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VG München, Urteil v. 18.10.2023 – M 28 K 22.2260
Titel:

Straßenausbaubeiträge, Härteausgleich, Entscheidung der Härtefallkommission, Mitwirkungspflichtverletzung, Eigentumsnachweis, Unvollständiger Grundbuchauszug

Normenkette:
KAG Art. 19a
Schlagworte:
Straßenausbaubeiträge, Härteausgleich, Entscheidung der Härtefallkommission, Mitwirkungspflichtverletzung, Eigentumsnachweis, Unvollständiger Grundbuchauszug
Fundstelle:
BeckRS 2023, 37292

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.   

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Gewährung des ihr versagten Härteausgleichs wegen der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen.
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Die Klägerin wurde von der Stadt … mit Bescheid vom 6. Dezember 2017 für das Grundstück mit der Flurnummer 125/1 der Gemarkung … zu einer Vorausleistung für einen Straßenausbaubeitrag i.H.v. 8.701,69 Euro herangezogen, die sie vollständig bezahlt hat.
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Mit einem seitens des Beklagten zur Verfügung gestellten Formblattantrag beantragte sie am 24. September 2019 hierfür die Gewährung eines Härteausgleichs und legte den vorgenannten Bescheid, einen Einkommenssteuerbescheid sowie die Seite 4 eines Auszugs aus dem Grundbuch von … und eine Flurkarte mit einer Darstellung des vorgenannten Grundstücks bei. Der Antrag ging am 29. September 2019 bei der Geschäftsstelle der Härtefallkommission ein. Am 22. Dezember 2019 übermittelte die Klägerin den am 9. Dezember 2019 ergangenen Endabrechnungsbescheid der Stadt …, der eine endgültige Beitragssumme von 8.105,45 Euro festsetzte.
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Mit Schreiben vom 6. Oktober 2020 forderte der Beklagte die Klägerin zur Nachreichung von Unterlagen auf. Es fehlten die Kopie des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2017 und ein „aktueller Eigentumsnachweis (max. sechs Monate alt) z.B. in Form eines Grundbuchauszuges, oder Bestätigung der Gemeinde/Stadt, Auszug aus dem Liegenschaftskataster; hieraus müssen die Eigentumsverhältnisse am betreffenden Grundstück und ggf. beitragspflichtige dingliche Nutzungsrechte ersichtlich sein; ein Grundsteuerbescheid alleine reicht hierfür jedenfalls nicht aus.“ Es wurde eine Frist zur Vorlage bis 10. November 2020 gesetzt und folgende Belehrung erfolgte: „Liegt mit Ablauf der Frist kein vollständiger Antrag mit allen angeforderten Nachweisen vor, wird der Antrag gemäß Art. 19a Abs. 6 Satz 3 Kommunalabgabengesetz ohne weitere Prüfung abgelehnt; dies gilt nicht, wenn Sie den Termin unverschuldet versäumen und dies unverzüglich glaubhaft machen.“
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Am 9. November 2020 übermittelte die Klägerin per E-Mail den Lohnsteuerbescheid für das Jahr 2017 und die Seiten 2 und 5 eines Auszugs aus dem Grundbuch von … jeweils in eingescannter digitaler Form. Der Eingang wurde in der Behördenakte am Tag des Eingangs mit dem Betreff „A. … an GHK; 09.11.2020; ESt-Bescheid … und … A. …t 2017; Grundbuch (nur S. 1 und 5)“ abgelegt.
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Mit Bescheid vom 21. März 2022 lehnte der Beklagte die Gewährung eines Härteausgleichs ab, da die Klägerin keinen Nachweis vorgelegt habe, aus dem das Eigentum an dem Grundstück, auf das die Belastung zurückgeht, zum Zeitpunkt der Antragstellung eindeutig hervorgehe. Sie sei der Mitwirkungsaufforderung der Härtefallkommission trotz Fristsetzung und Belehrung über die Folgen einer unentschuldigten Fristversäumung nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen.
