Titel:
Voraussetzungen einer Kindesnamensänderung
Normenketten:
NamÄndG § 3
GG Art. 6 Abs. 2
NamÄndVwV Nr. 10
Leitsätze:
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein wichtiger Grund die Namensänderung rechtfertigt, ist in Fällen, in denen die namensrechtliche Zuordnung eines Kindes zu dem einen oder dem anderen Elternteil betroffen ist, der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, mithin der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein wichtiger Grund für die Namensänderung ist vorliegend nur anzunehmen, wenn diese für das Kind erforderlich ist und andere zu berücksichtigende Interessen nicht überwiegen. Die Erforderlichkeit der Namensänderung ist gegeben, wenn das Wohl des Kindes die Änderung des Familiennamens auch bei angemessener Berücksichtigung der für die Beibehaltung des bisherigen Namens sprechenden Gründe gebietet; dafür müssen mit dem bisherigen Namen so schwerwiegende Nachteile verbunden sein oder die Namensänderung für das Kind solche erheblichen Vorteile mit sich bringen, dass verständigerweise die Aufrechterhaltung des Namensbandes zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil nicht zumutbar erscheint. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Drittanfechtungsklage, Änderung des Familiennamens eines Kindes, Namensrechtliche Zuordnung zu einem Elternteil, Klage des nicht mehr sorgeberechtigten Vaters, versuchter Mord zum Nachteil des Kindes, wichtiger Grund, bejaht, Namensänderung, Familienname, Drittanfechtung, Mord, Versuch, schwerwiegende Nachteile, Namensband
Fundstelle:
BeckRS 2023, 37679
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Änderung des Familiennamens seines Sohnes, des Beigeladenen.
2
1. Der Beigeladene ist das 21. Dezember 2021 geborene gemeinsame Kind des Klägers und der Mutter des Beigeladenen. Sein Vorname ist phonetisch gleich zum Vornamen des Klägers und er trägt dessen Familiennamen.
3
Bei einem Vorfall am 25. Oktober 2022 erlitt der Beigeladene einen Bruch des rechtsseitigen Scheitelbeins von der Pfeilnaht zur Lambdanaht ziehend, einen Bruch des linksseitigen Scheitelbeines mit Beteiligung des Felsenbeines und ohne Anschluss an die Schädelnähte, jeweils mit deutlich korrespondierenden Weichteileinblutungen der Kopfschwarte, sowie eine Bruchlinie des Stirnbeins im Bereich des linken Augenhöhlendaches mit Ausbildung eines deutlichen Lidhämatoms linksseitig. In der Folge entstanden eine linksseitige Einblutung unter die harte Hirnhaut mit diskreter Mittellinienverlagerung nach rechts, eine Einblutung zwischen die Schädelbasis und die harte Hirnhaut, eine geringe Einblutung unter die weiche Hirnhaut links im Bereich des oberen Stirnlappens sowie mehrere punktförmige, als Scherverletzungen zu wertende Einblutungen beidseitig im Bereich des Großhirns sowie eine subakute metaphysäre Tibiafraktur.
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Der Kläger wurde aufgrund des Vorfalls zum Nachteil des Beigeladenen zunächst am 25. Oktober 2022 vorläufig festgenommen und am 26. Oktober 2022 erließ das Amtsgericht A* … einen Untersuchungshaftbefehl.
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Mit Beschluss des Amtsgerichts A* … – Familiengericht vom 8. November 2022 (Az.: * * …*) wurde dem Kläger die elterliche Sorge für den Beigeladenen vorläufig entzogen.
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Am 14. November 2022 beantragte die Mutter des Beigeladenen für diesen die Änderung seines Familiennamens von „O* …“ in „H* …“, ihren Familiennamen.
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Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Der Kläger habe den Beigeladenen und gemeinsamen Sohn am 25. Oktober 2022 mit der Absicht ihn umzubringen mehrfach auf den Boden geworfen und ihm dabei lebensgefährliche Verletzungen zugeführt. Der Kläger habe dem Beigeladenen bei der Geburt seinen Namen gegeben. Auf Grund der genannten Umstände solle der Beigeladene nicht mehr wie der Kläger heißen.
