Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 21.11.2023 – W 1 K 23.596
Titel:

Besoldungsrecht, Anerkennung von Vortätigkeiten als Erfahrungszeiten bei der ersten Stufenfestsetzung der Besoldung, Begriff der gleichwertigen Tätigkeit im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz Nr. 1 BBesG

Normenketten:
BBesG § 27 Abs. 2
BBesG § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Schlagworte:
Besoldungsrecht, Anerkennung von Vortätigkeiten als Erfahrungszeiten bei der ersten Stufenfestsetzung der Besoldung, Begriff der gleichwertigen Tätigkeit im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz Nr. 1 BBesG
Fundstelle:
BeckRS 2023, 37675

Tenor

I.    Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 17.11.2022 in der Gestalt des Beschwerdebescheids des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 21.03.2023 verpflichtet, im Rahmen der ersten Stufenfestsetzung nach § 27 Abs. 2 BBesG die Beschäftigungszeiten des Klägers als Rettungsassistent vom 14.12.2012 bis 28.06.2018 als Erfahrungszeiten im Sinne von § 28 Abs. 1 Nr. 1 BBesG anzuerkennen.
II.    Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III.    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Zwischen den Beteiligten steht die erstmalige besoldungsrechtliche Stufenfestsetzung des Klägers im Streit.
2
1. Der Kläger, der als Hauptfeldwebel des Sanitätsdienstes (Besoldungsgruppe A 8Z) im Dienst der Beklagten steht, begehrt im Rahmen der erstmaligen Stufenfestsetzung seines Grundgehaltes die Anerkennung seiner Tätigkeit als Rettungsassistent im Zeitraum vom 14.12.2012 bis 28.06.2018 als weiterer Erfahrungszeiten.
3
Mit Wirkung vom 19.08.2021 wurde der Kläger zum Soldaten auf Zeit ernannt. Seine für 13 Jahre erklärte Dienstzeit wurde auf die volle Verpflichtungszeit festgesetzt und soll mit Ablauf des 16.06.2034 enden. Zurzeit wird der Kläger auf einem Dienstposten als Notfallsanitäter in der Sanitätsstaffel Einsatz H. in W. verwendet.
4
Mit Bescheid vom 29.09.2021 setzte die Beklagte für den Kläger mit Wirkung zum 01.08.2021 aufgrund der in seinem Fall berücksichtigten Erfahrungszeiten von 6 Jahren und 6 Monaten erstmals ein Grundgehalt der Stufe 3 fest.
5
Nach Vorlage weiterer Nachweise anrechnungsfähiger Tätigkeiten durch den Kläger hob die Beklagte den vorbezeichneten Bescheid auf und setzte mit weiterem Bescheid vom 01.12.2021 mit Wirkung zum 01.08.2021 aufgrund der berücksichtigten Erfahrungszeiten von 9 Jahren und 8 Monaten ein Grundgehalt der Stufe 4 fest.
6
Mit einer an den Personalfeldwebel gerichteten E-Mail vom 13.10.2022 bat der Kläger im Wesentlichen um Überprüfung der bisherigen Stufenfestsetzung mit Blick auf seine Tätigkeit als Rettungsassistent, da diese seiner Ansicht nach fehlerhaft sei.
7
Mit Bescheid der Beklagten vom 17.11.2022 wurde der Bescheid vom 01.12.2021 zurückgenommen. Die Beklagte berücksichtigte nunmehr Erfahrungszeiten von 7 Jahren und 11 Monaten und setzte ein Grundgehalt der Stufe 3 fest. Sie begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass im Bescheid vom 01.12.2021 die Tätigkeit als Rettungsassistent als gleichwertige Tätigkeit bewertet worden sei, die nach Fachrichtung und Schwierigkeit der Tätigkeit als Notfallsanitäter entspreche. Die Tätigkeit als Rettungsassistent werde nun nicht mehr als gleichwertige Tätigkeit angesehen, sondern lediglich als eine für die Verwendung förderliche Tätigkeit, die nach Wertigkeit und Schwierigkeit eine Ebene unterhalb der Laufbahn des Klägers liege und somit nur zu 50 Prozent angerechnet werden könne. Aus Vertrauensschutzgründen wirke sich die neu festgelegte Stufenfestsetzung ausschließlich für die Zukunft aus.
8
Dem vorgenannten Bescheid war als Anlage folgende Übersicht der nachgewiesenen Tätigkeitszeiten beigefügt:

Nr.

