Titel:
Aussetzung des Antrags auf Baugenehmigung, Klärung der Belange des Denkmalschutzes, Höchstdauer, Angemessene Frist, Anordnung des Sofortvollzugs
Normenkette:
BayDSchG Art. 15 Abs. 6
Schlagworte:
Aussetzung des Antrags auf Baugenehmigung, Klärung der Belange des Denkmalschutzes, Höchstdauer, Angemessene Frist, Anordnung des Sofortvollzugs
Fundstelle:
BeckRS 2023, 37294
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000.-EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die von der Antragsgegnerin verfügte Aussetzung der Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Klärung der Belange des Denkmalschutzes.
2
Mit einem am 14. Februar 2023 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Bauantrag (Plan-Nr. …) begehrte die Antragstellerin die Erteilung einer Baugenehmigung für einen Dachgeschossausbau mit Abbruch des Dachspitzes, Errichtung von Gauben, einem Dachgarten und Lift, Umbau von Nebenräumen im Keller zu einer Wohnung, Nutzungsänderung von Arztpraxen im Erdgeschoss und im 2. Obergeschoss zu Büro sowie die Errichtung von Balkonanlagen für das Grundstück Fl.Nr. … Gemarkung … …, …straße 6 (im Folgenden: Baugrundstück). Das Bestandsgebäude ist weder als Einzelbaudenkmal in die Denkmalliste eingetragen noch Bestandteil eines in die Denkmalliste eingetragenen Ensembles.
3
Die Planung sieht vor, das Bestandsgebäude (fünf Geschosse mit Mansardwalmdach) im Dachgeschoss unter Abbruch des bestehenden Dachspitzes zu Wohnzwecken auszubauen. Insbesondere ist geplant, Dachgauben sowie Dacheinschnitte und einen Dachgarten zu errichten. Im Rahmen der beantragten Baumaßnahme ist zudem der Einbau eines Aufzugs sowie die Errichtung von Balkonanlagen (vier vertikal vom 1. bis zum 4. Obergeschoss übereinander situierte Balkone mit einer Tiefe von 0,75 m sowohl an der Gebäudeseite zur …straße als auch an der Gebäudeseite zur …straße und weitere Balkone zum Innenhof) vorgesehen.
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Im Rahmen des Bauantragsverfahrens beteiligte die Antragsgegnerin das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege. Dieses teilte mit, dass der fünfgeschossige Bau ab 1909 im sogenannten Reformstil entstanden sei. Trotz des Abbruchs von Balkonen sei der Außenbau nach gegenwärtigem Kenntnisstand weitgehend erhalten und lege Zeugnis von der bewusst detailreduzierten und auf die Wirkung der Kubatur abstellenden Formensprache des Bauens im Reformstil ab. Es sei deshalb eine Prüfung der Denkmaleigenschaft angezeigt. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege bitte daher um die Aussetzung des Antrags auf Baugenehmigung. Für die abschließende Prüfung sei eine Ortseinsicht mit Besichtigung des Treppenhauses, des Kellers, der Dachräume sowie nach Möglichkeit einer beispielhaft den Erhaltungszustand zeigenden Wohnung erforderlich.
