Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 20.11.2023 – W 7 K 22.1009
Titel:

Erfolglose Klage eines türkischen Staatsangehörigen auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung

Normenketten:
StAG § 10, § 11 S. 1 Nr. 1
BZRG § 52 Abs. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Als Unterstützung iSv § 11 S. 1 Nr. 1 StAG ist bereits jede eigene Handlung anzusehen, die für Bestrebungen im Sinne der Vorschrift objektiv vorteilhaft ist; dazu zählen etwa die öffentliche oder nicht-öffentliche Befürwortung von Bestrebungen iSd § 11 S. 1 Nr. 1 StAG, die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit § 11 S. 1 Nr. 1 StAG wird der Sicherheitsschutz im Einbürgerungsrecht vorverlagert in Handlungsbereiche, die strafrechtlich noch nicht beachtlich sind und für sich betrachtet auch noch keine unmittelbare Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Gem § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG darf eine frühere Tat abweichend von § 51 Abs. 1 BZRG berücksichtigt werden, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder eine Ausnahme zwingend gebietet. Die Ausnahmevorschrift ist restriktiv auszulegen. Der Wortlaut lässt eine generelle Ausklammerung vergangener Verfolgungs- und Unterstützungshandlungen iSd § 11 S. 1 StAG aus dem Anwendungsbereich des Verwertungsverbots nicht zu. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einbürgerung, PKK, Verwertbarkeit von Strafurteil nach Ablauf der Tilgungsfrist, Unterstützen von Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer Abwendung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 24.06.2024 – 5 ZB 24.147
Fundstelle:
BeckRS 2023, 37686

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

I.
1
Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, begehrt die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung.
2
Der Kläger wurde am … … 1969 in M* …Deutschland geboren und hielt sich mit Ausnahme der Jahre 1977 bis 1984, in denen er die deutschsprachige Klasse eines Internates in I* …T* … besuchte, in Deutschland auf. Er verfügt über eine Niederlassungserlaubnis und arbeitet in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als Maschinenfahrer in einer Papierfabrik. Er ist mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet und hat einen 1992 geborenen Sohn, der ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.
3
Am 14. Januar 2020 stellte der Kläger einen Antrag auf Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft und kreuzte im Fragebogen für Einbürgerungsbewerber zum Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung an, Mitglied bzw. Unterstützer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gewesen zu sein.
4
Bei einer anschließenden Befragung durch die Ausländerbehörde gab er an, 1994 bis 1995 Mitglied der PKK gewesen zu sein. 1995 sei er wegen der Teilnahme an einer Autobahnblockade verurteilt worden. Er sei in die Sache „reingezogen“ worden. Er habe geglaubt, dass es sich um eine genehmigte Demonstration handele. Er sei dabei von einer anderen Person mit Benzin übergossen und angezündet worden. 1999 sei er nochmals mit der PKK in Kontakt getreten und deshalb in eine Straftat verwickelt worden. Er sei unentgeltlich als „Schleuser“ in der PKK tätig gewesen. Deshalb sei er verurteilt und inhaftiert worden. Am … … 2000 sei er entlassen worden und habe seitdem nichts mehr mit der PKK zu tun. Seit der Tat habe er sich von allen politischen Aktivitäten, wie der PKK und anderen Organisationen, distanziert und wolle mit diesen auch nichts mehr zu tun haben. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift der Befragung vom 14. Januar 2020 Bezug genommen.
5
Mit Schreiben vom 13. März 2020 teilte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz auf Anfrage des Beklagten mit, dass zum Kläger keine Erkenntnisse vorlägen, die über den Stand des Verfahrens hinausgingen.
6
Bei einer sicherheitsrechtlichen Befragung am 1. Oktober 2020 gab der Kläger an, dass 1999 ein Strafverfahren gegen ihn anhängig gewesen sei. Er sei ein humanistischer Mensch und habe anderen Bevölkerungsgruppen helfen wollen. Die Hilfe habe darin bestanden, dass er mit dem Tode bedrohte Journalisten in der Türkei zum Teil nach Den Haag gebracht habe. Es habe sich um den Direktor der Zeitschrift Ö* … G* … gehandelt, der damals vom türkischen Staat verfolgt worden sei, weil er Nachrichten veröffentlicht habe, die dem türkischen Staat nicht recht gewesen seien. Der Kläger habe nicht gewusst, dass dies in Verbindung zur PKK gestanden habe. Heute würde er sagen, er sei damals ausgenutzt worden. Dem Kläger sei durch das Gericht eine Mitgliedschaft in der PKK unterstellt worden. Er bestreite dies jedoch bis heute. Er sei kein Mitglied und kein Sympathisant gewesen. Er habe keine Aufgabe oder Funktion bei der PKK gehabt. Ihn hätten ausschließlich die Menschenrechtsverletzungen der Kurden interessiert. Er selbst habe keinen Ansprechpartner bei der PKK gehabt. Aufgrund seiner kurdischen Abstammung hätten ihn jedoch Personen angesprochen, die ihn über den Zustand der Kurden hätten informieren wollen. Es sei für ihn nicht ersichtlich gewesen, dass diese Personen zur PKK gehört hätten. Es sei ihm besonders wichtig, herauszustellen, dass seine frühere Tätigkeit beendet sei. Er habe sowohl in der JVA als auch bei Gericht gemerkt, dass dies der falsche Weg sei. Er habe sich in Deutschland eine Familie aufgebaut und wolle die Zeit vor 20 Jahren zurücklassen. Er habe in den letzten 20 Jahre an keiner kurdischen Veranstaltung teilgenommen. Ab dem Jahr 2000 habe er damit abgeschlossen und sich nicht mehr weiter informiert. Es stimme, dass er 1994 an einer von der PKK organisierten Autobahnblockade teilgenommen habe. Er sei zuhause von einer Person angesprochen worden. Ihm sei gesagt worden, dass es eine genehmigte Demonstration gegen Waffenlieferungen sei, die in Darmstadt stattfinde. Da er kein Auto gehabt habe, sei er abgeholt worden. Das Auto habe, wie mehrere andere Fahrzeuge, auf einem Parkplatz angehalten und sie hätten sich auf der Autobahn zum Demonstrieren versammelt. Jemand habe ihn mit Benzin übergossen und angezündet. Er sei mit Verbrennungen 3.5. Grades in der JVA aufgewacht. Es sei nicht richtig, dass er sich selbst mit Benzin übergossen und angezündet habe. Es sei die Person hinter ihm gewesen, die ihn übergossen und angezündet habe. Im Nachhinein tue es ihm leid, dass er wegen seiner Gutmütigkeit bei dieser Blockade mitgemacht habe und ausgenutzt worden sei. Er habe nicht bewusst an Aktionen der PKK teilgenommen und die Verbreitung von deren Ideen auch nicht bewusst gefördert. Aus heutiger Sicht seien die bisherigen Unterstützungshandlungen nicht der richtige Weg gewesen und er habe persönlich auch sehr darunter gelitten. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift der Befragung vom 1. Oktober 2020 Bezug genommen.