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Gegen diesen Bescheid, zur Post gegeben am 25. März 2022, richtet sich die Klage vom 21. April 2022, erhoben mit Schriftsatz vom selben Tag und dem Antrag:
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Es wird beantragt, den streitgegenständlichen Bescheid mit dem Aktenzeichen … aufzuheben und den beantragten Härteausgleich zu gewähren.
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Zur Begründung wurde vorgetragen, es seien sämtliche geforderte Unterlagen fristgemäß per E-Mail nachgereicht worden. Es sei der Klägerin nicht bewusst gewesen, dass dieser Nachweis im Hinblick auf die Eigentümerstellung bzgl. des streitgegenständlichen Grundstücks aus Sicht der Beklagten nicht genügte. Für den Beklagten sei ausweislich des Ablagevermerks in der Akte klar ersichtlich gewesen, dass nur Seite 1 und 5 eingereicht wurden und hieraus und möglicherweise für sich genommen das Eigentum noch nicht nachgewiesen werden konnte. Wenn aber schon 2020 dieser offensichtliche Rechtsirrtum bekannt war, so sei nicht nachzuvollziehen, weshalb die Klägerin nicht noch einmal darauf hingewiesen worden ist, sie hätte sogleich einen umfangreicheren Grundbuchauszug übermitteln können. Darüber hinaus sei festzuhalten, dass der Beklagte ohne Weiteres anhand der übermittelten Informationen die Eigentümerstellung der Klägerin nachprüfen könne. Es werde nicht verkannt, dass es sich hier um ein Massenverfahren handelt, jedoch dürfte es sich hier um eine einzigartige Konstellation handeln, in der Nachweise geliefert wurden, die es ohne Weiteres ermöglichten, eine entsprechende Überprüfung seitens der Beklagten als Freistaat Bayern vorzunehmen bzw. zumindest noch einmal auf das offensichtlich fehlende Rechtsverständnis der Klägerin insofern hinzuweisen.
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Mit Schriftsatz vom 12. September 2022 beantragte der Beklagte,
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die Klage abzuweisen.
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Der Antrag der Klagepartei sei wegen eines Verstoßes gegen die Mitwirkungsobliegenheit abzulehnen gewesen. Mit dem Antragsformular seien lediglich die Seite vier eines Grundbuchauszuges sowie eine Flurkarte eingereicht worden. Da aus der Seite vier des Grundbuchauszuges zwar der Eigentümer für die auf dem Grundbuchblatt eingetragenen Flurstücke hervorgeht, diese Flurstücke aber nicht ersichtlich sind, stelle diese keinen geeigneten Nachweis für das Eigentum im Zeitpunkt der Antragstellung dar. Auch die Flurkarte sei kein geeigneter Nachweis, weder enthalte sie ein Erstellungsdatum noch gingen aus ihr Informationen zum Eigentümer der abgebildeten Flurstücke hervor. Auch könnten die beiden Unterlagen nicht kombiniert werden, da sie sich nicht aufeinander beziehen. Die Klagepartei sei deshalb mit Schreiben vom 6. Oktober 2020 aufgefordert worden, einen geeigneten Eigentumsnachweis vorzulegen. Im Nachforderungsschreiben sei die Klagepartei darauf hingewiesen worden, dass es sich um einen aktuellen Eigentumsnachweis handeln müsse. Die daraufhin nachgereichten Seiten zwei und fünf von zehn eines Grundbuchauszuges des Blattes 4348 der Gemarkung … vom 28. Oktober 2020 wiesen zwar die Klagepartei als Eigentümerin aus. Aus den Nachreichungen gehe jedoch nicht hervor, auf welche Flurnummer sich der Grundbuchauszug bezieht, denn die Seite(n), auf der die auf dem Grundbuchblatt geführten Grundstücke gelistet sind, wurden wieder nicht eingereicht. Ein weiterer Hinweis der Härtefallkommission oder eine erneute Fristsetzung zur Nachbesserung habe auch nicht als erforderlich erachtet werden müssen, da bereits im Nachforderungsschreiben mit Setzen der Ausschlussfrist darauf hingewiesen worden sei, dass eine weitere Prüfung auch bei andauernder Unvollständigkeit des Antrags nicht mehr stattfinden werde. Ebenso habe eine formale Anhörung vor Erlass des Ablehnungsbescheides nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG im Ermessen der Behörde vorgelegen, da es sich um eine Entscheidung in einem Masseverfahren handle, bei der gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen wurden. In einem Masseverfahren könne ein Zuwendungsgeber das Verfahren im