5
Mit Bescheid vom 16. Mai 2023, der Antragstellerin zugestellt am 19. Mai 2023, setzte die Antragsgegnerin die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung vom 14. Februar 2023 nach Plan-Nr. … auf die Dauer von 24 Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheids, aus (Nr. 1 des Bescheids). In Nr. 2 des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet. In den Gründen führte die Antragsgegnerin aus, dass die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung auszusetzen gewesen sei, da die Realisierung des Bauvorhabens für den Fall, dass das Gebäude als Einzelbaudenkmal eingetragen werde, gegebenenfalls das Denkmal bzw. das denkmalschutzrechtliche Ensemble beeinträchtige. Da mit dem Abschluss einer denkmalschutzrechtlichen Untersuchung innerhalb einer kürzeren Zeitspanne nicht gerechnet werden könne, sei die Ausschöpfung der 24 Monatsfrist geboten. Sollten die denkmalschutzrechtlichen Untersuchungen früher abgeschlossen werden, so müsse die Zurückstellungsfrist nicht ausgeschöpft werden und der Antrag auf Baugenehmigung könne auch früher verbeschieden werden. Um die Prüfung abschließen zu können, sei eine Ortseinsicht mit Besichtigung des Treppenhauses, Kellers, der Dachräume sowie nach Möglichkeit einer beispielhaft den Erhaltungszustand zeigenden Wohnung erforderlich. Der Eigentümer werde gebeten, aussagekräftiges Bildmaterial hierzu zur Verfügung zu stellen, um die Prüfung nach Möglichkeit zu beschleunigen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei im öffentlichen Interesse, da das denkmalschutzrechtliche Unterschutzstellungsverfahren nicht erschwert werden solle und die Wirkung der Zurückstellung sichergestellt werden solle.
6
Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2023, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 19. Juni 2023, hat die Antragstellerin Klage erhoben und die Aufhebung des Bescheids vom 16. Mai 2023 beantragt. Über die Klage wurde bisher nicht entschieden (M 8 K 23.3000).
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Mit Schriftsatz vom 22. August 2023 beantragt die Antragstellerin:
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Die aufschiebende Wirkung der mit Schriftsatz vom 19. Juni 2023 erhobenen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Mai 2023 wird wiederhergestellt.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei materiell rechtswidrig, weil das dafür erforderliche besondere Vollzugsinteresse fehle. Die Anordnung des Sofortvollzugs erfordere über das Erlassinteresse hinausgehende besondere Gründe, dass der Verwaltungsakt schon jetzt und nicht erst nach Eintritt der Bestands- oder Rechtskraft verwirklicht, umgesetzt oder vollzogen werde. Ein solches bestehe vorliegend nicht. Insbesondere ergebe sich dies nicht aus der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids. Die Klage habe in der Hauptsache voraussichtlich Erfolg, da der angegriffene Aussetzungsbescheid rechtswidrig sei. Die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 6 BayDSchG seien nicht gegeben. Ein Grund, die Entscheidung für 24 Monate auszusetzen fehle, da diese Zeitspanne für die Klärung der Belange des Denkmalschutzes nicht erforderlich sei. Vielmehr genüge eine einzelne Begehung des Bestandsgebäudes zur Beurteilung der Denkmaleigenschaft. Davon gehe auch der streitgegenständliche Bescheid aus, da dort ausgeführt werde, dass eine endgültige Entscheidung von einer Ortseinsicht abhänge. Das Ermessen im Hinblick auf die Aussetzungsdauer sei fehlerhaft ausgeübt worden. Das Ausschöpfen der maximalen Dauer sei unverhältnismäßig. Im Rahmen des Art. 15 Abs. 6 BayDSchG habe die Untere Denkmalschutzbehörde eine eigene Bewertung und Gewichtung hinsichtlich der unterschiedlichen Belange und Interessen vorzunehmen. Die Schwere der Belastung dürfe für den Bürger nicht außer Verhältnis zu dem Nutzen für den mit einer Maßnahme verfolgten Zweck stehen. Die Behörde sei im Hinblick auf das Übermaßverbot gehalten, die Aussetzungsfrist so lang wie nötig und so kurz wie möglich zu bemessen. Der Bauherr habe bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung. Je länger sich das Bauantragsverfahren verzögere, umso massiver seien die finanziellen Einbußen des Bauherrn. Die pauschale Zurückstellung des Baugesuchs um 24 Monate stehe demgegenüber außer Verhältnis. Es handle sich um die Bewertung eines einzelnen Gebäudes mit durchschnittlicher Komplexität. Aus dem streitgegenständlichen Bescheid ergebe sich, dass sich das Erfordernis einer Prüfung der Denkmaleigenschaft auf den Außenbau beschränke. Nach der gesetzlichen Konzeption handele es sich bei einer zweijährigen Zurückstellung um die maximal zulässige Frist, die nur dann ausgeschöpft werden könne, wenn besonders umfangreiche Untersuchungen angestellt werden müssten.