7
Mit Schreiben vom 31. März 2021 teilte das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration mit, dass ein glaubhaftes Abwenden von seiner früheren Unterstützung der PKK bei der Anhörung nicht festgestellt werde und seiner Einbürgerung daher weiterhin der Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegenstehe.
8
Mit Schreiben vom 11. Mai 2021 und vom 15. November 2021 wurde der Kläger zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrags angehört. Der Kläger ließ darauf mit anwaltlichem Schreiben vom 11. Januar 2022 Stellung nehmen und im Wesentlichen vortragen, dass seine persönlichen, beruflichen und familiären Lebensumstände belegen würden, dass er sich glaubhaft von seinen früheren Unterstützungshandlungen abgewandt habe. Er bestreite nicht mehr, in der Vergangenheit Bestrebungen i.S. des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt zu haben. Bereits in seiner Anhörung am 1. Oktober 2020 habe er darauf hingewiesen, dass seine früheren Tätigkeiten seit seiner zweiten Inhaftierung beendet seien. Mit seine Antworten auf die Fragen 11, 40, 46 und 47 sei von einer glaubhaften Abwendung von früheren Aktivitäten auszugehen. Bei der Glaubhaftmachung seien Art, Gewicht, Dauer, Häufigkeit und Zeitpunkt des einbürgerungsschädlichen Verhaltens zu berücksichtigen, wobei die Anforderungen in der Regel umso höher seien, je näher dieses Verhalten zeitlich an die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag heranreiche. Andererseits sei eine Gesamtschau der für und gegen eine Abwendung sprechenden Faktoren vorzunehmen. Es sei ausreichend, wenn äußerlich feststellbare Umstände vorlägen, die es wahrscheinlich erscheinen ließen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert habe und daher künftig ein Verfolgen oder Unterstützen sicherheitsgefährdender Belange durch ihn auszuschließen sei. Diese Tatbestandsvoraussetzungen seien auch dann erfüllt, wenn der Ausländer zumindest nicht mehr bestreite, in der Vergangenheit eine Bestrebung i.S. des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt zu haben. Dies sei bei dem Kläger der Fall. Er habe eine entsprechende Erklärung abgegeben. Auch alle äußeren Umstände, wie sein schulischer und beruflicher Werdegang sowie seine familiären Lebensumstände würden die Ernsthaftigkeit der Abwendung belegen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Stellungnahme vom 11. Januar 2022 Bezug genommen.
9
Mit Bescheid vom 6. Mai 2022 lehnte das Landratsamt Miltenberg den Einbürgerungsantrag des Klägers ab (Ziffer 1) und erhob von ihm Verfahrenskosten in Höhe von 194,67 EUR (Ziffer 2 und 3). In den Gründen wurde insbesondere ausgeführt, gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG sei eine Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigten, dass der Ausländer Bestrebungen verfolge oder unterstütze oder verfolgt oder unterstützt habe, die u.a. gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet seien, es sei denn, der Ausländer mache glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt habe. Unterstützung sei jede Handlung des Ausländers, die für Bestrebungen in diesem Sinne objektiv vorteilhaft sei, d.h. sich in irgendeiner Weise positiv auswirke. Dies müsse für den Ausländer erkennbar sein. Er müsse zudem zum Vorteil der genannten Bestrebung handeln wollen. Der Ausschlussgrund führe zu einer Vorverlagerung des Sicherheitsschutzes. Es genüge der durch konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer solchen Unterstützung. Aufgrund der Mitgliedschaft und Funktion in der PKK lägen weiterhin Anhaltspunkte vor, dass der Kläger Bestrebungen verfolgt oder unterstützt habe, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet seien. Damit liege ein zeitlich unbefristetes Einbürgerungshindernis vor. Eine glaubhafte Distanzierung zur PKK sei beim Kläger nicht zu erkennen. Ein glaubhaftes Abwenden verlange mehr als bloß äußeres – zeitweiliges oder situationsbedingtes – Unterlassen. Es setze einen individuellen oder mitgetragenen kollektiven Lernprozess voraus, aufgrund dessen angenommen werden könne, dass mit hinreichender Gewissheit künftig die Verfolgung und Unterstützung inkriminierter Bestrebungen – auch in Ansehen der durch die Einbürgerung erworbenen Rechtsposition – auszuschließen sei. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 6. Mai 2022 Bezug genommen, der der Klägerbevollmächtigten am 11. Mai 2022 zugestellt wurde.
II.
10
Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger am 10. Juni 2022 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erheben und zuletzt beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamtes Miltenberg vom 6. Mai 2022 zu verpflichten, dem Kläger eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
11
Zur Begründung wurde insbesondere vorgetragen, dass keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorlägen, die die Annahme rechtfertigen würden, dass der Kläger Bestrebungen verfolge, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet seien. Er habe glaubhaft gemacht, dass er sich von der früheren Verfolgung und Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt habe. Insbesondere spreche für ihn, dass seit über 20 Jahren weder polizeiliche Erkenntnisse, noch Erkenntnisse des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz oder des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu seiner Person bestünden. Er sei auch in keinem sonstigen kurdischen Zusammenhang aufgefallen. Es sei deshalb nicht akzeptabel, zu unterstellen, dass es künftig noch zu Vorkommnissen kommen könne, wie in der Zeit als der Kläger noch ledig gewesen sei und nicht die Verantwortung getragen habe, die er heute trage. Es sei abwegig, ihm versteckte umstürzlerische Interessen zu unterstellen. Mit Ausnahme des Vorfalls im Jahr 1994 und der Sachverhalte, die zur Verurteilung durch das Oberlandesgericht S* … am … … 2000 geführt hätten, habe der Kläger weder vorher noch nachher Aktivitäten oder eine sonstige Zugehörigkeit zur PKK oder ihr nahen Strukturen gezeigt. Der gesamte Lebensweg des Klägers nach seiner Haftentlassung zeige eine vollständige Abwendung von seinen früheren Aktivitäten. Der Kläger sei in keine kurdische Gemeinschaft eingebunden. Er sei weder Mitglied eines kurdischen Vereins, noch besuche er solche Vereine. Er nehme weder an Märtyrer-Trauerfeiern teil, noch bewundere er „Heldentum“. Er besuche keine Veranstaltungen zu kurdischen Themen. Er habe noch nicht einmal Spenden erbracht, oder gar für die kurdische Sache „geworben“. Er sei den Personen, mit denen er seinerzeit Umgang gehabt hätte, nach seiner Verhaftung am 4. Februar 1999 nicht wieder begegnet. Es sei noch nicht einmal vorgetragen, dass diese Personen noch in Deutschland seien oder noch im Zusammenhang mit der PKK aktiv seien. Zudem habe sich die inhaltliche Positionierung der PKK in den letzten Jahren erheblich verändert. Seit dem Paradigmenwechsel 2005 sei die Forderung nach einem kurdischen Nationalstaat obsolet. Es sei schon nicht klar, mit Blick auf welche inhaltliche/ideologische Orientierung eine „Rückfallgefahr“ beim Kläger vermutet werde. Selbst der Beklagte behaupte nicht, dass der Kläger sich erneut mit den Zielen und der aktuellen Ausrichtung der PKK befasse. Der Kläger habe erklärt, dass, warum und in welchem Umfang er sich seine Verurteilungen, insbesondere die des Oberverwaltungsgerichts S* …, habe zur Warnung dienen lassen. Der Kläger sei bei den Straftaten noch jung gewesen. Bekanntermaßen schwinde mit zunehmendem Alter das Kriminalitätsrisiko auch im Zusammenhang mit politischen Aktivitäten. Die heutigen „PKK“-Aktivisten seien durchschnittlich 20 Jahre jünger, ledig und bindungslos, d.h. ohne Arbeit, ohne Familie, in der Regel ohne festen Wohnsitz. Sie würden nicht über Hauseigentum verfügen und seien nicht in deutsche Familien eingebunden. Nach 30 Jahren politischer Abstinenz sei der Kläger für eine Kaderorganisation auch nicht mehr von Interesse. Der Kläger habe bereits beim Oberlandesgericht S* … einen Schlussstrich gezogen und sich ausschließlich der Ehe und Familie gewidmet. Nicht umsonst sei er nach Verbüßung von zwei Dritteln der Haftstrafe vorzeitig entlassen worden. Auch aus dem OLG-Urteil selbst gehe hervor, dass der Kläger Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt habe. Darüber hinaus sei die Anhörung nicht ordnungsgemäß erfolgt, weil im Behördenschreiben vom 11. Mai 2021 mitgeteilt worden sei, dass einzelne Einbürgerungsvoraussetzungen noch nicht geprüft worden seien. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 15. August 2022 Bezug genommen.
