Inhalt

VGH München, Beschluss v. 11.12.2023 – 8 CS 23.1686
Titel:

Duldung von Straßenbaumaßnahmen

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 146
GG Art. 14 Abs. 1
BV Art. 103
BayStrWG Art. 2 Nr. 1 lit. a, Art. 6, Art. 13 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1
BayLStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3
Leitsätze:
1. Der Grundstückseigentümer hat infolge der Widmung alle Einschränkungen zu dulden, die im Rahmen des Gemeingebrauchs und der Straßenbaulast liegen oder sich aus dem Zweck der Straße und den Anforderungen des öffentlichen Verkehrs ergeben; insoweit ist seine privatrechtliche Sachherrschaft durch die öffentliche Zweckbestimmung eingeschränkt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nicht jede bauliche Anlage, die bestimmte technischen Merkmale erfüllt und im räumlichen Zusammenhang mit einer Straße steht, ist ohne Weiteres ein Straßenbestandteil iSv Art. 2 Nr. 1 lit. a BayStrWG. Voraussetzung ist auch, dass der potenzielle Straßenbestandteil öffentlich gewidmet ist, dh die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhalten hat (vgl. Art. 6 Abs. 1 BayStrWG). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Widmung nach Art. 6 Abs. 1 BayStrWG erfasst in der Regel nur diejenigen Bestandteile einer Straße, die sich auf Grundstücken befinden, deren Flurnummern in der Widmungsverfügung ausdrücklich aufgeführt sind. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde im vorläufigen Rechtsschutz, Duldungsbescheid für Straßenbaumaßnahmen, Überbau, Reichweite der Widmung, Widmungsfiktion (verneint), Straßenbestandteil, Flurnummer
Vorinstanz:
VG Ansbach vom 04.09.2023 – AN 10 S 23.1574
Fundstelle:
BeckRS 2023, 37862

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung der Nr. 3 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 4. September 2023 für beide Rechtszüge auf jeweils 3.750 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin zur Duldung von Straßenbaumaßnahmen auf ihrem Grundstück.
2
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 49* … Gemarkung B* … (S* …straße **). Das unbebaute Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „H* …“; in südlicher Richtung grenzt es an die S* …straße und östlich an den H* …weg (beide Grundstück FlNr. …43). An den Straßenabschnitten verläuft ein Gehweg, den die Antragsgegnerin derzeit saniert.
3
Am 9. Juli 2023 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin auf, die Bauarbeiten auf ihrem Grundstück sofort einzustellen. Daraufhin verpflichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Bescheid vom 28. Juli 2023, es zu dulden, dass ihr Grundstück FlNr. 49* … zur Wiederherstellung von Gehwegen entlang der Ortsstraßen H* …weg und S* …straße in Anspruch genommen wird. Die Inanspruchnahme wurde wie folgt beschrieben: An der Grundstücksgrenze werden Rabattensteine gesetzt, deren abstützende Betonkeile auf den angrenzenden Grundstücken mit ca. 25 cm Breite zu liegen kommen. Außerdem wird ein Unterbau/Frostschutzschicht mit einer Breite von 40 cm im Erdreich des Grundstücks der Antragstellerin liegen (vgl. Nr. 1a des Bescheids). Zudem wurde die Antragstellerin verpflichtet, es zu dulden, dass die Antragsgegnerin und die von ihr beauftragte Baufirma das o.g. Grundstück betreten, befahren, die notwendigen Baumaßnahmen zur fachgerechten Wiederherstellung der Gehwege durchführen und die Fundamente (Tragschicht und Betonkeil, der den Rabattenstein des Gehwegs zum Grundstück hin abstützt) auf Dauer auf dem Grundstück verbleiben (vgl. Nr. 1b des Bescheids). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1a und b wurde angeordnet (vgl. Nr. 2 des Bescheids). Die Duldungsanordnung wurde auf Art. 13, 9 BayStrWG, hilfsweise auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützt. Die Baumaßnahmen seien erforderlich, um den Gemeingebrauch an den o.g. Ortsstraßen aufrechtzuerhalten; deren Widmung erstrecke sich auf alle Straßenbestandteile.
