Inhalt

LArbG München, Urteil v. 11.07.2023 – 7 Sa 627/22
Titel:

Klage auf Höhergruppierung

Normenkette:
13. Landesbezirklicher TV handwerklicher Bereich Bayern vom 27.1.2020
Leitsatz:
Erfolglose Klage auf Höhergruppierung, da der Kläger die entsprechenden Eingruppierungsmerkmale (schwierige Tätigkeit in Form einer fachlichen Beratung der Anlieferer über die Entsorgungsmöglichkeiten und/oder Bedienen der technischen Anlagen z. B. der Container aus sicherheitstechnischer Sicht) der höheren Entgeltgruppe nicht erfüllt. (Rn. 25 – 29)
Schlagworte:
tarifgerechte Eingruppierung, Wertstoffhofmitarbeiter, Höhergruppierung, Eingruppierungsmerkmale
Vorinstanz:
ArbG Regensburg, Endurteil vom 01.12.2022 – 8 Ca 938/22
Rechtsmittelinstanz:
BAG Erfurt, Urteil vom 17.07.2024 – 4 AZR 265/23
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 37755

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 01.12.2022 – 8 Ca 938/22 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
2
Der Kläger ist seit dem 01.03.2000 bei der Beklagten auf dem von ihr betriebenen Recyclinghof auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 17.01.2000 (Bl.18/19 d. A.) iVm. einem Änderungsvertrag vom 18.01.2001 beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung, insbesondere der Anlage 10 zum BMT-G. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung. Der BMT-G wurde mit Wirkung zum 01.10.2005 durch den TVöD ersetzt. Durch die Tarifeinigung zwischen den Tarifvertragsparteien ... und ... Bayern wurde am 27.01.2020 der 13. LBzTV mit der Anlage 1a – Entgeltgruppenverzeichnis handwerkliche Tätigkeiten Bayern abgeschlossen. In der Anlage 1a – Entgeltgruppenverzeichnis handwerkliche Tätigkeiten steht ua.:
„Vorbemerkungen
Soweit im Folgenden nichts Abweichendes geregelt ist, gelten die Vorbemerkungen der Anlage 1 TVöD – Entgeltordnung (VKA).
1. Für Beschäftigte, deren Tätigkeit nicht in den besonderen Tätigkeitsmerkmalen dieses Entgeltgruppenverzeichnisses aufgeführt ist, gelten die Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1 TVöD – Entgeltordnung (VKA).
(…)
6. Die Zeitdauer einer eingehenden fachlichen Einarbeitung bei einer Tätigkeit im Sinne der Entgeltgruppe 3 hängt von den Anforderungen der jeweiligen Tätigkeit ab. In der Regel erstreckt sich die Einarbeitungszeit auf etwa sechs Wochen.
(…)
Tätigkeitsmerkmale Wertstoffhof
Entgeltgruppe 3
Beschäftigte in Wertstoffhöfen, deren Tätigkeit eine eingehende fachliche Einarbeitung erfordert, z.B. Überwachung der ordnungsgemäßen Beschickung, Regelung des Verkehrs im Wertstoffhof, Bedienen und Reinigen der Presscontainer, Erfassungsbehälter bereitstellen / austauschen.
Entgeltgruppe 4
Beschäftigte in Wertstoffhöfen mit schwierigen Tätigkeiten.
Protokollerklärung: Schwierige Tätigkeiten sind die fachliche Beratung der Anlieferer über die Entsorgungsmöglichkeiten, das Bedienen der technischen Anlagen (z.B. der Container aus sicherheitstechnischer Sicht). (…)“
3
Der Kläger hat auf dem Recyclinghof den Verkehr zu regeln, die Berechtigung der Anlieferer anhand von Ausweiskontrollen festzustellen und die Flächen mittels Zusammenkehren sauber zu halten. Weiter hat er die richtige Einsortierung der angelieferten Gegenstände zu überwachen und den Anliefernden auf Nachfrage den richtigen Ort der Entsorgung zu zeigen. Altholz der sogenannten Kategorie IV kann auf dem Recyclinghof der Beklagten nicht entsorgt werden. Der Kläger setzt zudem Entsorgungskosten für bestimmte Abfälle nach einem vorgegebenen System fest. Die Bewertung, ob angelieferte Gegenstände gebührenpflichtig sind, führt der Kläger mittels einer Volumenschätzung durch. Dieses Vorgehen ist für Bauschutt bzw. ehemals mit Bauten verbundene Teile (wie Fensterstöcke etc.) sowie abgelieferten Restmüll vorgesehen. Für die Volumenberechnung sind die Beherrschung der Grundrechenarten erforderlich sowie die Fähigkeit, Volumina zB. von Kofferräumen oder Anhängern sowie deren Füllgrad mit den angelieferten Gütern zu schätzen. Auf dem Recyclinghof der Beklagten befinden sich fünf Presscontainer, die bei Bedarf von dem Kläger und seinen Kollegen bedient werden. Die Container verfügen über einen Einschalt-, einen Ausschalt- und einen Notknopf. In diesem Zusammenhang wird von den Mitarbeitern jeweils morgens kontrolliert, ob die zugehörigen Stromkabel Beschädigungen aufweisen oder andere äußerliche Schäden erkennbar sind. Die Wartung und Pflege der Presscontainer werden von einem externen Unternehmen übernommen und ein täglicher Testlauf ist nicht erforderlich. Der Kläger ist auch dafür zuständig noch funktionsfähige Gegenstände für den Flohmarkt, auf dem die Beklagte von den Anliefernden abgegebene, aber noch brauchbare Gegenstände weiter veräußert, auszusortieren. Seit etwa September 2022 legte er Preise für diese Flohmarktware nicht mehr fest.