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Mit Schriftsatz vom 31. August 2023 beantragt die Antragsgegnerin,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Anordnung des Sofortvollzugs sei rechtmäßig. Eine schriftliche Begründung des besonderen Interesses an einer sofortigen Vollziehung sei nicht erforderlich, wenn das öffentliche Interesse bereits aus der Art der getroffenen Verwaltungsmaßnahme folge. Dies sei hier der Fall, da die Aussetzung der weiteren Prüfung des Bauantrags ins Leere gehe, sofern ein Sofortvollzug nicht angeordnet werde. Dies folge insbesondere aus der Möglichkeit einer Genehmigungsfiktion nach Art. 68 Abs. 2 BayBO. Die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 6 BayDSchG würden vorliegen. Nach Auffassung der zuständigen Fachbehörde bestünden Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Gebäude um ein Denkmal handle. Die Ausschöpfung der gesetzlich möglichen Frist sei möglich, da das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege nicht von vornherein von einem kürzeren Zeitrahmen für seine Untersuchung ausgehe. Zum anderen habe die Antragsgegnerin in der Abwägung deutlich gemacht, dass eine Ausschöpfung der Höchstfrist nicht beabsichtigt sei und die Antragstellerin es durch die Zurverfügungstellung von Unterlagen sowie eine zügige Terminvereinbarung für einen Besichtigungstermin selbst in der Hand habe, eine schnelle Klärung und erhebliche Verkürzung der Frist zu erreichen. Für die Überprüfung der Denkmaleigenschaft sei selbstverständlich auch eine Innenbesichtigung erforderlich.
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Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zu den übrigen Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behördenakten sowie die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Klageverfahren (M 8 K 23.3000) Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag ist unbegründet.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig (1) und die vom Gericht im Rahmen des Antrags gem. § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende originäre Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Aussetzung des Bauantragsverfahrens das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt (2.).
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1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden, da sie insbesondere eine den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügende schriftliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung enthält.
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Im Rahmen der Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung sind regelmäßig die besonderen, auf den konkreten Einzelfall bezogenen Gründe anzugeben, die die Antragsgegnerin dazu bewogen haben, die aufschiebende Wirkung auszusetzen. An dieses Begründungserfordernis sind generell keine zu hohen Anforderungen zu stellen; so ist es ausreichend, wenn die Behörde zu erkennen gibt, dass sie die Anordnung der sofortigen Vollziehung für geboten erachtet (BayVGH, B. v. 30.1.2019 – 9 CS 18.2533 – juris Rn. 16). Wenn sich das allgemeine öffentliche Interesse am Vollzug mit dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Wirksamkeit der behördlichen Anordnung deckt, so ist die Wiederholung der Gründe, die für die Anordnung sprechen, ausreichend (BayVGH, B.v. 2.8.2018 – 9 CS 18.996 – juris Rn. 13). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Der vorliegende Fall ist mit der in der Rechtsprechung anerkannten Situation bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Baueinstellung vergleichbar. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist schon aufgrund der Art der getroffenen Verwaltungsmaßnahme im öffentlichen Interesse gerechtfertigt, da das mit der Verfügung verfolgte Ziel ohne Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht erreicht werden könnte (vgl. zur Baueinstellung: BayVGH, B.v. 18.2.2000 – 2 ZS 00.458 – juris Rn. 2). Die Sicherungsfunktion der Aussetzung der Entscheidung über den Bauantrag würde ohne Anordnung des Sofortvollzugs insbesondere wegen des möglichen Eintritts einer Genehmigungsfiktion gem. Art. 68 Abs. 2 BayBO i.V.m. Art. 42a BayVwVfG ins Leere laufen (vgl. zur ebenso zur Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 BauGB: OVG NW, B.v. 16.3.2012 – 2 B 202/12 – juris Rn. 6 und BayVGH, B.v. 13.8.2014 – 22 CS 14.1224 – juris Rn. 14).