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Mit Schreiben vom 7. Dezember 2022 nahm das Jugendamt der Beklagten zum Antrag auf Änderung des Nachnamens des Beigeladenen Stellung und führte aus, dass für die Unversehrtheit und das Kindeswohl des Beigeladenen die Namensänderung nach Einschätzung des Jugendamtes erforderlich sei. Die Familie sei stark durch die Vorgeschichte mit dem Kläger belastet. Die Mutter wolle durch die Namensänderung zum Ausdruck bringen, dass der Kläger nach dem Tötungsversuch nicht mehr in das Leben des Beigeladenen gehöre. Die bedrückende Situation und das durch den Kläger herbeigeführte Trauma stellten eine emotionale Kindeswohlgefährdung für den Beigeladenen dar.
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Mit Bescheid vom 29. Dezember 2022 änderte die S* … A* … den Familiennamen des Beigeladenen von „O* …“ in „H* …“ ab (Nr. 1 des Bescheides). Die Kosten des Verfahrens wurden der Mutter des Beigeladenen auferlegt (Nr. 2) und eine Gebühr in Höhe von 50,00 EUR festgesetzt (Nr. 3).
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Nach § 11 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (Namensänderungsgesetz – NamÄndG) dürfe ein Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund vorliege. Das Namensrecht sei grundsätzlich im bürgerlichen Recht umfassend und abschließend geregelt. Die öffentlich-rechtliche Namensänderung diene nur dazu Unzuträglichkeiten im Einzelfall zu beseitigen. Gemäß Nr. 28 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift um Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndVwV) liege ein wichtiger Grund für eine Namensänderung dann vor, wenn das schutzwürdige Interesse des Antragstellers an der Namensänderung gegenüber den etwa entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen anderer Beteiligter (Nr. 29 NamÄndVwV) und den in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck kommenden Grundsätzen der Namensführung, zu denen auch die soziale Ordnungsfunktion des Namens und das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des überkommenen Namens gehöre, überwiege. Die vorgetragenen Gründe, dass durch den Vorfall vom 25. Oktober 2022 eine Beibehaltung des Familiennamens des Klägers eine permanente Belastung für den Beigeladenen darstellen würde, spätestens, wenn dieser in der Lage sei, die Geschehnisse einzuordnen, seien schlüssig und nachvollziehbar. Das Jugendamt habe in seiner Stellungnahme betont, dass die Namensänderung für das Kindeswohl des Beigeladenen erforderlich sei. Insgesamt sei festzuhalten, dass die Gründe für eine Änderung des Familiennamens die öffentlichen Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Namens überwögen. Es lägen wichtige Gründe für eine Namensänderung zum Wohle des Beigeladenen vor.
11
Dem Kläger wurde eine Abschrift des Bescheides mittels Postzustellungsurkunde am 7. Januar 2023 zugestellt.
12
Der Kläger nahm mit Schreiben vom 15. Januar 2023 hierzu Stellung und führte im Wesentlichen aus: Er sei mit der Namensänderung nicht einverstanden. Die Mutter des Beigeladenen habe erhebliche Mitschuld an der Verletzung des Beigeladenen. Die Sache sei bis jetzt noch nicht vor Gericht aufgeklärt. Er sei gegen die Namensänderung und werde Rechtsmittel einlegen.
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2. Am 30. Januar 2023 ließ der Kläger durch seine damalige Bevollmächtigte Klage erheben und beantragen,
Der Bescheid der Beklagten vom 29. Dezember 2022, wonach der Familienname des Kindes E* … J* … O* … in „H* …“ geändert wird, wird aufgehoben.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Der Bescheid sei aufzuheben, da die Entscheidung Tatsachen schaffe, die unweigerlich dazu führten, dass die Verbindung des Beigeladenen zum Kläger getrennt werde, bevor das Verfahren gegen ihn beendet worden sei. Der Bescheid verletze den Kläger in seinen Rechten, da der Verlauf der Auseinandersetzung nicht abschließend geklärt sei. Eine öffentlich-rechtliche Namensänderung dürfe nur dazu dienen, Unzuträglichkeiten im Einzelfall zu beseitigen und eine Namensänderung müsse Ausnahmecharakter haben. Der „alte Name“ müsse dem Kind quasi nicht mehr zumutbar sein. Zum aktuellen Zeitpunkt sei das Verfahren zur Klärung der Vorkommnisse am 25. Oktober 2022 aber noch offen und es würden durch die Namensänderung vollendete Tatsachen geschaffen. Durch diese verliere der Beigeladene nicht nur den Bezug zum Kläger, sondern auch zu seinen Halbgeschwistern aus erster Ehe des Klägers. Der Kläger habe zudem keine Möglichkeit gehabt, sich im Verfahren ausreichend zu äußern.