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Mit einem Schreiben vom 19.07.2021 (Bl.21/24 d.A.) machte der Kläger ohne Erfolg die Differenz zwischen der ihm derzeit gezahlten Vergütung nach der Entgeltgruppe 3 Stufe 6 zur Entgeltgruppe 4 Stufe 6 seit dem 01.01.2020 geltend und verfolgte vor dem Arbeitsgericht sein Begehren weiter.
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Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger vorgetragen, seine Hauptaufgabe bestünde darin, die Anliefernden über die Möglichkeit der Entsorgung der mitgebrachten Gegenstände auf dem Recyclinghof zu beraten. Er hat behauptet, in den meisten Fällen wüssten die Anlieferer nicht, in welchen der vielen Container der Müll konkret gehöre und sie wüssten auch oft nicht, ob dieser überhaupt im Recyclinghof entsorgt werden könne. Der Kläger hat darauf verwiesen, dass er die mitgebrachten Gegenstände sichten würde und die Anliefernden berate, in welchen der Container die einzelnen Gegenstände gehörten. Wenn Gegenstände nicht auf dem Recyclinghof abgegeben werden könnten, würde er Alternativen aufzeigen, wo die Gegenstände andernorts entsorgt werden könnten. Diese Beratung habe für alle Gegenstände stattzufinden und die Frage laute immer: „Was kann ich hier entsorgen und was woanders?“. Die entsprechenden Detailkenntnisse würden die Anliefernden von ihm erwarten. Bei der Bedienung der Container habe er auch umfangreiche sicherheitstechnische Regelungen zu beachten. So müsse er beispielsweise vor der Benutzung kontrollieren, ob ihm irgendwelche Abnormitäten an der Anlage auffallen und weiter habe er darauf zu achten, dass Einrichtungen, welche Schäden bei der Bedienung der technischen Anlagen verhindern sollen, intakt seien. Der Kläger hat vorgetragen, dass er die Anliefernden fachlich über die Entsorgungsmöglichkeiten auf dem Wertstoffhof im Sinne der Entgeltgruppe 4 beraten würde und er hat darauf verwiesen, dass eine fachliche Beratung eine kommunikative Interaktion zwischen zwei oder mehreren Personen sei mit dem Ziel, für die Fragen des Ratsuchenden eine Lösung zu finden. Hingegen würde eine Überwachung lediglich erfordern, dass der Kläger die Anliefernden beobachte, ob diese nur solche Materialien in die Container werfen würden, die auch auf den angebrachten Schildern stünden. Eine Hilfestellung und Erörterung über die korrekte Entsorgung sowie das Aufzeigen alternativer Entsorgungsmöglichkeiten sehe eine Überwachungstätigkeit gerade nicht vor. Von letzterer könnte daher nur dann ausgegangen werden, wenn die Anliefernden generell selbstständig in der Lage seien, zu erkennen, welche Sorten von Müll sie anliefern könnten und in welchen der Behälter dieser entsorgt werden müsse. Der Mitarbeiter habe dann lediglich ein Auge darauf zu haben, ob die Anliefernden die Container ordnungsgemäß bestücken, wobei es keiner kommunikativen Interaktion samt einer Lösungsfindung für diese Tätigkeit brauche. Der Kläger hat auch gemeint, dass es auf konkrete Zeitanteile seiner Tätigkeiten nicht ankäme, denn die fachliche Beratung der Anliefernden sei als Zusammenhangstätigkeit untrennbar mit der Überwachung der ordnungsgemäßen Bestückung der Container verbunden und es müsse daher von einem einzigen Arbeitsvorgang ausgegangen werden, der dem Ziel diene, den Anliefernden die ordnungsgemäße Entsorgung von Recyclinggut zu ermöglichen. Dass die fachliche Beratung in einem rechtlich relevanten Rahmen erfolge, habe sich hinreichend aus einer von ihm erstellten Zeitaufstellung ergeben. Schließlich hat der Kläger gemeint, dass das Merkmal „Bedienen und Reinigen der Presscontainer“ der Entgeltgruppe 3 im Ergebnis leerlaufe, denn bei jeder Bedienung müsse stets darauf geachtet werden, dass alle sicherheitstechnischen Vorrichtungen intakt seien und daher müsse jede Benutzung des Presscontainers aus sicherheitstechnischer Sicht erfolgen und eine andere Beurteilung sei schon im Hinblick auf den Arbeitsschutz nicht angezeigt.
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Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger beantragt,
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger rückwirkend ab dem 01.01.2020 nach der Entgeltgruppe 4 Entwicklungsstufe 6 gem. der Anlage 1 a - zum 13. Landesbezirklichen Tarifvertrag handwerklicher Bereich Bayern vom 27.01.2020 – Tätigkeitsbereich Wertstoffhof zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.800,72 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.05.2021 zu bezahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 107,23 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2021 zu bezahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 107,23 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2021 zu bezahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 107,23 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2021 zu bezahlen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 107,23 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2021 zu bezahlen.
7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 107,23 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2021 zu bezahlen.
8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 107,23 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2021 zu bezahlen.
9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 192,49 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2021 zu bezahlen.
10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 107,23 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2022 zu bezahlen.
11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 107,23 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2022 zu bezahlen.
12. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 107,23 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2022 zu bezahlen.
13. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 107,23 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2022 zu bezahlen.
14. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 109,16 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2022 zu bezahlen.
15. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 109,16 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2022 zu bezahlen.
7
Die Beklagte hat die
Abweisung der Klage beantragt.
8
Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass die Anliefernden grundsätzlich selbstständig in der Lage seien, zu erkennen, welche Sorte von Müll sie anliefern könnten und in welchen der Behälter dieser entsorgt werden müsse. Dies lasse sich zum einen dem Abfallwegweiser und zum anderen auch der konkreten Beschilderung vor Ort entnehmen. Die Beklagte hat auch gemeint, dass sich aus der vom Kläger erstellten Zeitaufstellung keine konkreten Zeitanteile ergäben, sodass dem klägerischen Vortrag nicht zu entnehmen sei, wie viel Zeit die fachliche Beratung, das Bedienen der technischen Anlagen, die Bestückung des Flohmarkts oder die Kalkulation von Entsorgungskosten in Bezug auf die Gesamttätigkeit des Klägers beanspruchten. Die Auflistung sei zudem von falschen Voraussetzungen ausgegangen, da der städtische Recyclinghof erst um 8:00 Uhr öffne, der Kläger seine Aufzeichnungen aber bereits um 07:45 Uhr begonnen habe, wobei hier aber noch keine fachliche Beratung habe erfolgen können. Weiter hat die Beklagte darauf verwiesen, dass eine fachliche Beratung die Erteilung detaillierter und spezifischer Ratschläge beinhalten würde, aufgrund derer eine Partei nach erfolgter Beratung eine gewisse Wahlmöglichkeit habe. Eine solche bestünde auf den Recycling- und Wertstoffhöfen allerdings nicht, da ausschließlich mitgeteilt werde, in welchen Container ein Einwurf erfolgen dürfe und bei der Zuweisung der richtigen Container handele es sich vielmehr um eine bloße Auskunft an die Anliefernden. Anderes könne unter Umständen gelten, wenn es sich um Material handele, welches nicht auf dem Wertstoffhof entsorgt werden dürfe und der Beschäftigte die Anliefernden hinsichtlich weiterer Entsorgungsmöglichkeiten außerhalb des Wertstoffhofes berate. Hierbei handele es sich aber nicht um die überwiegende Tätigkeit des Klägers. In Abgrenzung zur fachlichen Beratung handele es sich um eine Überwachung der ordnungsgemäßen Beschickung, wenn eine Kontrolle dahingehend stattfinde, ob die angelieferten Wertstoffe tatsächlich in die dafür vorgesehenen Behältnisse geworfen würden. Die Beklagte hat weiter gemeint, dass das Drücken des Knopfes der Presscontainer das Merkmal des „Bedienens“ der Entgeltgruppe 3 erfülle. Dass der Kläger darauf zu achten habe, dass niemand zu Schaden komme, erfülle nicht das Beispiel des Bedienens der Container aus sicherheitstechnischer Sicht. Vielmehr seien die Beschäftigten aufgrund ihrer Sorgfaltspflicht dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass durch das Bedienen der Presse keine Dritten gefährdet würden. Auch das Argument, dass der Kläger regelmäßig die einschlägigen Unterweisungen beachten müsse, um Schäden zu vermeiden, greife nicht durch. Denn dies würde bedeuten, dass diejenigen Mitarbeiter, welche die Container lediglich bedienen und reinigen würden, die sicherheitstechnischen Regelungen und Unterweisungen nicht beachten müssten und dies könne nicht sein. Schließlich stelle auch das Bestücken des Flohmarktes keine schwierige Tätigkeit im Tarifsinne dar, denn welche Gegenstände noch verkaufsfähig seien, könne schon aus der allgemeinen Lebenserfahrung heraus beurteilt werden und ebenso verhalte es sich mit der Beherrschung von Grundrechenarten bei der Gebührenberechnung.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
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Es hat darauf verwiesen, dass der Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert ist, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht (§ 12 Abs. 2 Satz 1 TVöD) und dass die gesamte auszuübende Tätigkeit den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe entspreche, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 TVöD). Arbeitsvorgänge seien nach Satz 1 der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 TVöD Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis des Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führten, wobei jeder einzelne Arbeitsvorgang als solcher zu bewerten sei und dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden dürfe (Satz 2 der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 TVöD). Sodann hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass bei der Tätigkeit des Klägers zwei Arbeitsvorgänge iSd. § 12 Abs. 2 Satz 1 TVöD anfielen. Ein erster Arbeitsvorgang umfasse die Tätigkeiten der Verkehrsführung, des Zusammenkehrens, der Ausweiskontrolle, des Bedienens der Container, der Kalkulation von Entsorgungspreisen und des Hinweisens der Anliefernden auf die ordnungsgemäße Entsorgung der angelieferten Gegenstände. Arbeitsergebnis all dieser Tätigkeiten sei es, für einen geordneten Ablauf der Entsorgungen auf dem Recyclinghof zu sorgen und dessen Funktionsfähigkeit zu erhalten und dieser Arbeitsvorgang würde die Haupttätigkeit des Klägers bilden. Ein zweiter Arbeitsvorgang umfasse die Bestückung des Flohmarktes mit noch funktionsfähigen Gegenständen, die sich für einen Weiterverkauf eignen würden. Welcher zeitliche Anteil auf diesen Arbeitsvorgang entfalle, habe der Kläger trotz eines gerichtlichen Hinweises nicht vorgetragen und sei auch nicht aus der vom Kläger erstellten Zeitaufstellung nicht ersichtlich gewesen. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, dass er auch die Preise für die Flohmarktware festsetze, habe er diese Tätigkeit seit September 2022 unstreitig nicht mehr ausgeübt. Die gesamte vom Kläger nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit habe nicht den Merkmalen der Entgeltgruppe 4 der Anlage 1a zum 13. LBzTV entsprochen, denn innerhalb des maßgeblichen Arbeitsvorgangs habe der Kläger nicht in rechtserheblichem Ausmaß Tätigkeiten ausgeübt, die die tariflichen Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe 4 „schwierige Tätigkeiten“ erfüllt hätten. Dabei sei auf den Arbeitsvorgang abzustellen gewesen, der dem Erhalt der Funktionsfähigkeit des Recyclinghofes diene, denn dieser habe mehr als die Hälfte der arbeitstäglichen Arbeitszeit und damit die Haupttätigkeit des Klägers ausgemacht.