12
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
13
Zur Begründung wurde auf den angefochtenen Bescheid verwiesen.
14
In der mündlichen Verhandlung am 20. November 2022 ließ der Kläger sich dahingehend ein, dass er Mitglied der PKK gewesen sei. Er habe verstanden, dass er Fehler gemacht habe und sich nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis komplett von allem „Politischen“ distanziert. Er sei im Zeitraum 1993/1994 emotional durch die Medien beeinflusst worden. Er habe damals aus Menschenliebe gehandelt. Er sei am falschen Ort und unter den falschen Menschen gewesen. Er habe jedoch verstanden, dass er nicht nur selbst betroffen gewesen sei, sondern auch andere Menschen, vor allem seine Familie. Später habe er begriffen, dass dies der falsche Weg gewesen sei. Er habe damit abgeschlossen. Er meide alle Menschen, die deswegen auf ihn zukommen würden. Er sei in einer terroristischen Umgebung gewesen. Er habe damals nicht alles gesehen, was tatsächlich gewesen sei. Er könne und wolle sich nicht nochmal in die damalige Situation hineinversetzen. Bewusst sei er erst nach 1995 Mitglied der PKK gewesen. Er könne den Beginn nicht an einem konkreten Datum oder Ereignis festmachen. Nach der Autobahnblockade habe er ca. zwei Jahre unter großen gesundheitlichen Problemen infolge der Verbrennungen gelitten. Er habe keinen Halt mehr im Leben gehabt. Er habe alles verloren. Er habe dann angefangen, mit „Kleinigkeiten“ zu helfen. Ihm sei dabei bewusst gewesen, dass er damit die PKK unterstütze. Was er genau getan habe, ergebe sich aus dem Urteil des OLG S* … vom … … 2000. Heute stehe er überhaupt nicht mehr zur PKK. Er habe sich zweimal auf sie eingelassen. Dies habe ihm und seiner Familie nur Leid gebracht. Wenn er jetzt jemandem helfen wolle, tue er dies bei „Ärzte ohne Grenzen“ oder der „Caritas“, alles andere solle fern von ihm bleiben. Nach seiner Haftentlassung habe er sich entschieden, hier zu leben. Er habe sich Arbeit gesucht und geheiratet. Die Vergangenheit habe ihn so tief getroffen, dass für ihn alles wichtig gewesen sei, außer der Vergangenheit. Er habe eingesehen, dass er Teil einer kriminellen Organisation gewesen sei. Dies habe ihm nur Leid gebracht. Für die weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2023 Bezug genommen.
15
Mit Urteil des Amtsgerichts G* …-G* … vom … … 1995 wurde der Kläger im Verfahren * … … im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer Autobahnblockade am … … 1994 wegen schweren Landfriedensbruchs in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall zu einer Freiheitstrafe von neun Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
16
Mit Urteil des Oberlandesgerichts S* … vom … … 2000 wurde der Kläger im Verfahren * * * … … wegen der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung als Mitglied in Tateinheit mit zweifacher Urkundenfälschung tateinheitlich begangen mit versuchtem bandenmäßigen Einschleusen von zwei Ausländern, mit einem weiteren Fall der Urkundenfälschung, sowie mit einem weiteren Fall der Urkundenfälschung in Tateinheit mit bandenmäßigem Einschleusen eines Ausländers, ferner mit 40-facher Urkundenfälschung in Tateinheit mit fünffachem bandenmäßigem Vorbereitung der Fälschung von amtlichen Ausweisen und mit zweifacher Urkundenfälschung zu einer Freiheitstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt, die beigezogenen Behördenakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
19
Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere wurde der Kläger mit den Schreiben vom 11. Mai 2021 und vom 15. November 2021 gem. Art. 28 BayVwVfG ordnungsgemäß angehört. Da sich Art. 103 Abs. 1 GG auf den Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht bezieht, ist eine Verletzung im Verwaltungsverfahren schon mangels Anwendbarkeit auszuschließen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger zu den entscheidungserheblichen Rechtsfragen nicht hinreichend bei der Einbürgerungsbehörde vortragen konnte.
20
Die Ablehnung der Einbürgerung ist auch materiell rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG), da dem ein Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegensteht.
21
Gemäß § 10 Abs. 1 StAG ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, auf Antrag einzubürgern, wenn er sich – neben weiteren Voraussetzungen, die hier nicht im Streit stehen – zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die (a) gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder (b) eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder (c) durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat.
22
Gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ist die Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat.
23
Schon aufgrund des eigenen Vorbringens des Klägers sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in der mündlichen Verhandlung liegen tatsächliche Anhaltspunkte vor, die die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger in der Vergangenheit Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Der Kläger hat im Fragebogen für Einbürgerungsbewerber zum Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung am 14. Januar 2020 selbst angegeben, dass er Mitglied der PPK gewesen sei bzw. diese unterstützt habe. Bei der anschließenden Befragung gab er an, 1994 bis 1995 Mitglied der PKK gewesen zu sein und 1999 nochmals mit der PKK in Kontakt getreten zu sein. 1995 sei er im Zusammenhang mit einer Autobahnblockade verurteilt worden und 1999, weil er unentgeltlich als „Schleuser“ in der PKK tätig gewesen sei.