15
Mit weiterem Schriftsatz vom 15. August 2023 führte der Kläger ergänzend aus: Der Nachname sei die Identität des Beigeladenen und seiner Geschwister. Dieser bleibe für immer sein Sohn, weshalb er auch seinen Namen tragen solle.
16
Die S* … A* … trat der Klage entgegen und führt zur Begründung der Klageerwiderung im Wesentlichen aus: Die Klage sei unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Änderung des Familiennamens finde ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 i.V.m. § 1 NamÄndG. Demnach dürfe der Familienname auf Antrag geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertige. Ein solcher liege hier vor, da die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden schutzwürdigen Belange auch im Hinblick auf schutzwürdige Interessen anderer Beteiligter ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen ergebe. Vorliegend werde schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass es aufgrund des Vorfalls vom 25. Oktober 2022 wichtig sei, den Bezug zwischen dem geführten Familiennamen und den traumatischen Vorkommnissen zu kappen. Es liege eine seelische Belastung für den Beigeladenen vor und es sei diesem nicht zumutbar, weiterhin den Nachnamen des Klägers zu tragen. Hinsichtlich der Beurteilung des Vorfalls sei die derzeitige Aktenlage zu Grunde zu legen. Der Kläger sei dringend verdächtig, die ihm von der Staatsanwaltschaft A* … zur Last gelegten Taten verübt zu haben. Zu diesem Schluss komme auch das Familiengericht in seinem Beschluss vom 8. November 2022, mit welchem dem Kläger die elterliche Sorge für den Beigeladenen vorläufig entzogen worden sei. Im Ergebnis überwiege daher das schutzwürdige Interesse des Beigeladenen an einer Namensänderung. Eine etwa unterbliebene Anhörung sei zudem jedenfalls nachgeholt worden, da der Kläger auf das Anschreiben vom 29. Dezember 2022 reagiert habe. Seine Ausführungen änderten jedoch nichts an den Erwägungen der Beklagten.
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Die Mutter des Beigeladenen nahm für diesen im Verfahren Stellung. Aufgrund der Schwere der Verletzungen und des Vorfalls sei klar, dass der Beigeladene zukünftig nicht den Namen des Klägers tragen könne. Dies sei ihm nicht zumutbar. Niemand wolle gerne heißen wie die Person, die versucht habe, ihn umzubringen. Durch die Namensänderung verliere er auch nicht den Bezug zu seinen Geschwistern, diese sähen sich weiterhin bei Geburtstagen. Im Übrigen sei der neue Name ein großer Teil der Identität des Beigeladenen geworden.
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3. Mit Beschluss vom 25. Juli 2023 lehnte die Kammer den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab.
19
Mit Urteil vom 1. August 2023 (Az.: … … … …*) verurteilte das Landgericht A* … den Kläger unter anderem wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen zum Nachteil des Beigeladenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und vier Monaten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
20
In der mündlichen Verhandlung am 29. November 2023 war der Kläger nicht erschienen.
21
Die Beklagte beantragte,
22
Die gesetzliche Vertreterin des Beigeladenen war anwesend und stellte keinen Antrag.
23
4. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich des Verfahrens W 6 K 23.118) sowie die beigezogene Behördenakte (einschließlich der Akte des Jugendamtes) und das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 29. November 2023 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Bei verständiger Würdigung (§ 88 VwGO) ist das klägerische Vorbringen dahingehend auszulegen, dass er die Aufhebung der Nr. 1 des Bescheides der S* … A* … vom 29. Dezember 2022, durch die der Familienname des Beigeladenen von „O* …“ in „H* …“ geändert wird, im Wege der hierfür statthaften Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO begehrt.