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Es sei nicht ersichtlich gewesen, dass die Tätigkeiten des Klägers fachliche Beratungen in rechtserheblichem Ausmaß umfasst hätten. Bei der Auslegung des Begriffs der fachlichen Beratung habe in systematischer Hinsicht auch der Regelungszusammenhang mit der Entgeltgruppe 3 und dem dort aufgeführten Merkmal der Überwachung der ordnungsgemäßen Beschickung beachtet werden müssen. Diese Tätigkeit habe vorausgesetzt, dass die Mitarbeiter erkennen können, welche Gegenstände welcher Entsorgungsmöglichkeit zuzuordnen seien, aber eine Beratungstätigkeit müsse darüber hinausgehen. Das Arbeitsgericht hat dazu gemeint, dass es nicht ausreichend sei, dass zwischen den Mitarbeitern des Recyclinghofs und den Anliefernden eine Kommunikation zustande komme, die sich als bloße Zuordnung der mitgebrachten Gegenstände zu einer Entsorgungsörtlichkeit darstelle und eine fachliche Beratung iSd. Entgeltgruppe 4 beschränke sich nicht auf die Erteilung einer reinen Auskunft, sondern verlange vielmehr, dass der Mitarbeiter dem Beratenen Tatsachen erkläre und ihm Entscheidungsalternativen aufzeige sowie bewerte, wobei es insofern der Beratene selbst sei, der am Ende entscheiden könne, ob er den Rat annimmt und welches Verhalten er wählt. Der Kläger habe zwar mehrere unterschiedliche Abläufe zusammengefasst, die nach seiner Meinung allesamt eine fachliche Beratung darstellten, er habe aber keine Auskunft hinsichtlich der Dauer des jeweiligen Vorgangs gegeben und eine Auskunft hinsichtlich der Örtlichkeit der Entsorgung habe keine fachliche Beratung dargestellt.
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Soweit der Kläger Anliefernden auch das „Warum“ der Entsorgung erklärt habe, sei nicht erkennbar gewesen, welchen zeitlichen Anteil dies ausgemacht habe. Ebenso habe es sich verhalten, ob eine fachliche Beratung bei Verweisung der Anliefernden an externe Firmen erfolgt sei. Der Kläger habe auch keine technischen Anlagen (z.B. der Container in sicherheitstechnischer Sicht) iSd. Entgeltgruppe 4 bedient. Bereits die Entgeltgruppe 3 enthalte das Tätigkeitsmerkmal des Bedienens und Reinigens der Presscontainer und in Abgrenzung zu dem Bedienen und Reinigen der Container bedeute der Zusatz „aus sicherheitstechnischer Sicht“ die Bedienung der technischen Anlagen bzw. Container im Sinne einer sicherheitstechnischen Wartung und Überprüfung der Funktionsfähigkeit der Container, nicht aber eine bloße Augenscheinkontrolle dahingehend, ob Beschädigungen am Stromkabel erkennbar sind, wobei die Wartung und Pflege der Container von einer externen Firma vorgenommen werde und auch nicht ersichtlich sei, welchen Zeitanteil das Bedienen der Container einnimmt. Bei der Kalkulation der Abfallgebühren habe es sich ebenfalls nicht um eine schwierige Tätigkeit iSd. Entgeltgruppe 4 gehandelt, denn diese Tätigkeit sei nicht in der Protokollerklärung zu Entgeltgruppe 4 enthalten, sodass auf die allgemeine Definition einer schwierigen Tätigkeit zurückgegriffen werden könne und die Kalkulation erfordere die Verwendung der Grundrechenarten und eine Volumenschätzung hinsichtlich der Größe des Transportraums sowie des mitgeführten gebührenpflichtigen Abfalls und dies stelle keine schwierige Tätigkeit dar, da eine länger als sechs Wochen dauernde Einarbeitung hierzu nicht nötig ist. Schließlich habe auch das dem Kläger überantwortete Aussondern der Stücke für den Flohmarkt keine schwierige Tätigkeit dargestellt, denn es sei davon auszugehen, dass auch für diese Tätigkeit keine über einen Zeitraum von sechs Wochen andauernde Einarbeitung notwendig sei und zudem handele es sich um eine zeitlich untergeordnete Tätigkeit.
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Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Seiten 10 – 16 (Bl. 117 – 123 d.A.) des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
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Der Kläger hat gegen dieses Urteil vom 01.12.2022, das ihm am 09.12.2022 zugestellt wurde, mit einem am 28.12.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit einem am 09.03.2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat, nachdem zuvor die Frist zur Berufungsbegründung bis zu diesem Tag verlängert worden war.