24
Die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) verfolgt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 StAG und gefährdet die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 StAG. Sie wurde deshalb mit Bekanntmachung des Bundesinnenministeriums vom 22. November 1993 zusammen mit weiteren 35 Teilorganisationen gem. § 3 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) verboten (vgl. BAnz., S. 10313). Die Bestrebungen der PKK richteten sich damit bereits im für die Unterstützungshandlungen des Klägers relevanten Zeitraum 1994 bis 1999 gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung und die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland. Sie tun dies auch bis heute. Das Betätigungsverbot besteht seit 1993 unverändert fort. Das Bundesverwaltungsgericht hat erst jüngst die Einbeziehung zweier weiterer Teilorganisationen in das Betätigungsverbot höchstrichterlich bestätigt (vgl. BVerwG, U.v. 26.1.2022 – 6 A 7/19 – juris). Auch in der Sache widerspricht die inhaltliche Ausrichtung der PKK noch immer der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und gefährdet nach wie vor die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland durch die Anwendung von Gewalt bzw. darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen. Nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz versucht die PKK ihre Ziele nach wie vor mit Hilfe von schweren Gewalttaten, einschließlich der Tötung von Menschen, zu erreichen (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz (BdV), Informationsbroschüre zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Stand Februar 2019 – https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/auslandsbezogener-extremismus/2019-02-arbeiterpartei-kurdistans-pkk.pdf? blob=publicationFile& v=7). Zwar habe sie im März 2013 Friedensverhandlungen und einen Waffenstillstand angekündigt. Sie habe sich aber in Erklärungen ihrer führenden Funktionäre vorbehalten, jederzeit – selbst während der Verhandlungen – wieder auf gewaltsame Mittel wie Anschläge zurückzugreifen. Damit unterscheide sich das derzeitige Verhalten der PKK nicht von dem in der Vergangenheit, in der sie bereits mehrfach einseitig Waffenstillstände mit denselben Vorbehalten verkündet habe und stets wieder zur Anwendung von Gewalt zurückgekehrt sei (BdV, a.a.O.). Auch laut aktuellem Verfassungsschutzbericht ist die PKK die mitgliederstärkste und schlagkräftigste Organisation mit auslandsbezogenem Extremismus in Deutschland (Bundesministerium des Inneren und für Heimat, Verfassungsschutzbericht 2022, S. 248). Wenngleich in Europa weiterhin friedliche Veranstaltungen und Aktivitäten im Vordergrund stehen, bleibt Gewalt eine strategische Option der PKK-Ideologie. Die PKK ist in der Lage, zumindest punktuell Gewalt auch in Deutschland einzusetzen, sofern dies aus ihrer Sicht geboten scheint (vgl. ebenda, S. 249).
25
Es liegen auch tatsächliche Anhaltspunkte vor, die die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen der PKK unterstützt hat.
26
Als Unterstützung ist bereits jede eigene Handlung anzusehen, die für Bestrebungen i.S. des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist; dazu zählen etwa die öffentliche oder nicht-öffentliche Befürwortung von Bestrebungen im Sinne dieser Vorschrift, die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele (BayVGH, U.v. 24.04.2013 – 5 BV 11.3036 – BeckRS 2013, 51521 m.w.N.). Dass der Einbürgerungsbewerber sicherheitsrelevante Bestrebungen in diesem Sinne unterstützt, muss nicht mit dem üblichen Grad der Gewissheit festgestellt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr ein tatsachengestützter hinreichender Tatverdacht. Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers angesichts der Nachweisprobleme gegenüber vielfach verkappt agierenden Aktivisten durch Senkung der Nachweisschwelle die Einbürgerung von PKK-Aktivisten oder radikalen Islamisten auch dann verhindert werden, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können (BT-Drs. 14/533, S. 18 f.). Dazu bedarf es einer wertenden Betrachtungsweise, bei der auch den Ausländern zustehende Grundrechte zu berücksichtigen sind; andererseits können grundsätzlich auch legale Betätigungen herangezogen werden. Mit § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG wird der Sicherheitsschutz im Einbürgerungsrecht mithin vorverlagert in Handlungsbereiche, die strafrechtlich noch nicht beachtlich sind und für sich betrachtet auch noch keine unmittelbare Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen (BayVGH, a.a.O.).
27
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Annahme gerechtfertigt, dass der Kläger die PKK in der Vergangenheit unterstützt hat. Dies ergibt sich zunächst bereits aus seinen eigenen Einlassungen im verwaltungs- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
28
Darüber hinaus geht aus dem Urteil des Oberlandesgerichts S* … vom … … 2000 hervor, dass der Kläger sich spätestens seit September 1996 bis zu seiner Festnahme am 4. Februar 1999 aktiv als Mitglied des „Heimatbüros“ der PKK betätigt und seine gesamte Arbeitskraft zur Erfüllung der Aufgaben des „Heimatbüros“ entsprechend den Vorgaben der Europaführung der PKK eingebracht hat. Dabei verwendete er einen Decknamen und war als Mitarbeiter des „Heimatbüros“ wesentlicher Teil der diese Organisation tragenden personellen Struktur. Neben seinen Tätigkeiten für die „legalen“ Angelegenheiten des „Heimatbüros“ erfüllte der Kläger als dessen Mitglied auch den Auftrag, aus den Regionen in ganz Deutschland Pässe anzufordern, entgegenzunehmen und so zu verfälschen, dass Kader der PKK im Interesse von deren Europaführung innerhalb Europas und des Nahen Ostens ungehindert reisen konnten. In Erfüllung dieser Aufgabe arbeitete der Kläger in Abstimmung mit der Europaführung der PKK mit den einzelnen Regions- und zahlreichen Gebietsverantwortlichen der PKK in Deutschland zusammen. Um seine illegalen Tätigkeiten zu verschleiern, verwendete der Kläger Mobiltelefone, der er regelmäßig nach vergleichsweise kurzer Zeit wechselte. Zur Tarnung traten dabei gegenüber den jeweiligen Netzbetreibern unverdächtige PKK-Anhänger als Vertragspartner auf. Er bediente sich mehrerer unterschiedlicher Kontakt- bzw. Sendeadressen. In diesen Wohnungen hielt er sich zeitweise auf und traf sich mit anderen für die „Heimatarbeit“ tätigen Personen. Dorthin ließen sie aber auch Sendungen mit Pässen oder anderen für das „Heimatbüro“ wichtigen Unterlagen schicken und holten sie anschließend von dort ab. Wiederholt setzte er zum Transport von Pässen und schriftlichen Dokumenten Kuriere ein. Während seiner Zugehörigkeit zum „Heimatbüro“ verfälschte der Kläger eigenhändig Pässe. Als er am 4. Februar 1999 festgenommen wurde, führte der Kläger zahlreiche Passbilder verschiedener Personen und Gegenstände mit sich, die dazu bestimmt waren, Pässe zu verfälschen. All diese Tätigkeiten führte der Kläger aus, um die Organisation des „Heimatbüros“ von innen her zu stärken. Bereits bei Aufnahme seiner Tätigkeit für das „Heimatbüro“ wusste der Kläger, dass dessen Mitglieder schon bisher regelmäßig Urkundenfälschungen geplant und ausgeführt hatten, und dass auch in Zukunft während ihrer Tätigkeit für das „Heimatbüro“ wiederholt Pässe gefälscht werden sollten, um PKK-Kadern das Reisen im Interesse der Partei zu erleichtern. Er billigte diese Straftaten als Mittel der PKK-Führung, ihre Ziele durchzusetzen. Wie der Kläger wusste, ermöglichte er durch diese Urkundenfälschungen auch immer wieder einzelnen Personen, nach Deutschland einzureisen, obwohl sie nicht die hierfür erforderliche Aufenthaltsberechtigung besaßen. Solche Hilfe zur illegalen Einreise war zwar nicht das vom Kläger primär verfolgte Ziel seiner Aktivitäten. Er billigte diesen Erfolg jedoch, da er der kurdischen Sache im Sinne der PKK diente.