Lichte des Art. 10 Satz 2 BayVwVfG so ausgestalten, dass die Entscheidungsfindung grundsätzlich nach möglichst effizienten Abläufen erfolgt. Angesichts einer Anzahl von knapp 20.000 Anträgen im rechtlichen Sinn, bei denen in vielen Fällen aufgrund offensichtlich unzutreffender bzw. unvollständiger Angaben ein Nachfragebedarf bestanden hätte, wäre ein Nachfragen schlechterdings nicht mehr leistbar gewesen. Anders als von der Klagepartei in der Klageschrift vermutet, handle es sich nicht um einen Einzelfall und die Dauer des Verfahrens sei unter anderem den ohnehin notwendigen Nachfragen aufgrund der Unvollständigkeit der Antragsunterlagen wie auch im Fall der Klagepartei.
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Mit Schreiben vom 4. Januar 2023 legte die Klagepartei einen vollständigen und aktuellen Grundbuchauszug vor. Die Beklagtenpartei erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 23. Februar 2023, hieraus erwachse nicht nachträglich ein Anspruch. Ein erst im Rahmen des Klageverfahrens vorgelegter Eigentumsnachweis könne wegen der klaren gesetzgeberischen Vorlage in Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG zu keiner anderen rechtlichen Bewertung führen.
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In der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2023 war die Klagepartei nicht vertreten. Weder die Klägerin noch ihr Bevollmächtigter sind erschienen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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A) Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Klagepartei in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten entsprechend § 102 Abs. 2 VwGO in der ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden waren.
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B) Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Härteausgleichs und ist daher durch den streitgegenständlichen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO.
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Anteiligen Ausgleich besonderer Härten aus dem vom Beklagten errichteten Härtefallfonds wegen zwischen 1. Januar 2014 und 31. Dezember 2017 erhobener Straßenausbaubeiträge konnte nur beanspruchen, wer bei Antragstellung Eigentümer oder beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigter des Grundstücks war, auf das die Belastung zurückgeht, Art. 19a Abs. 1 und Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG.
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Nach Art. 19a Abs. 6 Satz 1 KAG hat jeder Antragsteller bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken und geforderte Unterlagen oder Nachweise beizubringen. Die Kommission kann nach Art. 19a Abs. 6 Satz 2 KAG für die Mitwirkung angemessene Fristen setzen. Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG sieht vor, dass ein Antrag ohne weitere Prüfung abgelehnt wird, wenn der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht fristgerecht nachkommt und auf Verlangen der Kommission nicht unverzüglich glaubhaft macht, dass die Verspätung nicht auf seinem Verschulden beruht.
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Die Klägerin hatte auch auf Nachforderung ihr Eigentum an dem Grundstück, auf das die Belastung zurückgeht, im nach Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung, nicht hinreichend nachgewiesen. Die darin liegende Mitwirkungspflichtverletzung rechtfertigt die ablehnende Entscheidung des Beklagten.
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Wie der Beklagte zutreffend ausführt, lässt sich aus den vorgelegten Seiten 4 von 9 bzw. 1 und 5 von 10 des Auszugs aus Band 132 Blatt 4348 des Grundbuchs von … das Eigentum an dem Grundstück mit der Flurnummer 125/1 der Gemarkung … nicht zweifelsfrei feststellen. Der dem Antrag beigefügte Auszug aus der Flurkarte enthält keine Bezugnahme auf das Grundbuchblatt i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 Grundbuchordnung – GBO. Eine Verknüpfung ist nur über das Bestandsverzeichnis möglich, welches gem. § 4 Grundbuchverfügung – GBV – einen von drei Bestandteilen des Grundbuchblatts darstellt und aus welchem gem. § 6 Abs. 3a Nrn. 1 und 2 GBV die Gemarkung und Flurnummer ersichtlich sind.