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Die Antragsgegnerin hat hier in den Bescheidsgründen darauf hingewiesen, dass die Sicherung der Wirkung der Zurückstellung im öffentlichen Interesse den Sofortvollzug rechtfertige. Sie hat damit dem formellen Begründungserfordernis entsprechend der vorgenannten Vorgaben im vorliegenden Fall ausreichend Rechnung getragen. Ob die Begründung rechtlich zutreffend ist, ist keine Frage der formellen Rechtmäßigkeit der Vollzugsanordnung.
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2. Die Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Aussetzung und dem öffentlichen Vollzugsinteresse fällt zu Lasten der Antragstellerin aus, da die Aussetzung der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung nach summarischer Prüfung im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts rechtmäßig ist und der Rechtsbehalf in der Hauptsache voraussichtlich ohne Erfolg bleibt.
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Im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gem. § 80 Abs. 5 VwGO werden die Interessen der Antragsgegnerin am sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts und die der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage in der Hauptsache abgewogen. Das Gericht trifft eine eigene Ermessenentscheidung darüber, ob das Supensivinteresse der Antragstellerin oder das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin höher zu gewichten ist. Die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache sind als wesentliches, jedoch nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt nach summarischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen Vollziehung. Dagegen stellt es ein gewichtiges Indiz für das Überwiegen des Vollzugsinteresses dar, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache keinen Erfolg verspricht (BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris Rn. 18).
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2.1 Die Aussetzungsanordnung kann sich auf Art. 15 Abs. 6 BayDSchG stützen. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm sind erfüllt.
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Nach Art. 15 Abs. 6 BayDSchG kann die zuständige Behörde die Entscheidung über einen Antrag auf Erlaubnis, Baugenehmigung, baurechtliche Zustimmung oder abgrabungsaufsichtliche Genehmigung auf höchstens zwei Jahre aussetzen, soweit dies zur Klärung der Belange des Denkmalschutzes, insbesondere für Untersuchungen des Baudenkmales und seiner Umgebung erforderlich ist. Eine Anordnung nach Art. 15 Abs. 6 BayDSchG setzt damit voraus, dass die Aussetzung der Entscheidung zur Klärung der Belange des Denkmalschutzes notwendig ist, d.h. dass die zu treffende Entscheidung von einer (weiteren) Klärung der Belange des Denkmalschutzes abhängt, insbesondere erforderliche Untersuchungen über das vom Antrag betroffene Baudenkmal anzustellen sind (vgl. VG München, U.v. 28.7.2014 – M 8 K 13.2937 – juris Rn. 42 f.).