Zeitraum

Tätig als

Rechtsgrundlage

davon anrechenbar in Tagen, Monaten, Jahren

1

01.09.2003 bis 17.02.2006

Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel

§ 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BBesG

0

2

01.06.2006 bis 28.02.2007

Zivildienstleistender

§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBesG

9 Monate

3

17.12.2007 bis 31.12.2007

Fahrer im Patientenfahrdienst es BRK

§ 28 Abs. 3 Satz 2 BBesG

0

4

01.01.2008 bis 31.03.2011

Fahrer im Patientenfahrdienst es BRK

§ 28 Abs. 3 Satz 2 BBesG

23 Tage, 9 Monate

5

01.04.2011 bis 13.12.2012

Rettungssanitäter beim BRK

§ 28 Abs. 3 Satz 2 BBesG

4 Tage, 5 Monate

6

2011 bis 12.12.2012

Nebenberufliche Ausbildung zum Rettungsassistenten

§ 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BBesG

0

7

14.12.2012 bis 13.12.2016

Rettungsassistent beim BRK

§ 28 Abs. 3 Satz 2 BBesG

2 Jahre

8

14.12.2016 bis 13.12.2017

Rettungsassistent beim BRK

§ 28 Abs. 3 Satz 2 BBesG

6 Monate

9

14.12.2017 bis 28.06.2018

Rettungsassistent beim BRK

§ 28 Abs. 3 Satz 2 BBesG

8 Tage, 3 Monate

10

Beginndatum unbekannt bis 29.06.2018

Nebenberufliche Ausbildung zum Notfallsanitäter

§ 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BBesG

0

11

29.06.2018 bis 30.09.2019

Notfallsanitäter beim BRK

§ 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BBesG

2 Tage, 3 Monate, 1 Jahr

12

01.10.2019 bis 14.10.2019

Eignungsübender

§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBesG

14 Tage

13

15.10.2019 bis 30.06.2021

Notfallsanitäter beim BRK

§ 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BBesG

16. Tage, 8 Monate, 1 Jahr

14

01.07.2021 bis 31.07.2021

Faktisches Dienstverhältnis

§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBesG

1 Monat

Gesamt: 67 Tage, 44 Monate, 4 Jahre

Aufgerundet auf volle Monate (§ 28 Abs. 4 Satz 2 BbesG): 11 Monate 7 Jahre

9
Gegen den Bescheid vom 17.11.2022 legte der Kläger mit Schreiben vom 13.12.2022 „Widerspruch“ ein, bat um Überprüfung der Stufenfestsetzung und trug zur Begründung vor, dass er der Auffassung sei, dass seine Zeit als Rettungsassistent voll anerkannt werden müsste. Rettungsassistenten seien bei der Bundeswehr in der Feldwebellaufbahn angestellt (gewesen) aufgrund der Qualifizierung auf Meisterebene.
10
Mit Schreiben vom 24.01.2023 hörte die Beklagte den Kläger nachträglich zum Erlass des Bescheides vom 17.11.2022 an.
11
Mit Beschwerdebescheid vom 21.03.2023, dem Kläger am 25.04.2023 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch (gemeint: Beschwerde) des Klägers zurück und begründete dies im Wesentlichen wie folgt: Bei der erstmaligen Ernennung zur Begründung eines Dienstverhältnisses als Soldat auf Zeit sei nach § 27 Abs. 2 BBesG ein Grundgehalt der Stufe 1 festzusetzen, soweit nicht die Anerkennung von Zeiten nach § 28 BBesG zu einer höheren Einstufung führe. Der Kläger sei zum 01.07.2021 gemäß § 19 Abs. 2 und 3 SLV in der Fassung vom 28.05.2021 mit dem Dienstgrad Hauptfeldwebel in die Bundeswehr wiedereingestellt worden. Demnach sei in seinem Fall als berufliche Qualifikation ein für die vorgesehene Verwendung verwertbarer berufsqualifizierender Ausbildungsabschluss, vorliegend die abgeschlossene Ausbildung zum Notfallsanitäter, sowie eine hauptberufliche Tätigkeit für die Dauer von fünf Jahren für die Einstellung des Klägers in die Bundeswehr erforderlich