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Aufgrund der Nachreichung des vollständigen Grundbuchauszugs im Klageverfahren wäre zwar nachträglich belegt, dass die Klägerin bei Antragstellung Eigentümerin des Grundstücks war, auf das die Belastung zurückgeht; hierauf kommt es indes nicht an. Aus Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG ergibt sich, dass es allein nicht genügt, wenn das Eigentum bei Antragstellung objektiv bestanden hat, sondern ein vollständiger und aus sich heraus verständlicher Nachweis dafür vorliegen musste. Die Klägerin hatte hier die ihr obliegende Mitwirkungspflicht nicht erfüllt und entgegen der insoweit eindeutigen Nachforderung („…müssen die Eigentumsverhältnisse am betreffenden Grundstück […] ersichtlich sein…“) einen nur unvollständigen Grundbuchauszug nachgereicht. Die Regelung des Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auch auf eine zeitnahe und vollständige, den einmalig zur Verfügung stehenden Härtefallfonds ausschöpfende Abwicklung der zur Gewährung eines Härteausgleichs durchzuführenden (Antrags-)Verwaltungsverfahren abzielt (vgl. LT-Drs. 18/1552, S. 4), ginge ins Leere und wäre überdies mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der Ausfluss des in Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verankerten Rechtsstaatsprinzips ist, nicht zu vereinbaren, wenn es hier möglich wäre, eine versäumte oder unzureichende Mitwirkungshandlung wie die vollständige Vorlage der notwendigen Nachweise zum Beleg für das Bestehen einer Antragsbefugnis im Sinn von Art. 19a Abs. 7 Satz 4 KAG bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung nachzuholen (vgl. VG Augsburg, U.v. 6.7.2023 – Au 2 K 22.915 – juris, Rn. 29 m.w.N.).
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Die Härtefallkommission war auch nicht gehalten, unter Hinweis auf die Unvollständigkeit des Grundbuchauszugs nochmals einen Grundbuchauszug mit Bestandsverzeichnis nachzufordern. Das Nachforderungsschreiben vom 6. Oktober 2020 war hinsichtlich der Anforderung, dass aus dem nachzureichenden Nachweis das Eigentum an dem betreffenden Grundstück hervorgehen muss, eindeutig formuliert. Dass die vorgelegten Nachweise aus Sicht der Klägerin in der Zusammenschau ihr Eigentum nachvollziehbar belegt haben mögen, vermag keine Abschwächung der ihr nach Art. 19a Abs. 6 Satz 1 KAG obliegenden Mitwirkungspflichten zu bewirken. Diese durften angesichts der Freiwilligkeit der Leistungen aus dem Härtefallfonds, vgl. Art. 19a Abs. 8 KAG, und der zwangsläufigen Ausgestaltung des Ausgleichsverfahrens als Masseverfahren erhöht ausfallen. Durch die Statuierung von Mitwirkungspflichten sollte insbesondere die Handhabbarkeit der zu erwartenden Anträge erreicht werden (LT-Drs. 18/1552, S. 4). Bei eindeutiger Bezeichnung der nachgeforderten Unterlagen und Nachweise war es der Härtefallkommission mit Blick auf die Intention des Gesetzgebers nicht verwehrt, die Rechtsfolge des Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG auch dann anzuwenden, wenn Unterlagen und Nachweise zwar fristgerecht eingingen, aber unzureichend waren. Ob der Beklagte unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Antragstellern – denen gegenüber er gerichtsbekannt genauso vorging – überhaupt berechtigt zur Nachforderung gewesen wäre, kann hier offen bleiben.
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Nach alledem entsprach es den gesetzlichen Vorgaben, den Antrag der Klägerin unter Verweis auf die nicht anforderungsgemäß nachgewiesene Antragsbefugnis abzulehnen.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.