23
Im vorliegenden Fall hat das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege in einer fachlichen Stellungnahme ausgeführt, dass das Bestandsgebäude ab 1909 entstanden sei und ein Zeugnis der bewusst detailreduzierten und auf die Wirkung der Kubatur abgestellten Formensprache des Bauens im Reformstil sei. Aus diesem Grund sei eine Prüfung der Denkmaleigenschaft angezeigt. Dies setze jedoch eine Ortseinsicht mit Besichtigung des Treppenhauses, des Kellers sowie der Dachräume und eine Beurteilung des Erhaltungszustands voraus (vgl. Blatt 46 der Behördenakte). Die von der zuständigen Fachbehörde genannten Anhaltspunkte reichen aus, um die Überprüfung der Denkmaleigenschaft zu rechtfertigen. Es genügt, wenn aus dem Errichtungszeitpunkt des Gebäudes, den vorhandenen Genehmigungsunterlagen und der daraus abgeleiteten Beurteilung der Fachbehörde geschlossen werden kann, dass die in Art. 1 Abs. 1 und 2 BayDSchG genannten Tatbestandsmerkmale für das Vorliegen eines Baudenkmals erfüllt sein könnten. Art. 15 Abs. 6 BayDSchG bringt durch die Formulierung „zur Klärung der Belange des Denkmalschutzes“ zum Ausdruck, dass nicht nur die Beurteilung der an einem bereits in der Vergangenheit als Denkmal erkannten Bauwerk geplanten Maßnahmen, sondern auch die mögliche erstmalige Einstufung als Denkmal eine Aussetzung des Verfahrens rechtfertigt. Ausreichend für die Aussetzung des Verfahrens ist damit ein hinreichend konkreter Verdacht, dass es sich bei dem Bauwerk um ein Denkmal handelt.
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Hier ist aufgrund der ersten Einschätzung durch das für die Beurteilung der Denkmaleigenschaft als maßgebliche Fachbehörde (vgl. Art. 12 Abs. 1 BayDSchG) besonders qualifizierte Bayerische Landesamt für Denkmalpflege hinreichend wahrscheinlich, dass das Bestandsgebäude eine bauliche Anlage aus vergangener Zeit darstellt, die aufgrund einer künstlerischen, geschichtlichen oder städtebaulichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt und damit als Denkmal gem. Art. 1 Abs. 1 BayDSchG einzustufen sein könnte. Die Antragstellerin ist der Einschätzung des Landesamtes, dass das Gebäude ein Denkmal sein könnte, nicht entgegengetreten. Angesichts der besonderen Sachkenntnis des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege ist jedenfalls der konkrete Verdacht, dass es sich um ein Denkmal handeln könnte auch nicht ernstlich zweifelhaft (vgl. zur besonderen Bedeutung der Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalpflege: BayVGH, U.v.18.10.2022 – 1 B 21.672 – juris Rn. 20 m.w.N.). Auch die fehlende Eintragung des Gebäudes in die Denkmalliste steht dem nicht entgegen, da die Eintragung in die Denkmalliste nicht Voraussetzung für die Einordnung als Denkmal ist, sondern nur als bloße Orientierungs- und Subsumtionshilfe dient.
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Die Aussetzung des Bauantragsverfahrens ist auch erforderlich, da eingehende Untersuchungen geboten sind und die geplanten Baumaßnahmen im Fall ihrer Ausführung einen erheblichen Eingriff in Bausubstanz und Gestalt des Gebäudes bedeuten.
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Eine abschließende Beurteilung der Denkmaleigenschaft setzt regelmäßig voraus, dass auch der Erhaltungszustand und der Umfang der verbliebenen originalen Bausubstanz überprüft wird. Eine ausschließlich anhand des äußeren Eindrucks und der Akten vorgenommene Einstufung als Denkmal wäre angesichts der damit verbundenen rechtlichen Folgen und Einschränkungen für den Eigentümer nicht hinreichend rechtssicher, um diese in das laufende Bauantragsverfahren einzuführen.
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Mit der beantragten Baumaßnahme wird unmittelbar in die Substanz des Gebäudes eingegriffen. Insbesondere wird das für die Gestalt des Gebäudes und für die historische Substanz bedeutende Dachgeschoss teilweise ersetzt. Darüber hinaus ist die Anbringung von Balkonen an der Fassade beabsichtigt. Beide Maßnahmen haben erheblichen Einfluss auf die Substanz und das Erscheinungsbild des Bauwerks. Sollte es sich um ein Baudenkmal handeln, wäre im Rahmen des Erlaubnisverfahrens zu prüfen, ob nach Art. 6 Abs. 1 BayDSchG die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands geboten wäre. Der Erhalt denkmalwürdiger Bausubstanz wäre im Fall der Erteilung einer Baugenehmigung oder des Eintritts einer Genehmigungsfiktion und der Realisierung des streitgegenständlichen Vorhabens nicht mehr möglich. Der Verlust der Bausubstanz und die Veränderung des äußeren Erscheinungsbilds könnte nicht mehr verhindert werden, so dass vor Zulassung der beantragten baulichen Veränderungen eine Prüfung der Belange des Denkmalschutzes erfolgen muss und eine Aussetzung der Entscheidung geboten ist.