25
Die so verstandene Klage, über die nach § 102 Abs. 2 VwGO in Abwesenheit des Klägers verhandelt und entschieden werden konnte, ist zulässig aber unbegründet.
26
Der Bescheid der S* … A* … vom 29. Dezember 2022 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es liegt ein wichtiger Grund für die Namensänderung im Sinne von § 3 NamÄndG vor. Das Interesse des Beigeladenen an der Namensänderung überwiegt das klägerische und öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des bisherigen Familiennamens.
28
1. Über die Klage konnte nach § 102 Abs. 2 VwGO in Abwesenheit des Klägers verhandelt und entschieden werden.
29
Der inhaftierte Kläger wurde mittels Postzustellungsurkunde am 5. Oktober 2023 rechtzeitig zur Verhandlung am 29. November 2023 geladen. Die Ladung enthielt den Hinweis, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
30
Mit Beschluss vom 26. Oktober 2023 hat das Gericht die Verschubung und Vorführung des Klägers zur mündlichen Verhandlung angeordnet. Der Kläger hat mit Schreiben der JVA B* … vom 22. November 2023 mitteilen lassen, dass er ohne Anwalt nicht an der Verhandlung teilnehmen wolle.
31
Ein Antrag auf Terminverlegung wurde vom Kläger nicht gestellt. Dem anwaltlich nicht mehr vertretenen Kläger wurde auf entsprechende Anfragen hin mit gerichtlichen Schreiben vom 22. Mai 2023 und 26. Oktober 2023 mitgeteilt, dass eine anwaltliche Vertretung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht erforderlich (§ 67 Abs. 1 VwGO) und die Bestellung eines „Pflichtverteidigers“ nicht vorgesehen ist. Vor diesem Hintergrund oblag es dem Kläger, sich ggf. um anwaltliche Vertretung zu kümmern, sodass eine Terminverlegung auch nicht von Amts wegen erforderlich war.
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2. Die Klage ist zulässig.
33
Der Kläger kann insbesondere geltend machen, durch die Änderung des Familiennamens des Beigeladenen möglicherweise in seinen eigenen subjektiven Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO). Dem steht dabei nicht entgegen, dass dem Kläger mit Beschluss des Amtsgerichts A* … vom 8. November 2022 (Az.: * * …*) die elterliche Sorge für den Beigeladenen vorläufig entzogen wurde, denn jedenfalls eine Verletzung des Elternrechts des Klägers aus Art. 6 Abs. 2 GG durch die in Rede stehende Änderung des Familiennamens kann zumindest nicht von vorneherein ausgeschlossen werden (so auch: VG Ansbach, U.v. 3.2.2021 – AN 14 K 19.1598 – BeckRS 2021, 2470 Rn. 29 m.w.N.).
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3. Die Klage ist unbegründet.
35
Der Bescheid der S* … A* … vom 29. Dezember 2022 ist in dessen Nr. 1 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen eigenen subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
36
Rechtsgrundlage für die Änderung des Familiennamens des Beigeladenen ist § 3 Abs. 1 NamÄndG. Danach darf ein Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt.
37
Es ist unschädlich, dass die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid § 11 NamÄndG als Rechtsgrundlage für die Änderung des Familiennamens des Beigeladenen benannt hat, da der Bescheid auch mit Blick auf die zutreffende Rechtsgrundlage – § 3 Abs. 1 NamÄndG – ohne Wesensveränderung aufrechterhalten werden kann (vgl. hierzu: BVerwG, B.v. 29.7.2019 – 2 B 19/18 – juris Rn. 24 m.w.N.). § 11 NamÄndG bezieht sich nach seinem Wortlaut auf die Änderung von Vornamen. Durch den Verweis auf § 3 NamÄndG wird jedoch klar, dass insoweit gleichgelagerte Voraussetzungen, nämlich ein wichtiger, die Namensänderung rechtfertigender Grund, gegeben sein müssen. Es ist zudem aus der Begründung des Bescheides klar zu erkennen, dass die Beklagte sich mit den Voraussetzungen im Hinblick auf die Änderung des Familiennamens des Beigeladenen und den insoweit bestehenden Interessen auseinandergesetzt hat, was auch durch die Bezugnahme auf die Nrn. 29 und 30 NamÄndVwV, welche sich auf die Änderung von Familiennamen beziehen, belegt wird.
