bewährungshilfe als auch das für die „dringend nötige“ forensische Nachsorgeambulanz zuständige Klinikum die weitere Nachsorge und Kontrolle als für das psychopathologische Zustandsbild des Klägers besonders wichtig an. Alldem wird von Klägerseite nichts Entscheidungserhebliches entgegengesetzt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
14
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.