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2.2 Die Anordnung ist im Rahmen der nach § 114 Satz 1 VwGO eingeschränkten Prüfungskompetenz des Gerichts auch hinsichtlich der Ermessensausübung nicht zu beanstanden.
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Die Antragsgegnerin konnte insbesondere auch zu Recht davon ausgehen, dass die Klärung der Belange des Denkmalschutzes nicht innerhalb der für die Bearbeitung des Bauantrags zur Verfügung stehenden Zeit erfolgen kann. Sie ist für die Einstufung des Gebäudes als Denkmal auf die fachliche Expertise des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege angewiesen und dessen Beurteilung bedarf einer Ortsbesichtigung unter Mitwirkung der Antragstellerin. Erst nach Durchführung derselben kann die Prüfung durch das Bayerische Landesamtes für Denkmalpflege fortgesetzt werden. Angesichts der zeitlichen Ungewissheit, die sich aus der notwendigen Mitwirkung anderer Beteiligter ergibt, ist zumindest nicht vorhersehbar, ob die Prüfung der Denkmalbelange noch vor Ablauf der Frist des Art. 68 Abs. 2 BayBO i.V.m. Art. 42a Abs. 2 BayVwVfG abgeschlossen werden kann. Eine Aussetzung der Entscheidung über den Bauantrag ist aufgrund dieser Ungewissheit auch bei Berücksichtigung des Interesses der Antragstellerin an einer raschen Entscheidung über den Bauantrag gerechtfertigt.
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2.3 Auch soweit die Antragsgegnerin in der streitgegenständlichen Verfügung eine Aussetzung des Bauantragsverfahrens für die Höchstdauer von zwei Jahren angeordnet hat, begegnet der Bescheid im gegenwärtigen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts keinen durchgreifenden Bedenken.
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Der Gesetzgeber hat in Art. 15 Abs. 6 BayDSchG zum Ausdruck gebracht, dass die Sozialbindung des Eigentums eine Verzögerung eines geplanten Bauvorhabens zur Prüfung denkmalrechtlicher Belange bis zur Dauer von zwei Jahren rechtfertigt (vgl. Martin, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 2019, Art. 15 Rn. 54). Eine vergleichbare Verzögerung von Baumaßnahmen wird auch etwa im Bereich des Bauplanungsrechts (§§ 14 Abs. 1, 17 BauGB) ohne Weiteres als mit dem Eigentumsrecht vereinbar angesehen.
32
Gleichwohl handelt es sich nach dem Gesetzeswortlaut um eine Höchstfrist, die unterschritten werden muss, wenn deren vollständige Ausschöpfung nicht erforderlich ist, weil der Zweck der Aussetzung nicht (mehr) gefährdet ist (vgl. zur Regelung des § 15 Abs. 1 BauGB: Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Mai 2023, § 15 Rn. 46 und SächsOVG, B.v. 24.5.2018 – 1 B 96/18 – juris Rn. 9). Die Ausschöpfung der Höchstfrist ist jedoch solange nicht zu beanstanden, als sich der zeitliche Rahmen für die denkmalpflegerischen Prüfungen nicht bestimmen lässt. Aufgrund der Ungewissheit über die von der Antragsgegnerin nicht zu beeinflussenden Zeitabläufe bei den Beteiligten, ist der Zweck der Aussetzung durch eine kürzere Frist gefährdet. Erst wenn die Antragsgegnerin über die notwendigen Informationen Dritter verfügt, ist sie in der Lage, die denkmalpflegerischen Belange bei der Entscheidung über den Bauantrag zu berücksichtigen und ist der Sicherungszweck des Art. 15 Abs. 6 BayDSchG erfüllt.