38
Der Bescheid ist formell rechtmäßig.
39
Zwar wurde der Kläger entgegen Nr. 10 NamÄndVwV nicht am Verfahren zur Namensänderung beteiligt. Der Verstoß gegen eine Verwaltungsvorschrift als bloßes Innenrecht führt jedoch nicht automatisch zur Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides. Ungeachtet der Frage, ob der Kläger, der im Verwaltungsverfahren zur Änderung des Familiennamens des Beigeladenen aufgrund der Tatsache, dass ihm die elterliche Sorge bereits mit Beschluss vom 8. November 2022 und damit vor der Stellung des Antrags auf Namensänderung am 14. November 2022 entzogen wurde, keine formale Beteiligtenstellung im Sinne von Art. 13 BayVwVfG innehatte, nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG vor Erlass des Bescheides hätte angehört werden müssen, ist ein solcher Mangel nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG jedenfalls geheilt. Der Kläger hatte mit Übersendung des Bescheides die Möglichkeit zur Stellungnahme, welche er mit Schreiben vom 15. Januar 2023 wahrgenommen hat. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 11. Juli 2023 zumindest knapp zum Ausdruck gebracht, dass sie die dortigen Ausführungen zur Kenntnis genommen hat und dennoch am streitgegenständlichen Bescheid festhält. Damit ist den Anforderungen an eine Heilung, sollte man diese nach obigen Ausführungen für erforderlich halten, genügt (Schemmer in BeckOK, VwVfG, 61. Edition, Stand: 1.10.2023, § 45 Rn. 42 f. m.w.N.).
40
Ein wichtiger Grund für die Änderung des Familiennamens des Beigeladenen im Sinne von § 3 Abs. 1 NamÄndG liegt vor.
41
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein wichtiger Grund die Namensänderung rechtfertigt, ist in Fällen, in denen wie hier die namensrechtliche Zuordnung eines Kindes zu dem einen oder dem anderen Elternteil betroffen ist, nach überzeugender Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 3.2.2022 – 5 BV 21.964 – juris Rn. 30; U.v. 6.6.2008 – 5 B 06.832 – juris Rn. 31) der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, mithin der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (a.A. für den Zeitpunkt des Bescheidserlasses: NdsOVG, B.v. 16.5.2023 – 11 LA 279/21 – juris Rn. 245 ff.; offen gelassen: BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris Rn. 41).
42
Damit wird ein Gleichlauf mit dem familiengerichtlichen Verfahren über die Einbenennng von Stiefkindern nach § 1618 Satz 4 BGB erreicht und der Rechtsbetroffenheit aller Beteiligten auch insoweit Rechnung getragen, als dass nachträgliche Sachverhaltsänderung erfasst werden. Für die Konstellation, dass die Eltern des Kindes, dessen Namen geändert werden soll, nicht verheiratet sind, kann nichts Anderes gelten, als für zunächst verheiratete Eltern, da die Interessenlage insoweit identisch ist (BayVGH, a.a.O., Rn. 32; OVG RhPf, U.v. 6.5.2019 – 7 A 10074/19 – juris Rn. 36; OVG NW, B.v. 4.6.2013 – 16 E 343/12 – juris Rn. 31). Zuletzt sprechen hierfür vor dem Hintergrund ggf. im Vergleich zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses nachträglich eintretender Sachverhaltsänderungen auch Erwägungen der Prozessökonomie, da so eine abschließende Sachentscheidung über den Streitgegenstand erlangt werden kann.
