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OLG München, Hinweisbeschluss v. 19.12.2023 – 27 U 1196/22
Titel:

Kein Differenzschaden, wenn die Summe von Nutzungsvorteil und Restwert den Kaufpreis übersteigt (hier: Opel Zafira Tourer Innovation 2.0)

Normenketten:
BGB § 823 Abs. 2, § 826
StGB § 263
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Leitsätze:
1. Vgl. zu Diesel-Fahrzeugen von Opel: OLG München BeckRS 2021, 52557; BeckRS 2021, 52562; BeckRS 2022, 20001; BeckRS 2022, 29314; BeckRS 2022, 29413; BeckRS 2023, 3004; BeckRS 2023, 10351; BeckRS 2023, 10352; BeckRS 2023, 14670; BeckRS 2023, 22490; OLG Bamberg BeckRS 2021, 52538; BeckRS 2022, 19980; BeckRS 2023, 3040; BeckRS 2023, 3006; OLG Schleswig BeckRS 2022, 8917; OLG Frankfurt BeckRS 2022, 10556; OLG Koblenz BeckRS 2022, 10605; OLG Köln BeckRS 2022, 12858; OLG Nürnberg BeckRS 2022, 29322; OLG Jena BeckRS 2022, 38597; OLG Zweibrücken BeckRS 2023, 3009; LG Landshut BeckRS 2021, 53844; BeckRS 2022, 20735; BeckRS 2022, 22852; LG Memmingen BeckRS 2022, 12853; LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2022, 29316; BeckRS 2022, 29310; LG Kempten BeckRS 2022, 29315. (redaktioneller Leitsatz)
2. Höhere Abgaswerte im Realbetrieb im Vergleich zu den Werten im Rahmen des NEFZ sprechen nicht per se für das Vorliegen einer Abschalteinrichtung. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Da das On-Board-Diagnose-System lediglich die werkseitig vorgesehene Funktionsweise des Fahrzeugmotors nachvollzieht, kann aus dem Ausbleiben einer Fehlermeldung nicht der Schluss darauf gezogen werden, dass dessen Ausgestaltung in Kenntnis einer vermeintlich unzulässigen Abschalteinrichtung erfolgt ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Differenzschaden scheidet immer dann aus, wenn die Summe von Restwert und Nutzungsvorteilen den Kaufpreis übersteigt. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Opel, unzulässige Abschalteinrichtung, sittenwidrig, Prüfstandserkennung, Thermofenster, OBD, Differenzschaden, Nutzungsvorteil, Restwert
Vorinstanz:
LG Augsburg, Urteil vom 09.02.2022 – 022 O 2224/2
Fundstelle:
BeckRS 2023, 37401

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 09.02.2022, Az. 022 O 2224/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 19.849,70 € festzusetzen.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Entscheidungsgründe

I.
1
Das Endurteil des Landgerichts Augsburg entspricht der Sach- und Rechtslage.
2
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
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2. Die Berufung ist aber offensichtlich unbegründet. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
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Entscheidungserhebliche Rechtsfehler im Sinne des § 520 Abs. 3 ZPO sind nicht ersichtlich und werden von der Berufung auch nicht aufgezeigt.
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Das Landgericht hat gegen die Beklagte allein in Betracht kommende deliktische Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Pkws Opel Zafira Tourer Innovation 2.0, ausgestattet mit einem Dieselmotor mit einer Leistung von 125 kW der EU 6- Norm zu einem Kaufpreis von 28.000 € bei einem km-Stand von 12.700 km zu Recht abgelehnt.
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Die mit der Berufung erhobenen Rügen verfangen nicht. Zu den Berufungsangriffen ist Folgendes anzumerken:
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a) Zu Recht hat das Erstgericht gerade auch Ansprüche aus § 826 BGB i.V m. § 31 BGB bzw. § 831 BGB gegen die Beklagte mangels Substantiierung abgelehnt.
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Der Senat teilt in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung die Auffassung, dass für eine deliktische Haftung der Beklagten die Klagepartei grundsätzlich die volle Darlegungs- und Beweislast für alle Anspruchsvoraussetzungen trägt (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19 Rz. 35 m.w.N.).
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Vorliegend fehlt es indes bereits an einer schlüssigen Darlegung für eine objektive Sittenwidrigkeit i.S. § 826 BGB in Bezug auf sämtliche mit der Berufung thematisierten Abschalteinrichtungen.