gewesen. Im Falle einer Einstellung nach § 19 Abs. 2 SLV könnten Zeiten einer förderlichen hauptberuflichen Tätigkeit zu 50 Prozent als Erfahrungszeit anerkannt werden, soweit die Tätigkeit nach ihrer Wertigkeit oder Schwierigkeit nicht mehr als eine Ebene unterhalb einer Tätigkeit der künftigen Laufbahn liege (Allgemeine Regelung A-1451/1 – künftig: AR A-1451/1 – Erstfestsetzung der Erfahrungsstufe bei militärischem Personal Nr. ...). Zeiten einer förderlichen hauptberuflichen Tätigkeit bei einem größeren Abstand in der Wertebene könnten gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 BBesG und AR A-1451/1 Nr. 331 zu 25 Prozent als Erfahrungszeit berücksichtigt werden. Die Zeiträume als Rettungsassistent in den Nrn. 7 bis 9 in der Übersicht der nachgewiesenen Tätigkeiten hätten zu 50 Prozent anerkannt werden können, da sie in der Wertigkeit und Schwierigkeit nicht mehr als eine Ebene unterhalb derjenigen Laufbahn lägen, in die der Kläger eingestellt worden sei. Dass die Tätigkeitsfelder und Kompetenzen des Rettungsassistenten mit denen des Notfallsanitäters gleich seien, treffe nicht zu. Die Zeiten in den Nrn. 11 und 13 seien nach § 28 Abs. 3 BBesG (berufliche Qualifikation) berücksichtigt worden. Hierbei sei die berufliche Ausbildungszeit von bis zu drei Jahren und die geforderte verwertbare hauptberufliche Tätigkeit bewertet worden, jedoch insgesamt nicht mehr als 4 Jahre anerkannt worden. Die Tätigkeiten in der Laufbahn der Feldwebel entsprächen etwa der Meisterebene. Derartige Tätigkeiten auf Meisterebene könnten zu 100 Prozent angerechnet werden. Das sei z.B. beim Notfallsanitäter der Fall. Die Tätigkeiten als Rettungsassistent seien „nur“ vergleichbar mit der Gesellenebene. Daher seien diese grundsätzlich nur zu 50 Prozent anrechenbar. Die Tätigkeiten als Rettungsassistent entsprächen der ungelernten Ebene (= 25 Prozent anrechenbar). Nichts Anderes gehe aus den klägerseits eingereichten Anlagen hervor. Dort sei u.a. zu entnehmen, dass Rettungsassistenten die neue Berufsbezeichnung Notfallsanitäter erlangen könnten, wenn sie gemäß § 32 NotSanG bis zum 31.12.2023 eine staatliche Ergänzungsprüfung und eine Berufserfahrung von bis zum sechs Monaten nachweisen oder alternativ die staatliche (Voll-)Prüfung bestünden. Demnach sei für das Ausüben der Tätigkeiten als Notfallsanitäter eine höherwertige Ausbildung als die des Rettungsassistenten erforderlich. Im Übrigen wird auf die Begründung des Beschwerdebescheids Bezug genommen.
12
2. Der Kläger ließ gegen die vorgenannten Entscheidung Klage vor dem Verwaltungsgericht Würzburg erheben und zu deren Begründung im Wesentlichen vortragen, dass der Kläger gemäß § 27 Abs. 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 BBesG Anspruch auf erneute Festsetzung seiner Erfahrungsstufe unter Anerkennung der Tätigkeit als Rettungsassistent in Höhe von 100 Prozent habe, da diese Tätigkeit – wie im Bescheid der Beklagten vom 01.12.2021 zutreffend angenommen – gleichwertig i.S.v. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG sei.
13
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 17.11.2022 in der Gestalt des Beschwerdebescheids des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 21.03.2023 verpflichtet, im Rahmen der ersten Stufenfestsetzung nach § 27 Abs. 2 BBesG die Beschäftigungszeiten des Klägers als Rettungsassistent vom 14.12.2012 bis 28.06.2018 als Erfahrungszeiten im Sinne von § 28 Abs. 1 Nr. 1 BBesG anzuerkennen.