4
Am 4. August 2023 hat die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 28. Juli 2023 zum Verwaltungsgericht Ansbach erhoben und nach § 80 Abs. 5 VwGO die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beantragt. Das Verwaltungsgericht hat dem Eilantrag mit Beschluss vom 4. September 2023 stattgegeben. Dem Duldungsbescheid fehle eine Rechtsgrundlage. Art. 13 Abs. 1 BayStrWG sei nicht einschlägig, weil sich die Widmung nicht auf Straßenbestandteile erstrecke, die auf dem Grundstück der Antragstellerin lägen. Die Antragstellerin habe der Herstellung der Straßenbestandteile auf ihrem Grundstück auch nicht unwiderruflich zugestimmt.
5
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Die Voreigentümerin habe beim Grundstückserwerb gewusst oder wissen müssen, dass sich der Straßenunterbau auf das Grundstück erstrecke; mangels Widerspruch habe sie die Nutzung als Straße unwiderruflich erlaubt. Die Antragstellerin müsse sich dieses Verhalten als Rechtsnachfolgerin zurechnen lassen. Die Antragsgegnerin habe darauf vertrauen dürfen, dass die Antragstellerin der Gehwegsanierung zustimme; sie habe trotz öffentlicher Bekanntmachung in Bürgerversammlungen und Gemeinderatssitzungen erst interveniert, als der Unterbau bereits neu hergestellt worden war. Eine Duldungspflicht lasse sich zudem auf Art. 29 Abs. 1 BayStrWG und Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG stützen. Ohne die Inanspruchnahme des Grundstücks der Antragstellerin hätte der Gehweg eine Breite von weniger als 1 m, was zum Schutz der Fußgänger nicht ausreiche.
6
Die Antragsgegnerin beantragt,
7
den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Duldungsbescheid der Antragsgegnerin vom 28. Juli 2023 unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichtes Ansbach vom 4. September 2023, Az. AN 10 S 23.1574, abzulehnen.
8
Die Antragstellerin beantragt,
9
die Beschwerde zurückzuweisen.
10
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
II.
11
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
12
Die dargelegten Beschwerdegründe, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 28. Juli 2023 zu Recht wiederhergestellt. Die Verpflichtung der Antragstellerin zur Duldung von Straßenbaumaßnahmen auf ihrem Grundstück erweist sich bei summarischer Prüfung (vgl. BVerwG, B.v. 16.9.2014 – 7 VR 1.14 – NVwZ 2015, 82 = juris Rn. 10) als rechtswidrig. Für den damit einhergehenden Eingriff in das Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 103 BV) fehlt eine Rechtsgrundlage.
13
1. Art. 13 Abs. 1 BayStrWG trägt die erlassene Duldungsanordnung nicht.
14
a) Selbst wenn man unterstellt, die für die Sanierung des Gehwegs beanspruchte Fläche auf dem Grundstück der Antragstellerin wäre gewidmet, bedürfte es einer Duldungsanordnung nicht, weil die Antragsgegnerin als Straßenbaulastträgerin berechtigt wäre, alle Rechte und Pflichten zur Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs auszuüben, die sonst dem Eigentümer zustehen (Art. 13 Abs. 1, Art. 47 Abs. 1 BayStrWG); sie könnte die erforderlichen Straßenbaumaßnahmen ohne Weiteres selbst durchführen (vgl. BayVGH, B.v. 21.1.2013 – 8 ZB 11.2030 – ZfW 2013, 176 = juris Rn. 12). Der Grundstückseigentümer hat infolge der Widmung alle Einschränkungen zu dulden, die im Rahmen des Gemeingebrauchs und der Straßenbaulast liegen oder sich aus dem Zweck der Straße und den Anforderungen des öffentlichen Verkehrs ergeben; insoweit ist seine privatrechtliche Sachherrschaft durch die öffentliche Zweckbestimmung eingeschränkt (vgl. BayVerfGH, B.v. 5.7.1984 – Vf. 109-VI-83 – BayVBl 1985, 45/46).