29
Mit diesen Feststellungen aus dem rechtskräftigen Urteil des OLG S* … vom … … 2000 liegen tatsächliche Anhaltspunkte vor, die die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger über einen mehrjährigen Zeitraum und in erheblichem – auch strafrechtlich relevanten Umfang – Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind.
30
Die aus dem Urteil des OLG S* … vom … … 2000 gewonnenen Erkenntnisse können im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens auch herangezogen werden. Der Ablauf der Tilgungsfrist gem. § 46 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz – BZRG) steht der Verwertung der Feststellungen aus dem Urteil im Einbürgerungsverfahren des Klägers nicht entgegen. Zwar sieht § 52 BZRG keine generelle Ausnahme für Einbürgerungsverfahren vor. Jedoch liegt im konkreten Fall ein Ausnahmetatbestand gem. § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG vor. Gem. § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG darf eine frühere Tat abweichend von § 51 Abs. 1 BZRG berücksichtigt werden, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder eine Ausnahme zwingend gebietet. Die Ausnahmevorschrift ist restriktiv auszulegen (vgl. Bücherl in: Graf, BeckOK StPO mit RiStBV und MiStra [Stand: 1.10.2023], BZRG, § 52 Rn.2). Der Wortlaut lässt eine generelle Ausklammerung vergangener Verfolgungs- und Unterstützungshandlungen i.S. des § 11 Satz 1 StAG aus dem Anwendungsbereich des Verwertungsverbots nicht zu (vgl. BVerwG, U.v. 20.3.2012 – 5 C 1/11 – NVwZ 2012, 1254/1255). Dies schließt jedoch eine an den Umständen des Einzelfalls orientierte Anwendung im Rahmen von § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG nicht aus. Vielmehr ist anhand des Normzwecks auszulegen, ob die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland eine Berücksichtigung der früheren Tat im Einbürgerungsverfahren gebietet. Da sich die im Urteil vom … … 2000 verfahrensgegenständlichen Taten auf herausgehobene Unterstützungshandlungen zugunsten der PKK beziehen, die die enge organisatorische Einbindung des Klägers in Kernstrukturen der PKK auf Bundes- und Europaebene offenlegen, ist deren Berücksichtigung im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens vorliegend tatsächlich sicherheitsrelevant i.S.v. § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die PKK auch seitens der EU seit 2002 als Terrororganisation gelistet ist und somit nicht nur die Auswirkungen einer Einbürgerung des Klägers auf Deutschland, sondern auch auf die Europäische Union und den gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts relevant sind. Dies ist bezogen auf die am … … 2000 abgeurteilten Unterstützungshandlungen des Klägers insbesondere deshalb von besonderer Bedeutung, weil der Kläger mit seiner Arbeit im „Heimatbüro“ der PKK in herausgehobener Weise dazu beigetragen hat, dass Kader der PKK im Interesse von deren Europaführung mit falschen Identitäten nach Europa einreisen und sich dort grenzüberschreitend bewegen konnten. Diese europäische Dimension fällt ungeachtet der Tatsache ins Gewicht, dass die PKK zum Zeitpunkt der Tatbegehung noch nicht EUweit als Terrororganisation gelistet war. Dies ist nämlich allein der Tatsache geschuldet, dass eine solche europaweite Liste erst im Nachgang zu den Anschlägen vom 11. September 2001 im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik eingeführt wurde. Laut Verfassungsschutzbericht des Bundesinnenministeriums für das Jahr 2022 verfügte die PKK auch in den vergangenen Jahren in Deutschland konstant über ein Personenpotential von 14.500 und ist damit auch aktuell die mitgliederstärkste und schlagkräftigste Organisation im auslandsbezogenen Extremismus in Deutschland (ebenda, S. 238 und 248). Auch EUROPOL stuft die PKK als in den meisten EU-Mitgliedstaaten nach wie vor sehr aktiv ein (vgl. European Union Agency for Law Enforcement Cooperation, EUROPOL – European Union Terrorism Situation and Trend Report 2023 – TE-SAT 2023, S. 65). Sie erzielte mit ihrer Jahresspendenkampagne allein in Deutschland geschätzt zwischen 16 und 17 Millionen Euro und erreichte damit in etwa wieder das hohe Vorjahresniveau (vgl. Verfassungsschutzbericht 2022, S. 240), wobei die in Deutschland durchgeführte Spendenkampagne Teil einer europaweit koordinierten Aktion ist (vgl. EUROPOL, TE-SAT 2023, S. 21). Die Finanzierung der PKK speist sich zudem auch aus illegalen Quellen einschließlich internationalem Drogen- und Menschenhandel (vgl. EUROPOL, S. 68). Die PKK ist sowohl in Deutschland als auch in Europa eng mit der linksextremistischen Szene vernetzt (vgl. Verfassungsschutzbericht 2022, S. 165 bzw. EUROPOL, TE-SAT 2023, S. 64 f.). Ihre wesentlichen Betätigungsfelder sind hierzulande (vgl. Verfassungsschutzbericht 2022, S. 241) sowie europaweit (vgl. EUROPOL, TE-SAT, S. 63) vor allem die logistische und finanzielle Unterstützung der Gesamtorganisation, die Rekrutierung neuer Anhängerinnen und Anhänger sowie die Durchführung zahlreicher Kundgebungen und Großveranstaltungen zur Propaganda in eigener Sache. Mit der Wiederaufnahme von öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen zeigt die PKK, dass sie willens und in der Lage ist, ihre Anhängerschaft in hohem Maße zu mobilisieren und auch darüber hinaus Personen für ihre Anliegen anzusprechen. Zudem gelingt es der PKK auch weiterhin, in Deutschland lebende Personen, dabei vor allem junge Menschen, für die Ausreise zum bewaffneten