14
Die Beklagte beantragt unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens,
die Klage abzuweisen.
15
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Tätigkeit des Klägers als Rettungssanitäter beim B. R. K. im Zeitraum vom 14.02.2012 bis zum 28.06.2018 nicht gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG als gleichwertige hauptberufliche Tätigkeit bewertet werden könne, da sie Voraussetzung für die Einstellung mit dem Dienstgrad Hauptfeldwebel gewesen sei. Demnach habe die Tätigkeit beim B. R. K. nur nach § 28 Abs. 3 BBesG als förderliche Verwendung betrachtet werden können. Mithin habe im Rahmen der Stufenfestsetzung die Tätigkeit als Rettungsassistent nur mit 50 Prozent anerkannt werden können, da sie in der Wertigkeit und Schwierigkeit nicht mehr als eine Ebene unterhalb derjenigen Laufbahn liege, in der der Kläger eingestellt worden sei. Dies zeige auch § 32 NotSanG, der zwischen dem Notfallsanitäter und Rettungsassistenten erhebliche Unterschiede aufzeige. Demnach würden ergänzende Prüfungen vorausgesetzt, um die Berufsbezeichnung des Notfallsanitäters zu tragen. Sofern der Kläger behaupte, dass die Beklagte die Tätigkeit als Rettungsassistent in der Vergangenheit stets als Qualifizierung auf Meisterebene angesehen und damit eine Selbstbindung begründet habe, möge er dies durch Vorlage der Vorgänge belegen. Beim Rettungsassistenten und Notfallsanitäter handle es sich um zwei unterschiedliche Berufe. Dies zeigten schon die unterschiedlichen Ausbildungsziele des § 4 NotSanG, das zum 01.01.2014 in Kraft getreten sei, und des außer Kraft gesetzten § 3 RettAssG. Zudem sehe das NotSanG keine Überleitungsregelung vom Rettungsassistenten zum Notfallsanitäter vor. Um Notfallsanitäter zu werden, habe man die gesamte staatliche Prüfung ablegen oder – sofern man keine oder nur geringe Berufserfahrung nachweisen konnte – einen Ergänzungslehrgang mit abschließender Prüfung absolvieren müssen. Vorliegend habe der Kläger die Voraussetzungen, um Notfallsanitäter zu werden, erst im Juni 2018 erfüllt. Damit habe der Kläger im Zeitraum von 2012 bis Juni 2018 nicht auf dem Niveau eines Notfallsanitäters gearbeitet. Daher hätten die Zeiten als Rettungsassistent nur mit 50 Prozent anerkannt werden können.
16
3. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
18
Der Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) vom 17.11.2022 in der Gestalt des Beschwerdebescheids des BAPersBw vom 21.03.2023 ist rechtswidrig und der Kläger durch ihn in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), soweit die Beklagte darin die Beschäftigungszeiten des Klägers als Rettungsassistent vom 14.12.2012 bis 28.06.2018 nicht als Erfahrungszeiten im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG anerkennt. Der Kläger hat im Rahmen der erstmaligen Stufenfestsetzung einen Anspruch auf Anerkennung seiner Beschäftigungszeiten als Rettungsassistent vom 14.12.2012 bis 28.06.2018 als weitere Erfahrungszeiten.
19
1. Dieser Anspruch stützt sich auf die Vorschrift des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG. Danach werden Beamten und Soldaten bei der ersten Stufenfestsetzung als Erfahrungszeiten im Sinne des § 27 Abs. 2 BBesG Zeiten einer gleichwertigen hauptberuflichen Tätigkeit außerhalb eines Soldatenverhältnisses anerkannt, die nicht Voraussetzung für den Erwerb der Laufbahnbefähigung sind.
20