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Dabei ist seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 2021- VI ZR 433/19 (vgl. dort Rn. 18), welcher sich der Senat anschließt, auch höchstrichterlich geklärt, dass ein in der Ausstattung eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG liegender Gesetzesverstoß auch unter Berücksichtigung einer damit einhergehenden Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten nicht per se geeignet ist, den Einsatz dieser Abschalteinrichtung durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich im Sinne § 826 BGB erscheinen zu lassen. Steht eine unzulässige Abschalteinrichtung inmitten, die im Prüfzyklus und im Realbetrieb grundsätzlich in gleicher Weise arbeitet und auch keine spezifisch auf die Rahmenbedingungen des NEFZ abgestimmte Bedatung aufweist, ist der Vorwurf der Sittenwidrigkeit nur gerechtfertigt, wenn zu einem – unterstellten – Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere bzw. andere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für den Hersteller handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt dann jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Gerade auch hierfür trifft die Klagepartei die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19 –, Rn. 19, juris).
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aa) Dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer Abschalteinrichtung ausgestattet ist, die an eine Prüfstanderkennung geknüpft wäre bzw. an eine Bedatung mit Parametern, die im realen Betrieb praktisch in dieser Kombination nicht vorkommt (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.2021 – VII ZR 179/21, juris Rn. 25, OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juni 2022 – 24 U 115/22 –, Rn. 52, juris), hat die Klagepartei ebenso wenig schlüssig dargetan wie sonstige Umstände, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen.
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Entsprechendes impliziert insbesondere nicht der Umstand, dass für das streitgegenständliche Fahrzeug ein verpflichtender Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts erfolgt ist (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2022 – VII ZR 266/20, BeckRS 2022, 8394 Rn. 20).
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Die Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einer sog. 1180-Sekunden-Regelung stellt sich als durch nichts gestützter Vortrag ins Blaue hinein dar unabhängig davon, dass auf S. 44 der Berufungsbegründung von einer „1200-Sekunden-Regelung“ die Rede ist.
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Insbesondere trägt das Vorbringen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug – wie im Einzelnen von der Klagepartei beschreiben – mit einem Emissionskontrollsystem ausgestattet sein soll, welches in Abhängigkeit u.a. Umgebungsluftdruck, Geschwindigkeit und Motorendrehzahl in seiner Wirkungweise verringert wird, eine Prüfstandsbezogenheit nicht. Allein der Umstand, dass sich eine Abschalteinrichtung außerhalb des Prüfstandes nur innerhalb eines kurzen Zeitraums auswirkt, trägt eben eine Prüfstandsbezogenheit nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 126/21 –, Rn. 17, juris). Dass die Abschalteinrichtung auf dem Prüfstand und im normalen Fahrbetrieb im Grundsatz in gleicher Weise arbeitet, hat die Klagepartei nicht in Abrede gestellt.
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Auch das Thermofenster unterscheidet nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet (vgl. hierzu grundlegend BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19).
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Der Umstand, dass die Grenzwerte für Stickoxide bei Messungen im realen Fahrbetrieb im Einzelfall nicht eingehalten werden mögen, genügt vorliegend bereits nicht als greifbarer Anhaltspunkt für die Verwendung einer unzulässigen Steuerungsstrategie (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20 –, Rn. 23, juris). So sprechen höhere Abgaswerte im Realbetrieb im Vergleich zu den Werten im Rahmen des NEFZ nicht per se für das Vorliegen einer Abschalteinrichtung. Die Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ ist als Indiz für eine Abschalteinrichtung, und noch dazu für eine Manipulationssoftware, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen könnte, angesichts der gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, ungeeignet (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 15.09.2021 – VII ZR 2/21, BeckRS 2021, 37995 Rn. 30). Weiter war in diesem Zusammenhang zu sehen, dass Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 oder 5 oder 6 im NEFZ noch ohne Realmessfahrt typgenehmigt wurden. Die erste Abgasnorm, bei der eine Realmessung vorgesehen ist, ist die Norm Euro 6d-TEMP, der das streitgegenständliche Fahrzeug als Fahrzeug der Abgasnorm Euro 6 aber nicht unterliegt (vgl. OLG Celle, Urteil vom 13.11.2019 – 7 U 367/18 BeckRS 2019, 29587 Rn. 28 f.; LG Stuttgart, Urteil vom 22.06.2021 – 8 O 115/21, BeckRS 2021, 15833 Rn. 34).