Kampf in den kurdischen Siedlungsgebieten zu rekrutieren. Insbesondere die politischen und militärischen Entwicklungen in der Türkei, im Nordirak und in Nordsyrien führen regelmäßig zu einer deutlichen Emotionalisierung der PKK-Anhängerschaft in Deutschland, die sich auch auf die Sicherheitslage in Deutschland auswirken kann. Permanentes Konfliktpotenzial bieten die zahlreichen im Bundesgebiet durchgeführten Kundgebungen der PKK, bei denen es auch 2022 zu versammlungstypischen Straftaten, Angriffen auf die Polizei und zu Konfrontationen zwischen PKK-Anhängern und türkischen Nationalisten beziehungsweise türkischen Rechtsextremisten kam. Bei solchen Auseinandersetzungen zeigt sich teilweise eine Gefährdungsdimension, in der schwere Körperverletzungen bis hin zu tödlichen Folgen nicht auszuschließen sind. Daneben besteht in Deutschland nach wie vor auch die Gefahr militanter Aktionen gegen (halb) staatliche Einrichtungen der Türkei, wie zum Beispiel Sachbeschädigungen oder Brandstiftungen gegen türkische Konsulate oder staatlich gelenkte türkisch-islamische Vereine. Wenngleich in Europa weiterhin friedliche Veranstaltungen und Aktivitäten im Vordergrund stehen, bleibt Gewalt eine strategische Option der PKK-Ideologie. Die PKK ist in der Lage, zumindest punktuell Gewalt auch in Deutschland einzusetzen, sofern dies aus ihrer Sicht geboten scheint. Darüber hinaus werden Straf- und Gewalttaten ihrer jugendlichen Anhängerschaft zumindest geduldet (vgl. insgesamt: Verfassungsschutzbericht 2022, S. 236 ff.). Soweit Personen mit EU Staatsangehörigkeit oder Daueraufenthaltsrechten als Kämpfer in die Konfliktgebiete nach Syrien oder den Irak ausgereist sind, ist ihre Reise oft von der PKK-Hauptorganisation erleichtert worden. Auch die Rückkehr von PKK-Mitgliedern nach Europa wird durch die PKK-Strukturen ermöglicht (vgl. EUROPOL, TE-SAT 2023, S. 68). Mithin gehören gerade solche Unterstützungshandlungen, wie sie mit der sich über mehrere Jahre erstreckenden Schleusertätigkeit des Klägers im Urteil vom … … 2000 verfahrensgegenständlich waren, auch aktuell europaweit zum Kernbereich der PKK-Aktivitäten. Aus diesem Grund sind die Erkenntnisse aus dem Urteil vom … … 2000 auch nach Ablauf der Tilgungsfrist sicherheitsrelevant i.S.v. § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG, so dass sie auch im verfahrensgegenständlichen Einbürgerungsverfahren im Rahmen von § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG herangezogen werden können.
31
Ob dies im gleichen Maße für die mit Urteil des Amtsgerichts G* …-G* … vom … … 1995 abgeurteilte Tat gilt, kann offenbleiben. Denn auch ohne Berücksichtigung dieses Urteils liegen jedenfalls mit den Feststellungen im Urteil des OLG S* … vom … … 2000 hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger in der Vergangenheit die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der PKK über einen mehrjährigen Zeitraum in erheblichem – auch strafrechtlich relevantem – Umfang unterstützt hat.
32
Hinreichende Anhaltspunkte für eine Unterstützung der PKK durch den Kläger lägen im Übrigen selbst dann vor, wenn man beide strafrechtlichen Entscheidungen im Hinblick auf das Verstreichen der Tilgungsfrist des § 46 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 BZRG außer Betracht ließe. Denn auch unter diesen Umständen finden sich neben dem klägerischen Vortrag selbst genügend verwertbare Anhaltspunkte für solche Unterstützungsleistungen in den beigezogenen Ausländerakten. So ist der Ausländerakte (Band I, Bl. 67 f. in Verbindung mit Band II, Bl. 43-46) zu entnehmen, dass sich am … … 1994 in der Wohnung des Klägers an der Wand des Kinderzimmers ein roter, fünfzackiger Stern auf gelbem Untergrund mit schwarzer Umrandung und rotem Hintergrund, mithin ein typisches PKK-Symbol, befand. Bei einer Durchsuchung am … … 1994 wurden zudem im Kinderzimmer Plakate von der PKK-Führungsfigur A* … Ö* … sowie von Kämpfern mit entsprechenden Fahnen sichergestellt. Zudem wurden ein weiteres Plakat der ERNK, eine Quittung der ERNK sowie verschiedene PKKassoziierte Flugblätter beschlagnahmt. Da es sich bei der ERNK, der „Nationalen Befreiungsfront Kurdistans“, um eine ebenfalls seit 22. November 1993 verbotene Teilorganisation der PKK handelt (vgl. BAnz. 1993, S. 10313), lassen sich aus den am … … 1994 in der Wohnung des Klägers sichergestellten Gegenständen belastbare Rückschlüsse auf seine bereits zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verbindungen zur PKK ziehen. Dem steht auch der Ablauf der Tilgungsfrist des Urteils des Amtsgerichts G* …-G* … vom … … 1995 nicht entgegen, da in diesem Urteil weder die Zugehörigkeit des Klägers zur PKK noch die Verbreitung oder Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole gem. § 86 StGB bzw. § 86a StGB Verfahrensgegenstand waren. Diesbezügliche Ermittlungen gegen den Kläger sind ebenso wenig in das Urteil des Amtsgerichts G* …-G* … eingeflossen wie die Tatsache, dass die Autobahnblockade vom … … 1994 nach polizeilichen Erkenntnissen von der PKK inszeniert wurde (vgl. Ausländerakte, Band I, Bl. 99). Da die Beziehung des Klägers zur PKK in den Jahren 1994 bis September 1996 nicht Gegenstand eines gegen den Kläger gerichteten Strafurteils waren, unterliegen die diesbezüglich gewonnenen Erkenntnisse schon tatbestandlich nicht dem Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG (vgl. grundsätzlich: BVerwG, U.v. 20.3.2012 – 5 C 1.11 – BVerwGE, 142, 132, Rn. 41).