15
b) Abgesehen davon ist Art. 13 Abs. 1 BayStrWG mangels Widmung der Straßenbestandteile auf dem Grundstück der Antragstellerin überhaupt nicht anwendbar (vgl. Art. 1 Satz 1 BayStrWG).
16
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist nicht jede bauliche Anlage, die bestimmte technischen Merkmale erfüllt und im räumlichen Zusammenhang mit einer Straße steht, ohne Weiteres ein Straßenbestandteil im Sinn von Art. 2 Nr. 1 Buchst. a BayStrWG. Voraussetzung ist vielmehr auch, dass der potenzielle Straßenbestandteil öffentlich gewidmet ist, d.h. die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhalten hat (vgl. Art. 6 Abs. 1 BayStrWG). Art. 2 BayStrWG, der schon nach seinem Wortlaut lediglich regelt, was zu den „Straßen“, nicht aber, was zu den „öffentlichen Straßen“ gehört, lässt die Vorschriften über die Widmung unberührt. Diese finden uneingeschränkt Anwendung (vgl. BayVGH, B.v. 7.3.2016 – 8 ZB 13.1667 – BayVBl 2016, 747 = juris Rn. 15; B.v. 23.9.2013 – 8 ZB 12.2525 – BayVBl 2014, 147 = juris Rn. 10).
17
Eine Widmung nach Art. 6 Abs. 1 BayStrWG erfasst in der Regel nur diejenigen Bestandteile einer Straße, die sich auf Grundstücken befinden, deren Flurnummern in der Widmungsverfügung ausdrücklich aufgeführt sind. Dies dient nicht nur dem Schutz des Grundstückseigentümers, dem die Widmung seine privatrechtlichen Eigentümerbefugnisse entzieht oder entwertet, sondern auch dem Schutz des Straßenbaulastträgers, da so verhindert wird, dass ihm Straßenbaulasten nach Art. 9 BayStrWG aufgedrängt werden, denen er in Wirklichkeit nicht unterliegt (stRspr, vgl. nur BayVGH, B.v. 28.10.2014 – 8 ZB 12.1938 – juris Rn. 14; B.v. 4.10.2011 – 8 ZB 11.210 – juris Rn. 12). Wird – wie hier – ein Straßengrundstück mit einer eigenen Flurnummer gewidmet, brauchen die Eigentümer von Nachbargrundstücken nicht damit zu rechnen, dass die Widmung über die Grenzen der genannten Flurnummer hinausgreift. Der Widmungsumfang beschränkt sich in einem solchen Fall eindeutig auf die genannte Flurnummer und ist keiner Auslegung zugänglich, selbst wenn sich auf den nicht genannten Nachbargrundstücken Straßenbestandteile befinden (vgl. BayVGH, U.v. 26.4.2022 – 8 B 20.1655 – NVwZ-RR 2022, 657 = juris Rn. 41; U.v. 15.5.1990 – 8 B 86.558 – BayVBl 1990, 627 = juris Rn. 21; Häußler in Zeitler, BayStrWG, Stand Januar 2023, Art. 6 Rn. 7 und 9; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Aufl. 2020, Teil 2 Rn. 100).
18
c) Die von der Antragsgegnerin beanspruchte Teilfläche des Grundstücks der Antragstellerin gilt auch nicht nach Art. 6 Abs. 8 BayStrWG als gewidmet.