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
21
1.1 Dass es sich bei der hier inmitten stehenden Vortätigkeit des Klägers als Rettungsassistent um dessen hauptberufliche Tätigkeit handelt (zum Merkmal der Hauptberuflichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 25.05.2005 – 2 C 20.04 – juris Rn. 19) und er diese außerhalb eines Soldatenverhältnisses ausführte, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und steht auch sonst nicht in Frage. Die Vortätigkeit war auch nicht Voraussetzung für die Einstellung mit einem Dienstgrad einer Besoldungsgruppe bis A 13. Hierfür wurde nach dem Vortrag der Beklagten die abgeschlossene Ausbildung zum Notfallsanitäter herangezogen.
22
1.2 Bei der im Tenor aufgeführten Vortätigkeit als Rettungsassistent handelt es sich um gleichwertige Tätigkeit im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG.
23
1.2.1 Die Gleichwertigkeit einer Tätigkeit ist zu bejahen, wenn die Tätigkeit ihrer Bedeutung, d.h. Wertigkeit oder Schwierigkeit nach mindestens einer Tätigkeit der jeweiligen Laufbahngruppe entspricht, der die Soldatin oder der Soldat angehört. Dabei sind die an die Tätigkeit zu stellenden Anforderungen ebenso zu berücksichtigen wie die hierfür erforderliche Qualifikation. Auf die konkrete Fachrichtung und Funktion kommt es nicht an (siehe OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 14.12.2015 – OVG 4 B 35.14 – juris Rn. 23; VG Koblenz, U.v. 08.02.2023 – 2 K 839/22.KO – BeckRS 2023, 2600; VG Köln, U.v. 12.01.2023 – 15 K 5325/20 – juris Rn. 26; VG Köln, U.v. 02.03.2023 – 15 K 7/20 – juris Rn. 35; VG Wiesbaden, U.v. 01.10.2012 – 3 K 692/11.WI – juris Rn. 27; Reich in Reich/Preißler, BBesG, 2. Aufl. 2022, § 28, Rn. 11; Kuhlmey, in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Band I, Stand: November 2018, § 28 BBesG, Rn. 18; vgl. auch Ziff. 28.1.1.2 BBesGVwV bzw. Nr. 307 der Allgemeine Regelung A-1451/1 „Erstfestsetzung der Erfahrungsstufe bei militärischem Personal“).
24
Dies zugrunde gelegt ist im Wesentlichen ein Vergleich zwischen der Vortätigkeit und gegenwärtigen Tätigkeit anzustellen, der sich vorrangig danach richtet, inwiefern die intellektuellen oder körperlichen oder sonstigen Anforderungen bei abstrakter Betrachtung vergleichbar sind. Für eine solche abstrakte – und vom konkreten Inhalt und Profil der Tätigkeit losgelöste – Vorgehensweise spricht zunächst der Wortlaut des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG, der von einer „gleichwertigen“ und nicht etwa von einer „gleichartigen“ Tätigkeit spricht. Darüber hinaus sah der Gesetzgeber bei der Neufassung des Bundesbesoldungsgesetzes im Rahmen der Gesetzesbegründung zum Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 05.02.2009 (BGBl. I S. 160) eine Tätigkeit als gleichwertig im Sinne des damals neu eingeführten § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG an, wenn sie in ihrer Wertigkeit jedenfalls zum überwiegenden Teil der Funktionsebene des konkreten Dienstpostens entspricht (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/7076, S. 139). Insbesondere der ausdrückliche Rückgriff auf den abstrakten Begriff der Funktionsebene verdeutlicht, dass der Gesetzgeber keinen inhaltlichen Vergleich mit der konkreten Tätigkeit vor Augen hatte, sondern die Vortätigkeit und die gegenwärtige Tätigkeit allein abstrakt hinsichtlich ihrer Wertigkeit vergleichen wollte (so überzeugend VG