Inhalt

VGH München, Beschluss v. 12.12.2023 – 10 CS 23.1843
Titel:

Darlegungsanforderungen an Prozesskostenhilfegesuch bei anwaltlich nicht vertretener Person

Normenketten:
VwGO § 60, § 122 Abs. 3 S. 2, § 146 Abs. 4 S. 4, § 147 Abs. 1 S. 1, § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Eine unbedingte Beschwerde ist als unzulässig und unwirksam kostenpflichtig zu verwerfen, wenn sie nicht von einer vor dem Verwaltungsgerichtshof iSv § 67 VwGO postulationsfähigen Person eingelegt wird. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist einer Partei wegen ihrer Mittellosigkeit die fristgerechte Einlegung eines Rechtsmittels durch einen Rechtsanwalt nicht zuzumuten, darf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann gewährt werden, wenn die Partei bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist ein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch mit allen dazugehörigen Unterlagen eingereicht hat. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch von einem anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten ist zumindest zu fordern, dass er aus laienhafter Sicht in groben Zügen darlegt, unter welchen sachlichen und rechtlichen Aspekten ihm die angefochtene Entscheidung angreifbar oder fehlerhaft erscheint. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
isolierter Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine noch einzulegende Beschwerde, keine Möglichkeit der Wiedereinsetzung in versäumte Beschwerdefrist bei nicht vollständigem Prozesskostenhilfeantrag, Darlegungsanforderungen bei anwaltlich nicht vertretener Person, Bezugnahme auf angegriffene Entscheidung, Postulationsfähigkeit, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Prozesskostenhilfegesuch, Mittellosigkeit
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 19.09.2023 – AN 15 S 23.1096
Fundstelle:
BeckRS 2023, 37887

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine noch einzulegende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

1
Der Antragsteller begehrt bei sachgerechter Auslegung die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine noch einzulegende Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem sein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO im Zusammenhang mit der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung abgelehnt wurde.
2
Das Begehren des Antragstellers, der zunächst unbedingte Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts erhoben hatte, ist aufgrund der Klarstellung gegenüber dem Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs am 21. November 2023 als isolierter Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auszulegen (§ 88 VwGO analog). Eine unbedingte Beschwerde wäre schon deswegen als unzulässig und unwirksam (BayVGH, B.v. 15.11.2000 – 10 ZE 00.3197 – juris Rn. 2; B.v. 28.11.2008 – 14 CS 08.3064 – juris Rn. 1) kostenpflichtig zu verwerfen, weil sie nicht von einer vor dem Verwaltungsgerichtshof im Sinne von § 67 VwGO postulationsfähigen Person eingelegt wurde.
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Der so ausgelegte Antrag ist zulässig aber unbegründet, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht die von § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO geforderten hinreichenden Erfolgsaussichten bietet.
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1. Die Beschwerde wäre bereits unzulässig, weil sie nicht fristgerecht gestellt und dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren wäre.
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Der Beschwerde wäre verfristet. Die zweiwöchige Frist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO für die (wirksame) Einlegung der Beschwerde, die mit der erneuten Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses am 8. November 2023 begann, ist mit Ablauf des 22. November 2023 (Mittwoch) verstrichen (§ 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).
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Dem Antragsteller könnte insofern auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO gewährt werden. Ist einer Partei wegen ihrer Mittellosigkeit die fristgerechte Einlegung eines Rechtsmittels durch einen Rechtsanwalt nicht zuzumuten, darf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann gewährt werden, wenn die Partei bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist ein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch mit allen dazugehörigen Unterlagen eingereicht hat. Nur dann hat die Partei alles getan, was von ihr zur Wahrung der Frist erwartet werden kann, und ist es gerechtfertigt, das Fristversäumnis als unverschuldet anzusehen (vgl. BVerwG, B.v. 19.10.2016 – 3 PKH 7.16 – juris Rn. 3; B.v. 28.1.2004 – 6 PKH 15/03 – juris Rn. 5; B.v. 19.4.2010 – 8 PKH 6.09 – juris Rn. 3 jeweils m.w.N.; BayVGH, B.v. 3.6.2020 – 10 ZB 20.31115 – juris Rn. 5). Daran fehlt es hier. Der Antragsteller hat die nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 117 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 4 ZPO erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unter Verwendung des dafür vorgeschriebenen Formulars bis zum Ablauf der genannten Frist nicht abgegeben.
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2. Unabhängig davon wäre eine Beschwerde auch unbegründet. Es wird aus dem Vorbringen des Antragstellers nicht erkennbar, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts aufzuheben oder abzuändern wäre.
8
Wird Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 1 VwGO isoliert beantragt, muss innerhalb der für die Beschwerde geltenden einmonatigen Begründungsfrist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO), die aufgrund der erneuten Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses am 8. November 2023 am 8. Dezember 2023 (Freitag) endete (s.o.), zumindest in groben Zügen dargelegt werden, aus welchen Gründen die Entscheidung aus Sicht des Antragstellers abzuändern oder aufzuheben ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO). Denn nur dann lässt sich feststellen, ob die insoweit beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Zwar sind an die Darlegungspflicht im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren bei anwaltlich nicht vertretenen Antragstellern in Verfahren mit Vertretungszwang deutlich geringere Anforderungen zu stellen als im Fall einer rechtskundigen Vertretung nach § 67 VwGO. Nach der ganz überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung ist aber auch von einem anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten zumindest zu fordern, dass er aus laienhafter Sicht in groben Zügen darlegt, unter welchen sachlichen und rechtlichen Aspekten ihm die angefochtene Entscheidung angreifbar oder fehlerhaft erscheint (vgl. BVerfG, B.v. 2.2.2017 – 1 BvR 2897/16 – juris Rn. 2 für die Verfassungsbeschwerde; BVerwG, B.v. 10.1.2018 – 5 PKH 8.17 D – juris Rn. 2; B.v. 11.2.2015 – 5 PKH 12.15 D – juris Rn. 2 jew. für die Nichtzulassungsbeschwerde; OVG Bremen, B.v. 16.6.2021 – 1 B 70/21 – juris Rn. 8; SächsOVG, B.v. 10.11.2021 – 6 B 382/21 – juris Rn. 6; B.v. 17.8.2016 – 3 B 173/16 – juris Rn. 3 jew. für die Beschwerde).
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Dem wird der Antrag des Antragstellers nicht gerecht. Seine Beschwerde lässt nicht – auch nicht in groben Zügen – erkennen, aus welchen Gründen er den Beschluss des Verwaltungsgerichts angreift.
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Schließlich hat die beabsichtigte Beschwerde auch deshalb keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil das Verwaltungsgericht den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu Recht abgewiesen hat, weil der Bescheid, mit dem die erkennungsdienstliche Behandlung angeordnet wurde, aller Voraussicht nach rechtmäßig ist. Der Senat verweist insofern auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts, schließt sich diesen an und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).