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bb) Gerade auch in Bezug auf das Thermofenster wäre der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber der Beklagten nur gerechtfertigt, wenn zu einem angenommenen Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. So setzt die Annahme von Sittenwidrigkeit jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt.
18
Solche Umstände hat die gerade auch insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klagepartei (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19 –, Rn. 19) nicht substantiiert dargetan.
19
Insbesondere hat die Klagepartei Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren, die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des KBA und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden, nicht dargelegt (BGH Beschluss vom 29.9.2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 20, beck-online).
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Unabhängig davon wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG ggf. gehalten gewesen, Angaben zu den Einzelheiten der Abgasrückführung zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung zu prüfen (vgl. BGH Beschluss vom 29.9.2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 20, beck-online).
21
Auch finden sich Umstände, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen, nicht in dem Vorbringen der Klagepartei zur behaupteten Manipulation des OBDS. Eine Manipulation der Beklagten zum Nachteil ihrer Kunden ist nicht darin zu sehen, dass das OBD-System im Fahrzeug der Klagepartei nicht mittels eines Warnhinweises im Cockpit anzeigt, sobald der tatsächliche Stickoxidausstoß den Grenzwert überschreitet. Das On-Bord-Diagnosesystem dient, wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, dazu, Fehlfunktionen und deren wahrscheinliche Ursachen anzuzeigen. Ein OBD-System ist ein System, das in der Lage ist, mithilfe rechnergespeicherter Fehlercodes den Bereich von Fehlfunktionen anzuzeigen (Art. 3 Nr. 9 VO 715/2007/EG). In Art. 4 Nr. 2 VO 692/2008/EG wird verlangt, dass das OBD-System so ausgelegt, gebaut und im Fahrzeug installiert ist, dass es in der Lage ist, während der gesamten Lebensdauer des Fahrzeugs bestimmte Arten von Verschlechterungen oder Fehlfunktionen zu erkennen. Die UN/ECE-Regelung Nr. 83 sieht etwa in der zum 23.06.2011 in Kraft getretenen Fassung (ABl. 2012 L 42/1, S. 174) im Anhang 11 und 3.3.2 vor, dass das OBD-System die Fehlfunktionen eines emissionsrelevanten Bauteils oder Systems anzeigen muss, wenn diese Fehlfunktion dazu führt, dass die Abgasemissionen bestimmte Schwellenwerte übersteigen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 23.06.2021 – 6 U 142/20, BeckRS 2021, 19764 Rn. 89). Daraus ist in obergerichtlicher Rechtsprechung geschlossen worden, Veranlassung des OBD-Systems für eine Messung von Schwellenwerten (diese modifiziert im Anhang XI zur VO 692/2008/EG) bestehe nur im Fall des Ausfalls emissionsrelevanter Bauteile oder Systeme; hingegen sei es nicht Aufgabe des OBD-Systems, konstante Messungen der Schadstoffemissionen vorzunehmen und bei Überschreitung bestimmter Schwellenwerte Signale zu setzen bzw. zu speichern (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 28.01.2021 – 18 U 21/20, BeckRS 2021, 10679 Rn. 132). Soweit die Motorsteuerung, mag sie auch als unzulässig zu qualifizierende Elemente umfassen, bestimmungsgemäß arbeitet, besteht bei dieser Sichtweise kein Anlass zu Fehlermeldungen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 23.06.2021 – 6 U 142/20, BeckRS 2021, 19764 Rn. 89).
22
Da das On-Board-Diagnose-System lediglich die werkseitig vorgesehene Funktionsweise des Fahrzeugmotors nachvollzieht, kann aus dem Ausbleiben einer Fehlermeldung mithin nicht der Schluss darauf gezogen werden, dass dessen Ausgestaltung in Kenntnis einer vermeintlich unzulässigen Abschalteinrichtung erfolgt ist (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 05. Januar 2022 – 2 U 86/21 –, Rn. 38, juris m.w.N.).