Köln, U.v. 12.01.2023 – 15 K 5325/20 – juris Rn. 40). Ausreichend ist daher, wenn die Tätigkeit zumindest einem oder mehreren konkreten Dienstposten der Laufbahn vergleichbar gleichwertig ist (vgl. VG Koblenz, U.v. 08.10.2021 – 2 K 1197/20.KO – n.v.). Für ein solches Verständnis des § 28 Abs. 1 BBesG spricht auch die Gegenüberstellung mit § 28 Abs. 3 Satz 2 BBesG; denn während § 28 Abs. 3 Satz 2 BBesG ausdrücklich auf die konkrete Verwendung abstellt, um die Förderlichkeit einer Vortätigkeit zu beurteilen, weist die oben betrachtete Formulierung des § 28 Abs. 1 BBesG im Vergleich auf eine laufbahnbezogene Betrachtung des Merkmals der Gleichwertigkeit hin. Demgegenüber kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf die konkrete Fachrichtung oder die konkrete Funktion – weder im Rahmen der Vortätigkeit noch im Rahmen der aktuellen Tätigkeit – an (vgl. auch Ziff. 28.1.1.2 Satz 3 BBesGVwV; vgl. auch Nr. 307 der Allgemeine Regelung A-1451/1 „Erstfestsetzung der Erfahrungsstufe bei militärischem Personal“).
25
Als ein wesentlicher Baustein zur Beurteilung der Gleichwertigkeit kann regelmäßig ein Vergleich zwischen der laufbahnmäßigen Einstufung und der Zuordnung der Vortätigkeit zu einer Entgeltgruppe in einem (fiktiven) Angestellten- oder Tarifbeschäftigtenverhältnis herangezogen werden (vgl. VG Köln, U.v. 12.01.2023 – 15 K 5325/20 – juris Rn. 28; VG Bremen, U.v. 23.02.2016 – 6 K 503/15 – juris Rn. 26; VG Wiesbaden, U.v. 01.10.2012 – 3 K 692/11.WI – juris Rn. 29; Kuhlmey, in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Band I, Stand: November 2018, § 28 BBesG, Rn. 19).
26
Entgegen der Ziff. 28.1.1.2 Satz 5 BBesGVwV sowie einer teilweise in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung (Kuhlmey, in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Band I, Stand: November 2018, § 28 BBesG, Rn. 15; VG Koblenz, U.v. 08.02.2023 – 2 K 839/22.KO – n.v. allerdings jeweils lediglich unter Verweis auf Ziff. 28.1.1.2 BBesGVwV) kommt der Behörde bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit auch kein Beurteilungsspielraum zu.
27
Vielmehr handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist. Ein behördlicher Beurteilungsspielraum kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn es dem Gericht wegen der hohen Komplexität oder der besonderen Dynamik der geregelten Materie nicht möglich ist, eine Entscheidung über das Vorliegen des in Frage stehenden Merkmals zu treffen (vgl. VG Köln, U.v. 12.01.2023 – 15 K 5325/20 – juris; OVG NW, U.v. 17.08.2018 – 1 A 1044/16 – juris Rn. 40; VGH BW, U.v. 18.03.2014 – 4 S 2129/13 – juris Rn. 21).
28
Dies ist in Bezug auf das Merkmal der Gleichwertigkeit jedoch nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich dabei um einen objektiven und weitgehend abstrakten Vergleich zwischen einer Vortätigkeit eines Beamten bzw. Soldaten und der Tätigkeit in einer Laufbahngruppe. Dabei ist – wie dargelegt – insbesondere eine Zuordnung der Vortätigkeit zu einer Entgeltgruppe eines (fiktiven) Tarifbeschäftigtenverhältnisses erforderlich. Auch können die jeweiligen Bildungs- oder Ausbildungsvoraussetzungen zu prüfen sein. Dies kann jedoch ohne Weiteres auch durch das Gericht geschehen und bedarf nicht etwa einer besonderen fachlichen Einschätzung seitens der Behörde, zumal es für die Beurteilung der Gleichwertigkeit auf die konkreten Anforderungen der jetzigen Verwendung des Beamten bzw. Soldaten in der Behörde nicht ankommt (so auch VG Köln, U.v. 12.01.2023 – 15 K 5325/20 – juris).