15
Der Kläger meint weiterhin, dass er nach der Entgeltgruppe 4 Entwicklungsstufe 6 gemäß der Anlage 1 a zum 13. Landesbezirklichen Tarifvertrag handwerklicher Bereich Bayern vom 27.01.2020 zu vergüten sei. Er meint, die Tätigkeitsbeispiele der Entgeltgruppe 4 - „fachliche Beratung der Anlieferer über die Entsorgungsmöglichkeiten“, „Bedienen der technischen Anlagen (z.B. der Container aus sicherheitstechnischer Sicht)“ seien erfüllt und dass er diese Tätigkeitsmerkmale auch in rechtserheblichem Ausmaß ausübe. Er verweist dazu auch darauf, dass er seine täglichen Tätigkeiten im Zeitraum vom 20.07.2021 bis 05.08.2021 aufgezeichnet habe (vgl. Bl. 27-39 d.A.). Er meint auch, es sei unstreitig, dass er die Anlieferer unter anderem darüber berate, welche Möglichkeiten es gäbe, das Material Holz zu entsorgen und er habe bei Anlieferung von Altholz die Anlieferer dahingehend zu beraten, dass Außenbereichsholz bei externen Entsorgungsfirmen abgeliefert werden müsse. Seine Aufgabe sei es jedenfalls bei der Anlieferung von Holz dieses nach Kategorien einzuteilen und den Anlieferer dann darüber zu beraten, welche Altholze im Recyclinghof entsorgt werden können. Eine solche Beurteilung sei von einem Fachmann vorzunehmen, zumal Altholz in mehrere Kategorien (A I bis IV und PCP Altholz) einzuteilen sei. Nach seinen Aufzeichnungen betrage der tägliche Anteil für die Beratung Altholz jeweils 5 Minuten und ausgehend davon, dass er seine Tätigkeit um 8.00 Uhr morgens beginne und um 17.30 Uhr bei einer Stunde Mittagspause beende, habe er zum Beispiel am Dienstag, den 20.07.2021 16 Beratungstätigkeiten für die Kategorie IV Altholz durchgeführt, was 80 Minuten entspreche und bei einer Arbeitszeit von 8,5 Stunden betrage der Anteil der Beratungstätigkeit allein für Altholz Kategorie IV am 20.07.2021 15,69 Prozent.
16
Zum Umfang weiterer Beratungstätigkeiten im Zeitraum 21.07., 23.07., 24.07., 29.07., 30.07., 31.07., 03.08. und 05.08. wird auf die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 09.03.2023 Seite 7 und 8 (Bl. 161 u. 162 d.A.) verwiesen, wobei diese regelmäßig nicht über 10% der Gesamtarbeitszeit liegt. Der Kläger verweist auch darauf, dass zu diesen Beratungstätigkeiten fachliche Beratungstätigkeiten der Anlieferer über die Entsorgungsmöglichkeit für den restlichen Altholzbereich, den Elektroschrott, den unterschiedlichen Verpackungsarten und dem Problemmüll hinzukämen und damit unterscheide sich seine Tätigkeit von der bloßen Überwachung der ordnungsgemäßen Beschickung, wie sie in der Entgeltgruppe 3 genannt sei. Es würden auch die Anlieferer direkt auf den Kläger zukommen und sich bei ihm entsprechende fachliche Beratung holen und der Kläger habe bei dem vorliegenden großen Wertstoffhof auf dem er eingesetzt werde, mit den Anlieferern intensiv zu diskutieren und diese über die verschiedenen Materialien aufzuklären und zu beraten. Der Kläger meint weiter, dass auch das zweite in der Protokollerklärung der Entgeltgruppe 4 vereinbarte Merkmal einer „schwierigen Tätigkeit“ erfüllt sei, denn er habe in einem rechtlich erheblichen Rahmen technische Anlagen aus sicherheitstechnischer Sicht zu bedienen. Er müsse bei jedem Bedienen der Container darauf achten, dass alle technischen Einrichtungen, die zum Schutz von Personen und von Gegenständen vorhanden seien, unauffällig seien und er müsse jeweils die Müllpresse vor Arbeitsbeginn auf äußerlich sichtbare Schäden überprüfen und dahingehend überprüfen, dass alle Abschlusssicherungen wieder angebracht seien, wobei ein Bedienvorgang jeweils 2 Minuten dauere. Für diese Tätigkeit erstellt der Kläger beispielhaft für den Zeitraum 20.07.2021 bis 05.08.2021 (auf Blatt 164 u.165 d.A. wird verwiesen) Zeitanteile, wobei diese in der Regel im Verhältnis zur Gesamttätigkeit unter 10% liegen. Schließlich verweist der Kläger auch darauf, dass er eine Kalkulation der Entsorgung für bestimmte Abfälle vornehme, was zwar nicht ausdrücklich in der Protokollerklärung genannt werde, wobei es sich jedoch zumindest auch um eine schwierige Tätigkeit handele. Dies sei eine Tätigkeit, die an das Überlegungsvermögen oder das fachliche Geschick Anforderungen stelle, die über das Maß dessen hinausgehe, was üblicherweise von Beschäftigten der Entgeltgruppe 3 verlangt werden könne. Zudem werde für die Entsorgung von einzelnen Wertstoffen und Abfällen eine Gebühr für die Anlieferung fällig und der Kläger müsse dafür zunächst feststellen, dass für die mitgebrachten Gegenstände Gebühren anfallen und dabei eine Einschätzung vornehmen, welches Volumen die angelieferten Wertstoffe/Abfälle aufweisen und dann eine Gebühr festsetzen. Der Kalkulation- und Berechnungsvorgang betrage jeweils ca. 3 Minuten. Hierzu hat der Kläger für die Zeit am 20.07.2021 bis 05.08.2021 Zeitanteile ausgewiesen und behauptet, dass diese in der Regel zwischen 10 und 20% der Gesamtarbeitszeit lägen.