43
In der vorliegenden Konstellation ist ein wichtiger Grund für die Namensänderung nur anzunehmen, wenn diese für das Kind erforderlich ist und andere zu berücksichtigende Interessen nicht überwiegen. Die Erforderlichkeit der Namensänderung ist dann gegeben, wenn das Wohl des Kindes die Änderung des Familiennamens auch bei angemessener Berücksichtigung der für die Beibehaltung des bisherigen Namens sprechenden Gründe gebietet. Eine Namensänderung ist nicht schon dann gerechtfertigt, wenn sie nur dazu dienen soll, dem Kind mit der Namensverschiedenheit zum sorgeberechtigten Elternteil verbundene Unannehmlichkeiten zu ersparen, die ohnehin nur altersbedingt und damit vorübergehender Natur sind, die gedeihliche Entwicklung des Kindes aber nicht ernstlich beeinflussen. Vielmehr müssen mit dem bisherigen Namen so schwerwiegende Nachteile verbunden sein oder die Namensänderung für das Kind solche erheblichen Vorteile mit sich bringen, dass verständigerweise die Aufrechterhaltung des Namensbandes zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil nicht zumutbar erscheint.
44
Gemessen hieran liegt ein wichtiger Grund für die Änderung des Familiennamens des Beigeladenen von dem des Klägers in den Familiennamen der Mutter des Beigeladenen im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor.
45
Der Kläger wurde mit Urteil des Landgerichts A* … vom 1. August 2023 (Az.: … … … …*) unter anderem wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen zum Nachteil des Beigeladenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und vier Monaten verurteilt. Auch wenn dieses Urteil noch nicht rechtskräftig ist, ergibt sich aus den dort getroffenen Feststellungen zum Vorfall vom 25. Oktober 2022 (vgl. S. 33 ff. des Strafurteils) zur Überzeugung der Kammer hinreichend sicher, dass der Kläger dem Beigeladenen die unstreitig vorgelegenen schweren Verletzungen zugefügt hat. Auf die genaue strafrechtliche Einordnung der Tat oder Fragen der Strafzumessung kommt es für die Beurteilung des Vorliegens eines wichtigen Grundes für die Namensänderung nicht an.
46
Dazu ist es unabhängig von der Verurteilung des Klägers zu einer überregionalen Presseberichterstattung über den Vorfall und den Strafprozess gekommen (vgl. u.a.: https://www.bild.de/ … …://www.sueddeutsche.de/ … https://www.br.de/ … jeweils zuletzt abgerufen am 30.11.2023).
47
In einer Gesamtschau der genannten Aspekte ist es dem Beigeladenen zur Überzeugung der Kammer nicht zumutbar, zukünftig das Namensband zum Kläger beizubehalten, zumal der Familienname des Klägers im deutschen Sprachraum ungewöhnlich ist und insoweit eine erhöhte Möglichkeit der Identifikation gegeben ist. Die Namensänderung entspricht, wie bereits in der entsprechenden Stellungnahme des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) der Beklagten vom 7. Dezember 2022 ausgeführt, welche im gerichtlichen Verfahren bekräftigt wurde, vorliegend dem Kindeswohl des Beigeladenen. Hieran hat die Kammer auch unter Berücksichtigung der Angaben der Mutter des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung keinerlei Zweifel.
48
Das sich aus dem Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) ergebende Interesse des Klägers an der Beibehaltung der namensrechtlichen Verbindung zum Beigeladenen hat aufgrund der Schwere des in Rede stehenden Vorfalls und der erheblichen Folgen, welche sich für den Beigeladenen hieraus ergeben haben, zurückzutreten. Auch vor dem Hintergrund des öffentlichen Interesses an der Namenskontinuität ist keine abweichende Sichtweise gerechtfertigt. Insoweit ist zu beachten, dass es sich bei dem Beigeladenen um ein knapp zwei Jahre altes Kleinkind handelt, dessen Familiennamen sich im Rechtsverkehr noch nicht vertieft verfestigt hat.
49
Ermessensfehler der Beklagten sind darüber hinaus nicht ersichtlich (§ 114 VwGO), zumal das behördliche Ermessen beim Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.v. § 3 Abs. 1 NamÄndG hinsichtlich der berücksichtigungsfähigen Belange ohnehin zumindest eingeschränkt ist (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2014 – 6 C 16/14 – juris Rn. 25; NdsOVG, B.v. 16.5.2023 – 11 LA 279/21 – juris Rn. 29).
50
Die Klage hat nach alledem keinen Erfolg.
51
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene hat seine außergerichtlichen Kosten mangels Antragstellung und Beteiligung am Prozesskostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO selbst zu tragen.
52
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.