29
1.2.2 Gemessen daran ist die die Vortätigkeit des Klägers als Rettungsassistent beim B. R. K. im Vergleich zu einer Tätigkeit in der Laufbahngruppe der Unteroffiziere, hier Laufbahn der Feldwebel (vgl. Nr. 2 Buchst. b der Anlage 1 zu § 4 SLV), gleichwertig. Sie entspricht nach ihrer Wertigkeit und Schwierigkeit einer Tätigkeit in der Laufbahngruppe der Unteroffiziere.
30
Dies folgt zunächst aus der tariflichen Einordnung der Vortätigkeit, wonach die Tätigkeit des Klägers als Rettungsassistent nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag des B. R. K. der Entgeltgruppe R6 zugeordnet war (vgl. jeweils auch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Pflegeund Betreuungseinrichtungen bzw. dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Kommunen, wonach auch hier der Beruf des Rettungsassistenten der Entgeltgruppe 6 zugeordnet wird), was mit der Bewertung einer Tätigkeit in den Einstiegsämtern der Laufbahngruppe des mittleren technischen wie nichttechnischen Dienstes vergleichbar ist (vgl. § 23 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b BBesG; siehe auch Ziff. 28.1.1.4 Satz 2 BBesGVwV). Zwar geht die Soldatenlaufbahnverordnung begrifflich von anderen Laufbahngruppen aus – namentlich den Laufbahngruppen der Mannschaften, Unteroffizierinnen und Unteroffiziere sowie der Offizierinnen und Offiziere (§ 4 SLV). Die Laufbahn der Unteroffiziere, auch wenn, wie vorliegend, ein Dienstgrad als Unteroffizier mit Portepee (d.h. Feldwebeldienstgrade) erreicht wird, entspricht jedoch am ehesten dem mittleren Dienst im Bereich der Beamten (vgl. VG Kassel, U.v. 02.08.2023 – 1 K 1512/21.KS – juris; VG Halle, U.v. 23.09.2015 – 5 A 144/14 – juris; VG Berlin, GB v. 07.02.2018 – 28 K 438.15 – juris Rn. 20).
31
Dies zugrunde gelegt spricht die hier gegebene tarifliche Eingruppierung der Vortätigkeit des Klägers in eine Tarifgruppe, die mit der Besoldungsgruppe eines Beamten des mittleren Dienstes bzw. eines Unteroffiziers (mit Portepee) vergleichbar ist, für eine Annahme der Gleichwertigkeit der Vortätigkeit mit der aktuellen Tätigkeit in der Feldwebellaufbahn.
32
Darüber hinaus sprechen für die Annahme der Gleichwertigkeit die vergleichbaren formalen Zulassungs- bzw. Qualifikationsvoraussetzungen, die für den Einstieg und die der jeweiligen Tätigkeit zugrundeliegenden Ausbildung erfüllt sein müssen. Denn nicht nur für die Einstellung in die Laufbahngruppe der Unteroffiziere wird gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 SLV mindestens der Hauptschulabschluss oder ein als gleichwertig anerkannten Bildungsstand vorausgesetzt; vergleichbares gilt auch für die Ausbildung zum Rettungsassistenten, für die der Hauptschulabschluss, eine gleichwertige Schulbildung oder alternativ hierzu eine abgeschlossene Berufsausbildung genügt(e) (§ 5 Nr. 2 RettAssG).
33