17
Der Kläger beantragt,
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger rückwirkend ab dem 01.01.2020 nach Entgeltgruppe 4 Entwicklungsstufe 6 gemäß der Anlage 1 a – zum 13. Landesbezirklichen Tarifvertrag handwerklicher Bereich Bayern vom 27.01.2020 – zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.800,72 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.05.2021 zu bezahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 107,23 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2021 zu bezahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 107,23 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2021 zu bezahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 107,23 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2021 zu bezahlen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 107,23 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2021 zu bezahlen.
7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 107,23 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2021 zu bezahlen.
8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 107,23 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2021 zu bezahlen.
9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 192,49 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2021 zu bezahlen.
10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 107,23 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2022 zu bezahlen.
11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 107,23 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2022 zu bezahlen.
12. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 107,23 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2022 zu bezahlen.
13. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 107,23 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2022 zu bezahlen.
14. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 109,16 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2022 zu bezahlen.
15. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 109,16 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2022 zu bezahlen.
16. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
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Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
19
Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Sie listet die wesentliche Tätigkeit des Klägers wie folgt auf:
1. Regelung des Verkehrs im Recyclinghof;
2. Sauberhalten der Flächen;
3. Überwachen der Einordnung der angelieferten Gegenstände und Beauskunften des richtigen Entsorgungsortes auf Nachfrage;
4. Volumeneinschätzung und Festsetzen von Entsorgungskosten für bestimmte Abfälle nach vorgegebenen System;
5. Bedienen der fünf Presscontainer mittels Ein-, Ausschalt- und Notknopf bei Bedarf
6. Morgendliche Kontrolle der Presscontainer auf Schäden;
7. Bis September 2022: Aussortieren und Bepreisen von Flohmarktware.
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Die Beklagte führt aus, dass die Recyclinghofmitarbeiter bei der Anlieferung von Altholz, das in vier Kategorien eingeteilt werde, besonders aufmerksam sein müssten, wobei Kategorie IV nicht auf dem Recyclinghof entsorgt werden könne, worauf die Recyclinghofmitarbeiter die Anlieferer hinweisen müssten. Sie verweist darauf, dass seit Oktober 2022 lediglich ein Arbeitsvorgang dergestalt vorliege: Tätigkeiten nach Ziffer 1 bis 6 mit dem Arbeitsergebnis Funktionsfähigkeit des Recyclinghofes/geordneter Ablauf der Entsorgungen und sie verweist weiter darauf, dass auch aus der Arbeitsplatzbeschreibung des Klägers hervorgehe, dass die Erledigung von Aufgaben im Recyclinghof einen einzigen Arbeitsvorgang darstellten und 98 Prozent der Gesamttätigkeit ausmachten. Sie hält aber die vom Kläger erstellte Darstellung für seine Tätigkeiten für gänzlich ungeeignet, denn es werde von einem pauschalen Arbeitsbeginn von 7.45 Uhr ausgegangen, während der Recyclinghof erst ab 8.00 Uhr öffne. Dies habe zudem zur Folge, dass die tägliche Arbeitszeit nicht 510 Minuten, sondern 525 Minuten betrage. Auch der behauptete zeitliche Anteil mit „ca. 5 Minuten“ pro Strich, sei nicht nachvollziehbar. Gleiches gelte für den Bedienvorgang der Müllpresse mit ca. 2 Minuten und für einen Kalkulations- und Berechnungsvorgang mit einer Veranschlagung von 3 Minuten. Bei einer Auflistung der Tätigkeiten weise der Kläger sogar Arbeitszeiten auf, die weit über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgingen. Die Beklagte betont auch, dass seitens des Klägers keine fachliche Beratung im Sinne der Entgeltgruppe 4 vorliege, denn eine Beratung sei eine Interaktion mit einer Kommunikation, wobei die Beratung ergebnisoffen sei und sich dadurch von einer Überwachung unterscheide. Dass der Kläger mit den Anlieferern pauschal intensiv diskutiere und diese über die verschiedenen Materialien aufzuklären und zu beraten habe, bestreitet die Beklagte. Sie meint vielmehr, dass es sich eben in der Regel nicht um eine ergebnisoffene Beratung handele, sondern um einen Weg weisen und eine Hilfestellung in der richtigen Entsorgung. Jedenfalls könne auch eine Auskunft hinsichtlich der Örtlichkeit des richtigen Containers keine fachliche Beratung darstellen und die Gespräche des Klägers mit Kunden über das Altholz Kategorie IV treffe kein rechtserhebliches Ausmaß, die eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 4 rechtfertige, denn der Kläger habe nicht ansatzweise substantiiert vorgetragen, in welchem zeitlichen Umfang er diese Tätigkeiten ausübe. Schließlich bestreitet die Beklagte auch, dass der Kläger Beratungstätigkeiten über Entsorgungsmöglichkeiten des Elektroschrotts, der unterschiedlichen Verpackungsarten und des Problemmülls ausübe. Elektroschrott, Verpackungsarten und Problemmüll könnten im Recyclinghof abgegeben werden und wenn deren Anlieferer nach dem richtigen Container frage, erhalte er eine Auskunft aber keine ergebnisoffene Beratung. Der Kläger nehme auch kein Bedienen technischer Anlagen im Sinne der Entgeltgruppe 4, sondern ein Bedienen der Presscontainer im Sinne der Entgeltgruppe 3 vor. Daraus, dass er die einschlägigen sicherheitstechnischen Regelungen beachten müsse und in diese unterwiesen werde sowie dass er die Container vor Arbeitsbeginn kontrollieren müsse, könne noch nicht gefolgert werden, dass er die Container aus sicherheitsrechtlicher Sicht bediene. Im Übrigen bestreitet die Beklagte, dass ein Bedienvorgang jeweils ca. zwei Minuten dauere und schließlich handele es sich bei der Volumenschätzung und dem Festsetzen von Entsorgungskosten nicht um eine schwierige Tätigkeit, sondern eine Tätigkeit die nur eine eingehende Einarbeitung erfordere im Sinne der Entgeltgruppe 3. Dass ein Kalkulations- und Berechnungsvorgang jeweils drei Minuten dauere, bestreitet die Beklagte und verweist auch wie im Übrigen bei sämtlichen anderen Vorgaben, dass ein geeignetes Beweismittel vorliege. Der Kläger hat schließlich mit Schriftsatz vom 19.06.2023 nochmals den zeitlichen Anteil seiner Beratungstätigkeiten, das Bedienen technischer Anlagen aus sicherheitstechnischer Sicht und die Kalkulation der Entsorgung für bestimmte Abfälle aufgelistet. Hierzu wird auf Seite 2 f. (Bl. 218 u. 219 d.A.) seines Schriftsatzes verwiesen.