19
Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 BayStrWG, auf den Absatz 8 verweist (vgl. dazu eingehend BayVGH, U.v. 26.4.2022 – 8 B 20.1655 – NVwZ-RR 2022, 657 = juris Rn. 56 ff.), liegen nicht vor. Nach Aktenlage fehlt jeglicher Anhaltspunkt, dass die Voreigentümerin des Grundstücks der Widmung der auf ihrem Grundstück liegenden Straßenbestandteile zugestimmt hat. Für eine solche empfangsbedürftige, nach Zugang grundsätzlich unwiderrufliche Willenserklärung ist zwar keine Form vorgeschrieben. Sie kann schriftlich, mündlich oder auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden (vgl. BayVGH, U.v. 28.8.2002 – 8 B 97.2432 – juris Rn. 15; Häußler in Zeitler, Bay-StrWG, Art. 6 Rn. 22). Im Hinblick auf die Wahrung des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 103 BV muss sie aber durch eindeutige Erklärung erfolgen, aus der sich zweifelsfrei ergibt, dass der Grundstückseigentümer mit einer so tiefgreifenden Beschränkung seines Eigentums einverstanden ist. Mit der Widmung verbleibt am Grundstückseigentum weitgehend eine „inhaltslose Hülse“ (vgl. Art. 6 Abs. 5, Art. 13 Abs. 1 BayStrWG; BayVGH, B.v. 5.11.2012 – 8 CS 12.802 – juris Rn. 9). Wegen dieser weitgehenden Einschränkung des privaten Eigentumsrechts am Straßengrund, aber auch angesichts der mit dem Straßenbau einhergehenden hohen Investitionen liegt in aller Regel der Eigentumserwerb durch den Straßenbaulastträger nahe. An das Vorliegen einer Zustimmung zur Widmung sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BayVerfGH, B.v. 5.7.1984 – Vf. 109-VI-83 – BayVBl 1985, 45/46).
20
Aus den Akten und dem Vortrag der Beteiligten lässt sich nicht entnehmen, dass die Voreigentümerin vor der Widmung der Straßen überhaupt gewusst hat, dass ihr Grundstück überbaut wurde. Da die Überbauung im Straßenuntergrund erfolgt ist, war dies nicht ohne Weiteres zu erkennen. Im Übrigen waren die an das Grundstück grenzenden Ortsstraßen nach der Darstellung der Antragsgegnerin im Zeitpunkt des Grunderwerbs im Rahmen der Umlegung bereits fertiggestellt. Aber selbst wenn die Voreigentümerin den rechtswidrigen Überbau erkannt hätte, müsste aus ihrem Verhalten oder ihrer Untätigkeit – bei objektiver Betrachtung aus der Sicht der Antragsgegnerin – eindeutig zu verstehen gewesen sein, dass sie der Nutzung ihres Grundstücks als Straßenfundament unwiderruflich zustimmt (vgl. BayVGH, U.v. 28.8.2002 – 8 B 97.2432 – juris Rn. 15; vgl. auch BGH, U.v. 28.7.2022 – I ZR 141/20 – NJW 2022, 3422 = juris Rn. 46 und 95; B.v. 19.9.2002 – V ZB 37/02 – BGHZ 152, 63 = juris Rn. 14). Dies zeigt die Beschwerde nicht auf. Da die Voreigentümerin das Grundstück erst nach Fertigstellung der Straßen erworben hat, kommt es insoweit nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin – im Hinblick auf den hohen finanziellen Aufwand des Straßenbaus – nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte einem Nichteinschreiten gegen die rechtswidrige Überbauung die Erklärung entnehmen durfte, der öffentlichen Nutzung als Straße werde unwiderruflich zugestimmt (vgl. auch BayVGH, B.v. 8.5.2023 – 8 ZB 22.2287 – juris Rn. 27 zur Verwirkung eines Widerrufsrechts).