Ebenso ergibt sich aus der Gegenüberstellung der Wertigkeit der abstrakten Aufgaben eines Rettungsassistenten mit solchen einer Tätigkeit in der Laufbahngruppe der Unteroffiziere, selbst wenn man diese vorliegend auf die Laufbahn der Unteroffiziere mit Portepee/Feldwebel einschränkt, eine Gleichwertigkeit. Denn ungeachtet des äußerst breiten Aufgaben- und Tätigkeitsspektrums eines Feldwebels, das sich bereits in den fünf Laufbahnrichtungen Truppendienst, Sanitätsdienst, Militärmusikdienst, Geoinformationsdienst und allgemeiner Fachdienst widerspiegelt, übernehmen Unteroffiziere mit Portepee/Feldwebel nach eigener Darstellung der Beklagten im Regelfall Tätigkeiten, die mit denen der zivilen Gesellen- bzw. Facharbeiterebene vergleichbar sind. Verfügt ein Bewerber zum Zeitpunkt des Einstiegs in die Laufbahn nicht bereits über eine für die angestrebte Fachtätigkeit verwertbare zivile Berufsausbildung, so wird ihm diese im Rahmen einer Maßnahme der zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung vermittelt (vgl. Nr. 601 f. der Allgemeinen Regelung C1-872/0-4001 – Verwendungsaufbau Feldwebel und Fachunteroffizierinnen sowie Fachunteroffiziere des SanDstBw; sieh auch Bundesministerium der Verteidigung, Karriere als Feldwebel, Stand: Mai 2019, S. 36). Ebenso ist die Tätigkeit als Rettungsassistent, die einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf an einer Berufsfachschule nach Landesrecht darstellt(e) (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, Deutscher Qualifikationsrahmen, abrufbar unter: https://www.dqr.de/dqr/shareddocs/qualifikationen-neu/de/Rettungsassistent-Rettungsassistentin.html), nach erfolgreich absolvierter Ausbildung auf Gesellen- bzw. Facharbeiterniveau anzusiedeln. Ergänzend kann hier auch auf den – freilich rechtlich nicht verbindlichen – Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) verwiesen werden, mit dessen Hilfe alle Qualifikationen des deutschen Bildungssystems den acht Niveaus des Europäischen Qualifikationsrahmens zugeordnet werden können, um eine Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen herzustellen und die Gleichwertigkeit von Qualifikationen zu bestimmen. Hierbei werden Qualifikationen dann demselben Niveau zugeordnet, wenn sie etwa zur Bewältigung von Aufgaben befähigen, die vergleichbar hohe Anforderungen stellen. Das bedeutet, dass etwa die Aufgaben im Grad der Komplexität gleichwertig sind (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, Deutscher Qualifikationsrahmen, Handbuchs zum Deutschen Qualifikationsrahmen, Stand: 01.08.2013). Dies gilt wiederum auch für die hier inmitten stehende Tätigkeit als Rettungsassistent bzw. die Tätigkeit im Rahmen eines Ausbildungsberufes, der innerhalb der Feldwebellaufbahn des Sanitätsdienstes erworben und ausgeübt werden kann (etwa Masseur und medizinischer Bademeister oder chemisch-technischer Assistent, vgl. Abschnitt 7.2 der Allgemeinen Regelung C1-872/0-4001 – Verwendungsaufbau Feldwebel und Fachunteroffizierinnen sowie Fachunteroffiziere des SanDstBw), die ausweislich des oben skizzierten Referenzrahmens gleichermaßen dem DQR-Niveau 4 zugeordnet werden.
34
2. Auf Rechtsfolgenseite hat der Kläger einen Anspruch auf die Anerkennung seiner Vortätigkeit als Erfahrungszeit im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
35
Denn bei der Anerkennung einer Vortätigkeit handelt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 28 Abs. 1 Satz Nr. 1 BBesG um eine gebundene Entscheidung, wonach als gleichwertig eingestufte Erfahrungszeitungen zwingend anzuerkennen sind. Ein Ermessen steht der Behörde insofern nicht zu (vgl. VG Köln, U.v. 02.03.2023 – 15 K 7/20 – juris Rn. 49; Kuhlmey, in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Band I, Stand: November 2018, § 28 BBesG, Rn. 18).
36
Nach alldem war der Klage daher stattzugeben.
37
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.