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Kurz gesagt: Arbeitet eine (unterstellte) Abschalteinrichtung technisch so, wie sie programmiert ist, liegt keine Fehlfunktion vor, deren Anzeige durch das OBD veranlasst wäre. Das OBD dient nicht dazu, zwischen einer rechtlich zulässigen und einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu unterscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 08.12.2021 – VIII ZR 190/19, juris Rn. 91 m.w.N.).
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Nach alledem lässt sich das OBD-System ausgehend von seiner Funktion, während des Fahrbetriebs u.a. alle abgasbeeinflussenden Systeme zu überwachen, auch nicht als Abschalteinrichtung i.S. Art. 3 Nr. 10 i. V. m. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 klassifizieren.
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b) Auch die Voraussetzungen der §§ 823 Abs. 2, 31 BGB/ 831 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB sind nicht erfüllt. Jedenfalls ist die für den Betrugstatbestand erforderliche Stoffgleichheit zwischen einer etwaigen Vermögenseinbuße der Klagepartei mit den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter (§ 31 BGB) oder Verrichtungsgehilfe (§ 831 BGB) der Beklagten für sich oder einen Dritten erstrebt haben könnte, nicht gegeben, weil diese bzw. die Beklagte keinen unmittelbaren Vorteil aus dem Kaufvertrag der Klagepartei mit dem nicht am Verfahren beteiligten Verkäufer ziehen konnten (vgl. BGH, NJW 2020, 2798, 2801). Ein etwaiger der Klagepartei entstandener Schaden kann stoffgleich allenfalls mit dem Vorteil sein, der dem Verkäufer aus dem Fahrzeugverkauf zugeflossen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14.09.2021 – VI ZR 491/20, Rn. 14; BGH, NJW 2020, 2798, 2801; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.05.2021 – 6 U 15/20, BeckRS 2021, 16080 Rn. 124).
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c) Ebenso wenig steht der Klagepartei der hilfsweise geltend gemachte gemachten „Differenzschaden“ auf der Grundlage von § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV zu, als es unter Berücksichtigung der Vorteilsausgleichung infolge „Aufzehrung“ an einem Schaden fehlt.
27
Mit dem Bundesgerichtshof geht der Senat davon aus, dass die Grundsätze der Vorteilsausgleichung gerade auch auf den Differenzschaden Anwendung finden, wobei Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs erst dann und nur insoweit schadensmindernd anzurechnen sind, als sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2023 – VI ZR 131/20 –, Rn. 51, juris). In Anwendung dieser Grundsätze scheidet ein Schaden immer dann aus, wenn – wie vorliegend – die Summe von Restwert und Nutzungsvorteilen den Kaufpreis übersteigt.
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Die vom Kläger gezogenen Nutzungsvorteile schätzt der Senat ausgehend von einem Kilometerstand von 12.700 km bei Erwerb des Fahrzeugs am 22.10.2015 sowie von dem Kilometerstand von 104.872 km zum 08.12.2023 gemäß § 287 ZPO auf 15.901,52 €. Dieser Betrag ergibt sich aus der von der Rechtsprechung als zutreffend erachteten Formel, wonach der vom Kläger gezahlte (Brutto-)Kaufpreis in Höhe von 28.000 € für das Fahrzeug durch die voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt geteilt und dieser Wert mit der gefahrenen Strecke seit Erwerb multipliziert wird (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 354/19 –, BGHZ 226, 322-329, Rn. 12). Hierbei hat der Senat im Wege der Schätzung eine Gesamtlaufleistung von 175.000 km zugrunde gelegt. Eine solche scheint dem Senat angesichts der durchschnittlichen Jahreslaufleistung von 11.331 und einer zu erwartenden Lebensdauer für das streitgegenständliche Fahrzeug von 15 Jahren angemessen.
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Den aktuellen Wert des Fahrzeugs schätzt der Senat auf 12.328 €, wobei er sich an einer Bewertung durch das Portal Silver-DAT orientiert hat.
30
Die Summe des Werts der Nutzungsvorteile i.H.v. 15.901,52 € und des aktuellen Restwerts i.H.v. jedenfalls 12.328 € übersteigt den Kaufpreis i.H.v. 28.000 €.
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d) Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind im Rahmen des Differenzschadens auf der Grundlage von § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV (vgl. BGH, Beschluss vom 16.10.2023, Az.: VI a ZR 14/22) nicht erstattungsfähig.
II.
32
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG). gez.