21
2. Art. 29 Abs. 1 BayStrWG kommt als Rechtsgrundlage der angegriffenen Duldungsanordnung nicht in Betracht.
22
Der Auffassung der Antragsgegnerin, eine Verpflichtung zur Duldung des Überbaus ergebe sich aus einer erweiternden Auslegung des Art. 29 Abs. 1 BayStrWG anhand des „übergeordneten Motivs“, negative Auswirkungen auf die Straße und deren Benutzung auszuschalten, steht der klare Wortlaut der Vorschrift entgegen (zur Wortlautgrenze vgl. auch BVerfG, B.v. 18.5.2022 – 2 BvR 1667/20 – NVwZ 2022, 1129 = juris Rn. 36; BayVGH, B.v. 17.2.2020 – 8 ZB 19.2200 – NVwZ-RR 2020, 991 = juris Rn. 14). Die vorliegende Sanierung soll die Straße nicht vor nachteiligen Einwirkungen der Natur schützen, sondern dient dazu, einen ausreichend breiten Gehweg wiederherzustellen. Eine teleologische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Hintergrund des Art. 29 Abs. 1 BayStrWG ist, dass der Straßenbaulastträger – und nicht der Anlieger – verpflichtet ist, die Straßennutzer vor einer Gefährdung durch das Wirken bloßer Naturkräfte zu schützen (vgl. BGH, U.v. 12.2.1985 – VI ZR 193/83 – NJW 1985, 1773 = juris Rn. 11; B.v. 27.10.1988 – III ZR 23/88 – NVwZ 1990, 297 = juris Rn. 15; Wiget in Zeitler, BayStrWG, Art. 29 Rn. 4). Für eine erweiternde Wortlautinterpretation, wonach die Eigentümer benachbarter Grundstücke auch Einwirkungen zu dulden hätten, die nicht mit Naturereignissen in Verbindung stehen, ist deshalb kein Raum.
23
3. Eine Verpflichtung, die Straßenbaumaßnahmen auf dem Nachbargrundstück zu dulden, kann auch nicht auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützt werden.
24
Nach dieser Vorschrift kann der Eigentümer im Einzelfall als Zustandsstörer (vgl. Art. 9 Abs. 2 LStVG) in Anspruch genommen werden, wenn von seinem Grundstück Gefahren oder Störungen ausgehen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder Sachwerte, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, bedrohen oder verletzen (vgl. dazu etwa BayVGH, B.v. 4.6.2020 – 10 CS 20.839 – juris Rn. 18). Vorliegend geht es aber nicht um ein Tätigwerden der Sicherheitsbehörde zur Abwehr einer konkreten Gefahr, der möglichst schnell und effektiv begegnet werden muss, sondern um die (Wieder-)Herstellung eines den Regeln der Technik entsprechenden Gehwegs durch die Straßenbaubehörde bzw. Straßenbaulastträgerin (vgl. Art. 47 Abs. 1, Art. 58 Abs. 2 Nr. 3 BayStrWG). Bei dem Grundstück der Antragstellerin handelt es sich nicht etwa um einen abrutschgefährdeten Hang, der zur Sicherung einer benachbarten Straße stabilisiert werden müsste. Die Verantwortlichkeit für die übliche Befestigung einer Straße nach den Regeln der Technik trifft allein den Straßenbaulastträger. Im Übrigen könnte das Beschwerdevorbringen, der Gehweg müsse aufwendiger befestigt werden, weil ihn die Antragstellerin mit schweren landwirtschaftlichen Maschinen überfahren ließe, keine Maßnahmen der Gefahrenabwehr, sondern allenfalls eine Vergütung kausal veranlasster Mehrkosten nach Art. 14 Abs. 4 Bay-StrWG rechtfertigen (vgl. dazu Wiget in Zeitler, BayStrWG, Art. 14 Rn. 74).
25
4. Unabhängig davon ist die von der Beschwerde thematisierte Frage, ob die Antragstellerin den Straßenbaumaßnahmen zur Sanierung des Gehwegs – trotz positiver Kenntnis – erst widersprochen hat, nachdem der Unterbau freigelegt, entfernt und neu hergestellt worden war, für die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Duldungsbescheids ohne Bedeutung. Ob ein Folgenbeseitigungsanspruch der Antragstellerin verwirkt sein könnte, weil sie ihre Abwehrrechte nicht rechtzeitig geltend gemacht hat (vgl. BVerwG, B.v. 18.3.1988 – 4 B 50.88 – NVwZ 1988, 730 = juris Rn. 4; B.v. 16.4.2002 – 4 B 8.02 – BauR 2003, 1031 = juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 14.5.2020 – 15 ZB 19.2263 – juris Rn. 12 m.w.N.), ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden (Eil-)Verfahrens.
26
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
27
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG unter entsprechender Orientierung an Nr. 43.3 i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung ist entsprechend abzuändern (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG).
28
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).