Inhalt

VGH München, Beschluss v. 14.12.2023 – 1 ZB 23.1342
Titel:

Isolierte Zwangsgeldandrohung zur Durchsetzung einer Abbruchverpflichtung

Normenkette:
VwZVG Art. 19, Art. 31, Art. 36
Leitsatz:
Muss ein zu bauordnungsrechtlichen Maßnahmen herangezogener Verantwortlicher zur Erfüllung seiner Verpflichtungen in Rechte Dritter eingreifen und ist der Dritte nicht bereit, den Eingriff in seine Rechte zu dulden, so besteht ein Vollzugshindernis. Es bedarf dann einer Duldungsanordnung gegenüber dem Dritten zur Durchsetzung des bauordnungsrechtlichen Vollzugs. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Isolierte Zwangsgeldandrohung, Grundverwaltungsakt, Abbruchverpflichtung, Duldungsanordnung, Vollstreckungshindernis
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 27.06.2023 – M 1 K 19.5842
Fundstelle:
BeckRS 2023, 37866

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1
Der Kläger wendet sich gegen eine Zwangsgeldandrohung, die zur Durchsetzung einer baurechtlichen Auflage erlassen wurde.
2
Er ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. …6, Gemarkung F* …, das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Die hierzu nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 5 i.V.m. Satz 3 BauGB erteilte Baugenehmigung für den Ersatzbau enthält u.a. die Auflage, spätestens ein Jahr nach Bezugsfertigkeit des Wohnhauses das bestehende Wohnhaus auf dem südlich angrenzenden Grundstück FlNr. … abzubrechen. Weiter wird der Notarvertrag vom 1. Juli 2010 (Urk.Rolle Nr. * …*) zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärt, in dem die Mutter des Klägers und Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … sich durch Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit dazu verpflichtete, das (vormalige) Wohnhaus ab Bezugsfertigkeit des neu zu errichtenden Wohngebäudes nicht mehr zu Wohnzwecken zu nutzen, und sich mit dem Abbruch ihres Wohngebäudes durch den Kläger einverstanden erklärte.
3
Die gegen die streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Abbruchverpflichtung sei vollstreckbar, der Kläger sei mit Einwendungen gegen den Grundverwaltungsakt ausgeschlossen. Ungeachtet dessen stehe die Hanglage der Abbruchverpflichtung nicht entgegen. Eine schriftliche Zusicherung, wonach er das Gebäude nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt abzureißen habe, liege nicht vor.
4
Mit dem Zulassungsantrag verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er werde in rechtswidriger Weise dazu aufgefordert, ein Haus abzureißen, das nicht in seinem Eigentum sei. Dies habe das Gericht verkannt.
5
Die Beklagte tritt dem Zulassungsvorbringen entgegen. Auch wenn das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen habe, dass der Kläger Eigentümer des Grundstücks FlNr. … sei, erweise sich das Urteil dennoch im Ergebnis als richtig, weil es der vom Kläger behaupteten Duldungsanordnung gegenüber seiner Mutter als Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … aufgrund ihres ausdrücklichen Einverständnisses mit dem Abbruch des Gebäudes nicht bedurft habe.
6
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
7
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die sinngemäß geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), die im Stil einer Berufungsbegründung verfasst sind, liegen nicht vor bzw. sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
8
1. Ernstliche Zweifel im Sinn dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die isolierte Zwangsgeldandrohung zur Durchsetzung der bestandskräftigen Abbruchverpflichtung (Auflage Nr. 40 der Baugenehmigung vom 9. 7.2010) nach Art. 31, Art. 36 VwZVG rechtmäßig ist.
9
Der Kläger wendet im Zulassungsverfahren erstmals ein, dass er rechtsfehlerhaft aufgefordert werde, ein Haus abzureißen, das nicht in seinem Eigentum stehe. Unabhängig von der Frage, ob dieser Vortrag den Darlegungspflichten (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) genügt, wird mit dem sinngemäß geltend gemachten Vollstreckungshindernis die Rechtmäßigkeit und Durchsetzbarkeit der Zwangsgeldandrohung nicht in Frage gestellt.
10
Der Erlass einer Duldungsanordnung gegenüber einem Dritten betrifft nicht die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung, sondern allein die Frage ihrer Durchsetzbarkeit im Wege des Verwaltungszwangs. Muss ein zu bauordnungsrechtlichen Maßnahmen herangezogener Verantwortlicher zur Erfüllung seiner Verpflichtungen in Rechte Dritter eingreifen und ist der Dritte nicht bereit, den Eingriff in seine Rechte zu dulden, so besteht ein Vollzugshindernis. Es bedarf dann einer Duldungsanordnung gegenüber dem Dritten zur Durchsetzung des bauordnungsrechtlichen Vollzugs (vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2017 – 15 CS 17.1675 – juris Rn. 32). Diese ist ein Gestaltungsakt, der zivilrechtliche Ansprüche des Duldungsverpflichteten, die dem Vollzug entgegenstehen, ausschließt. Sie ist weiter eine vollstreckungsfähige Anordnung, durch die dem Duldungspflichtigen untersagt wird, den Vollzug zu behindern (vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – BayVBl 2002, 275). Eine Duldungsanordnung gegenüber der Mutter des Klägers war jedoch nicht erforderlich. Aus dem zum Gegenstand der Baugenehmigung gemachten Notarvertrag vom 1. Juli 2010 ergibt sich nicht nur, dass sich der Kläger gegenüber der Beklagten zum Abbruch des Wohnhauses verpflichtet hat, sondern auch, dass seine Mutter als Eigentümerin des betreffenden Grundstücks dem Abbruch ausdrücklich zugestimmt hat (Bl. 83 ff der Bauakte).
11
2. Auch ein Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann, liegt nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
12
Soweit der Kläger vorträgt, dass das Verwaltungsgericht fehlerhaft davon ausgegangen sei, dass er Eigentümer des (Abbruch-)Grundstücks FlNr. … sei und der Entscheidung daher unzutreffende Eigentumsverhältnisse zugrunde lägen, zeigt das Zulassungsvorbringen keinen Verfahrensfehler auf. Es kann dahinstehen, ob es sich bei den Ausführungen im Tatbestand des Urteils (UA Rn. 2) bzw. in den Gründen (UA Rn. 25) um eine bloße Übernahme des klägerischen Vortrags im Schreiben vom 25. November 2019 (Bl. 11 der Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts) und damit um eine offensichtliche Unrichtigkeit handelt, die berichtigt werden kann. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich zweifelsfrei, dass das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung die – gegenüber dem Kläger erlassene – bestandskräftige Anordnung zum Abbruch des Wohngebäudes im Baugenehmigungsbescheid vom 9. Juli 2010 zugrunde legt.
13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
14
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).