33
Ebenfalls nicht im strafrechtlichen Sinne zu der mit Urteil vom … … 1995 abgeurteilten Tat gehört die Tatsache, dass sich der Kläger nach den in den Ausländerakten befindlichen übereinstimmenden polizeilichen Berichten vom … … 1994 selbst mit Benzin übergossen und durch das Gestikulieren mit einem Feuerzeug in der Öffentlichkeit zu verstehen gegeben hatte, dass er bereit sei, sich selbst anzuzünden (vgl. Band I, Bl. 100-104, Band II, Bl. 4-28). Soweit die Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung auf widersprüchliche Zeugenangaben bezüglich der Frage des Benzinübergießens und der „Selbstentzündung“ hinwies, vermag das erkennende Gericht den in den beigezogenen Behördenakten enthaltenen Berichten solche Widersprüche lediglich bezüglich der Frage zu entnehmen, ob der Kläger sich bei der Autobahnblockade am … … 1994 tatsächlich selbst entzündet hat, oder ob er letztendlich von einem anderen Teilnehmer der Autobahnblockade angezündet wurde. Zweifel bezüglich der Tatsache, dass der Kläger sich selbst mit Benzin übergossen und mittels eines Feuerzeugs die Selbstentzündung „angedroht“ hatte, sind den in der Ausländerakte dokumentierten Zeugenaussagen nicht zu entnehmen. Das Amtsgericht G* …-G* … ging im Urteil vom … … 1995 zwar von einer solchen Selbstentzündung aus, sah zwischen den daraus resultierenden Verbrennungen des Klägers und der abgeurteilten Straftat jedoch keinen unmittelbaren Zusammenhang, da die „Selbstentzündung“ gerade nicht als Straftat geahndet wurde. Mithin sind auch die diesbezüglichen Erkenntnisse nicht vom Verwertungsverbot des § 46 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 BZRG umfasst. Die durch das Übergießen mit Benzin demonstrierte Bereitschaft des Klägers zur Selbstverbrennung im Kontext einer von der PKK initiierten Demonstration stellt damit einen weiteren Anhaltspunkt für eine Unterstützung der PKK durch den Kläger dar. Dabei kann offenbleiben, ob der Kläger sich letztendlich selbst entzündete, oder – wie von ihm später vorgetragen – von einer unbekannten dritten Person angezündet wurde. Auch im letzteren Fall wurde die Situation, bei der der Kläger vor laufenden Kameras auf einer von der PKK organisierten Autobahnblockade als potentieller „Märtyrer“ in Szene gesetzt wurde, vom Kläger bewusst und willentlich selbst herbeigeführt. Soweit er sich in der mündlichen Verhandlung dahingehend eingelassen hat, dass die Situation auf der Autobahn „fremd“ für ihn gewesen sei und er gar nicht gewusst habe, worauf er sich eingelassen habe, sprechen sowohl die in seiner Wohnung gefundenen PKK-Devotionalien als auch die in den Polizeiberichten geschilderte Rolle des Klägers als Wortführer und Koordinator bei der Blockade gegen diese von ihm im Einbürgerungsverfahren vorgetragene Darstellung, zumal er – wie von der Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen – davon ausgeht, dass seine Verurteilung zu Recht ergangen sei. Damit bestätigt er letztlich auch, dass er Benzin auf einen Polizeibeamten gespritzt hatte. Das aktive Selbstübergießen mit Benzin und die in der Öffentlichkeit demonstrierte Bereitschaft zur Selbstverbrennung lassen sich schwerlich mit den Einlassungen des Klägers im Einbürgerungsverfahren übereinbringen, wonach er nur aufgrund seiner Gutgläubigkeit zur falschen Zeit am falschen Ort gelandet sei. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass gerade im Frühjahr 1994 die Inszenierung solcher Selbstverbrennungen kein vereinzeltes Phänomen darstellte, sondern auch in der medialen Öffentlichkeit als konzertiere und von der PKK organisierte Aktion wahrgenommen wurde (vgl. „Organisierte Selbstverbrennung bei der PKK – Panorama berichtet über Selbstverbrennungen von kurdischen Frauen und Männern in der BRD im Freiheitskampf der PKK“, 31.3.1994 – abrufbar unter: https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/1994/-,panorama11476.html).
34
Weiterhin kann als Anhaltspunkt für eine PKK-Unterstützung durch den Kläger herangezogen werden, dass er laut Strafanzeige vom … … 1994 (Ausländerakte, Band I, Bl. 114 f.) am 18. August 1994 gegen 18.30 Uhr an der Hauptwache in F* … … an einer Mahnwache teilgenommen und dabei mittels eines selbstgefertigten Hemdes mit der Aufschrift „… … …“ (übersetzt: … … … … … * … … … …*) für die PKK geworben hatte. Damit trat er nicht einmal fünf Monate nach den bei der Autobahnblockade erlittenen schweren Verbrennungen erneut als Aktivist für die PKK in der Öffentlichkeit auf.
35
In einer Gesamtschau der aufgeführten Umstände ist die Annahme gerechtfertigt, dass der Kläger in der Vergangenheit über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg in enormem Umfang Unterstützung für die PKK geleistet hat und damit Bestrebungen unterstützt hat, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind. Mithin liegen die Voraussetzungen für einen Ausschluss von der Einbürgerung gem. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vor.
36
Der Kläger konnte auch nicht glaubhaft machen, dass er sich von der früheren Verfolgung und Unterstützung derartiger Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG a.E. abgewandt hat.
37
Glaubhaftmachung bedeutet dabei ein herabgesetztes Beweismaß, weshalb der Kläger nicht den vollen Beweis zu erbringen hat, dass er sich von jeglicher Unterstützung der PKK losgesagt hat. Dabei ist eine Gesamtschau der für und gegen die Abwendung sprechenden Faktoren vorzunehmen. Allein der Umstand, dass die Unterstützungshandlungen schon mehrere Jahre zurückliegen, genügt jedoch nicht. Ein Abwenden besteht nicht nur in einem bloß äußeren, zeitweiligen oder situationsbedingten Unterlassen, sondern verweist zusätzlich auf einen – schwer überprüf- oder nachweisbaren – inneren Vorgang, der sich auf die inneren Gründe für die Handlungen bezieht und nachvollziehbar werden lässt, dass die Gründe für die vormalige Verfolgung/Unterstützung so nachhaltig entfallen sind, dass mit hinreichender Gewissheit zukünftig die Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen – auch in Ansehung der durch die Einbürgerung erworbenen gesicherteren Rechtsposition – auszuschließen ist (vgl. Berlit, GK-StAR [Stand: 1.6.2023], § 11 StAG Rn. 152). Notwendig ist somit ein individueller oder mitgetragen kollektiver Lernprozess (Kluth in: Kluth/Heusch, Beck OK Ausländerrecht [Stand: 1.1.2023], StAG, § 11 Rn. 7 m.w.N.). Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert hat und daher künftig eine Verfolgung und Unterstützung von Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung durch ihn auszuschließen ist. Dabei muss der Ausländer in jedem Fall einräumen oder zumindest nicht bestreiten, in der Vergangenheit eine Bestrebung i.S. des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt zu haben (vgl. BVerwG, U. v. 20.3.2012 – 5 C 1/11 – juris).
38
Gemessen an diesem Maßstab vermochte der Kläger eine Abwendung von seinen früheren Unterstützungshandlungen weder im verwaltungs- noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren glaubhaft zu machen.
39
Seine nunmehr über Jahrzehnte stabile familiäre und berufliche Integration in Deutschland stellen zwar gewichtige Anhaltspunkte für eine Distanzierung von der PKK dar, vermögen diese allein jedoch ebenso wenig wie der lange Zeitraum seit seiner letzten aktiven Unterstützungshandlung zu begründen. Denn es fehlt an der zusätzlich notwendigen Glaubhaftmachung einer damit verbundenen inneren Haltungsänderung.