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Im vorliegenden Fall kann die Antragsgegnerin nicht abschätzen, innerhalb welchen Zeitraums die Antragstellerin die erforderliche Besichtigung des Gebäudeinneren ermöglichen wird und bis wann die zuständige Fachbehörde gegebenenfalls eingehendere Prüfungen abschließen kann. Da das Vorliegen der Denkmaleigenschaft an sich zu klären ist, kommt es nicht darauf an, dass die geplante Baumaßnahme nicht den vollständigen Ersatz des Gebäudes beinhaltet. Inhalt der Prüfung sind nicht die geplanten Änderungen, sondern die künstlerische, geschichtliche oder städtebauliche Bedeutung des Bauwerks und dessen Denkmalwürdigkeit im Gesamten. Die Ungewissheit über den damit einhergehenden Umfang und die Intensität der erforderlichen Prüfungen sowie die Frage der hinreichenden Mitwirkung der Antragstellerin rechtfertigt hier zunächst die Ausschöpfung des höchstzulässigen zeitlichen Rahmens für eine Aussetzung des Bauantrags.
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Dies entbindet die Antragsgegnerin jedoch nicht davon, das Verfahren zur Feststellung der Denkmaleigenschaft möglichst zügig abzuschließen und das Bauantragsverfahren unverzüglich fortzusetzen. Im Falle eines Denkmalverdachts und einer zur Klärung der Denkmaleigenschaft erlassenen Verfügung ist die Bauaufsichtsbehörde gehalten, regelmäßig nachzuprüfen, ob es dem Bauherrn weiterhin zugemutet werden kann, dass er an der Ausführung seines Vorhabens gehindert ist (vgl. VG München, U.v. 30.11.2017 – 11 K 15.5680 – juris Rn. 34 m.w.N.). Gleiches gilt für die hier angeordnete Aussetzung des Verfahrens. Eine übermäßige Verfahrensdauer und nicht nachvollziehbare Verzögerungen dürfen nicht grenzenlos zu Lasten der von der Aussetzung betroffenen Antragstellerin gehen (vgl. VG München, U.v. 30.11.2017 a.a.O. Rn. 49). Sofern die Antragstellerin an der Überprüfung der Denkmaleigenschaft mitwirkt und die Fachbehörde eine Beurteilung vorgenommen hat, ist die Antragsgegnerin verpflichtet, den streitgegenständlichen Bescheid aufzuheben und die Bearbeitung des Bauantrags auch schon vor dem Ablauf der Höchstfrist fortzusetzen. Dies hat die Antragsgegnerin sowohl in dem Bescheid als auch in ihrer Stellungnahme im vorliegenden Verfahren anerkannt und zum Ausdruck gebracht.
35
Die Antragstellerin ist für den Fall, dass die Antragsgegnerin den genannten Verpflichtungen zur Verfahrensbeschleunigung nicht nachkommt, auch in der Lage, dies gerichtlich geltend zu machen. Der streitgegenständliche Bescheid kann bei seiner Aufrechterhaltung trotz Abschluss der Klärung der denkmalfachlichen Belange oder längerem Nichtbetreiben des Verfahrens auch nach dessen Erlass rechtswidrig werden (vgl. zur vergleichbaren Situation bei der Baueinstellung: BayVGH, B.v. 19.7.2007 – 2 CS 06.3083 – juris Rn. 48). Durch einen Antrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO könnte die Antragstellerin die nachträgliche Rechtswidrigkeit der Aussetzungsentscheidung auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geltend machen.
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3. Die Antragstellerin trägt als unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO).
37
Der Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.