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Zum weiteren Sachvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 09.03.2023 (Bl. 155 f. d.A.), 03.04.2023 (B. 201 f. d.A.) sowie vom 19.06.2023 (Bl. 217-219 d.A.) samt ihren Anlagen Bezug genommen. Des Weiteren wird insbesondere auch zur Prozessgeschichte auf den Inhalt der Gerichtsakte und insbesondere auf die Sitzungsniederschrift vom 11.07.2023 (Bl. 220-223 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
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Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
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Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf die Berufungsangriffe ist noch das Folgende veranlasst:
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1. Für den Klageerfolg ist maßgeblich, dass der Kläger nach dem einschlägigen Tarifvertrag für die Beschäftigten in Wertstoffhöfen im Sinne der Entgeltgruppe 4 mit der Erbringung von schwierigen Tätigkeit betraut ist. Nach der im einschlägigen Tarifvertrag festgehaltenen Protokollerklärung entspricht einer schwierigen Tätigkeit die fachliche Beratung der Anlieferer über die Entsorgungsmöglichkeiten sowie das Bedienen der technischen Anlagen (z.B. der Container aus sicherheitstechnischer Sicht).
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2. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Tätigkeit des Klägers entgegen seiner Ansicht in die Entgeltgruppe 3 fällt, in die Beschäftigte in Wertstoffhöfen einzugruppieren sind, wenn ihre Tätigkeit eine eingehende fachliche Einarbeitung erfordert, z. B. die Überwachung der ordnungsgemäßen Beschickung, der Regelung des Verkehrs im Wertstoffhof, das Bedienen und Reinigen der Presscontainer und das Bereitstellen/Austauschen der Erfassungscontainer. Bezüglich der Bewertung, was unter einer fachlichen Beratung zu verstehen ist, wird auf die gründlichen und zutreffenden Ausführungen auf Seite 13 des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 120 d.A.) verwiesen, die der Kläger mit seiner Berufung letztlich auch nicht in Frage stellt, denn er stellt mit dieser vorrangig darauf ab, ob eine vom Kläger vorzunehmende Bewertung von angelieferten Material schwierig ist oder nicht aber er setzt sich nicht mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts auseinander, was im allgemeinen Sprachgebrauch unter einer Beratung zu verstehen ist und ob eine solche durch den Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit erbracht wird.
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a) Unter Außerachtlassung der vorzunehmenden Differenzierungen in Zusammenhang mit der Anlieferung von Holzarten ist bezüglich aller andere Anlieferungen das Heraushebungsmerkmal schwierige Tätigkeit der Entgeltgruppe 4 auf Grund einer fachlichen Beratung der Anlieferer nicht erkennbar. Bei diesen Anlieferungen genügt eine vorhergehende eingehende fachliche Einarbeitung des Beschäftigten im Sinne der Entgeltgruppe 3 des einschlägigen Tarifvertrags, auf Grund derer er den Anlieferer anweisen kann, in welches Behältnis das angelieferte Material gehört. Es handelt sich dabei um einen bloßen Hinweis und ggf. um ein bloßes Einschreiten um eine Falschbefüllung zu verhindern. Dies entspricht aber keiner fachlichen Beratung, schon gar nicht im Sinne eines gemeinsamen Gedankenaustauschs mit einem noch offenen Ergebnis, das dem Anlieferer zudem noch eine eigenständige Entscheidungsbefugnis ermöglichen soll, denn das angelieferte Material ist lediglich nach Maßgabe einer Anweisung des Mitarbeiter des Wertstoffhofes zu entsorgen und eine Diskussion hierüber erübrigt sich, zumal sich bereits auch in der Regel für jedermann ersichtlich aus der Beschriftung der Container ergibt, in welchen Container Metall, Elektroschrott, Sperrmüll oder Flaschen gehören. Dass die entsprechende Überwachung der Anlieferer nicht einer fachlichen Beratung im Sinne der Entgeltgruppe 4 entspricht, liegt in der Natur der Sache, denn hier liegt zunächst eine reine Beobachtung des Anlieferers vor ohne eine Kontaktaufnahme mit diesem.