40
Dem steht nicht entgegen, dass dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz keine Erkenntnisse vorliegen, die über den Stand des Verfahrens hinausgingen. Das erkennende Gericht verkennt dabei nicht, dass der Kläger seit seiner Haftentlassung im Jahr 2000 weder in strafrechtlichem noch in sonstigem Zusammenhang mit der PKK aufgefallen ist. Auch unterstellt es die Einlassungen des Klägers als wahr, dass er sich seitdem weder kulturell, noch religiös, sozial oder finanziell in kurdischen Vereinen oder Verbänden engagiert hat. Dieser lange Zeitraum seit den aktenkundigen Unterstützungshandlungen spricht zwar ebenso für ein Abwenden, wie es sein kooperatives Verhalten während des Strafverfahrens beim OLG S* … tut. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass der Kläger als Funktionär für das „Heimatbüro“ an herausgehobener organisatorischer Stelle über Jahre hinweg in die streng hierarchische Kaderstruktur der PKK eingebunden war. Laut Verfassungsschutzbericht 2022 ist die Tätigkeit solcher PKK-Funktionäre in aller Regel zeitlich begrenzt (ebenda, S. 242). Mithin entspricht das Ausscheiden aus einer Kaderfunktion verbunden mit der Rückkehr in ein „ziviles Leben“ dem regulären Werdegang eines PKK-Funktionärs und muss nicht zwangsläufig mit einer inneren Abkehr von deren Ideologie verbunden sein. Hinzu kommt, dass das Ausscheiden aus dem PKK-Kader im Fall des Klägers gerade nicht auf einer willentlichen Entscheidung des Klägers selbst beruhte, sondern durch seine Festnahme und anschließende Inhaftierung herbeigeführt wurde. Da seine Alias-Identität und seine Funktionärstätigkeit durch das Strafverfahren beim OLG S* … aufgedeckt worden waren, dürfte er zudem auch für die PKK langfristig an strategischem Wert verloren haben, weil ein Wiederanknüpfen an seine frühere konspirative Tätigkeit damit hochgradig risikobehaftet gewesen wäre. Denn die PKK musste damit rechnen, dass der Kläger auch nach seiner Haftentlassung für eine gewisse Zeit im Fokus der deutschen Sicherheitsbehörden stehen würde. Mithin kann aus dem bloßen Unterlassen weiterer Unterstützungshandlungen nicht bereits auf eine innere Abkehr geschlossen werden. Sie kann ebenso gut auch einer einvernehmlich mit den verbleibenden PKK-Kadern vereinbarten Risikovermeidungsstrategie entspringen.
41
Soweit sich der Kläger sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in der mündlichen Verhandlung bei Gericht mehrfach dahingehend eingelassen hatte, dass er Fehler gemacht habe und sich nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis von allem „Politischen“ distanziert habe, vermochte das Gericht darin nicht den für ein Abwenden gem. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG notwendigen individuellen Lernprozess zu erkennen. Die auffällig abstrakten Formulierungen „Fehler gemacht“, „falscher Weg“, „Er habe eingesehen, dass er Teil einer kriminellen Organisation gewesen sei.“ stehen nämlich in auffälligem Kontrast zu den wortreichen und detaillierten Schilderungen, mit denen der Kläger seine früheren Unterstützungshandlungen und seine eigene Verantwortung dafür zu relativieren versuchte, indem er beispielsweise angab, dass er die Zusammenhänge am Anfang nicht erkannt habe, er nicht um die Zugehörigkeit seines Folkore-Lehrers zur PKK gewusst habe, oder davon ausgegangen sei, dass er statt zu einer Autobahnblockade zu einer genehmigten Demonstration mitgenommen werde. Seine entsprechenden Einlassungen stehen dabei größtenteils nicht im Einklang mit den sich aus der Ausländerakte ergebenden Tatsachen. So lassen sich seine Behauptung, er habe zum Zeitpunkt der Autobahnblockade keinen bewussten Kontakt zur PKK gehabt, kaum mit den am … … 1994 in der Wohnung des Klägers aufgefundenen PKK-Devotionalien vereinbaren. Auch die Darstellung, die Situation der Autobahnblockade sei für ihn „fremd“ gewesen, ist für das Gericht nicht glaubwürdig. Nach den einschlägigen Polizeiberichten kam dem Kläger bei der Agitation auf der Autobahn eine führende Rolle zu. Die Darstellung, er sei lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und sei gutgläubig den falschen Menschen gefolgt, ist mithin eine – bewusste oder unbewusste – Schutzbehauptung, die gegen eine echte Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und damit gegen den für ein Abwenden notwendigen inneren Lernprozess spricht.
42
Bemerkenswert ist zudem, dass die detailreiche chronologische Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung just an den Punkten abbrach, an denen es im engeren Sinne um die ihm zur Last gelegten Unterstützung der PKK ging. Dass dies allein auf die emotionale Belastung des Klägers zurückzuführen sein soll, ist schon deswegen unglaubwürdig, weil sich dieses Verhalten nicht nur auf die Rolle des Klägers bei der Autobahnblockade am … … 1994 bezog – die für den Kläger aufgrund der erlittenen Verbrennungen traumabehaftet sein mag –, sondern sich dieses Verhaltensmuster auch bei den Einlassungen zu seiner Schleusertätigkeit wiederholte. So schilderte er zwar wiederum wortreich und präzise seine missliche gesundheitliche Situation aufgrund der Verbrennungen und die daraus für ihn entstandenen wirtschaftlichen und sozialen Folgen, die ihn nach seiner Darstellung erst in die Arme der PKK getrieben hätten, auf die Nachfrage des Gerichts nach den „Kleinigkeiten“ mit denen er die PKK unterstützt habe, verwies er jedoch lediglich kurz angebunden auf das Urteil des OLG S* … vom … … 2000, ohne weitere Ausführungen dazu machen zu wollen. Soweit seine Bevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung bezüglich beider Verurteilungen betonte, der Kläger habe die gegen ihn ergangenen Strafurteile und seine strafrechtliche Verantwortung akzeptiert, deckt sich dies weder mit seinen Einlassungen bei der Sicherheitsbefragung am 1. Oktober 2020 noch findet es Widerhall in den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Diese waren im Wesentlichen darauf gerichtet, seinen Anteil bei der Unterstützung der PKK möglichst klein und harmlos aussehen zu lassen und das von ihm und seiner Familie in diesem Zusammenhang erlittene Leid in den Mittelpunkt zu stellen. So sei sein Motiv, nichts mehr mit der PKK zu tun haben zu wollen, dass sie ihm und seiner Familie mit den Verbrennungen und der Inhaftierung nur Leid gebracht habe. Eine Änderung seiner inneren Grundhaltung bezüglich der Ziele und Methoden der PKK ist darin jedoch – auch in Gesamtschau mit seinen geänderten äußeren Lebensumständen – nicht zu erkennen. Zwar betont der Kläger, dass er nach der Haftentlassung mit der Eheschließung und der Arbeitsaufnahme die bewusste Entscheidung getroffen habe, in Deutschland zu leben. Jedoch hatte ihn weder die Geburt seines Sohnes 1992 noch die bereits damals vorhandene Beziehung zu seiner späteren Ehefrau und deren Familie oder seine berufliche Integration in den 90er Jahren von der Hinwendung zur PKK abgehalten. Aus seinen äußeren Lebensumständen allein kann mithin kein hinreichend glaubhafter Schluss auf eine innere Abkehr von den Zielen und Methoden der PKK gezogen werden.
43
Es verbleibt mithin beim Verbot der Einbürgerung gem. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
44
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit dieser Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.