27
b) Soweit der Kläger meint, dass seine Tätigkeit in Zusammenhang mit der Anlieferung von Holz eine schwierige Tätigkeit im Sinne der Entgeltgruppe 4 sei, trifft dies ebenfalls nicht zu. Für die Ansicht des Klägers spricht auch nicht, dass er hierbei zwischen verschiedenen Holzarten bei der Anlieferung zu unterscheiden hat und dass er ggf. bei bestimmten Holzarten, wie Außenbereichsholz die Annahme zu verweigern hat, denn maßgeblich ist, dass der Kläger bei sämtlichen Holzarten schlichtweg festzustellen hat, unter welche Kategorie es fällt und danach hat er den Anlieferer lediglich darauf hinzuweisen, in welchen Container die entsprechende Holzart zu werfen ist. Eine Beratung, in welcher Art auch immer, erfolgt dabei offensichtlich nicht und die Fachkenntnisse für die entsprechend richtige Anweisung wird dem Beschäftigten nach eingehender fachlichen Einarbeitung im Sinne der Entgeltgruppe 3 vermittelt. Es erschließt sich auch nicht, inwieweit eine fachliche Beratung des Anlieferers vorliegen soll, wenn dieser lediglich angewiesen wird, in welchen Container er sein mitgebrachtes Holz zu werfen bzw. zu entsorgen hat. Gleiches gilt für die Verweigerung der Annahme von bestimmten Holzarten. Hierbei liegt allenfalls eine gewisse Schwierigkeit in der sachgerechten Erkennung des Problemholzes vor, doch ist diese Anforderung an den Mitarbeiter durch die Begrifflichkeit der eingehenden fachlichen Einarbeitung im Sinne der Entgeltgruppe 3 abgedeckt und die schlichte Zurückweisung der Annahme einer bestimmten Holzart eröffnet keine fachliche Beratung im Sinne der Entgeltgruppe 4. Der Hinweis auf eine andere Entsorgungsmöglichkeit, bei welcher Annahmestelle auch immer, ist eine willkommene Serviceleistung für den Anlieferer, ist aber mangels entsprechender Kommunikation noch dazu ohne offene Entscheidungsbefugnis für den Anlieferer nicht mit einer fachlichen Beratung gleichzusetzen. Entscheidend ist, dass eine Annahme oder deren Verweigerung schlichtweg ohne Beratung, sondern als einseitige, quasi hoheitliche Anordnung durch den Mitarbeiter des Wertstoffhofes erfolgt.
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c) Der Kläger erbringt auch keine besonders schwierige Tätigkeit im Sinne der Entgeltgruppe 4 in Form des Bedienens einer technischen Anlage, z. B. der Container aus sicherheitstechnischer Sicht. Nach dem Sachvortrag des Klägers ist bereits offen, wie viele der auf dem Recyclinghof der Beklagten befindlichen Presscontainer vom Kläger zumindest in der Regel bedient werden und vor allem morgens von ihm kontrolliert werden. Unabhängig davon stellt aber die reine morgendliche Kontrolle mit einem geschätzten Zeitanteil von maximal 1 bis 2 Minuten kein Bedienen eines Containers aus sicherheitstechnischer Sicht dar. Die bloße Sichtkontrolle, ob Stromkabel unbeschädigt sind oder äußerlich erkennbare Schäden an den Containern festgestellt werden, ist kein Bedienvorgang im Sinne der tariflichen Regelung, sondern lediglich eine einfache Überprüfung ohne besondere Anforderungen. Zudem ist ein Bedienen der Container aus sicherheitstechnischen Sicht durch den Kläger auch deswegen nicht erkennbar, da er nicht einmal einen Testlauf durchzuführen hat und die Wartung und Pflege der Container, was dem Kernbereich einer sicherheitstechnischen Sicht entspricht, nicht vom Kläger erfolgt, sondern durch ein externes Unternehmen.
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d) Schließlich ist auch die vom Kläger vorzunehmende Kalkulation der Abfallgebühren keine besonders schwierige Tätigkeit im Sinne der Entgeltgruppe 4 der einschlägigen tariflichen Regelung. Es handelt sich hier offensichtlich um eine einfache Routinearbeit, bei der zunächst ohne besondere Anforderungen festzustellen ist, ob angeliefertes Material gebührenpflichtig ist und sodann ist hierfür im Rahmen einer Schätzung vom Kläger ein Preis festzulegen. Die Preisfestlegung unterliegt keiner besonderen intellektuellen Herausforderung und kann ggf. auch mit einem Taschenrechner erfolgen, wobei der Grundpreis seitens der Beklagten bereits festgelegt ist und lediglich noch das Volumen des angelieferten Materials nach der Angabe des Klägers von diesem geschätzt wird. Diese letztlich dem Kläger nach seinem Ermessen überlassene Volumenschätzung stellt ebenfalls keine besonders intellektuelle Herausforderung dar. Im Zusammenhang mit der Volumenschätzung liegt seitens des Klägers auch kein substantiierter Sachvortrag vor, inwieweit es sich um eine schwierige Tätigkeit handeln soll, die die normale Einarbeitungszeit im Sinne der Entgeltgruppe 3 (in der Regel 6 Wochen) überstiegen hat.
III.
30
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
31
Die Revision wurde zugelassen. Auf die folgende Rechtsmittelbelehrungwird verwiesen.